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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 10.08.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 239/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 75 As. 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 1
1. Die Abtretung oder Pfändung von Lohn- oder Gehaltsansprüchen betrifft kein Arbeitsverhalten und auch kein Verhalten der Arbeitnehmer innerhalb des Arbeitsverhältnisses und unterliegt daher auch nicht dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG. Deshalb kann nach dieser Bestimmung auch nicht die Regelung einer Kostenerstattungspauschale für Lohnpfändungen erfolgen.

2. Die Regelung einer Kostenerstattungspauschale für Lohnpfändungen kann auch nicht in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung rechtswirksam erfolgen. Eine derartige Regelung scheitert bereits an dem gegenüber einer arbeitsvertraglichen Regelung zu beachtenden Günstigkeitsprinzip. Im Übrigen stellt eine solche Regelung eine unzulässige Lohnverwendungsbestimmung dar.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 239/05

Verkündet am: 10. August 2005

In dem Rechtsstreit

hat die neunte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dunkl sowie die ehrenamtlichen Richter B. Bunge und W. Klessinger für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Kempten vom 13.1.2005 - 5 Ca 2704/04 M - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 431,83 (in Worten: vierhunderteinunddreißig 83/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus € 312,49 seit 3.3.2004 und aus weiteren € 119,34 seit 15.11.2004 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf € 431,83 festgesetzt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, bei Pfändungen der Bezüge des Klägers diesem 3 % des gepfändeten Betrages als Bearbeitungsgebühr vom verbleibenden Arbeitslohn abzuziehen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Werkführer mit einem Bruttoarbeitsentgelt von circa € 3.600,-- seit August 1984 beschäftigt. Der Lohnanspruch des Klägers für die Jahre 2003 und 2004 wurde zum Teil gepfändet.

Die Beklagte hat mit ihrem Betriebsrat unter dem Datum 1.1.1999 eine Arbeits- und Betriebsordnung abgeschlossen. Ziffer 6.2 dieser Arbeits- und Betriebsordnung lautet wie folgt:

"6.2

Abtretung und Pfändung von Arbeitsentgelt

Abtretung oder Verpfändung von Lohn- und Gehaltsansprüchen sind der Firma gegenüber nur wirksam, wenn sie schriftlich zugestimmt hat (vergl. § 399 BGB).

Bei Pfändung der Bezüge werden vom gepfändeten Betrag 3 % Bearbeitungsgebühren einbehalten. Das gleiche gilt für eine Abtretung, wenn dies anerkannt wird."

Entsprechend dieser Regelung hat die Beklagte vom Lohn des Klägers für die Monate Januar bis September 2003 monatlich € 18,54 als Bearbeitungsgebühr einbehalten. Im Oktober 2003 hat sie € 26,29, im November und Dezember 2003 jeweils € 19,89 als Bearbeitungsgebühr einbehalten. Insgesamt wurden somit dem Kläger für das Jahr 2003 Bearbeitungsgebühren in Höhe von € 232,93 in Rechnung gestellt und einbehalten. Für das Jahr 2004 hat die Beklagte dem Kläger als Bearbeitungsgebühr für Pfändungen monatlich € 19,89 berechnet, was für die Zeit vom 1.1.2004 bis 31.10.2004 einen Gesamtbetrag von € 198,90 ergibt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von ihm eine Bearbeitungsgebühr zu verlangen. Die entsprechende Regelung in der Arbeits- und Betriebsordnung sei unwirksam, da dem Betriebsrat hierzu die Zuständigkeit fehle. Bei der Vereinbarung von Bearbeitungsgebühren für Pfändungen handele es sich um eine Regelung, die den Individualbereich des Arbeitnehmers betreffe. Da diesen Bereich nur der Arbeitnehmer für sich selbst regeln könne, könne der Betriebsrat eine solche Vereinbarung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers treffen. Die Pflichten des Drittschuldners seien vom Arbeitgeber grundsätzlich kostenlos zu erfüllen. Er könne diese nur durch eine Individualvereinbarung auf den Arbeitnehmer abwälzen. Eine solche existiere jedoch zwischen den Parteien nicht.

Der Kläger beantragte im ersten Rechtszug,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 431,83 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragte dagegen

die Klageabweisung

und trug vor, dass sie nach Ziff. 6.2 der Arbeitsordnung vom 1.1.1999 berechtigt gewesen sei, die Bearbeitungsgebühr einzubehalten. Gerade im Falle des Klägers hätten sich besonders schwierige Fragen ergeben, die zu häufigen Rücksprachen mit dem Gericht bzw. der vom Kläger beauftragten Anwältin geführt hätten. Der Kläger könne nicht verlangen, dass ihm die Beklagte diesen Service kostenlos erbringe.

