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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 27.02.2007
Aktenzeichen: 8 TaBV 89/06
Rechtsgebiete: BetrVG, WO-BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 19 Abs. 1
WO-BetrVG § 2 Abs. 4
WO-BetrVG § 2 Abs. 5
WO-BetrVG § 3 Abs. 2
WO-BetrVG § 24
1. Nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Dezember 1986 (6 ABR 48/85 - AP Nr. 13 zu § 19 BetrVG 1972), bestätigt durch seinen Beschluss vom 15. Februar 1989 (7 ABR 9/88 - AP Nr. 17 zu § 19 BetrVG 1972), wird ein von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern eingeleitetes Wahlanfechtungsverfahren nicht unzulässig, wenn die Arbeitnehmer während der Dauer des Beschlussverfahrens aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung seine frühere gegenteilige Rechtsprechung aufgegeben. Es kommt nämlich alleine darauf an, dass eine Wahlberechtigung des die Wahl anfechtenden Arbeitnehmers nur zum Zeitpunkt der Wahl gegeben sein muss und deshalb ein späterer Wegfall der Wahlberechtigung durch Ausscheiden aus dem Betrieb dem Arbeitnehmer die Anfechtungsbefugnis nicht nimmt. Unabhängig davon, ob die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 1. durch die Arbeitgeberin rechtswirksam ist, steht jedoch fest, dass zum Zeitpunkt der Wahl dieses Arbeitsverhältnis jedenfalls bestanden hat und er damit entsprechender Wahlberechtigter war. Folglich besteht insoweit auch ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Wahlanfechtungsverfahrens fort, und zwar solange es noch mindestens einen Wahlanfechtenden gibt (BAG vom 15. Februar 1989, a. a. O.).

2. Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht sind der allgemeine Grundsatz der freien Wahl sowie der ungeschriebene Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlbewerber, weil sie der Integrität einer demokratischen Wahl dienen (vgl. BAG vom 6. Dezember 2000 (7 ABR 34/99 - AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972).

3. Wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2000 (a. a. O.) ausdrücklich ausführt, ist Wahlwerbung zulässig und bei Betriebratswahlen nicht nur durch Art. 5 Abs. 1 GG, sondern für Koalitionen auch durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt. Damit ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob eine Wahlwerbung durch einen Wahlkandidaten nicht auch die Grundsätze der Freiheit der Wahl bzw. das Gebot der Chancengleichheit der Wahlbewerber verletzen kann. Nach der bereits erwähnten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Dezember 2000 (a. a. O.) hat der allgemeine Grundsatz der freien Wahl im Betriebsverfassungsrecht dem Verbot der Wahlverhinderung und Wahlbeeinflussung in § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG seinen Ausdruck gefunden.

Das dort angesprochene Verbot der Wahlbeeinflussung richtet sich mangels erkennbarer Einschränkung gegen jedermann, folglich auch gegen konkurrierende Wahlbewerber, die Wahlberechtigten gegenüber einem unzulässigen Druck auszusetzen. Es dürfen also keine unzulässigen Mittel verwendet werden.

4. Allerdings kann nicht übersehen werden, dass nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 1978 (2 BvR 523/75, 2 BvR 958/76 und 2 BvR 977/76 - BVerfGE 47, 198), auf die der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Dezember 2000 (a. a. O.) Bezug nimmt, für den Bereich der Bundestagswahl als Adressaten des Grundsatzes der Chancengleichheit die "öffentliche Gewalt" nennt. Dabei ging es um die Wahlwerbung der Parteien in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei erkannt, dass diese, wenn sie den Parteien ihre Sendeeinrichtungen für Wahlwerbesendungen zur Verfügung stellen, das Recht der Parteien auf Chancengleichheit zu beachten und zu wahren haben. Als Wahrer dieser Rechte kommt in Betriebsratswahlen prinzipiell der Wahlvorstand in Betracht. Dies erhellt ohne weiteres aus § 18 Abs. 1 S. 1 BetrVG, wonach er für die Einleitung und Durchführung der Wahl zuständig ist. Er kann sogar, kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, durch das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft gem. § 18 Abs. 1 S. 2 BetrVG ersetzt werden. Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben hier gerade von dieser Möglichkeit offensichtlich genauso wenig Gebrauch gemacht wie andere Arbeitnehmer oder z. B. eine Gewerkschaft.

5. Weder seitens des Wahlvorstandes noch seitens der Beteiligten zu 5. als Arbeitgeberin der betroffenen Arbeitnehmer aber ist ein Verstoß gegen die gebotene Chancengleichheit im Betriebsratswahlkampf erkennbar, denn beide haben auf entsprechende Beschwerden gegen unzulässige Wahlwerbung des Arbeitnehmers G. als Listenführer der Liste 5 reagiert, indem sie auf dessen Verstöße hingewiesen und auf Einhaltung ihrer Regelungen für die "Werbung für die Betriebsratswahlen 2006" gepocht haben, zuletzt mit Schreiben vom 23. März 2006 an die Listenführer. Die Arbeitgeberin hat den Arbeitnehmer G., der besonders eklatant unzulässige Wahlwerbung betrieben hat, zweimal abgemahnt, und zwar nicht erst nach Abschluss des Wahlvorgangs.

Damit aber genügt es nicht, die Wahl deshalb für unwirksam zu erklären, weil Verstöße gegen Wahlvorschriften seitens eines Mitbewerbers vorgekommen sind.

6. Es liegt kein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Ziff. 1 WO-BetrVG vor, wenn im Wahlausschreiben zwar die Gesamtrahmenzeit der Stimmabgabe genannt ist, dann aber zugleich ausdrücklich auf eine Anlage verwiesen wird, aus der sich unproblematisch die Abstimmungszeiten in den verschiedenen Wahlorten und -lokalen ergeben. Es ist von einem verständigen Leser eines derartigen Wahlausschreibens zu erwarten, dass er sich insoweit entsprechend informiert.

7. Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 5 WO-BetrVG (Unterrichtung ausländischer Arbeitnehmer über die Betriebsratswahl) ist dann nicht anzuerkennen, wenn einerseits nicht einmal dargelegt worden ist, dass sie der deutschen Sprache in Schrift und Sprache nicht mächtig sind und andererseits für ihre Einstellung gute Deutschkenntnisse Voraussetzung sind; dies gilt insbesondere für Arbeitnehmer in Unternehmensbereichen, die sich regelmäßig kompliziert wie in einem Flughafenbetrieb gestalten.

8. § 24 Abs. 1 S. 1 WO-BetrVG bestimmt, dass Arbeitnehmern, die bei der Stimmabgabe abwesend sind, die Möglichkeit zur Briefwahl "auf ihr Verlangen" einzuräumen ist und ihnen die entsprechenden Unterlagen auszuhändigen oder zu übersenden sind. Allerdings erhalten Wahlberechtigte gem. § 24 Abs. 2 WO-BetrVG, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (insbesondere im Außendienst, mit Telearbeit und in Heimarbeit Beschäftigte), die entsprechenden Unterlagen, auch ohne dass es deren Verlangens bedarf.

Zwar sind von diesem Personenkreis nicht auch solche Wahlberechtigte ausdrücklich erfasst, die im Zeitraum der Abstimmung z. B. aus Gründen der Elternzeit, bestehender Mutterschutzfristen oder Krankheit usw. nicht anwesend sein werden, doch ist nicht einzusehen, weshalb sie nicht den gleichen Schutz genießen sollen. Jedenfalls liegt in der Übermittlung entsprechender Briefwahlunterlagen an diesen Personenkreis durch den Wahlvorstand kein Verstoß gegen so wesentliche Wahlvorschriften, dass die Betriebsratswahl dann unwirksam ist.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

8 TaBV 89/06

Verkündet am: 27. Februar 2007

In dem Beschlussverfahren

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der Anhörung vom 19. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kagerer sowie die ehrenamtlichen Richter Lindner und Seliger für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 5. Juli 2006 - Gz.: 22 BV 140/06 - wird geändert:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl (Wahlanfechtung).

Die Beteiligten zu 5. und 6. sind zwei juristische Personen mit einem gemeinsamen Betrieb, in dem 4.739 für eine Betriebsratswahl wahlberechtigte Arbeitnehmer, unter denen mindestens 500 türkisch sprechen, beschäftigt sind. Nach unwidersprochen gebliebenem Sachvortrag der Verfahrensvertreter der Beteiligten zu 5. und 6. mit Schriftsatz vom 2. Juni 2006 (Seite 18) ist "Einstellungsvoraussetzung ..., dass die Mitarbeiter der deutschen Sprache in Wort und Schrift gut mächtig sind. Dies ist schon wegen der komplexen Arbeitsabläufe gerade im Bodenverkehrsdienst erforderlich."

Die Frage, ob auch die Fa. M. GmbH mit den Beteiligten zu 5. und 6. einen gemeinsamen Betrieb bildet, hat das Landesarbeitsgericht München mit Beschluss vom 28. April 2007 unter dem Az. 3 TaBV 6/07 verneint; die dagegen erhobene Beschwerde hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14. November 2006 unter dem Az. 7 ABN 40/06 zurückgewiesen. Die Arbeitnehmer dieses Unternehmens haben zwischenzeitlich einen Betriebsrat gewählt; diese Wahl ist nicht angefochten.

Ursprünglich hat auch noch die Arbeitnehmerin S. die Betriebsratswahl angefochten, jedoch per Telefax vom 3. Juli 2006 an das Arbeitsgericht ihren Antrag auf Wahlanfechtung zurückgenommen.

Die Beteiligte zu 5. hat zwischenzeitlich das Arbeitsverhältnis des Beteiligten zu 1. außerordentlich fristlos gekündigt. Dagegen hat dieser vor dem Arbeitsgericht München unter dem Gz. 19a Ca 9335/06 Klage erhoben; der Betriebsrat hatte der beabsichtigten Kündigung zugestimmt. Nach Schluss der mündlichen Anhörung der Beteiligten vor der Beschwerdekammer haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 5. und 6. mitgeteilt, seine Klage sei an diesem Tag vor dem Arbeitsgericht abgewiesen worden.

Gegen den Beteiligten zu 2. hat die Beteiligte zu 5. vor dem Arbeitsgericht München unter dem Gz. 31 BV 275/06 beantragt, die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zu ersetzen; dieser Antrag ist am 19. Dezember 2006 vom Arbeitsgericht zurückgewiesen worden.

Weiter ist vor dem Arbeitsgericht München unter dem Gz. 28 BV 347/06 ein Verfahren anhängig, in dem es um den Ausschluss des Beteiligten zu 3. aus dem Betriebsrat geht.

Dem Wahlvorstand zur Vorbereitung der Betriebsratswahl, der aus sieben wählbaren Arbeitnehmern bestand, gehörten ursprünglich auch die Arbeitnehmer S. und Ka. an. Über seine Sitzung vom 8. Februar 2006 gibt es ein Protokoll (vgl. Bl. 76/78 d. A.). Danach hat er im "TOP 8: Wahlwerbung (Ergänzung zum bisherigen Beschluss, gemeinsame Veröffentlichung mit dem Arbeitgeber)" einstimmig beschlossen, eine bestimmte "in der Anlage beigefügte Mitteilung an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinsichtlich der Wahlwerbung zu den Betriebsratswahlen gemeinsam mit dem Arbeitgeber zu erlassen". Nach "TOP 9: Aushang der gemeinsamen Veröffentlichung zur Wahlwerbung sowie delfin-Veröffentlichung" dieses Protokolls hat er ebenfalls einstimmig beschlossen, die "gemeinsame Veröffentlichung zur Wahlwerbung am 08.02.2006 in den Betriebsratsschaukästen und im delfin zu veröffentlichen" und "bei Abgabe jeder Vorschlagsliste ein Exemplar zu den Regeln der Wahlwerbung auszuhändigen". Aus "TOP 16: Druck Wahlausschreiben (2.000 Exemplare) und Wahlordnung (2.000 Exemplare)" ergibt sich, dass der Wahlvorstand ebenfalls einstimmig beschlossen hat, "das Wahlausschreiben in deutscher Sprache sowie die Wahlordnung für die Briefwähler in einer Stückzahl von je 2.000 drucken zu lassen" und aus dessen "TOP 17: Umgang mit Abwesenden während der Betriebsratswahl/Briefwahl", den er ebenfalls einstimmig beschlossen hat, "die bei der Betriebsratswahl abwesenden Mitarbeiter (Mutterschutz, Sonderurlaub, im Ausland für die F. tätige Mitarbeiter, dauerhaft erkrankte Mitarbeiter etc.) bei CSV abzufragen. Diese erhalten die Briefwahlunterlagen zugeschickt."

