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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 10.02.2009
Aktenzeichen: 8 Sa 892/08
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 4
BGB § 242
Das Recht zur Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung kann nicht nur dadurch verwirken, dass außerhalb des Geltungsbereichs von § 4 Satz 1 KSchG der Arbeitnehmer mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage zu lange abwartet, sondern auch dadurch, dass er innerhalb des Geltungsbereichs von § 4 Satz 1 KSchG nach rechtzeitig erhobener Klage den Kündigungsschutzprozess über einen längeren Zeitraum (im Streitfall: drei Jahre) nicht betreibt.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

8 Sa 892/08

Verkündet am: 10.02.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Biebl und die ehrenamtlichen Richter Braun und Stöckl

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 18.09.2008 - Az. 23 Ca 6803/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 25.02.2003, Weiterbeschäftigung sowie die Entfernung zweier Abmahnungen aus der Personalakte.

Der am 0.0.1958 geborene Kläger war bei der Beklagten, damals firmierend unter AG. GmbH und zum Al.-Konzern gehörend, seit 01.04.2000 gegen ein Jahresgehalt von zuletzt ca. € 0.- brutto beschäftigt. Zu seiner Tätigkeit heißt es in § 2 des Arbeitsvertrages vom 29.11.2000:

"1. Herr V. wird in einem außertariflichen Anstellungsverhältnis als Leiter Rechnungswesen in M. vollbeschäftigt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden.

2. Aufgaben, organisatorische Zuordnung und Verantwortlichkeiten werden im Einzelnen durch die AG. GmbH bestimmt. Die Gesellschaft behält sich vor, den Arbeitnehmer innerhalb der Gesellschaft und vorübergehend in Gesellschaften, die mit der AG. GmbH wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden sind, auch an einem anderen Ort einzusetzen oder ihm eine andere oder zusätzliche Tätigkeit zu übertragen, die seiner Eignung und seinen Fähigkeiten entspricht.

3. Der Arbeitnehmer erklärt sich deshalb hiermit bereit, auf Wunsch der Gesellschaft in dieser Zeit auch eine andere Tätigkeit, ggf. auch unter Veränderung des Arbeitsortes, zu übernehmen."

In einer E-Mail des Klägers vom 11.04.2002, die er nach seinem Vortrag auf Wunsch seines damaligen Vorgesetzten verfasste, heißt es unter dem Betreff "in eigener Sache":

"Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

heute möchte ich mich an Sie wenden, um über einige personelle und strukturelle Veränderungen im Controlling und Rechnungswesen zu berichten.

Zunächst freue ich mich, Frau S. und Frau L. begrüßen zu können. Sowohl Frau S. als auch Frau L. bringen bereits umfangreiche Kenntnisse aus dem Rechnungswesen mit und werden als weitere Referentinnen in dem Bereich Bilanzen (Frau S.) und Finanzen/Debitoren (Frau L.) eine wesentliche Entlastung für unser Rechnungswesen bringen. Ich wünsche Frau S. und Frau L. viel Spaß und Erfolg.

Für mich wird nach fast zweieinhalb Jahren AG. GmbH Mitte des Jahres der Zeitpunkt meines Austritts aus der AG. GmbH kommen, um plangemäß in die Al. Hauptverwaltung zurückzukehren.

Das bedeutet, jetzt bereits die Weichen dafür zu stellen. Ab dem 01.05. wird Herr Ka. das Controlling führen. Dazu wünsche ich ihm viel Erfolg und Freude.

Als Nachfolger im Bereich Rechnungswesen/Finanzen wurde Herr E. bestellt. Herr E. tritt zum 01.05. in die AG. GmbH ein und wird sich, solange ich noch da bin, in sein zukünftiges Aufgabenfeld einarbeiten. Viel Erfolg und Freude wünsche ich ihm für seine neue Aufgabe.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, noch bin ich zwar eine ganze Weile mit an Bord, danke Ihnen aber bereits heute für die gute Zusammenarbeit und verbleibe mit herzlichen Grüßen Ihr V."

Ab Anfang August 2002 war der Kläger freigestellt und begründete zum 01.01.2003 ein anderweitiges Arbeitsverhältnis, das bis zum 30.06.2008 bestand.

