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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 953/06
Rechtsgebiete: BAT


Vorschriften:

BAT § 26 Abs. 1 lit. b)
BAT § 29 B Abs. 4 S. 1
1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf den kinderbezogenen Ortszuschlag als Teil seines Gehalts gem. § 26 Abs. 1 lit. b) i. V. mit § 29 B Abs. 4 S. 1 BAT unterfällt der Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT (im Anschluss an BAG vom 18. November 2004 - 6 AZR 512/03 - n. a. v.).

2. Etwas anderes kann nur gelten, wenn es ihm praktisch nicht möglich ist, seinen Anspruch geltend zu machen (im Anschluss an BAG vom 16. November 1989 - 6 AZR 114/88 - AP Nr. 8 zu § 29 BAT).

3. Auch die Anwendung von Ausschlussfristen fällt unter den Grundgedanken des § 242 BGB, wobei jedoch ihrem Zweck maßgebliche Bedeutung zukommt (im Anschluss an BAG vom 28. Januar 1970 - 4 AZR 153/69 - AP Nr. 1 zu § 70 BAT).

4. Eine Arbeitgeberin begeht allein deshalb noch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben des § 242 BGB mit der Folge der Unanwendbarkeit der Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT, weil sie ihm eine unzutreffende Auskunft über das Bestehen sei-nes Anspruchs erteilt hat, denn dadurch ist er an dessen Geltendmachung in keiner Weise gehindert, wenn wie hier die bloße Schriftform, nicht die Klageerhebung, bei Kenntnis dessen Umfangs genügt.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 953/06

Verkündet am: 28. November 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kagerer sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Fexer und Ketterle für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12. Juli 2006 - Gz.: 2b Ca 732/06 H - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger den kinderbezogenen Ortszuschlag für die Vergangenheit nachzahlen muss; im Kern geht es dabei allein darum, ob die Forderung des Klägers wegen § 70 BAT verfallen ist.

Der Kläger ist seit 1. April 1990 beim Rechtsvorgänger der Beklagten als Verwaltungsangestellter beschäftigt; auf das Arbeitsverhältnis kommt unstreitig der BAT zur Anwendung.

Er ist der Vater der Tochter P., die am 0.0.1981 und der Tochter J., die am 0.0.1984 geboren ist.

Ihm ist für seine Tochter P. bis 31. Dezember 2001 und für seine Tochter J. bis 31. Dezember 2004 von der Familienkasse Kindergeld gezahlt worden. Danach wurde für beide Töchter wegen entsprechend hohen Eigenverdienstes dieser Kinder von der Familienkasse zunächst kein Kindergeld mehr gezahlt; bei der Ermittlung des Einkommens dieser Kinder sind dabei die für diese angefallenen Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt worden. Auch die Beklagte reduzierte aus den gleichen Gründen seine Vergütung im Bereich des Ortszuschlages.

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005 (2 BvR 167/02 - NJW 2005, 1923) verstößt jedoch die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag gem. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG zulasten der unterhaltsverpflichteten Kinder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Familienkasse hat daraufhin für die Tochter P. für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2003 und für die Tochter J. für die Zeit vom 1. bis 31. Januar 2005 das Kindergeld nachgezahlt.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 14. August 2005, das am 16. August 2005 bei der Beklagten eingegangen ist, die Nachzahlung des kinderbezogenen Ortszuschlages als Teil seines Vergütungsanspruchs geltend gemacht. Es handelt sich dabei für die Tochter P. unstreitig für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2003 bei einem monatlichen Betrag von € 86,70 um einen Betrag in Höhe von insgesamt € 1.560,60 und bei der Tochter J. für den Januar 2005 um einen Betrag in Höhe von € 90,57, zusammen also € 1.651,17.