In der Sitzung vom 8. Februar 2006 hat der Wahlvorstand auch das Wahlausschreiben gleichen Datums erlassen. Darin heißt es u. a. (vgl. Bl. 80 d. A.):

" Die Betriebsratswahl findet vom 25. März 2006, 07.00 Uhr bis 31. März 2006, 13.00 Uhr statt. Die Wahllokale und die Orte der Wahl sind in der Anlage 1 aufgeführt. ...

Die Wählerliste und die Wahlordnung liegen im Büro des Wahlvorstandes, N. Allee, Raum 000 während der o. g. Öffnungszeiten zur Einsicht aus. ...

Die Wahlvorschläge hängen an folgenden Orten bis zum Abschluss der Stimmabgabe aus: vgl. Anlage 2."

In der vorgenannten "Anlage 1" zum Wahlausschreiben (vgl. Bl. 81 d. A.) sind für jeden Tag tabellarisch die Wahllokale und Orte sowie die genauen Öffnungszeiten angegeben. In der vorerwähnten "Anlage 2" zum Wahlausschreiben sind die Orte angegeben, an denen die Wahlvorschläge bis zum Abschluss der Stimmabgabe aushängen.

Noch am selben Tag erging ein Rundschreiben an alle Arbeitnehmer betreffend die "Werbung für die Betriebsratswahlen 2006", das sowohl von der Beteiligten zu 5. als auch dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes und dessen Stellvertreter unterschrieben war. Dessen Ziff. 2. bis 4. lauten u. a. wie folgt (vgl. Bl. 62 Rs. d. A.):

"2. E-Mails

Der Versand von E-Mails mit Wahlwerbeinhalten ist sowohl innerhalb des F.-EDV-Systems als auch von außen in das F.-EDV-System untersagt.

3. Intranet

Die Nutzung des F.-Intranets zur Verbreitung von Wahlwerbung ist untersagt.

4. Arbeitsmaterialien und sonstiges Eigentum des Arbeitgebers

Die Nutzung von Arbeitsmaterialien und allen sonstigen Eigentums des Arbeitgebers (z. B. Erstellung von Kopien) zu Wahlwerbezwecken ist untersagt. Auch eine Nutzung gegen Kostenerstattung ist nicht erlaubt."

Der letzte Satz dieses Rundschreibens lautet (vgl. Bl. 63 d. A.):

" Abschließend ergeht nochmals an alle Beteiligten die dringende Bitte, im Wahlkampf für die bevorstehenden Betriebsratswahlen das Gebot der gegenseitigen Fairness zu beachten und die Achtung gegenüber den Mitbewerbern zu wahren."

Mit Schreiben vom 9. Februar 2006 hat der Wahlvorstand dann die Beteiligte zu 5. über seinen Beschluss vom 8. Februar 2006 informiert, "die bei der Betriebsratswahl (25. März bis 31. März 2006) abwesenden Mitarbeiter (Mutterschutz, Sonderurlaub, im Ausland für die F. tätige Mitarbeiter, dauerhaft erkrankte Mitarbeiter etc.) ... abzufragen. Diese Mitarbeiter sollen vom Wahlvorstand die Briefwahlunterlagen per Post zugesandt bekommen" (vgl. Bl. 130 d. A.). Hierauf erhielt er von der Personalabteilung eine Liste von etwas mehr als 100 namentlich genannten Arbeitnehmern, die nach deren Auffassung während der Betriebsratswahl voraussichtlich abwesend sein würden. Diese Liste wurde auf der Basis einer EDV-Auswertung erstellt. Unwidersprochen hat der Wahlvorstand dann die Übersendung der Briefwahlunterlagen an diesen Personenkreis veranlasst; strittig ist jedoch, ob alle diese Arbeitnehmer die Unterlagen entsprechend erhalten haben.

Zur Betriebsratswahl stellten sich Bewerber auf insgesamt folgenden sechs Listen: Liste 1: Sc. - Ri. - Liste 2: Kr., B., Ku. - Liste 3: www.p.de - Liste 4: Mi. - Liste 5: FM. und Liste 6: U. Die Beteiligten zu 1. bis 3. waren Kandidaten der Liste 2, der Arbeitnehmer G. der Spitzenkandidat der Liste 5.