Das Arbeitsgericht Kempten hat durch Endurteil vom 13.1.2005 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei gemäß Ziff. 6.2 der Arbeits- und Betriebsordnung vom 1.1.1999 berechtigt gewesen, dem Kläger für die erfolgten Pfändungen eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3 % des gepfändeten Betrages monatlich in Rechnung zu stellen. Bei der Arbeits- und Betriebsordnung handele es sich um eine Betriebsvereinbarung; diese sei auch vom Vorsitzenden des Betriebsrates, Herrn S., unterzeichnet. Der Betriebsrat habe auch seine Regelungskompetenz gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht überschritten. Ziff. 6.2 der Betriebsvereinbarung stelle eine Regelung zur Ordnung des Betriebes dar. Diese Regelung sei nicht nur als pauschalierter Schadensersatz zu sehen, sondern sie solle dazu anhalten, dass es die Arbeitnehmer zur Vermeidung weiterer finanzieller Belastungen erst gar nicht zu Pfändungen kommen lassen. Die Festlegung einer Kostenpauschale für die Bearbeitung von Lohnpfändungen betreffe nicht die außerbetriebliche Lebensgestaltung des Arbeitnehmers. Sie diene vielmehr dazu, den Arbeitnehmer zu veranlassen, sich so zu verhalten, dass dem Arbeitgeber keine unnötigen Aufwendungen entstünden. Es entspreche dem Interesse des Arbeitgebers, vor Lohnpfändungen und der damit verbundenen Risiken, sowie vor dem ebenfalls damit verbundenen Arbeitsaufwand geschützt zu werden.

Der Einwand des Klägers, die Pauschale in Höhe von 3 % sei unangemessen, sei unbeachtlich. Der Kläger stütze seine Rechtsauffassung auf die Rechtsprechung des BGH zur AGB-Kontrolle. Er übersehe dabei, dass gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB eine Inhaltskontrolle von Betriebsvereinbarungen gemäß §§ 305 ff BGB nicht stattfinde.

Auf Grund der Regelung in Ziff. 6.2 der Betriebsvereinbarung habe die Beklagte gegen den Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Zahlung von € 431,83 netto. Durch die erklärte Aufrechnung sei der Lohnanspruch des Klägers in eben dieser Höhe erloschen, mit der Folge, dass die Klage abzuweisen gewesen sei.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil, das ihm am 9.2.2005 zugestellt wurde, am 3.3.2005 Berufung eingelegt und diese am 2.5.2005 innerhalb der verlängerten Frist auch begründet.

Er trägt vor, Ziff. 6.2 der Betriebsvereinbarung erfasse nicht die Ordnung des Betriebes im Sinne von § 97 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG. Der einzige Inhalt der Ziff. 6.2 der Betriebsvereinbarung sei ein pauschalierter Schadensersatzanspruch. Damit liege ein Eingriff in die Lebensgestaltung und das Arbeitsentgelt vor, der von § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG nicht umfasst sei.

Bezüglich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 2.5.2005 (Bl. 100 - 103 d. A.) und vom 5.7.2005 (Bl. 118/119 d. A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichtes Kempten vom 13.1.2005 wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 431,83 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt dagegen

die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung und trägt vor, § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG stelle eine zulässige Rechtsgrundlage für die Regelung der Erstattung von Bearbeitungskosten von Pfändungen dar. Ein Eingriff in die Lohngestaltung und in das Arbeitsentgelt des betroffenen Mitarbeiters liege nicht vor. Im Übrigen entspreche es der ganz herrschenden Literatur, dass die Vereinbarung einer Kostenpauschale für Lohnpfändungen durch die Betriebsparteien möglich sei. Vorliegend werde schon allein deshalb nicht in die außerbetriebliche Lebensgestaltung eingegriffen, da der Kläger es durch eine ordnungsgemäße Regelung seiner privaten Verhältnisse selbst in der Hand habe, den Anfall von Pfändungsbearbeitungsgebühren zu steuern und zu vermeiden. Außerdem würden Pfändungsbearbeitungsgebühren nur dann anfallen, wenn für das Lohnbüro des Arbeitgebers tatsächlich auch ein entsprechender Arbeitsaufwand sowie sonstige Kosten durch die Bearbeitung der Lohnpfändungen entstünden.