Die Beklagte verweigert die Zahlung dieser Beträge unter Berufung auf die Versäumung der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen,

der von ihm geltend gemachte Anspruch sei nicht gem. § 70 Abs. 1 BAT verfallen. Er habe von dem vorgenannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erst Anfang August 2005 erfahren. Je kürzer eine Frist bemessen sei, desto größer seien die Anforderungen an ihre Anwendbarkeit und umso länger sei sie auszulegen. Sie könne nur Tatsachen umfassen, die für ihn nach der Parallelwertung in der Laiensphäre ohne große Schwierigkeiten erkennbar seien; "auf keinen Fall könnten komplizierte rechtliche Vorgänge einbezogen werden, welche sogar Bundesrichter - vom BVerfG wurde immerhin eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs aufgehoben - fehlerhaft beurteilt worden sei". Es könne von einem einfachen Bürger wie ihm nicht verlangt werden, ständig Rat einzuholen, ob das Verhalten von Behörden und anderen Arbeitgebern rechtens sei. Dies werde "unterstrichen ... z. B. auch dadurch, dass der europäische und ihm folgend der deutsche Gesetzgeber es nicht nur für vertretbar gehalten habe, dass die Gewährleistungsfrist im Kaufrecht nur sechs Monate betrug und diese auf zwei Jahre ausgedehnt haben".

Im Übrigen könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der "normale Fälligkeitszeitpunkt verändere, wenn der Anspruchsgegner durch sein Verhalten bewirke, dass der Anspruchsinhaber seine Berechtigung nicht erkennen könne. In einem solchen Fall werde der Beginn der Ausschlussfrist bis zu dem Zeitpunkt hinausgeschoben, in dem das Hindernis für die Geltendmachung (...) entfallen sei"; insoweit bezieht er sich auf die Kommentierung bei Uttlinger/Breier/Kiefer, Stand August 2005 zu § 70 BAT, Erl. 7. g) und 4. b). Für ihn, den Kläger, habe sich durch den bereits erwähnten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht die Rechtslage geändert. Vielmehr sei "nur" festgestellt worden, dass Behörden wie auch Arbeitgeber sich verfassungswidrig verhalten hätten. Ein derartiges Verhalten aber könne keinen Vertrauenstatbestand zu deren Gunsten schaffen. Deshalb sei das Berufen auf die Ausschlussfrist seitens der Beklagten rechtsmissbräuchlich.

Dem hat die Beklagte entgegengehalten,

der Anspruch des Klägers sei deshalb unbegründet, weil er ihn nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT geltend gemacht habe. Die Ausschlussfrist habe in der Vergangenheit in dem Moment zu laufen begonnen, in dem die Zahlung des kinderbezogenen Anteils im Ortszuschlag durch sie parallel zum Kindergeld eingestellt worden sei. Es habe insoweit lediglich einer schriftlichen Geltendmachung seinerseits bedurft, die jedoch nicht erfolgt sei. Das Datum des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005 sei insoweit ohne Bedeutung.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 12. Juli 2006, das dem Kläger am 5. August 2006 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Dagegen hat der Kläger mit einem am 21. August 2006 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie zugleich begründet.

Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag und führt im Übrigen unter Verweisung auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Juni 1961 (1 AZR 239/59 - AP Nr. 27 zu § 4 TVG Ausschlussfristen) aus, der Beginn der Ausschlussfrist werde dann, wenn der Anspruchsgegner durch sein Verhalten bewirke, dass der Anspruchsinhaber seine Berechtigung nicht erkennen könne, bis zu dem Zeitpunkt hinausgeschoben, in dem das Hindernis für die Gel-tendmachung entfallen sei. Sobald der Anspruchsberechtigte aufgrund der ihm neu bekannt werdenden Tatsachen mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg Klage erheben könne, sei mit dieser Kenntnismöglichkeit zugleich der Zeitpunkt der Fälligkeit i. S. der tariflichen Ausschlussregelung gegeben. Es genüge also die objektive Möglichkeit, etwaige Ansprüche geltend zu machen, um den Beginn der Ausschlussfrist in Lauf zu setzen. Eine endgültige Kenntnis sei nicht erforderlich. Hier habe die Beklagte "das Recht fehlerhaft gehandhabt, wie mehr oder weniger alle öffentlichen Arbeitgeber und durch ihr Verhalten bewirkt, dass er (der Kläger) seine Berechtigung nicht erkennen konnte". Bei einem öffentlichen Arbeitgeber werde aber besondere Rechtstreue vorausgesetzt. Für ihn, den Kläger, wäre eine vor Kenntnis der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005 erhobene Klage ein "Schuss ins Blaue gewesen" und hätte ihn "in das Licht eines Querulanten gestellt. Dies umso mehr, als sogar der BFH den Sachverhalt falsch beurteilt habe." Darüber hinaus werde noch auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1. März 2006 (5 AZR 511/05 - AP Nr. 10 zu § 307 BGB) verwiesen, wonach die vereinbarte Ausschlussfrist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 i. V. mit Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei. Schließlich werde noch darauf hingewiesen, dass bei der Abwägung nach § 242 BGB "eine etwaige Überzahlung von Lohn/Gehalt nicht von dieser Ausschlussklausel erfasst, sondern dem allgemeinen Bereicherungsrecht unterworfen werde, obwohl mit den heutigen technischen Mitteln - Computer - Kontrollprogramme zur Verfügung stehen, die Derartiges ausschließen bzw. dafür sorgen, dass umgehend eine Fehlermeldung erfolgt."

Der Kläger stellt daher folgenden Antrag:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.651,17 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 18. Juli 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie hält das angegriffene Urteil für richtig und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Insbesondere führt sie aus, das Arbeitsgericht habe zu Recht die Klage aufgrund Versäumung der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT zur Geltendmachung des Anspruchs des Klägers seit dessen Fälligkeit abgewiesen. Die Fälligkeit dieses Anspruchs trete gem. § 271 BGB in dem Zeitpunkt ein, in dem die Zahlung zu leisten sei, der Gläubiger sie also fordern könne. Dies sei gem. § 36 Abs. 1 BAT für die Bezüge, zu denen auch der Ortszuschlag gehöre, der letzte Werktag eines Kalendermonats, der kein Samstag sei. Im Hinblick auf den kinderbezogenen Ortszuschlag für die Tochter J. in Höhe von € 90,57 sei dies für den Januar 2005 das Ende dieses Monats gewesen und für denjenigen der Tochter P. für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2003 jeweils anteilig das Ende der jeweiligen Monate Januar 2002 bis Juni 2003. Tatsächlich habe der Kläger den kinderbezogenen Bestandteil im Ortszuschlag erstmals mit seinem Schreiben vom 14. August 2005, das am 16. August 2005 bei ihr, der Beklagten, eingegangen sei, geltend gemacht, folglich außerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT. Es sei ihm zu keiner Zeit verwehrt gewesen, diese Ansprüche schriftlich geltend zu machen und damit diese Frist zu wahren, wobei bereits die erstmalige und einmalige Geltendmachung seines Anspruchs auch für später fällig werdende Leistungen genügt hätte (§ 70 Abs. 2 BAT). Folglich seien die hier geltend gemachten Ansprüche am 16. August 2005 bereits erloschen gewesen. Die vom Kläger zitierten Urteile des Bundesarbeitsgerichts stützten seine Rechtsauffassung nicht.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsprotokolle, die Schriftsätze der Parteien und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zwar zulässig, jedoch unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, denn sie richtet sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil, gegen das nicht nach § 78 ArbGG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt € 600,-- (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b ArbGG).

Sie ist auch in der richtigen Form und rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn der ursprünglich bestehende Anspruch des Klägers ist gem. § 70 Abs. 1 BAT verfallen, weil er nicht innerhalb der dort genannten sechsmonatigen Ausschlussfrist ab Fälligkeit der Ansprüche schriftlich geltend gemacht worden ist.