Am 22. Februar 2006 ist beim Wahlvorstand eine "Beschwerde" des Beteiligten zu 3. über den Arbeitnehmer G., der damals Betriebsratsmitglied des alten Betriebsrats war, eingegangen, wonach dieser an diesem Tag den Farbdrucker des Betriebsrats zur Vervielfältigung von Veröffentlichungen der Liste 5 genutzt habe; der Wahlvorstand wird darin aufgefordert, eine Wiederholung des Vorfalls zu verhindern und entsprechende Konsequenzen zu überprüfen. In diesem Schreiben wird auf das gemeinsame Schreiben des Wahlvorstandes und der Beteiligten zu 5. vom 8. Februar 2006 über "Werbung für die Betriebsratswahl 2006" verwiesen (vgl. Bl. 64 d. A.). Der Beteiligte zu 3. hat einen Abdruck dieses Schreibens auch an die Beteiligte zu 5., z. Hd. deren Personalleiters, übermittelt, der sich mit Schreiben vom 22. Februar 2006 wegen dieser Angelegenheit sofort an den Arbeitnehmer G. wandte und ihn aufforderte, "bis spätestens 24. Februar 2006 mitzuteilen, ob es sich bei den von Ihnen in dem o. g. Zeitraum gefertigten Ausdrucken auf dem Farbdrucker des Betriebsrates um eine Nutzung von Arbeitsmaterialen zu Wahlwerbezwecken gehandelt hat; bitte überlassen Sie hierzu dem Arbeitgeber zu seiner eigenen Beurteilung auch ein Exemplar der gefertigten Ausdrucke und geben Sie die Gesamtzahl der Ausdrucke und die Gesamtzahl der Blätter an" (vgl. Bl. 65 d. A.). Mit Schreiben vom 8. März 2006 hat der Wahlvorstand dann den Beteiligten zu 3. darüber informiert, dass er in dieser Angelegenheit beraten und den Vorgang an die Beteiligte zu 5. weitergeleitet habe (vgl. Bl. 66 d. A.).

Die Arbeitnehmerin S. hat sich mit Schreiben vom 24. Februar 2006 an den Personalleiter der Beteiligten zu 5. gewandt und ihn darüber informiert, dass der Arbeitnehmer G. erneut den Farbdrucker benutzt habe. Mit Schreiben vom 8. März 2006 hat die Beteiligte zu 5. den Arbeitnehmer G. wegen dieser Vorfälle abgemahnt. Allerdings hatte dieser am 1. März 2006 an alle eine E-Mail verschickt, in der er auf einen beigefügten "Dateianhang" verwies, in dem aufgefordert wurde, die "Briefwahlunterlagen anzufordern" und dies deutlich erkennbar unter der Überschrift der Bezeichnung der Liste 5, also "FM.", die sich darin als "bodenständig; kompetent; durchsetzungsfähig" bezeichnet (vgl. Bl. 30/31 d. A.). Wegen dieses Vorgangs hat sich der Beteiligte zu 3. erneut per E-Mail vom 3. März 2006 an den Wahlvorstand gewandt mit u. a. der Frage, ob "die einseitige Unterstützung der Liste FM. durch den Arbeitgeber zielgerichtet beibehalten wird. Oder hat die F. als Arbeitgeber offenbar die Möglichkeit aufgegeben, Beschäftigte für vorsätzliche Verstöße gegen klare Arbeitsanweisungen zur Rechenschaft zu ziehen?" Er fordert darin den Wahlvorstand auf, diesen Vorgang zu überprüfen (vgl. Bl. 68 d. A. [unten]). Hierauf hat ihm dieser mit E-Mail vom 7. März 2006 geantwortet, die Beschwerde werde auf seiner nächsten Sitzung behandelt und er erhalte dann umgehend eine schriftliche Antwort, was auch für seine Beschwerde vom 22. Februar 2006 gelte (vgl. Bl. 68 d. A. [oben]). Mit Schreiben vom 10. März 2006 an den Wahlvorstand und den Personalleiter der Beteiligten zu 5. hat der Beteiligte zu 3. diese darüber informiert, dass der Arbeitnehmer G. am selben Tag für die Zeit von 9.00 bis 12.00 Uhr einen Raum für seine "Listenmitglieder reserviert", jedoch "falsche Angaben" gemacht habe, denn dieser Raum sei für eine Betriebsratssitzung und auch Getränke auf Rechnung einer bestimmten Kostenstelle bestellt worden. Der Raum sei für eine Besprechung der Kandidaten der Liste 5 genutzt worden und es habe ein entsprechender Getränkeverbrauch stattgefunden (vgl. Bl. 70 d. A.).

Am 20. März 2006 hat die Liste 5 erneut per E-Mail Werbematerial versandt, worauf hin sich die Kandidatin D. von der Liste 3 noch am selben Tag beim Personalleiter der Beteiligten zu 5. beschwerte (vgl. Bl. 75 d. A.).

Mit Schreiben vom 27. März 2006 hat die Beteiligte zu 5. den Arbeitnehmer G. wegen dieser Vorfälle erneut abgemahnt.

Der "alte" Betriebsrat der Beteiligten zu 5. hat auf seiner "Betriebsratsintranethompa-ge" u. a. den Arbeitnehmer G. "aufgefordert, von seinem Betriebsratsamt zurückzutreten und seine Kandidatur zu den Betriebsratswahlen zurückzuziehen" (vgl. Bl. 270 d. A.).

Am 29. März 2006 sind die Arbeitnehmer S. und Ka. als Wahlvorstandsmitglieder zurückgetreten.

Mit Schreiben vom selben Tag der Arbeitnehmer S. und Re. haben diese den Wahlvorstandsmitgliedern mitgeteilt, dass "in den vergangenen Tagen ein Beschäftigter zur Stimmabgabe zugelassen wurde, obwohl er nicht gemäß Wahlordnung in die Wählerliste eingetragen war" und "an anderem Ort wurde ein Beschäftigter nicht zur Stimmabgabe zugelassen, weil er seine Briefwahlunterlagen nicht gemäß Wahlordnung vorlegen konnte". Sie fordern ihn darin auf, gegenüber "formellen Fehlern ... einheitlich vorzugehen" (vgl. Bl. 24 d. A.).

Noch am selben Tag hat der Wahlvorstand ein Formblatt entwickelt, das sich an ihn selbst wendet mit u. a. folgendem Inhalt (vgl. Bl. 26 d. A.): " Erklärung

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe beim Wahlvorstand die Übersendung von Briefwahlunterlagen beantragt. Ich versichere hiermit, dass die Briefwahlunterlagen bei mir bis heute noch nicht eingetroffen sind, so dass ich bislang noch keine schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) durchführen konnte [dafür war ein Kästchen vorgesehen, das wohl angekreuzt werden sollte] und möchte daher persönlich an der Wahl teilnehmen. Mir ist bewusst, dass ich nach erfolgter persönlicher Stimmabgabe nicht zusätzlich per Briefwahl meine Stimme abgeben kann. Sofern der Wahlumschlag bei mir doch noch eintreffen sollte, werde ich diesen umgehend vollständig an den Wahlvorstand zurückleiten ..."