Mit Schreiben vom 28.11.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2002. Dagegen erhob der Kläger am 19.12.2002 Kündigungsschutzklage und - für den Fall des Obsiegens - Klage auf Weiterbeschäftigung zum Arbeitsgericht München, das nach Eingang der Klage Termin zur Güteverhandlung bestimmte auf den 11.03.2003, 15.30 Uhr.

Mit Anwaltsschreiben vom 22.01.2003 wandte sich die Beklagte an die Prozessbevollmächtigten des Klägers wie folgt: "Sehr geehrte Herren Kollegen, im Auftrag der Beklagten Firma AG. GmbH teilen wir Ihnen mit, dass die Kündigung zum 28.11.2002 verbindlich für gegenstandslos erklärt wird und dass wir keinerlei Rechtsfolgen daraus ableiten.

Herr V. wird aufgefordert, am Montag, 27. Januar 2003 um 09.00 Uhr persönlich bei Herrn R. zur Arbeitsaufnahme zu erscheinen."

Darauf antworteten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 24.01.2003:

"Sehr geehrte Herr Kollege Dr. Ko., ...

Wir dürfen Sie diesbezüglich zunächst um Vorlage einer Vollmachtsurkunde bitten. Eine solche liegt uns bisher nicht vor. Ob Sie ständig den Arbeitgeber vertreten, ist uns nicht bekannt. Im Hinblick auf die Tragweite der Angelegenheit auch für Ihre Mandantschaft bitten wir um Verständnis.

Soweit Sie für Ihre Mandantschaft die Kündigung vom 28.11.2002 "verbindlich für gegenstandslos" erklären, ist an dieser Stelle bereits darauf hinzuweisen, dass die einseitige Zurücknahme einer Arbeitgeberkündigung (bzw. deren Erklärung für gegenstandslos) nicht möglich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist in der entsprechenden Erklärung des Arbeitgebers vielmehr ein Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu sehen, das der Arbeitnehmer annehmen oder ablehnen kann (BAG NJW 83, 1628). Dem Arbeitnehmer ist insoweit in entsprechender Anwendung des § 12 KSchG, § 151 S. 2 BGB eine Überlegungsfrist von einer Woche einzuräumen. Unser Herr Mandant wird daher entsprechend in der nächsten Woche erklären. Bereits jetzt ist allerdings weiter darauf hinzuweisen, dass die Erklärung der bloßen Gegenstandslosigkeit der Kündigung nicht ausreichend ist. Ihre Mandantschaft mag daher im anhängigen gerichtlichen Verfahren ein Anerkenntnis des hiesigen Klageanspruchs zu Protokoll geben. Insbesondere muss unser Herr Mandant seinen Weiterbeschäftigungsanspruch in titulierter Form gesichert haben.

Soweit Ihre Mandantschaft um kurzfristige Arbeitsaufnahme bereits am Morgen des 27.01.2003 gebeten hat, müssen wir zu unserem Bedauern leider mitteilen, dass eine solche bereits aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen ausscheiden muss. Unabhängig von der Überlegungsfrist ist es so, dass unser Herr Mandant in Erfüllung seiner Verpflichtung gemäß § 11 Nr. 2 KSchG zwischenzeitlich ein anderweitiges Arbeitsverhältnis begründen musste. Es unterliegt dort selbstverständlich einer vertraglichen Verpflichtung, insbesondere hat er vertragliche Kündigungsfristen einzuhalten. Nachdem Ihrer Mandantschaft der Umstand der anderweitigen Beschäftigung bekannt ist, verwundert es doch sehr, wie Ihre Mandantschaft nur auf die Idee kommen kann, derart kurzfristig um Arbeitsaufnahme zu ersuchen."

Mit Schreiben vom 31.01.2003 wandten sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten an die Prozessbevollmächtigten des Klägers wie folgt: "Sehr geehrter Herr Kollege B., ...

Sie haben keinerlei Anspruch auf Vorlage einer Vollmacht im Original. Trotzdem haben wir unsere Mandantschaft gebeten, Ihnen eine Vollmacht im Original per Boten zukommen zu lassen, Sie werden diese noch heute erhalten. ...

Festzuhalten ist jedenfalls, dass Sie das in unserem Schreiben vom 22.01.2003 enthaltene Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bisher nicht, auch nicht innerhalb der Wochenfrist, angenommen haben. Es drängt sich deshalb der Eindruck auf, dass Ihr Mandant ernsthaft an einer Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses nicht interessiert ist.