I. Unstreitige denkbare Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 26 Abs. 1 lit. b BAT, wonach die Vergütung eines Angestellten wie ihm u. a. auch aus dem Ortszuschlag besteht, i. V. mit § 29 B Abs. 4 S. 1 BAT, wonach ein Angestellter der Stufe 1, dem Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht, zusätzlich zum Ortszuschlag der Stufe 1 den Unterschiedsbetrag zwischen Stufe 2 und der Stufe, die der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht, erhält.

Von entscheidender Bedeutung ist dabei, ob dem Kläger für seine beiden Töchter sein Kindergeldanspruch nach dem Bundeskindergeldgesetz zustand. In § 2 Abs. 2 Ziff. 2 BKGG ist dabei eine Bemessungsgrenze für das Einkommen des jeweiligen Kindes festgesetzt (dem kein oder lediglich ein geringeres Kindergeld zu gewähren ist).

Das Bundesverfassungsgericht hat in der bereits erwähnten Entscheidung vom II. Januar 2005 (a. a. O.) erkannt, dass die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag gem. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG zulasten der unterhaltsverpflichteten Eltern gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Diese Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf § 32 Abs. 4 S. 2 EStG ist durchaus auch auf den Anspruch des Klägers gem. § 26 Abs. 1 lit. b i. V. mit § 29 B Abs. 4 S. 1 BAT zu übertragen. Danach aber dürfen die von den betroffenen Kindern des Klägers selbst zu erbringenden Sozialversicherungsbeiträge bei der Ermittlung der Voraussetzung des Anspruchs auf Kindergeld nicht berücksichtigt werden. Folglich stand ihm dem Grunde und auch der Höhe nach der geltend gemachte Gesamtanspruch gegen die Beklagte zu.

2. Dieser Anspruch ist jedoch gem. § 70 Abs. 1 BAT verfallen. Ein derartiger Verfall von Ansprüchen aus Arbeitsverhältnissen tritt ein, wenn sie von den Angestellten nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Die Fälligkeit eines Gehaltsanspruchs - und dazu gehört auch gem. § 26 Abs. 1 lit. b BAT der hier geltend gemachte erhöhte Ortszuschlag gem. § 29 B Abs. 4 S. 1 BAT -hat das Bundesarbeitsgericht bereits mit Urteil vom 18. November 2004 (6 AZR 512/03 - n. a. v.) ausdrücklich erkannt. Danach soll die Ausschlussfrist die Parteien des Arbeitsverhältnisses zur alsbaldigen Geltendmachung zur Klärung ihrer Ansprüche veranlassen. Derartige Ausschlussfristen bezwecken, dass sich der jeweilige Anspruchsgegner auf die aus Sicht des Anspruchsstellers noch offenen Forderungen rechtzeitig einstellt und der öffentliche Arbeitgeber soll zudem in der Lage sein, notwendige Haushaltsmittel so zu veranschlagen, dass Nachforderungen in engen Grenzen gehalten werden können.

Zur Geltendmachung der strittigen Ansprüche lassen die Tarifvertragsparteien des BAT die schriftliche Geltendmachung genügen; sie verlangen keine klageweise Gel-tendmachung, wie dies z. B. in anderen Tarifverträgen der Fall ist. Hier hat der Kläger seine Ansprüche erst mit Schreiben vom 14. August 2005, das bei der Beklagten unstreitig am 16. August 2005 eingegangen ist, geltend gemacht. Für seine Tochter J. war danach aber der kinderbezogene Ortszuschlag für den Januar 2005 und im Hinblick auf seine Tochter P. für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2003, beginnend mit dem 31. Januar 2002 und sukzessiv monatlich für den letzten Monat am 30. Juni 2003 fällig. Ab diesem Zeitpunkt hätte der Kläger seine Ansprüche zur Vermeidung der Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT schriftlich geltend machen können. Gem. § 70 Abs. 2 BAT hätte insbesondere in letzterem Fall die einmalige Geltendmachung genügt, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen. Bei Eingang des Schreibens des Klägers vom 14. August 2005 bei der Beklagten am 16. August 2005 war die jeweilige sechsmonatige Ausschlussfrist in jedem Falle verstrichen. Der Fälligkeitszeitpunkt für derartige Ansprüche war mit Wirkung ab 1. Januar 2003 nicht mehr der 15. des laufenden Monats, sondern dessen letzter Tag.