Die Betriebsratswahl fand in der Zeit vom 25. März bis 31. März 2006 statt. Am 31. März 2006 wurde ihr Ergebnis bekannt gegeben, wonach die Liste 1 0,78 %, die Liste 2 33,87 %, die Liste 3 24,49 %, die Liste 4 2,05 %, die Liste 5 31,57 % und die Liste 6 7,24 % der Stimmen erhielt. Dies führte bei einer Stimmenverteilung nach dem d'Hondt-Verfahren zu einer Sitzverteilung von zehn Betriebsratsmitgliedern für die Liste 2, sieben Betriebsratsmitgliedern für die Liste 3, zehn Betriebsratsmitgliedern für die Liste 5 und zwei Betriebsratsmitgliedern für die Liste 6.

Am 18. April 2006 ist am Arbeitsgericht München ein Antrag der Arbeitnehmer S. (vormals Beteiligte zu 1.) sowie der Beteiligten zu 1. bis 3. (vormals Beteiligte zu 2. bis 4.) eingegangen.

Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben (zusammen mit der vormaligen Beteiligten zu 1., der Arbeitnehmerin S.) vor dem Arbeitsgericht ausgeführt,

die Betriebsratswahl sei aufgrund mehrerer gravierender Verstöße gegen die Wahlvorschriften, die das Wahlergebnis beeinflusst hätten, rechtsunwirksam. So habe der Wahlvorstand bereits verkannt, dass die Arbeitnehmer der Fa. M. GmbH in die Wahl einbezogen werden hätten müssen; deshalb seien von vielen dieser Arbeitnehmer Einsprüche gegen die Wählerliste erhoben worden.

Darüber hinaus sei das Wahlausschreiben vom 8. Februar 2006 in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Dies gelte für die Ungenauigkeit der darin genannten Öffnungszeiten, wenn es darin heiße, die Betriebsratswahl finde vom 25. März 2006, 7.00 Uhr bis 31. März 2006, 13.00 Uhr statt, obgleich sich aus den entsprechenden Aushängen über die Wahllokale und Orte der Wahl differenziert etwas anderes ergebe. Darin liege ein Verstoß gegen § 3 Ziff. 2 Nr. 11 WO-BetrVG. Darüber hinaus sei die Wählerliste nur von Montag bis Freitag von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr und 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr im Verwaltungsgebäude einsehbar gewesen, wodurch eine Einsichtnahme für eine Vielzahl von Beschäftigten im Schichtdienst und denjenigen, die in Wochenendarbeitszeiten gearbeitet hätten, erschwert worden sei. Erhebliche Fehler habe es auch bei den Übersetzungen des Wahlausschreibens in die türkische und die italienische Sprache gegeben; dadurch sei § 2 Abs. 5 WO BetrVG verletzt (wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 149 bis 153 d. A. verwiesen). Im Zusammenhang mit der Handhabung der Briefwahl sei es ebenfalls zu erheblichen Fehlern gekommen. So sei das Wahlausschreiben in sechs Sprachen, nämlich Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch, Russisch und Italienisch übersetzt worden. Die Briefwahlunterlagen und alle weiteren Bekanntmachungen des Wahlvorstandes aber seien ausschließlich in deutscher Sprache bekannt gegeben worden. Darüber hinaus habe der Wahlvorstand sogar beschlossen, das Wahlausschreiben in deutscher Sprache sowie die Wahlordnung für die Briefwähler nur in einer Stückzahl von je 2.000 Exemplaren drucken zu lassen. Bei der Versendung der Briefwahlunterlagen sei nicht auf die vorliegenden Übersetzungen des Wahlausschreibens zurückgegriffen, sondern dieses in deutscher Sprache versandt worden.

Von entscheidender Bedeutung sei, dass es zu einseitigen Unterstützungen der Liste 5 gekommen sei. Weder habe dies der Wahlvorstand unterbunden noch die Beteiligten zu 5. und 6. überzeugend eingegriffen, obgleich entsprechende Beschwerden vorgelegen hätten.

Darüber hinaus seien insbesondere Arbeitnehmer, denen Briefwahlunterlagen zugesandt worden seien, die sich jedoch zur persönlichen Stimmabgabe entschlossen hätten, davon abgehalten worden, indem man dazu die Vorlage ihrer Briefwahlunterlagen verlangt habe. Ob sie danach noch zur Wahl gegangen seien, könne nicht mehr festgestellt werden. Dies habe sich erst zum 29./30. März 2006 geändert. Bei wenigen Stimmen mehr hätte die Liste 2 einen Sitz mehr im Betriebsrat bekommen und die Liste 5 einen verloren.

Deshalb haben die Beteiligten zu 1. bis 3. (einschließlich der früheren Beteiligten zu 1., der Arbeitnehmerin S.) vor dem Arbeitsgericht folgenden Antrag gestellt:

Die Betriebsratswahl, stattfindend vom 25. März 2006 bis zum 31. März 2006 (Zeitraum der Stimmabgabe), bekannt gegeben am 31. März 2006, wird für unwirksam erklärt. Die Beteiligten zu 4. bis 6. haben beantragt:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Sie haben ausgeführt,

die Betriebsratswahl sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Das Verhalten des Wahlvorstandes sei korrekt gewesen. Dies gelte sowohl für die Erstellung des Wahlausschreibens als auch im Zusammenhang mit der Briefwahl. Ohne Zweifel habe die Liste 5 bei ihrer Wahlwerbung gegen die allen Arbeitnehmern bekannt gegebene Absprache über die "Werbung für die Betriebsratswahlen 2006" vom 8. Februar 2006 verstoßen. Insbesondere seien dem Listenführer der Liste 5, dem Arbeitnehmer G., von ihr, der Beteiligten zu 5., zwei Abmahnungen ausgesprochen worden, weil er unerlaubterweise ihre Sachmittel für die Wahlwerbung sowohl im Informationsbereich als auch im Bereich der Nutzung eines Raumes sowie im Verzehr von Getränken auf ihre Kosten eingesetzt habe.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 5. Juli 2006, der den Beteiligten zu 4. bis 6. jeweils am 13. Juli 2007 zugestellt worden ist, dem Antrag vollinhaltlich entsprochen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Dagegen hat der Beteiligte zu 4. mit einem am 7. August 2006 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und sie, nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 13. Oktober 2006, mit einem hier an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Auch die Beteiligten zu 5. und 6. haben mit einem am 8. August 2006 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und sie, ebenfalls nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 13. Oktober 2006, mit einem hier am selben Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags wenden sie sich insbesondere dagegen,

dass das Arbeitsgericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien Wahl und der Chancengleichheit angenommen habe, obgleich insoweit allenfalls Verletzungen der Betriebsratswahl durch die Liste 5 begangen worden seien, für die weder der Wahlvorstand noch sie, die beiden Arbeitgeberinnen, verantwortlich seien. Das Arbeitsgericht habe die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Dezember 2000 (7 ABR 34/99 - AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972) verkannt. Verstöße von Wahlbewerbern selbst gegen den Grundsatz der freien Wahl und der Chancengleichheit seien für die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl ohne Bedeutung, dies schon deshalb, weil es sonst in der Hand jedes einzelnen Wahlbewerbers läge, für entsprechende Anfechtungs- und somit Unwirksamkeitsgründe zu sorgen.

Es bleibe im Übrigen dabei, dass es an einem wettbewerbsbeeinträchtigenden Verhalten sowohl des Wahlvorstandes als auch von ihnen, den Beteiligten zu 5. und 6., fehle. Zwar enthalte weder das Betriebsverfassungsgesetz noch die Wahlordnung 2001 hierzu eine Regelung, wonach alle Arbeitnehmer, die während des Abstimmungszeitraums fehlen würden, automatisch Briefwahlunterlagen erhalten sollten, doch sei in einem derartigen Verhalten des Wahlvorstandes kein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften anzuerkennen.

Was die Rüge der fehlerhaften Übersetzung des Wahlausschreibens für ausländische Arbeitnehmer anbelange, so werde auf den Wortlaut des § 2 Abs. 5 WO-BetrVG verwiesen, der diese Norm als Sollvorschrift ausweise. Nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei die Übersetzung des Wahlausschreibens gerade nicht zwingend vorgeschrieben. Die Einwendungen der Beteiligten zu 1. bis 3. gegen die Auslegung der Wählerlisten vermögen nicht zu überzeugen; ihre Auslegung im Büro des Wahlvorstandes, wie hier, sei nämlich zweckmäßig.

Im Übrigen werde noch darauf hingewiesen, dass erhebliche Zweifel daran bestünden, ob überhaupt noch ein Rechtsschutzbedürfnis an der Durchführung des Wahlanfechtungsverfahrens bestehe angesichts der Rücknahme ihrer Anfechtung durch die Arbeitnehmerin S. einerseits und die wirksame außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 1. durch die Beklagte zu 5. andererseits. Es fehle dann nämlich an den Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 S. 1 BetrVG, wonach mindestens drei Wahlberechtigte zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigt seien.

Die Beteiligten zu 4. bis 6. stellen daher folgende Anträge:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 5. Juli 2006 - Gz.: 22 BV 140/06 - wird abgeändert.

2. Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1. bis 3. beantragen:

Die Beschwerden der Beteiligten zu 4. bis 6. werden zurückgewiesen.

Sie halten den angegriffenen Beschluss für richtig und wiederholen und vertiefen ebenfalls ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsprotokolle, die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet, denn die angefochtene Betriebsratswahl ist wirksam.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft gem. § 87 Abs. 1 ArbGG, denn sie richtet sich gegen einen das Verfahren beendenden arbeitsgerichtlichen Beschluss.

Sie ist auch in der richtigen Form und rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 89 Abs. 2 i. V. mit § 87 Abs. 2 i. V. mit § 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5 ArbGG).

2. Sie ist auch begründet, denn die Anfechtung der Betriebsratswahl durch die Beteiligten zu 1. bis 3. ist unbegründet; es liegen nämlich keine Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht oder das Wahlverfahren vor. Allerdings bestehen auch nach dem Ausscheiden der Arbeitnehmerin S. als Anfechtende und der außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 1. durch die Beteiligte zu 5. weiterhin eine Antragsbefugnis sowie ein Rechtsschutzinteresse und ein Anfechtungsrecht der Beteiligten zu 1. bis 3. gem. § 19 Abs. 1 BetrVG.

2.1 Nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Dezember 1986 (6 ABR 48/85 - AP Nr. 13 zu § 19 BetrVG 1972), bestätigt durch seinen Beschluss vom 15. Februar 1989 (7 ABR 9/88 - AP Nr. 17 zu § 19 BetrVG 1972), wird ein von drei Arbeitnehmern eingeleitetes Wahlanfechtungsverfahren nicht unzulässig, wenn die Arbeitnehmer während der Dauer des Beschlussverfahrens aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung seine frühere gegenteilige Rechtsprechung aufgegeben. Es kommt nämlich alleine darauf an, dass eine Wahlberechtigung des die Wahl anfechtenden Arbeitnehmers nur zum Zeitpunkt der Wahl gegeben sein muss und deshalb ein späterer Wegfall der Wahlberechtigung durch Ausscheiden aus dem Betrieb dem Arbeitnehmer die Anfechtungsbefugnis nicht nimmt. Unabhängig davon, ob die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 1. durch die Beteiligte zu 5. rechtswirksam ist, steht jedoch fest, dass zum Zeitpunkt der Wahl dieses Arbeitsverhältnis jedenfalls bestanden hat und er damit entsprechender Wahlberechtigter war. Folglich besteht insoweit auch ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Wahlanfechtungsverfahrens fort, und zwar solange es noch mindestens einen Wahlanfechtenden gibt (BAG vom 15. Februar 1989, a. a. O.).