Die von den Betriebspartnern festgesetzte Pauschale in Höhe von 3 % des gepfändeten Betrages könne auch nicht als unangemessen hoch beanstandet werden.

Im Übrigen sei die Auferlegung von Pfändungsbearbeitungsgebühren auch als Betriebsbuße im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1 möglich.

Letztlich seien die Betriebspartner auch nach § 88 BetrVG befugt, durch freiwillige Betriebsvereinbarung die streitgegenständliche Pfändungsbearbeitungsgebühr festzusetzen. Das BAG billige den Betriebspartnern die grundsätzliche Befugnis zu, die Arbeitnehmer im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung zu einer Kostenbeteiligung heranzuziehen.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 27.5.2005 (Bl. 106 - 112 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Kempten vom 13.1.2005 ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat zu Unrecht den Lohn des Klägers in Höhe von € 431,83 netto einbehalten, da die Regelung der pauschalierten Bearbeitungsgebühr von 3 % und ihr Einbehalt vom Lohn in § 6.2 der Arbeits- und Betriebsordnung vom 1.1.1999 rechtsunwirksam ist.

1. Die Arbeits- und Betriebsordnung vom 1.1.1999 ist eine Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 2 BetrVG. Sie wurde von der Beklagten und dem bei ihr errichteten Betriebsrat beschlossen und schriftlich niedergelegt und von beiden Seiten unterzeichnet. Dies war zuletzt im Berufungsverfahren zwischen den Parteien auch nicht mehr streitig.

2. Für die Regelung in Ziff. 6.2 der Betriebsvereinbarung vom 1.1.1999 besteht keine Regelungskompetenz gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG.

Das Mitbestimmungsrecht nach dieser Bestimmung betrifft alle Maßnahmen des Arbeitgebers tatsächlicher oder rechtlicher Art, die sich auf die allgemeine Ordnung des Betriebes und/oder das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb beziehen. Zweck des Mitbestimmungsrechtes ist die gleichberechtigte Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung der betrieblichen Ordnung (vgl. BAG AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Gegenstand des Mitbestimmungsrechtes ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, das der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechtes oder seiner Organisationsbefugnis beeinflussen und koordinieren kann (vgl. BAG AP Nr. 38 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes). Gegenstand und Zweck des Mitbestimmungsrechts begrenzen damit die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien (vgl. Fitting u.a. § 87 BetrVG Rz. 63). Das Mitbestimmungsrecht beruht darauf, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorzugebenden Arbeitsorganisation erbringen. Sein Organisationsrecht und das arbeitsvertragliche Direktionsrecht berechtigen den Arbeitgeber zu Regelungen, die das Verhalten der Arbeitnehmer innerhalb der betrieblichen Arbeitsorganisation und für die Erbringung der Arbeitsleistung beeinflussen und koordinieren. Bei diesen einseitigen Maßnahmen soll der Betriebsrat im Interesse des Arbeitnehmers mitbestimmen können (BAG AP Nr. 39 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes). Danach bildet das dem Arbeitgeber zustehende Weisungs- und Organisationsrecht die Grenzen des Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG; diese Grenzen können zugunsten des Arbeitgebers und zu Lasten der Arbeitnehmer nicht durch Betriebsvereinbarung erweitert werden (vgl. Fitting u.a. a.o.a.O.).

Die Abtretung oder Verpfändung/Pfändung von Lohn- und Gehaltsansprüchen betrifft kein Arbeitsverhalten und auch kein Verhalten der Arbeitnehmer innerhalb des Arbeitsverhältnisses, das der Arbeitgeber im Rahmen seiner betrieblichen Organisationsgewalt oder des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes regeln könnte und unterliegt damit nicht dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG. Es handelt sich hierbei um rechtliche Vorgänge außerhalb des Arbeitsverhältnisses, die lediglich Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben insoweit, dass der Arbeitgeber mit konkreten Pflichten und einem zusätzlichen Arbeitsaufwand und damit mit zusätzlichen Kosten belastet wird.