Soweit der Sachvortrag des Klägers dahingehend zu verstehen ist, dass etwa die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT angesichts der Gesetzesänderung zur Verlängerung der Gewährleistungsfristen beim Kauf von sechs Monaten auf zwei Jahre (wobei er insoweit wohl auf § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB abhebt) zu kurz sei, muss er sich entgegenhalten lassen, dass diese Problematik, wenn auch nicht ex-pressis verbis vom selben Gesetzgeber (demjenigen des BGB), sehr wohl erkannt worden ist. In § 310 Abs. 4 S. 1 BGB ist ausdrücklich bestimmt, dass der dortige zumindest ähnliche Rechtsgüterschutzbereich nicht auf Tarifverträge Anwendung findet.

In diesem Zusammenhang ist deshalb auch darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 1. März 2006 (a. a. O.) den vorliegenden Fall nicht trifft; hier geht es um eine tarifvertragliche Ausschlussfrist und nicht - wie dort - um eine solche in einem Formulararbeitsvertrag. Zwar ist dem Kläger zuzubilligen, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 16. November 1989 (6 AZR 114/88 - AP Nr. 8 zu § 29 BAT) für den Fall einer Rückforderung überzahlter Vergütungsbeträge erkannt hat, dass derartige Ansprüche der Arbeitgeberin bereits im Zeitpunkt der Überzahlung fällig sind, wenn die Vergütung fehlerhaft berechnet worden ist, obgleich die maßgebenden Umstände bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Deshalb kann die zuviel gezahlte Summe sofort zurückverlangt werden. Dabei kommt es auf die Kenntnis der Arbeitgeberin von ihrem Rückzahlungsanspruch regelmäßig nicht an, was damit gerechtfertigt wird, dass Fehler bei der Berechnung der Löhne im Normalfall in die Sphäre der Arbeitgeberin fallen und von ihr viel eher durch Kontrollmaßnahmen entdeckt werden können als vom Empfänger der Leistung. Allerdings ist es nicht allgemeine Regel, dass Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs zusammenfallen, was bereits § 271 Abs. 1 BGB zeigt, wonach der Gläubiger die Leistung sofort verlangen und der Schuldner sie sofort zu bewirken hat, wenn eine Zeit für eine Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Diese Norm findet bei der Auslegung von Tarifverträgen Anwendung, sofern die Tarifvertragsparteien den Begriff der Fälligkeit nicht anderweitig definiert haben. Dies gilt auch für den BAT. Danach tritt die Fälligkeit einer Rückzahlungsforderung nicht ohne weiteres mit der Entstehung des Anspruchs ein, wenn es Umstände gibt, die auf einen anderen Fälligkeitszeitpunkt hinweisen, wobei ein derartiger Umstand i. S. des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Tarifvertrages darin zu sehen sein kann, dass es dem Gläubiger praktisch nicht möglich ist, seinen Anspruch geltend zu machen. Bei Zahlungsansprüchen setzt dies voraus, dass der Gläubiger in der Lage ist, seine Ansprüche wenigstens annähernd zu beziffern und bei der Rückforderung etwaiger überzahlter Vergütung ihm die Tatsache des Überzahlungstatbestandes bekannt ist (BAG vom 16. November 1989, a. a. O.).