Wir geben Ihrem Mandanten hiermit letztmalig Gelegenheit, sich bis Dienstag, 04. Februar 2003, 20.00 Uhr abschließend dahingehend zu erklären, ob und ggf. ab wann er unter Einhaltung der Probezeit-Kündigungsfrist bei seinem neuen Arbeitgeber das Anstellungsverhältnis bei unserer Mandantin wieder aufnehmen möchte. ..."

Eine Erklärung des Klägers oder seiner Prozessbevollmächtigten hierzu erfolgte nicht.

Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 10.02.2003 eine Abmahnung wie folgt: "Sehr geehrter Herr V., entgegen der Aufforderung unseres Anwalts (Schreiben vom 31.01.2003) haben Sie sich nicht dazu geäußert, ob und ggf. wann (unter Einhaltung der Probezeitkündigungsfrist bei Ihrem neuen Arbeitgeber) Sie das Anstellungsverhältnis bei AG. GmbH wieder aufnehmen möchten. Wir mahnen Sie deshalb ab und fordern Sie auf, spätestens am Mittwoch, den 12.02.2003, 9.00 Uhr bei Herrn R. zur Arbeit zu erscheinen.

Im Wiederholungsfall haben Sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung Ihres Anstellungsvertrages zu rechnen."

Nachdem der Kläger seine Arbeit nicht wieder aufnahm, erteilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 13.02.2003 eine weitere Abmahnung, die lautet:

"Sehr geehrter Herr V.,

mit Schreiben vom 10. Februar 2003, welches wir Ihnen per Boten am selben Tag zugestellt haben, forderten wir Sie auf, spätestens am Mittwoch, den 12.02.2003, 9.00 Uhr zur Arbeit zu erscheinen.

Dieser Aufforderung sind Sie unentschuldigt nicht gefolgt. Die unentschuldigte Missachtung dieser Aufforderung stellt einen schwerwiegenden Verstoß Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dar. Wir mahnen Sie deshalb ab und fordern Sie auf, spätestens am Montag, den 17. Februar 2003, 9.00 Uhr bei Herrn R. zur Arbeit zu erscheinen.

Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, haben Sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung Ihres Anstellungsvertrages zu rechnen."

Nachdem der Kläger wiederum nicht zur Arbeit erschien, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.02.2003 fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.03.2003.

Am 11.03.2003 fand eine Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht München statt, an der für den Kläger dessen Prozessbevollmächtigter, für die Beklagte deren Prozessbevollmächtigter und deren Personalleiter Herr G. teilnahmen. In dem Protokoll über die Güteverhandlung heißt es:

"Die Parteien erörtern den Sach- und Streitstand.

Im Einverständnis mit den Parteien verkündet der Vorsitzende folgenden Beschluss:

Neuer Termin wird auf Antrag einer Partei bestimmt werden. Terminsende: 15.48 Uhr"

Am selben Tag ging beim Arbeitsgericht München um 16.28 Uhr per Telefax ein auf den 10.03.2003 datierter Klageerweiterungsschriftsatz ein, in dem sich der Kläger gegen die Kündigung vom 25.02.2003 sowie die Abmahnungen vom 10.02. und 13.02.2003 wandte und in dem es eingangs heißt:

"Es wird um förmliche Zustellung dieser Klageerweiterung gebeten. Wir werden nunmehr namens und im Auftrag des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragen zu erkennen: ..."

Mit Schriftsatz vom 21.10.2003 wandte sich die Beklagte an das Arbeitsgericht wie folgt:

"... regen wir an, beim Kläger nachzufragen, ob er die Klage aufrecht erhalten möchte. Der Kläger hatte in der Güteverhandlung erklärt, dass er bei erfolgreichem Überstehen seiner Probezeit die Klage zurücknehmen werde."

Daraufhin verfügte der Vorsitzende am 04.12.2003 "Abschrift an KV m. der Bitte um Stellungnahme". Laut Konstatierung der Geschäftsstelle wurde am 09.12.2003 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers folgendes Schreiben formlos zur Post gegeben: "Sehr geehrte Damen und Herren, anbei erhalten Sie den Schriftsatz vom 21.10.2003 mit der Bitte um Stellungnahme."

