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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 17.06.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 69/08
Rechtsgebiete: BGB, SGB V


Vorschriften:

BGB § 611
SGB V § 6 Abs. 4
SGB V § 257 Abs. 1 S. 1
Nettolohnvereinbarung - Pflicht des Arbeitgebers, auch Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zu tragen.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 69/08

Verkündet am: 17. Juni 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2008 durch den Richter am Arbeitsgericht Neumeier sowie die ehrenamtlichen Richter Holzamer und Geißler für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.12.2007 - Az.: 4a Ca 10738/07 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Auszahlung von Abzügen vom Lohn der Klägerin für Sozialversicherungsbeiträge infolge einer Nettolohnvereinbarung.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.10.1991 als Verkäuferin beschäftigt.

Ursprünglich war ihre Arbeitgeberin das Juweliergeschäft K., dessen Inhaberin Frau K. mittlerweile verstorben ist. Frau K. wurde von der Erbengemeinschaft I. beerbt, die mit Wirkung vom 02.01.2007 das Geschäft auf die Fa. I. GmbH & Co. KG, die jetzige Beklagte, übertragen hat. Mittlerweile ist das Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung beendet.

Am 14.05.2004 schlossen die damalige Inhaberin des Juweliergeschäfts Frau K. und die Klägerin eine Vereinbarung mit folgendem Inhalt: "Es wird Folgendes vereinbart: Ab 01.06.2004 erhält Frau B. ein monatliches Gehalt in Höhe von Euro 3.000,00 netto. Die Zahlungen für Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie das vereinbarte Fahrgeld werden zusätzlich vergütet. Die von Frau K. festgelegten Vereinbarungen und Details über den Status von Frau B. als vorerst stellvertretende und zukünftige Geschäftsführerin werden noch schriftlich in Form eines Vertrages bestätigt." (vgl. Bl. 5 d. A.)

Die Vereinbarung wurde zum damaligen Zeitpunkt geschlossen, da die Klägerin beabsichtigte, eine Stelle bei einem anderen Arbeitgeber anzunehmen. Infolgedessen wurde ihr ursprüngliches Entgelt von € 2.400,81 brutto auf € 3.000,-- netto angehoben.

Die Klägerin erhielt ab Juli 2004 bis zum Ende des Jahres einen Nettolohn in Höhe von € 3.000,-- abzüglich vermögenswirksamer Leistungen ausbezahlt. Die Bruttovergütung belief sich dabei auf € 6.110,27, wobei die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge in Höhe von insgesamt € 3.110,27 die Arbeitgeberin trug.

Infolge der Lohnvereinbarung vom 14.05.2004 überschritt die Klägerin die Jahresarbeitsentgeltgrenze für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung mit der Folge, dass sie nicht mehr pflichtversichert war. Dies wirkte sich bei ihr wegen § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V erst mit Ablauf des Kalenderjahres aus, in dem die Jahresentgeltgrenze überschritten worden war. Damit endete die Versicherungspflicht zum 31.12.2004.

Ab Januar 2005 versicherte sich die Klägerin freiwillig bei der gesetzlichen Kranken-und Pflegeversicherung.

Die Klägerin erhielt weiterhin einen Nettoverdienst in Höhe von € 3.000,--. Die Beklagte zahlte ihr einen Zuschuss zum Krankenkassenbeitrag. Der gesamte Beitrag zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung wurde dann vom Nettoverdienst der Klägerin in Abzug gebracht und im Wege des Firmenzahlerverfahrens an die Krankenkasse überwiesen. Infolgedessen erhielt sie nicht mehr die vollen € 3.000,-- netto ausbezahlt. Der Auszahlungsbetrag verringerte sich um folgende Beträge: von Januar bis Juli 2005 um € 334,22, von August bis November 2005 um € 350,09, im Dezember 2005 um € 330,15, von Januar bis Juli 2006 um € 357,38, von August bis Dezember 2006 um € 353,38, im Januar 2007 um € 369,41 und von Februar bis September 2007 um € 329,53. Im Zeitraum von Januar 2005 bis Januar 2007 war im Abzugsbetrag ein Betrag in Höhe von jeweils € 39,88 für vermögenswirksame Leistungen enthalten.