2.2 Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht sind der allgemeine Grundsatz der freien Wahl sowie der ungeschriebene Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlbewerber, weil sie der Integrität einer demokratischen Wahl dienen. Dies hat auch das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung unter Verweisung auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Dezember 2000 (7 ABR 34/99 - AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972) erkannt. Dennoch liegen keine entsprechenden Verstöße sowohl seitens des Wahlvorstandes dieser Betriebsratswahl als auch der beiden Arbeitgeberinnen, den Beteiligten zu 5. und 6., vor. Nur darauf aber kommt es grundsätzlich an. Wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2000 (a. a. O.) ausdrücklich ausführt, ist Wahlwerbung zulässig und bei Betriebratswahlen nicht nur durch Art. 5 Abs. 1 GG, sondern für Koalitionen auch durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt. Damit ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob eine Wahlwerbung durch einen Wahlkandidaten nicht auch die Grundsätze der Freiheit der Wahl bzw. das Gebot der Chancengleichheit der Wahlbewerber verletzen kann. Nach der bereits erwähnten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Dezember 2000 (a. a. O.) hat der allgemeine Grundsatz der freien Wahl im Betriebsverfassungsrecht dem Verbot der Wahlverhinderung und Wahlbeeinflussung in § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG seinen Ausdruck gefunden. Das dort angesprochene Verbot der Wahlbeeinflussung richtet sich mangels erkennbarer Einschränkung gegen jedermann, folglich auch gegen konkurrierende Wahlbewerber, die Wahlberechtigten gegenüber einem unzulässigen Druck auszusetzen. Es dürfen also keine unzulässigen Mittel verwendet werden.

Allerdings kann nicht übersehen werden, dass nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 1978 (2 BvR 523/75, 2 BvR 958/76 und 2 BvR 977/76 - BVerfGE 47, 198), auf die der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Dezember 2000 (a. a. O.) Bezug nimmt, für den Bereich der Bundestagswahl als Adressaten des Grundsatzes der Chancengleichheit die "öffentliche Gewalt" nennt. Dabei ging es um die Wahlwerbung der Parteien in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei erkannt, dass diese, wenn sie den Parteien ihre Sendeeinrichtungen für Wahlwerbesendungen zur Verfügung stellen, das Recht der Parteien auf Chancengleichheit zu beachten und zu wahren haben. Als Wahrer dieser Rechte kommt in Betriebsratswahlen prinzipiell der Wahlvorstand in Betracht. Dies erhellt ohne weiteres aus § 18 Abs. 1 S. 1 BetrVG, wonach er für die Einleitung und Durchführung der Wahl zuständig ist. Er kann sogar, kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, durch das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft gem. § 18 Abs. 1 S. 2 BetrVG ersetzt werden. Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben hier gerade von dieser Möglichkeit offensichtlich genauso wenig Gebrauch gemacht wie andere Arbeitnehmer oder z. B. eine Gewerkschaft.

- Als Adressat des Rechts auf Chancengleichheit im Wahlkampf kann durchaus auch eine Arbeitgeberin in Betracht kommen, denn immerhin kann sie ein Interesse daran haben, welcher Wahlbewerber in welcher Wählerliste ihr später als gewähltes Betriebsratsmitglied gegenübersteht.

- Weder seitens des Wahlvorstandes noch seitens der Beteiligten zu 5. als Arbeitgeberin der betroffenen Arbeitnehmer aber ist ein Verstoß gegen die gebotene Chancengleichheit im Betriebsratswahlkampf erkennbar. Beide haben auf entsprechende Beschwerden gegen unzulässige Wahlwerbung des Arbeitnehmers G. als Listenführer der Liste 5 reagiert, indem sie auf dessen Verstöße hingewiesen und auf Einhaltung ihrer Regelungen für die "Werbung für die Betriebsratswahlen 2006" gepocht haben, zuletzt mit Schreiben vom 23. März 2006 an die Listenführer. Die Beteiligte zu 5. hat den Arbeitnehmer G., der besonders eklatant unzulässige Wahlwerbung betrieben hat, zweimal abgemahnt, und zwar nicht erst nach Abschluss des Wahlvorgangs.

Damit aber genügt es nicht, die Wahl deshalb für unwirksam zu erklären, weil Verstöße gegen Wahlvorschriften seitens eines Mitbewerbers vorgekommen sind.

2.3 Soweit die Beteiligten zu 1. bis 3. rügen, der Wahlvorstand habe im Wahlausschreiben, was die Zeiten der Stimmabgabe anbelange, gegen § 3 Abs. 2 Ziff. 11 WO-BetrVG verstoßen, weil sich daraus gerade nicht ergebe, dass die Abstimmungszeiten in den verschiedenen Wahlorten und Wahllokalen unterschiedlich seien, ist ihnen entgegenzuhalten, dass die Wahlausschreiben gerade insoweit ausdrücklich auf eine "Anlage 1" verweisen, aus der sich dann unproblematisch die jeweiligen Öffnungszeiten ergeben. Es ist von einem verständigen Leser eines derartigen Wahlausschreibens zu erwarten, dass er sich insoweit entsprechend informiert.

2.4 Soweit sie rügen, es liege ein Verstoß gegen die Auslegung der Wählerliste und der Wahlordnung darin, dass dies im Büro des Wahlvorstandes erfolgt sei, ist nicht einzusehen, weshalb dieses keine "geeignete Stelle im Betrieb" gem. § 2 Abs. 4 S. 1 WO-BetrVG sein soll. Auf Fitting, 23. Aufl., § 2 WO 2001, Rn. 10 wird verwiesen. Er hält die Auslegung dort geradezu als am zweckmäßigsten.