Mit Schriftsatz vom 14.03.2006 stellte der Kläger einen Terminsantrag wie folgt:

"... beantrage ich den Fortgang des Verfahrens und die Anberaumung einer Kammerverhandlung. Außergerichtliche Vergleichsbemühungen müssen als gescheitert betrachtet werden."

Daraufhin fand am 16.11.2006 ein Termin zur Verhandlung vor der Kammer statt, in dessen Anschluss das Arbeitsgericht am 14.12.2006 einen Beschluss verkündete, nach dem der Kläger die Kosten des Rechtsstreits trägt. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, das Verfahren sei durch eine fingierte Klagerücknahme analog § 54 Abs. 5 Satz 4 ArbGG beendet, sodass der Kläger nach § 269 Abs. 3 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht München mit Beschluss vom 23.04.2008 - Az.: 8 Ta 435/06 - die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben und es angewiesen, "das Verfahren über die im Klageerweiterungsschriftsatz vom 10. März 2003, Ziff. 2. bis 4. gestellten Anträge fortzusetzen".

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 25.02.2003 sei rechtsunwirksam, weil weder ein außerordentlicher noch ein ordentlicher Kündigungsgrund bestehe. Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats werde bestritten. Die Abmahnungen vom 10.02. und 13.02.2003 seien rechtsunwirksam und deshalb aus seiner Personalakte zu entfernen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 25.02.2003 nicht aufgelöst ist, sondern unverändert fortbesteht.

2. Hilfsweise für den Fall des Obsiegens:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Leiter Rechnungswesen weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 10.02.2003 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 13.02.2003 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch das Nichtbetreiben des Kündigungsschutzprozesses über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren sein Klagerecht verwirkt. Sie habe nach so langer Zeit nicht mehr damit rechnen müssen, von ihm belangt zu werden und sich darauf eingerichtet, indem sie die im Hinblick auf prozessuale Risiken gebildeten Rückstellungen zum 31.12.2003 aufgelöst habe. Seine Stelle sei sodann in zwei Stellen aufgespaltet und endgültig nachbesetzt worden. Leiterin Rechnungswesen sei jetzt Frau Anette Hä., Leiterin Controlling Frau Angelika Hu. Außerdem sei die Kündigung vom 25.02.2003 wirksam, weil der Kläger trotz der Abmahnungen vom 10.02. und 13.02.2003 seine Arbeit nicht wieder aufgenommen habe. Der bei ihr bestehende Betriebsrat sei am 17.02.2003 schriftlich angehört worden und habe unter dem 24.02.2003 schriftlich mitgeteilt, dass er sich zur außerordentlichen Kündigung, bei der die Anhörungsfrist bereits abgelaufen sei, verschweige und der hilfsweise ordentlichen Kündigung zustimme.