Es kann dahinstehen, ob vom Kläger verlangt werden kann, dass er seinen Gehaltsbestandteil kinderbezogener Ortszuschlag bereits ab dem Zeitpunkt schriftlich geltend machen hätte müssen, ab dem die Beklagte diesen nicht mehr gewährte; bekannt war ihm jedenfalls, dass diese Leistung von der Beklagten nicht mehr erbracht wurde, auch ab wann, warum und in welcher Höhe. Es wurde von ihm auch nicht besonders viel verlangt, nämlich lediglich die schriftliche und nicht zusätzlich eine klageweise Geltendmachung.

Vieles spricht deshalb dafür, dass bereits mit dem jeweiligen Ende des Kalendermonats, mit dem ihm der kinderbezogene Ortszuschlag von der Beklagten nicht mehr gewährt wurde, die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT zu laufen begonnen und er sie damit bei Geltendmachung mit Eingang seines Schreibens vom 14. August 2005 bei der Beklagten am 16. August 2005 versäumt hat. Zwar kann die Anwendung einer tariflichen Ausschlussfrist im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn sie zugunsten des Arbeitnehmers einvernehmlich abbedungen ist oder die Schuldnerin (hier die Beklagte) den Gläubiger (hier den Kläger) veranlasst hat, die fristwahrenden Schritte nicht vorzunehmen (vgl. BAG vom 25. Januar 2006 - 4 AZR 622/04 - AP Nr. 22 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel), doch liegen diese Voraussetzungen hier gerade nicht vor. Zum einen fehlt es von vornherein an einer einvernehmlichen Abbedingung und zum anderen hat die Beklagte den Kläger hier nicht veranlasst, seine Ansprüche nicht schriftlich geltend zu machen. Das wäre allenfalls dann anzuerkennen gewesen, wenn sie ihm versichert hätte, ihrer Leistungsverpflichtung bei Bestehen der sonstigen Voraussetzungen auch ohne formelle Geltendmachung zu erfüllen, was hier jedoch nicht der Fall ist. Nach dem Sachvortrag des Klägers wurde die Weigerung ihrer Leistungsverpflichtung damit begründet, dass die Beklagte davon ausging, bei ihm lägen die Voraussetzungen des § 29 B Abs. 4 S. 1 BAT nicht vor.

Obgleich die Beklagte damit die gleiche Rechtsauffassung vertrat wie der Bundesfinanzhof, dessen Entscheidung das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2005 (a. a. O.) aufgehoben hat, liegt in der Tatsache, dass sie sich im Nachhinein auf die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT beruft, kein treuwidriges Verhalten. Ohne Zweifel fällt auch die Anwendung von Ausschlussfristen unter den Grundgedanken des § 242 BGB, wobei jedoch ihrem Zweck maßgebliche Bedeutung zukommt (BAG vom 28. Januar 1970 - 4 AZR 153/69 - AP Nr. 1 zu § 70 BAT). Eine Arbeitgeberin begeht allein deshalb noch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB, dass sie gegen die Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT verstößt, weil sie ihm eine unzutreffende Auskunft über das Bestehen seines Anspruchs erteilt hat. Dadurch ist der Kläger nicht an der Geltendmachung dieses Anspruchs in irgendeiner Art gehindert. Es muss von einem Arbeitnehmer verlangt werden, dass er sich hinsichtlich der Rechtsfrage über die Berechtigung eines vermeintlichen Anspruchs selbst informiert, denn eine Unkenntnis über die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen eines tariflichen Anspruchs bzw. dessen Verfall aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist ist rechtlich unbeachtlich (BAG vom 22. Januar 1997 - 10 AZR 459/96 - AP Nr. 27 zu § 70 BAT m. w. N.).

Deshalb kann sich der Kläger auch nicht auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 11. Dezember 1998 (6 Sa 90/98 = BAG: 4 AZN 114/99) berufen, das im Übrigen ebenfalls darauf abhebt, ob es einem Gläubiger praktisch möglich ist, seinen Anspruch geltend zu machen, was hier jedoch der Fall war.

Nach alledem aber ist die Berufung unbegründet und daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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