Ohne Berücksichtigung der abgezogenen vermögenswirksamen Leistungen wurden insofern insgesamt € 10.367,61 vom Nettolohn der Klägerin in Abzug gebracht. Im gleichen Zeitraum von Januar 2005 bis September 2007 erhielt sie einen Beitragszuschuss der Beklagten zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von € 9.198,48.

Der Bruttolohn der Klägerin betrug im Dezember 2006 € 5.308,11 und im Januar 2007 € 5.176,31.

Die Klägerin wandte sich im Januar 2005, als sie die Lohnabrechnung erhalten hatte und ersichtlich war, dass der Auszahlungsbetrag nicht mehr € 3.000,-- netto betrug, sondern unter Abzug des Beitrags zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung lediglich ein Betrag in Höhe von ca. € 2.600,-- netto zur Auszahlung kam, an die Beklagte. Der Klägerin wurde von einer Mitarbeiterin der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten und von Frau Rechtsanwältin N. erklärt, dass sie als freiwillig Versicherte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung selbst bezahlen müsse und nicht der Arbeitgeber und dieser Beitrag als Serviceleistung durch den Arbeitgeber nach Lohnabzug überwiesen werde. Die Klägerin akzeptierte dieses Verfahren.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Lohnabzüge aus dem Zeitraum von Januar 2005 bis September 2007 von der Nettolohnvergütung in Höhe von € 3.000,--eingeklagt, einschließlich der abgezogenen vermögenswirksamen Leistungen.

Sie war erstinstanzlich der Auffassung, dass sie Anspruch auf die einbehaltenen Lohnbestandteile, welche als Sozialversicherungsbeiträge und vermögenswirksame Leistung jeweils abgeführt worden seien, habe, da sie mit der ursprünglichen Arbeitgeberin am 14.05.2004 eine Nettolohnvereinbarung in Höhe von € 3.000,-- getroffen habe. Diese Nettolohnvereinbarung sei so zu verstehen, dass sie in jedem Fall € 3.000,-- netto als Auszahlungsbetrag erhalten sollte. Aufgrund der Auslegung der Nettolohnvereinbarung zwischen den steuer- und sozialversicherungsrechtlich nicht bewanderten Parteien sei diese so zu verstehen, dass ihr in jedem Fall € 3.000,--netto zufließen sollten. Dieser Betrag sollte ihr unabhängig davon zustehen, ob sie gesetzlich oder freiwillig krankenversichert wäre.

Die Klägerin beantragte erstinstanzlich,

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 11.663,30 netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.11.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte:

Klageabweisung

und hilfsweise für den Fall, dass die Zahlungsklage der Klägerin Erfolg haben sollte,

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte € 10.355,01 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Sie war der Auffassung, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Auszahlung der Differenz des jeweiligen ausbezahlten Betrages zum Betrag von € 3.000,-- netto habe, da aufgrund des Überschreitens der Jahresentgeltgrenze die Klägerin aus der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung herausgefallen sei. Die Nettolohnvereinbarung sei aber so zu verstehen, dass der Arbeitgeberseite lediglich die aus dem Nettolohn sich ergebenden steuerlichen sowie sonstigen gesetzlichen Abzüge zur Last fallen sollten. Da die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung keine gesetzlichen Abzüge seien, seien diese von der Beklagten nicht zu tragen gewesen, sondern hätten vom Nettolohn der Klägerin in Abzug gebracht werden dürfen. Die Beklagte habe nur die Pflicht der Klägerin, die Beiträge an die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen, im Wege der sog. Firmenzahlerlösung übernommen. Die Klägerin habe sich mit diesem Vorgehen auch einverstanden erklärt.

Soweit der Klage stattgegeben würde, stehe jedenfalls der Beklagten ein Aufrechnungsanspruch mit den bezahlten Zuschüssen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin zu, da diese hierauf keinen Anspruch gehabt habe. Die Klägerin sei verpflichtet, die nicht durch Aufrechnung erloschenen Rückzahlungsansprüche bezüglich des Zuschusses des Arbeitgebers zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zurückzuzahlen.