Der Kläger hat erwidernd die Auffassung vertreten, ein Fall der Verwirkung liege nicht vor, die Kündigungsschutzklage sei rechtzeitig erhoben worden. Nach der Terminlosstellung des Verfahrens im Gütetermin vom 11.03.2003 habe die Beklagte damit rechnen müssen, dass der Rechtsstreit zu irgendeinem Zeitpunkt vom Gericht terminiert werden würde, folglich könne es keinen Vertrauenstatbestand geben. Die Beklagte verschweige auch geflissentlich, dass der Wiederaufruf durch den Kläger nur erforderlich geworden sei, nachdem sie auf ein Schreiben des Klägers vom 27.02.2006, mit dem sie zu außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen aufgefordert worden sei, nicht reagiert und sich jeglicher Lösung verschlossen habe. Die Kündigung vom 25.02.2003 hat der Kläger für unwirksam gehalten, weil die Beklagte die Kündigung vom 28.11.2002 nicht habe einseitig zurücknehmen können und er deshalb nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei. Selbst wenn eine Arbeitspflicht bestanden hätte, mangele es an einem Verschulden seinerseits, weil er vertraglich gebunden gewesen sei und er das anderweitige Arbeitsverhältnis frühestens zum 31.03.2003 mittels Kündigung hätte beenden können.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 18.09.2008 der Klage stattgegeben und gemeint, eine Verwirkung des Klagerechts sei "noch nicht" eingetreten, weil zwar das Zeitmoment, nicht jedoch das Umstandsmoment erfüllt sei. Denn der Kläger habe ab der Güteverhandlung vom 11.03.2003 "schlicht und einfach gar nichts getan bis zum Schriftsatz vom 14.03.2006". Die Kündigung vom 25.02.2003 und die zuvor ausgesprochenen Abmahnungen vom 10.02. und 13.02.2003 seien schon deshalb unwirksam, weil eine Arbeitsverweigerung des Klägers mangels Arbeitspflicht zu dieser Zeit nicht vorgelegen habe. Ergänzend wird wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das ihr am 01.10.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25.09.2008 Berufung eingelegt und diese mit einem am 01.12.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hält unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags daran fest, dass der Kläger sein Klagerecht verwirkt habe, weil er im Anschluss an die Güteverhandlung vom 11.03.2003 das Verfahren über drei Jahre lang terminlos ruhen ließ, bis er mit Schriftsatz vom 14.03.2006 Terminsantrag stellte. Durch sein Verhalten sei bei ihr die Überzeugung entstanden, er werde definitiv aus seinem neuen Arbeitsverhältnis nicht zu ihr zurückkehren und dementsprechend auch seine Klage nicht weiterverfolgen. Im Vertrauen darauf habe sie über seinen Arbeitsplatz verfügt und seine unverzichtbaren Aufgaben in der Folgezeit mehrfach umverteilt. Des Weiteren meint sie, die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei auch in kündigungsrechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Nachdem sie ihre - betriebsbedingte - Kündigung vom 28.11.2002 verbindlich für gegenstandslos erklärt habe, habe sie erwarten dürfen, dass sich der Kläger innerhalb angemessener Frist, wie von ihm selbst in Aussicht gestellt, äußere. Stattdessen habe er den Ablauf seiner Bedenkzeit, die Aufforderung vom 31.01.2003 sowie die anschließende Abmahnung vom 10.02.2003 ignoriert und sich durch sein beharrliches Schweigen grob illoyal verhalten. Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt formalrechtlich keine Arbeitspflicht bestanden haben sollte, sei er zumindest verpflichtet gewesen, die Beklagte nicht unangemessen lange im Unklaren zu lassen, ob er auf den Arbeitsplatz zurückkehre oder nicht.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 18.09.2008 - Az.: 23 Ca 6803/06 - wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Sachvortrags die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Terminlosstellung des Verfahrens in der Güteverhandlung vom 11.03.2003 habe einen Vertrauenstatbestand der Beklagten nicht begründen können, weil das Verfahren durch einfachen Antrag jederzeit habe fortgesetzt werden können. Es sei nicht zutreffend, dass sein Prozessbevollmächtigter in der Güteverhandlung eine Erklärung abgegeben habe, wonach der Kläger bei Überstehen der Probezeit die Klage zurücknehmen wolle. Der Schriftsatz der Beklagten vom 21.10.2003 sei der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten nicht zugestellt worden. Wenn ihr an einer zügigen Klärung des Streitverhältnisses gelegen gewesen wäre, hätte die Beklagte selbst jederzeit die Anberaumung eines Verhandlungstermins beantragen können. Zum Kündigungsgrund ist der Kläger der Auffassung, nach der Kündigung vom 28.11.2002 habe keine Arbeitspflicht mehr bestanden. Die Beklagte hätte deshalb nicht erwarten dürfen, dass Angaben zum Rückkehrzeitpunkt gemacht würden. Er habe zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Kenntnis gehabt, ob und wann sie den Klageanspruch anerkennen würde. Selbst wenn man von einer entsprechenden Äußerungspflicht ausgehen wollte, handle es sich um einen völlig marginalen Pflichtverstoß, der nicht ohne vorherige Abmahnung den Ausspruch einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung rechtfertigen würde. Die beiden Abmahnungen vom 10.02. und 13.02.2003 stellten diesbezüglich keine Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinne dar.

Ergänzend wird wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beklagten vom 01.12.2008 und 09.02.2009, den Schriftsatz des Klägers vom 04.02.2009 sowie das Sitzungsprotokoll vom 10.02.2009.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet, weil der Kläger das Recht zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.02.2003 verwirkt hat. Infolgedessen ist sein in zulässiger Weise nur für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage gestellter Antrag auf Weiterbeschäftigung nicht zur Entscheidung angefallen, einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 10.02. und 13.02.2003 aus seiner Personalakte hat der Kläger nicht.

1. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet.

a) Nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kann das Recht, außerhalb des Geltungsbereichs von § 4 Satz 1 KSchG gegen eine Kündigung Klage zu erheben, verwirken. Das Klagebegehren ist danach verwirkt, wenn der Kläger die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt (Zeitmoment) und dadurch ein Vertrauenstatbestand beim Beklagten geschaffen wurde, er werde nicht mehr gerichtlich belangt werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht mehr innerhalb angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zuzumuten ist (BAG 20.05.1988 - 2 AZR 711/87 - AP BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 und 02.12.1999 -8 AZR 890/98 - AP BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 6 (Rn. 19); KR-Rost, 8. Aufl., § 7 KSchG Rn. 36; APS/Ascheidt/Hesse, 3. Aufl., § 7 KSchG Rn. 5a und APS/Biebl, aaO., § 13 KSchG Rn. 63; HWK/Quecke, 3. Aufl., § 7 KSchG Rn. 4; von Hoyningen-Huene/ Linck, 14. Aufl., § 4 KSchG Rn. 5; MünchKomm BGB/Hergenröder, 4. Aufl., § 7 KSchG Rn. 6 - jeweils m. w. N.). Hat der Arbeitnehmer das Recht zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung verwirkt, ist die Klage als unbegründet abzuweisen (KR-Rost, aaO., Rn. 38; HWK/Guecke, ebd.; MünchKomm BGB/Hergenröder, ebd.). Daran hat das Bundesarbeitsgericht auch nach der Neufassung des § 4 Satz 1 KSchG festgehalten (vgl. BAG 13.02.2008 - 2 AZR 864/06 - AP SGB IX § 85 Nr. 5). Da der Kläger mit seiner am 11.03.2003 per Telefax beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung die Kündigung vom 25.02.2003 innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG rechtzeitig angegriffen hat, ist eine Verwirkung wegen verspäteter Klageerhebung nicht eingetreten.

b) Das Recht zur Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung kann aber nicht nur dadurch verwirken, dass der Arbeitnehmer mit der Erhebung seiner Kündigungsschutzklage zu lange abwartet, sondern auch dadurch, dass er nach rechtzeitig erhobener Klage den Kündigungsschutzprozess über einen längeren Zeitraum nicht betreibt. Denn die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung und mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens verwandt. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dient dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten (§ 242 BGB) ausgeschlossen (BAG, ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 15.02.2007 -8 AZR 431/06 - AP BGB § 613a Nr. 320 und vom 21.08.2008 - 8 AZR 201/07 - NZA 2009, 29 - jeweils m. w. N.). Eine illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ist aber nicht nur dann denkbar, wenn (zunächst) ein Recht nicht eingeklagt wird, sondern auch dann, wenn zwar Klage erhoben, diese aber vom Kläger über einen längeren Zeitraum nicht betrieben wird. Die Möglichkeit, dass bei erhobener, aber vom Kläger nicht betriebener Klage auch der in Anspruch Genommene prozessual den Fortgang des Verfahrens erzwingen kann, schließt eine Verwirkung nicht grundsätzlich aus, sondern ist bei der Frage, ob das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment vorliegt, zu berücksichtigen.

c) Die Verwirkung des Rechts zur Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung durch Nichtbetreiben des Kündigungsschutzprozesses setzt - wie jede Verwirkung - voraus, dass der gekündigte Arbeitnehmer sein Recht über einen bestimmten Zeitraum hin nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage war (sog. Zeitmoment) und sich der kündigende Arbeitgeber wegen dieser Untätigkeit des Berechtigten bei objektiver Beurteilung darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde, sodass ihm insgesamt deshalb dessen Befriedigung nicht zuzumuten ist (sog. Umstandsmoment). Zum Zeitablauf müssen deshalb besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzukommen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts mit Treu und Glauben als unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (BAG, ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 25.04.2001 - 5 AZR 477/99 - BAGE 97, 326, vom 24.05.2006 - 7 AZR 201/05 - NZA 2006, 1364, vom 12.12.2006 - 9 AZR 747/06 - NZA 2007, 396 und vom 21.08.2008 - 8 AZR 201/07 -, aaO., Rn. 34 - jeweils m. w. N.). Bei der Beurteilung, ob Verwirkung gegeben ist, muss die Länge des Zeitablaufs (Zeitmoment) in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment gesetzt werden. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung des Anspruchs durch den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann der Anspruch verwirken (BAG 13.07.2006 - 8 AZR 382/05 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 1 und 21.08.2008 -8 AZR 201/07 -, aaO., Rn. 35). Angesichts des in § 4 KSchG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens und der wichtigen Rolle, die bei der Verwirkung des Rechts zur Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung der Zeitablauf spielt (KR-Rost, aaO., § 7 Rn. 39), bedeutet die Wechselwirkung zwischen Zeit- und Umstandsmoment aber auch, dass, je länger der Berechtigte seinen Anspruch nicht geltend macht, desto geringer die Anforderungen an das Umstandsmoment sind.

d) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger das Recht zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.02.2003 durch Nichtbetreiben des Kündigungsschutzprozesses verwirkt.

aa) Das Zeitmoment ist erfüllt, weil der Kläger nach der ausweislich des Protokolls mit seinem Einverständnis in der Güteverhandlung vom 11.03.2003 erfolgten Terminlosstellung des Verfahrens rund drei Jahre, nämlich bis zu seinem Terminsantrag im Schriftsatz vom 15.03.2006, den Kündigungsschutzprozess nicht betrieben hat. Soweit der Kläger meint, aufgrund seiner Klageerweiterung vom 10.03.2003, mit der er u. a. Klage gegen die Kündigung vom 25.02.2003 erhob, hätte das Arbeitsgericht von Amts wegen das Verfahren terminieren müssen, vermag dem die Kammer nicht zu verfolgen. Denn die knapp eine Stunde nach Beendigung der Güteverhandlung vom 11.03.2003 beim Arbeitsgericht per Telefax eingegangene Klageerweiterung enthielt keinen - ausdrücklichen -Terminsantrag, sodass das Arbeitsgericht davon ausgehen durfte, die bereits am 10.03.2003, also einen Tag vor der Güteverhandlung, verfasste Klageerweiterung diene allein der Einhaltung der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG und stelle die im Gütetermin "vereinbarte" Terminlosstellung des Verfahrens nicht in Abrede. Hätte der Kläger tatsächlich mit der Klageerweiterung vom 10.03.2003 das Verfahren entgegen der im Gütetermin vom 11.03.2003 erfolgten Terminlosstellung weiterbetreiben wollen, ist es schlechterdings nicht nachvollziehbar, dass er in einem Zeitraum von drei Jahren kein einziges Mal eine Terminierung beim Arbeitsgericht anmahnte.

bb) Das Umstandsmoment ist erfüllt, weil die Beklagte nach dem gesamten Verhalten des Klägers sich darauf einrichten durfte, dieser werde trotz der erhobenen Kündigungsschutzklage die Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.02.2003 nicht mehr geltend machen.

Dieses Vertrauen ergibt sich allerdings nicht allein aus der in der Güteverhandlung vom 11.03.2003 "vereinbarten" Terminlosstellung des Kündigungsschutzprozesses. Insoweit weist der Kläger mit Recht darauf hin, dass die Beklagte jederzeit Terminsantrag hätte stellen und damit eine Klärung des "Schwebezustands" hätte herbeiführen können. Außerdem musste sie mangels ausdrücklicher oder nach § 54 Abs. 5 Satz 4 ArbGG fingierter Klagerücknahme (vgl. dazu LAG Düsseldorf vom 07.05.2003 - 12 Sa 216/03 - LAGE ArbGG 1979 § 54 Nr. 6) grundsätzlich jederzeit mit einem Terminsantrag des Klägers rechnen.