Würde bei der Beklagten kein Betriebsrat bestehen, so könnte der Arbeitgeber im Rahmen seiner Organisationsgewalt und/oder des Direktionsrechtes einseitig weder gegenüber einem Arbeitnehmer eine Regelung von Abtretung und Pfändung von Gehalt, noch eine Verpflichtung zur Zahlung einer pauschalen Bearbeitungsgebühr einführen; dies könnte der Arbeitgeber nur in einer individualrechtlichen Regelung mit jedem einzelnen Arbeitnehmer; damit scheidet auch eine derartige Regelung in einer Betriebsvereinbarung gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG aus (ebenso Brill, DB 1976, 2402).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Regelung der Kostenerstattungspauschale in Ziff. 6.2 der Betriebsvereinbarung auch nicht nach der Rechtsprechung des BAG zur Zulässigkeit von Betriebsbußen wirksam. Das BAG geht zwar davon aus, dass die Betriebsparteien im Rahmen des § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG eine Betriebsbußordnung, also eine Regelung mit Beschreibung der einzelnen Vertragsverletzungshandlungen und ihrer Folgen aufstellen dürfen (vgl. BAG AP Nr. 1, 2, 12 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße), jedoch dienen Betriebsbußen der Durchsetzung der betrieblichen Ordnung, die selbst Gegenstand der zwingenden Mitbestimmung ist. Wer berechtigt ist, Grundsätze für die Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer aufzustellen, der muss auch in der Lage sein, die Einhaltung dieser Ordnung zu gewährleisten ("Annexkompetenz", vgl. BAG AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG Betriebsbuße). Damit scheidet aber die Regelung einer Betriebsbuße bereits aus, wenn diese Regelung nicht der Durchsetzung der betrieblichen Ordnung dient, sondern - wie hier - des Ausgleiches von Nachteilen, die der Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers außerhalb der Regelungskompetenz des § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG erleidet.

3. Ziff. 6.2 der Betriebsvereinbarung vom 1.1.1999 ist auch nicht im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung rechtswirksam.

Die Betriebsparteien haben im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung grundsätzlich eine umfassende Regelungskompetenz in sozialen Angelegenheiten, soweit der Gegenstand nicht nach § 77 Abs. 3 BetrVG durch Tarifvertrag geregelt ist oder üblicherweise geregelt wird (vgl. BAG AP Nr. 52 zu § 77 BetrVG 1972; AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung).

Grenzen der Regelungsbefugnis ergeben sich dabei neben dem gegenüber vertraglichen Regelungen zu beachtenden Günstigkeitsprinzip aus der dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat nach § 75 Abs. 2 BetrVG obliegenden Verpflichtung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Lohnverwendungsbestimmungen, die den Arbeitnehmer ausschließlich belasten, sind danach grundsätzlich unzulässig. Sie führen zu Einschränkungen der dem Arbeitnehmer zustehenden Freiheit, über seinen Lohn zu verfügen und greifen damit in seine außerbetriebliche Lebensgestaltung ein (BAG AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung).

Ob anhand dieser Grundsätze die Vereinbarung von Kostenpauschalen für die Bearbeitung von Lohnpfändungen zulässig ist, ist streitig (offen gelassen in BAG AP Nr. 52 zu § 77 BetrVG 1972; bejahend: Hess u.a. § 77 BetrVG Rz. 24; HSWG § 77 BetrVG Rz. 34; Schaub, Handbuch des Arbeitsrechtes § 90 Rz. 8; verneinend: Fitting u.a. 22. Aufl. Rz. 58; GK-Kreutz § 77 BetrVG Rz. 332; Schäcker BB 1959, 492; Brune, AR-Datei SD 520 Rz. 309).

Nach Auffassung des Berufungsgerichtes scheitert die Wirksamkeit der Regelung einer Bearbeitungsgebühr in Ziff. 6.2 der Betriebsvereinbarung bereits an dem gegenüber der vertraglichen Regelung zu beachtenden (vgl. BAG AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung) Günstigkeitsprinzip. Das BAG geht zwar in der angeführten Entscheidung nicht näher auf das von ihm zitierte Günstigkeitsprinzip ein. Eine Betriebsvereinbarung bezweckt aber den Schutz der Regelungsbetroffenen; dieser Schutzzweck würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn durch eine Betriebsvereinbarung für den Arbeitnehmer eine im Verhältnis zur Individualvereinbarung ungünstigere Regelung getroffen würde, was schon bei einer teilweisen Übertragung der Kosten zu bejahen ist, weil der Arbeitsvertrag keine Regelung zur Tragung der entsprechenden Kosten enthält (so von Hoyningen-Heune in Anm. zu BAG AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung.). Das Günstigkeitsprinzip gilt nicht nur zwischen einer Betriebsvereinbarung und einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Regelung, sondern allgemein zwischen Betriebsvereinbarung und der ohne besondere arbeitsvertragliche Vereinbarung bestehenden Situation im Arbeitsverhältnis (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 620 BGB Altersgrenze).