Die Klägerin beantragte,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte sei zur Zahlung des Zuschusses aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften verpflichtet gewesen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften der ersten Instanz Bezug genommen.

Mit dem angegriffenen erstinstanzlichen Endurteil vom 12.12.2007 hat das Arbeitsgericht München der Klage in Höhe eines Betrages von € 10.347,26 netto stattgegeben, im Übrigen die Klage und die Widerklage abgewiesen. Es hat dies damit begründet, dass die Beklagte als Betriebsübernehmerin die Nettolohnvereinbarung vom 14.05.2004 gegen sich gelten lassen müsse. Der Nettolohnanspruch sei wegen der vorgenommenen Abzüge nicht vollständig erfüllt worden. Das Nettogehalt i. S. der Vereinbarung vom 14.05.2004 sei der Betrag, den die Beklagte als Arbeitgeberin ohne Abzug aller Steuern und Sozialabgaben an die Klägerin als Arbeitnehmerin auszuzahlen hätte. Hierzu seien auch die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zu rechnen. Dies ergebe sich aus der Auslegung der Vereinbarung. Nach dem Empfängerhorizont sei die vorliegende Nettolohnvereinbarung nach der Laiensphäre so zu verstehen, dass der genannte Nettobetrag derjenige Betrag sein sollte, der nach Abzug sämtlicher Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an die Klägerin fließen sollte. Dabei sei die Vereinbarung unabhängig davon getroffen worden, ob sie gesetzlich oder freiwillig krankenversichert sei. Lediglich die vermögenswirksamen Leistungen habe die Beklagte aufgrund der Vereinbarungen der Klägerin zulässigerweise abgezogen. Daher sei die Klage zum Teil abzuweisen gewesen. Die Aufrechnung mit den bezahlten Zuschüssen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung greife nicht, da die Beklagte aufgrund von § 257 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Zahlung des Beitragszuschusses verpflichtet gewesen sei. Infolgedessen sei auch die Widerklage abzuweisen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten mit Schriftsatz vom 22.01.2008, beim Landesarbeitsgericht München eingegangen am 23.01.2008. Die Beklagte trägt im Rahmen der fristgerechten Begründung der Berufung vor, die Vereinbarung vom 14.05.2004 habe nicht der Auslegung bedurft. Brutto- und Nettovergütung seien eindeutige Begriffe. Unter Nettovergütung sei die Vergütung zu verstehen, welche sich aus der Bruttovergütung unter Abzug von Steuern und gesetzlicher Abzüge ergebe. Da die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung keine gesetzlichen Abzüge seien und es sich dabei um eine private Regelung der Klägerin gehandelt habe, sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, auch die Beiträge hierfür zu übernehmen. Vielmehr habe sie diese vom Nettolohn in Abzug bringen dürfen, nachdem sich die Klägerin mit der sog. Firmenzahlerlösung einverstanden erklärt habe. Infolge des Fehlens einer ausdrücklichen zusätzlichen Übernahmevereinbarung habe die Klägerin verstanden, dass sie die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung und nicht die Beklagte schulde und insofern die Beträge abgezogen werden durften. Die Geltendmachung verstoße damit auch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, da die Klägerin sich im Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten setze. § 257 Abs. 1 Satz 1 SGB V gelte im Übrigen nur bei Bruttolohnvereinbarungen. Der Zuschuss sei damit in den € 3.000,-- mit enthalten gewesen und hätte ansonsten zusätzlich aufgeführt werden müssen.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 12.12.2007 - Az.: 4a Ca 10738/07 - wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt:

Zurückweisung der Berufung.

Sie ist der Auffassung, dass die getroffene Nettolohnvereinbarung nach dem Verständnis der Parteien so zu verstehen sei, dass die Klägerin in jedem Fall die vereinbarte Nettovergütung ohne Abzüge erhalten sollte. Bei der vereinbarten Nettovergütung habe es sich in jedem Fall um den Auszahlungsbetrag handeln sollen. Unterschiede bezüglich des Bestehens einer gesetzlichen oder einer freiwilligen Versicherung seien nicht gemacht worden.