Das Umstandsmoment ergibt sich aber aus dem übrigen Verhalten des Klägers, aufgrund dessen die Beklagte zusammen mit dem Nichtbetreiben des Kündigungsschutzprozesses durch ihn darauf vertrauen durfte, er werde die Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.02.2003 trotz der anhängigen Kündigungsschutzklage nicht mehr geltend machen. Auch wenn der Kläger behauptet, seine E-Mail vom 11.04.2002 auf Wunsch seines damaligen Vorgesetzten verfasst zu haben, steht zwischen den Parteien außer Streit, dass er im Laufe des Jahres 2002 bei der Beklagten ausscheiden sollte. Dementsprechend betonte er in einer vorangegangenen E-Mail vom 05.04.2002 an seinen Vorgesetzten (Bl. 327 d. A.), es sei ihm vor allem wichtig, "dass ich bis zu meinem Ausscheiden, das ich selbst gestalten und kommunizieren kann, sowohl disziplinarisch wie fachlich als Leiter Controlling und Rechnungswesen im Amt bleibe". Außerdem war der Kläger nach unbestrittenem Sachvortrag der Beklagten ab Anfang August 2002 auf eigenen Wunsch freigestellt und begründete zum 01.01.2003 ein anderweitiges Arbeitsverhältnis. Nachdem die Beklagte ihre offenbar zum Zwecke einer formellen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochene Kündigung vom 28.11.2002 mit Schreiben vom 22.01.2003 "verbindlich für gegenstandslos erklärt(e)", teilte ihr der Kläger mit Schreiben vom 21.01.2003 mit, dass er ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen sei, in dem er vertragliche Kündigungsfristen einzuhalten habe und kündigte an, sich "in der nächsten Woche" zu erklären, ob er das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses annehmen oder ablehnen würde. Entgegen seiner Ankündigung äußerte er sich aber nicht, auch nicht nach der Aufforderung der Beklagten in deren Schreiben vom 31.01.2003 und den Abmahnungen vom 10.02. und 13.02.2003. Die sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Rücksichtnahmepflicht hätte es aber geboten, dass der Kläger - wie er es in seinem Schreiben vom 24.01.2003 auch ankündigte - sich innerhalb angemessener Überlegungsfrist dazu äußert, ob er trotz seines anderweitigen Arbeitsverhältnisses dasjenige mit der Beklagten fortsetzen möchte oder nicht. Aufgrund seines pflichtwidrigen Schweigens durfte die Beklagte zusammen mit der im Gütetermin vom 11.03.2003 "vereinbarten" Terminlosstellung des Kündigungsschutzprozesses und dessen anschließenden Nichtbetreiben durch den Kläger über einen Zeitraum von drei Jahren darauf vertrauen, er wolle aus seinem anderweitigen Arbeitsverhältnis nicht zu ihr zurückkehren und die Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.02.2003 nicht mehr geltend machen. Diese Untätigkeit des Klägers fällt besonders ins Gewicht, weil von ihm - hätte er sein anderweitiges Arbeitsverhältnis lösen und zur Beklagten zurückkehren wollen - eine aktive Verfolgung seiner Rechte erwartet werden konnte (vgl. allgemein zur Bedeutung der Untätigkeit für eine Verwirkung MünchKomm BGB/Roth, aaO., § 242 Rn. 492). Das dadurch begründete Vertrauen der Beklagten ist schutzwürdig, weil dem Kläger, der noch seine eigenen Nachfolger einarbeitete, klar sein musste, dass sein Schweigen von der Beklagten nur dahingehend verstanden werden konnte, er habe angesichts seines anderweitigen Arbeitsverhältnisses kein Interesse daran, zu ihr zurückzukehren und er nicht erwarten konnte, die Beklagte werde ihm jahrelang eine Beschäftigungsmöglichkeit frei halten.

2. Da der Kläger sich auf eine Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.02.2003 - unabhängig davon, ob für die fristlose Kündigung ein wichtiger Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) vorliegt und die hilfsweise ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG) ist oder nicht - nicht mehr berufen kann, ist sein zulässigerweise nur für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage gestellter Weiterbeschäftigungsantrag nicht zur Entscheidung angefallen.

3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 10.02. und 13.02.2003 aus seiner Personalakte, und zwar unabhängig davon, ob diese berechtigt waren oder nicht. Nachdem er sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.02.2003 nicht mehr berufen kann, ist er so zu stellen, als ob diese das Arbeitsverhältnis beendet hätte. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer aber regelmäßig mangels Rechtsbeeinträchtigung keinen Anspruch mehr auf die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte (BAG 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 13; HWK/Quecke, aaO., § 1 KSchG Rn. 206). Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Abmahnungen vom 10.02. und 13.02.2003 dem Kläger auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten schaden könnten, hat er nicht vorgetragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Revision war für den Kläger zuzulassen, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Verwirkung des Rechts zur Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung bei rechtzeitiger Klageerhebung, aber Nichtbetreiben des Kündigungsschutzprozesses, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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