2.5 Es ist auch kein Verstoß gegen § 2 Abs. 5 WO-BetrVG dergestalt zu erkennen, dass der Wahlvorstand es unterlassen hat, dafür zu sorgen, ausländische Arbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, vor Einleitung der Betriebsratswahl über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten sowie Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise zu unterrichten. § 2 Abs. 5 WO-BetrVG enthält zwar seinem Wortlaut nach eine sog. Sollvorschrift, dennoch handelt es sich nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Oktober 2004 (7 ABR 5/04 - AP Nr. 1 zu § 2 WO-BetrVG 1972) um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren i. S. d. § 19 Abs. 1 BetrVG, deren Verletzung zur Anfechtung der darauf beruhenden Wahl berechtigt. Nach dieser Entscheidung ist bei der Beurteilung der Frage, ob die im Betrieb beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer der deutschen Sprache entsprechend mächtig sind, im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, ihnen die wesentlichen Grundsätze über die durchzuführende Wahl zu vermitteln, um ihnen in gleicher Weise wie deutschen Arbeitnehmern die Wahrnehmung ihres aktiven und passiven Wahlrechts zu ermöglichen, nicht lediglich darauf abzustellen, ob sie sich bei der täglichen Arbeit hinreichend verständigen können. Es kommt vielmehr darauf an, ob ihre Deutschkenntnisse ausreichen, um die z. T. komplizierten Wahlvorschriften und den Inhalt eines Wahlausschreibens verstehen zu können, wobei der Wahlvorstand im Zweifel von unzureichenden deutschen Sprachkenntnissen auszugehen hat. Jedenfalls gilt dies dann, wenn im Betrieb eine größere Anzahl ausländischer Arbeitnehmer im gewerblichen Bereich mit einfachen Hilfsarbeiten beschäftigt sind, denn sie mögen zwar über die für die tägliche Arbeit erforderlichen Deutschkenntnisse verfügen, was aber noch nicht bedeutet, dass diese Kenntnisse auch genügen, um sich die zu einer umfassenden Wahrnehmung der Rechte im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl nötigen Informationen selbst zu verschaffen. Hier haben sich die Beteiligten zu 1. bis 3. mit dieser Frage gar nicht grundsätzlich auseinandergesetzt, sondern einfach aus der Tatsache der Beschäftigung auch ausländischer Arbeitnehmer darauf geschlossen, sie verfügten nicht über die nötigen Deutschkenntnisse. Dabei wird übersehen, dass nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beteiligten zu 5. und 6. für die Einstellung von Arbeitnehmern gute Deutschkenntnisse vorausgesetzt werden. Es ist auch kaum anzunehmen, dass bei Arbeitgeberinnen, deren Unternehmensbereich sich regelmäßig derartig kompliziert gestaltet, wie bei den beiden Beteiligten zu 5. und 6., gerade auf diese Einstellungsvoraussetzung verzichtet oder sie nur oberflächlich beachtet wird.

2.6 Es sind auch keine gravierenden Verstöße des Wahlvorstandes im Zusammenhang mit der Behandlung der Briefwahlmöglichkeiten für bei der Stimmabgabe abwesende Arbeitnehmer zu erkennen.

§ 24 Abs. 1 S. 1 WO-BetrVG bestimmt, dass derartigen Personen die Möglichkeit zur Briefwahl "auf ihr Verlangen" einzuräumen ist und ihnen die entsprechenden Unterlagen auszuhändigen oder zu übersenden sind. Allerdings erhalten Wahlberechtigte gem. § 24 Abs. 2 WO-BetrVG, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (insbesondere im Außendienst, mit Telearbeit und in Heimarbeit Beschäftigte), die entsprechenden Unterlagen, auch ohne dass es deren Verlangens bedarf. Zwar sind von diesem Personenkreis nicht auch solche Wahlberechtigte ausdrücklich erfasst, die im Zeitraum der Abstimmung z. B. aus Gründen der Elternzeit, bestehender Mutterschutzfristen oder Krankheit usw. nicht anwesend sein werden, doch ist nicht einzusehen, weshalb sie nicht den gleichen Schutz genießen sollen. Jedenfalls liegt in der Übermittlung entsprechender Briefwahlunterlagen an diesen Personenkreis durch den Wahlvorstand kein Verstoß gegen so wesentliche Wahlvorschriften, dass die Betriebsratswahl dann unwirksam ist. Ein Fall einer Betriebsratswahl allein durch Briefwahl liegt hier nicht vor. Ein Rechtsmissbrauch des Wahlvorstandes ist in seinem derartigen Verhalten nicht erkennbar.

2.7 Was das Verhalten des Wahlvorstandes bei Wahlberechtigten anbelangt, die behauptet haben, sie hätten Briefwahlunterlagen erhalten, wollten aber dennoch unmittelbar ihre Stimme abgeben, ihnen aber gesagt wurde, dies könne nur gegen Vorlage der Briefwahlunterlagen erfolgen, so ist den Beteiligten zu 1. bis 3. zwar zuzugeben, dass dieses Verhalten einigermaßen überraschend ist, denn es wäre durch einen einfachen Vermerk in der Wählerliste klarzustellen gewesen, dass die unmittelbare Stimmabgabe erfolgt sei und dies hätte im Rahmen der Auszählung der Briefwahlstimmen durchaus berücksichtigt werden können. Jedenfalls aber hat der Wahlvorstand noch rechtzeitig vor Ablauf des Abstimmungszeitraums sein Verhalten entsprechend geändert. Dafür, dass durch das möglicherweise angreifbare Verhalten des Wahlvorstandes u. U. Wählerstimmen "verloren gegangen" sind, haben die Beteiligten zu 1. bis 3. jedoch lediglich Vermutungen angestellt. Dies genügt jedoch nicht, die Betriebsratswahl unwirksam zu machen.

Nach alledem aber ist der angegriffene Beschluss zu ändern und der Antrag zurückzuweisen.

III.

Gem. § 2 Abs. 2 GKG werden im Beschlussverfahren keine Kosten erhoben.

Ende der Entscheidung

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