Im Übrigen wird auf den Sachvortrag der Parteien in den Schriftsätzen vom 27.02.2008, 18.04.2008 und 21.05.2008 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 17.06.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Die gem. § 64 Abs. 2 b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht im Urteil vom 12.12.2007 der Klage insoweit stattgegeben, als von der Nettovergütung der Klägerin die Beiträge zu ihrer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Abzug gebracht wurden und damit die vereinbarte Vergütung in Höhe von € 3.000,-- netto unterschritten wurde. Auf die insoweit zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts München wird verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Übrigen ist zum Vortrag im Rahmen der Berufung Folgendes zu ergänzen:

a) Die zwischen den damaligen Parteien des Arbeitsverhältnisses getroffene Vereinbarung vom 14.05.2004 war ursprünglich so getroffen worden, dass die Parteien übereinstimmend vereinbarten, dass die Klägerin als Auszahlungsbetrag € 3.000,-- netto erhalten sollte. Dies ergibt sich aus der Praktizierung dieser Vereinbarung in der zweiten Jahreshälfte 2004. Die Klägerin erhielt insoweit, abzüglich der vermögenswirksamen Leistungen, den Betrag in Höhe von € 3.000,-- netto vollständig ausbezahlt. Die jeweiligen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge trug die damalige Arbeitgeberin.

b) Des Weiteren sind die Parteien im Rahmen des Sachvortrags übereinstimmend der Auffassung, dass die Nettolohnvereinbarung von in steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Dingen nicht bewanderten Personen getroffen wurde. Die vormalige Inhaberin und die Klägerin hatten sich nach übereinstimmender Ansicht der Parteien keine Vorstellungen darüber gemacht, welche sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen die getroffene Nettolohnvereinbarung haben würde. Insbesondere das Überschreiten der Jahresentgeltgrenze war nach Ansicht beider Parteien den die Vereinbarung schließenden Personen nicht bewusst.

Aufgrund dieses fehlenden Problembewusstseins war tatsächlich im Wege der Auslegung dieser Nettolohnvereinbarung zu ermitteln, wie die Parteien diese verstanden hätten, wenn sie das Problem der Überschreitung der Jahresentgeltgrenze bedacht und die Konsequenzen der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin gesehen hätten (vgl. Schaub Arbeitsrechtshandbuch 12. Aufl. § 71 Rdnr. 113). Denn wenn sich die zum Zeitpunkt des Treffens der Nettolohnvereinbarung bestehenden Umstände im Nachhinein ändern, stellt sich die Frage, wer die Konsequenzen daraus tragen muss. Insbesondere stellt sich die Frage, ob bei Änderungen hinsichtlich der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge dies zulasten des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers gehen soll.

Lediglich, wenn sich bezüglich der zu klärenden Frage aus der Erklärung selbst eine eindeutige Antwort ergäbe, kann auf die Auslegung verzichtet werden. Dies ist aber nicht der Fall, da die Parteien bezüglich der Sozialversicherungsbeiträge keine Regelung aufgenommen haben.

c) Nach der Rechtsprechung sind Verträge nach § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Neben § 157 BGB ist auch § 133 BGB heranzuziehen.

Zunächst ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Nach der Ermittlung des Wortsinns sind in einem weiteren Auslegungsschritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung mit einzubeziehen, soweit sie dem Erklärungsempfänger bekannt sind. Und schließlich ist auch die Entstehungsgeschichte mit zu berücksichtigen (vgl. z. B. BAG AP Nr. 9 zu § 611 BGB Nettolohn).

Hieraus ergibt sich im vorliegenden Fall Folgendes:

Der Beklagten ist unzweifelhaft zuzugeben, dass die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung keine gesetzlichen Abzüge darstellen. Der sozialversicherungsrechtliche Begriff des Arbeitsentgelts differenziert zwischen Brutto- und Nettoarbeitsentgelt, wobei Letzteres das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Bruttoarbeitsentgelt ist. Zu den gesetzlichen Lohn- und Gehaltsabzügen gehören u. a. Lohn- und Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag, die gesetzlichen Anteile des Arbeitnehmers zu den Beiträgen der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie zur Bundesanstalt der Arbeit, nicht aber die vom Versicherten entrichteten Beiträge zu einer freiwilligen Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 19.12.1991 - 4/1 RA 85/90).