Aber selbst wenn man davon ausgehen würde, dass mit Ziff. 6.2 der Betriebsvereinbarung kein Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip vorliegt, so wäre diese Regelung dennoch unwirksam; denn diese Regelung stellt eine unzulässige Lohnverwendungsbestimmung dar. Die in einer Betriebsvereinbarung getroffene Regelung muss geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Innerhalb der Prüfung der Angemessenheit ist eine Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffes und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe erforderlich (BAG AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung).

Die Regelung, dass bei Pfändung der Bezüge vom gepfändeten Betrag 3 % Bearbeitungsgebühr monatlich einbehalten wird, ist nicht angemessen. Es ist zwar verständlich, dass der Arbeitgeber, der mit den durch die Pfändung verursachten Bearbeitungskosten belastet wird, diese Kosten auf den Arbeitnehmer abwälzen will, dessen Lohn gepfändet wurde. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bewusst keine besondere Regelung der Kostenerstattung für Lohnpfändungskosten getroffen hat. Es handelt sich insoweit um die Durchführung einer gesetzlichen Pflicht, deren Kosten der Gesetzgeber dem Drittschuldner auferlegt. Es ist äußerst streitig, ob überhaupt eine gesetzliche Anspruchsgrundlage für eine derartige Kostenerstattung besteht (vgl. zum Streitstand: Münchner Handbuch des Arbeitsrechtes, § 72 Rz. 105 m.w.N.). Es ist nämlich äußerst fraglich, ob zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein auftragsähnliches Verhältnis oder ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag entsteht. Der Arbeitgeber besorgt nämlich schon objektiv kein Geschäft für den Arbeitnehmer. Die Tätigkeit des Arbeitgebers, d.h. die Bearbeitung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, die Errechnung des pfändungsfreien Betrages und ähnliche nötige Folgetätigkeiten, liegt zwar im Interesse des Arbeitnehmers, ist aber kein Geschäft des Arbeitnehmers, da diese Pflichten von der ZPO unmittelbar dem Arbeitgeber auferlegt sind. Der Arbeitgeber nimmt also dem Arbeitnehmer keine diesem obliegende Tätigkeit ab.

Ist also schon rechtlich äußerst umstritten, ob der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer überhaupt einen gesetzlichen Erstattungsanspruch hat, so ist es unangemessen, einen derartigen Erstattungsanspruch durch eine Betriebsvereinbarung zugunsten des Arbeitgebers einzuführen und damit das Rechtsrisiko auf den Arbeitnehmer zu verlagern, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es in der Praxis ohne vertragliche Kostenerstattungsvereinbarung so gut wie nie zu einer Erstattung von Lohnpfändungskosten kommt. Der Arbeitgeber wird dadurch nicht schutzlos: Es bleibt ihm unbenommen, mit dem - insbesondere einzustellenden - Arbeitnehmer eine individualvertragliche Kostenerstattungsregelung zu treffen; hier hat der Arbeitnehmer dann die freie Entscheidung, ob er eine derartige Regelung zu seinen Lasten eingehen will oder nicht.

Im Übrigen ist es für das Berufungsgericht nicht ersichtlich, dass Gewicht und Dringlichkeit des Regelungszieles der Kostenerstattung so erheblich sind, dass durch Betriebsvereinbarung eine Abänderung von der ansonsten gegebenen Rechtslage zugunsten des Arbeitgebers und zu Lasten des Arbeitnehmers erforderlich ist. Es ist mangels eines konkreten Sachvortrages der Beklagten hierzu nicht ersichtlich, dass die Kostenbelastung durch Lohnpfändungsbearbeitungen so hoch ist, dass der Eingriff in die Freiheit zur Entgeltverwendung und damit in die private Lebensführung des Arbeitnehmers erforderlich ist.

4. Die Regelung in Ziff. 6.2 der Betriebsvereinbarung vom 1.1.1999 ist somit als rechtsunwirksam zu betrachten; damit entfällt das Lohneinbehaltungsrecht und die Beklagte ist zur Auszahlung der einbehaltenen € 431,83 verpflichtet. Das Endurteil des Arbeitsgerichtes Kempten vom 13.1.2005 war somit entsprechend abzuändern und der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Revision zum Bundesarbeitsgericht einlegen.

Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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