Letztlich ist ausgehend davon durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien bei Treffen der Nettolohnvereinbarung diese so gemeint haben, dass die Arbeitgeberseite lediglich die gesetzlichen Abzüge übernehmen sollte oder auch evtl. freiwillige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Der reine Wortsinn der Erklärung gibt darüber keinen Aufschluss, da der Begriff "Euro 3.000,00 netto" keinen Aufschluss darüber gibt, ob damit die oben genannte übliche Verwendung des Nettobegriffs oder der Auszahlungsbetrag, der speziell für Arbeitnehmer in der Regel von maßgeblicher Bedeutung ist, gemeint war.

Ergänzend ist daher auf die Begleitumstände abzustellen.

Nachdem die Parteien nach dem übereinstimmenden Sachvortrag die Problematik der Überschreitung der Jahresentgeltgrenze bei der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin nicht bedacht haben, ist ausgehend von der Vereinbarung und den Umständen, unter denen sie getroffen wurde, zu ermitteln, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie das Problem gesehen hätten.

Die Kammer ist dabei der Auffassung, dass die Parteien tatsächlich von einem Auszahlungsbetrag in Höhe von € 3.000,-- netto ausgegangen sind. Zum einen ergibt sich dies daraus, dass für steuer- und sozialversicherungsrechtlich nicht gebildete Personen grundsätzlich der Nettobetrag mit dem Auszahlungsbetrag identisch ist (vgl. Schaub a. a. O.). Der Arbeitnehmer versteht normalerweise unter dem Nettoentgelt den Betrag, den er tatsächlich am Monatsende erhält. Zu berücksichtigen bei dieser Auslegung ist auch die Tatsache, dass die vormalige Inhaberin Frau Kraus der Klägerin das Angebot gemacht hat, um einen Stellenwechsel der Klägerin zu verhindern. Dabei ist davon auszugehen, dass das Angebot von Frau K. nicht etwaige Unwägbarkeiten hinsichtlich der Höhe von Abzügen beinhalten sollte, sondern klar den Betrag nennen sollte, der letzten Endes in die Kasse der Klägerin fließen sollte.

Darüber hinaus hat die Kammer auch vor allem den Umstand gewürdigt, dass sich unter Umsetzung der Nettolohnvereinbarung in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2004 eine Belastung der Arbeitgeberseite letzten Endes in Höhe von € 3.110,27 ergeben hat. Die damalige Arbeitgeberin war also bereit, eine entsprechende Belastung zu tragen. Infolge der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin betrug aber das insgesamt von der Beklagten aufzuwendende Entgelt über die € 3.000,-- netto hinaus einen Betrag in Höhe von € 2.894,14. Damit hatte sich die Belastung der Arbeitgeberseite verringert. Eine weitere Verringerung der Belastung des Arbeitgebers ergab sich noch im Januar 2007 durch die Verringerung der steuer-und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge. Ausgehend von dieser aus den Lohnabrechnungen der Klägerin ersichtlichen Belastungen der Arbeitgeberseite kann geschlossen werden, dass, wenn die Parteien die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen der Nettolohnvereinbarung bedacht hätten, jedenfalls auch die Bereitschaft der Arbeitgeberseite bestanden hätte, die nunmehr verringerten steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Beiträge ebenso zu übernehmen, wie sie vorher bereit war, die steuerrechtlichen Abgaben und die gesetzlichen sozialversicherungsrechtlichen Beiträge zu zahlen.

d) Damit ist die Nettolohnvereinbarung aber derart auszulegen, dass der Betrag in Höhe von € 3.000,-- tatsächlich derjenige sein sollte, der der Klägerin zufließen sollte. Daran ändert auch die vonseiten der Beklagten vorgetragene Einverständniserklärung der Klägerin mit dem Lohnabzug nichts. Denn diese Vereinbarung, soweit sie überhaupt geschlossen wurde, erfolgte im Hinblick darauf, dass der Klägerin vonseiten einer Kanzleiangestellten bzw. von Frau Rechtsanwältin N. erklärt worden war, dass die freiwilligen Krankenkassenbeiträge vonseiten der Klägerin zu tragen seien. Insofern ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihr Einverständnis lediglich infolge der fälschlicherweise mitgeteilten Rechtsansicht der Beklagtenvertreter erteilt hat. Nicht hingegen ist diese Vereinbarung dahingehend auszulegen, dass die Klägerin, hätte sie die fehlende Berechtigung zum Lohnabzug gekannt, ihr Einverständnis ebenfalls erklärt hätte. Damit kann ihre Einverständniserklärung nur dahingehend verstanden werden, dass sie mit der Abführung der Beiträge im Wege des Firmenzahlerverfahrens durch die Beklagte nur unter der Prämisse einverstanden war, dass auch eine entsprechende Verpflichtung ihrerseits bestand, die Beiträge selbst zu tragen. Da die Voraussetzung dieser Vereinbarung jedoch nicht bestanden hat, die Klägerin tatsächlich nicht notwendigerweise die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung aus ihrem Nettolohn tragen musste, ist die Grundlage dieser Vereinbarung entfallen. Jedenfalls hat die Klägerin damit nicht eine Abänderung der Nettolohnvereinbarung herbeigeführt, da auch nach dem Verständnis der Beklagten weiterhin die Nettolohnvereinbarung in Höhe von € 3.000,-- bestand. Die Klägerin hat auch nicht auf den abgezogenen Teil ihres Nettolohns verzichtet, da ein entsprechendes Bewusstsein, den Anspruch auf einen Teil ihres Nettolohns aufzugeben, nicht vorhanden war. Vielmehr hat sie lediglich ihr Einverständnis zur Abführung der Beiträge an die Krankenkasse erklärt, ohne ihrerseits den damit bestehend bleibenden restlichen Nettolohnanspruch aufzugeben. Jedenfalls konnte die Beklagte das Verhalten der Klägerin nur so verstehen, dass diese lediglich bei tatsächlichem Bestehen einer Berechtigung des Lohnabzugs auf die restliche Nettolohnvergütung verzichten würde. Da dies, wie oben dargestellt, nicht der Fall war, hat die Klägerin weiterhin Anspruch auf den bisher noch nicht ausbezahlten Teil ihrer Nettolohnvergütung. Ein widersprüchliches Verhalten ihrerseits liegt insoweit auch nicht vor, da sie, infolge der Unterweisung durch Vertreter der Beklagten, lediglich deshalb ihr Einverständnis mit dem Lohnabzug erteilt hat, weil sie von der rechtlichen Berechtigung hierzu ausgegangen ist.

e) Soweit die Beklagte im Rahmen der Berufung die Aufrechnung mit den von ihr geleisteten Zuschüssen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin weiterhin aufrechterhalten haben sollte, was den Schriftsätzen nicht eindeutig zu entnehmen ist, insbesondere nachdem auch der Widerklageantrag nicht gestellt wurde, so scheitert die Aufrechnung jedenfalls an § 257 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dieser Vorschrift ist auch nicht zu entnehmen, dass die Zuschusspflicht lediglich im Falle einer Bruttolohnvereinbarung besteht. Auch wenn die Parteien eine Nettolohnvereinbarung getroffen haben, so steht dahinter doch die beiderseitige Vorstellung, dass der sich daraus zu errechnende Bruttolohn letzten Endes geschuldet sein soll. Demgemäß stünde auch eine Nettolohnvereinbarung der Zuschusspflicht nicht entgegen. Der Zuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung wäre auch nicht Bestandteil der Nettovergütung, sodass etwa diese Zahlung zusätzlich vereinbart werden müsste. Damit ergibt sich aber auch keine aufrechenbare Gegenforderung der Beklagten.

Da somit die infolge des Lohnabzugs noch nicht bezahlte Nettolohnvergütung noch offen steht, war die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.12.2007 zurückzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, inwieweit auch freiwillige Krankenversicherungsbeiträge, die nicht zu den gesetzlichen Abzügen zählen, im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung vom Arbeitgeber zu tragen sind, wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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