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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 15.09.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 406/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
In den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses gilt gemäß § 1 Abs. 1 KSchG der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Es bedarf keines irgendwie gearteten, sinnvollen oder sachlichen Grundes für die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers. Die Grenze wäre lediglich ein Verstoß gegen Treu und Glauben.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 406/05

Verkündet am: 15. September 2005

In dem Rechtsstreit

hat die neunte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dunkl sowie die ehrenamtlichen Richter R. Stumpf und I. Ullrich für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Kempten vom 4.2.2005 - 4 Ca 2525/04 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.806,40 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 15.8.2004 zu zahlen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 91 %, der Beklagte 9 % zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, über Vergütung und Ersatz von Umzugskosten.

Nach dem zwischen den Parteien abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag wurde die Klägerin vom Beklagten ab 14.6.2004 in dessen Praxis in Kempten als Ärztin eingestellt. Die Anstellung erfolgte zum Zwecke der Weiterbildung der Klägerin (§ 1 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages). Die ersten drei Monate waren als Probezeit vereinbart (§ 1 Ziff. 2). Als Vergütung wurden € 3.500,-- brutto monatlich vereinbart (§ 5 Ziff. 1). Als Kündigungsfrist wurde während der Probezeit ein Monat zum Monatsende, nach der Probezeit von sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres vereinbart (§ 10 Ziff. 2 und 3). In § 12 des Arbeitsvertrages ist eine Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis von drei Monaten nach Fälligkeit vereinbart.

Am 22.6.2004, dem siebten Arbeitstag der Klägerin, hat der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass er vorhabe, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aufzulösen. Er habe das Gefühl, dass die Zusammenarbeit mittelfristig vielleicht nicht funktionieren könne. Für den 23.6.2004 schlug der Beklagte der Klägerin ein Gespräch über die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Abwicklung der Angelegenheit vor. Er hatte ihr angeboten, sie für die Dauer der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung freizustellen. Die Klägerin erschien zu dieser Aussprache nicht. Daraufhin hat der Beklagte mit Schreiben vom 23.6.2004 das Arbeitsverhältnis gekündigt (Fotokopie Bl. 13 d. A.). Rein vorsorglich hat der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten nochmals das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12.7.2004 (Fotokopie Bl. 14 d. A.) gekündigt. Für die Zeit vom 25.6. bis 2.7.2004 (Fotokopie Bl. 37 d. A.) und für die Zeit vom 12.7. bis 31.7.2004 (Fotokopie Bl. 38 d. A.) hat die Klägerin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Nach Angaben der Klägerin war diese auch in der Zwischenzeit vom 3.7. bis 11.7.2004 arbeitsunfähig krank.

Die Klägerin hält die Kündigung für treuwidrig. Der Beklagte habe die Kündigung "aus dem Bauch heraus" ausgesprochen. Sie entbehre jeglichen sachlichen Grundes. Nach nur sieben Arbeitstagen sei es dem Beklagten nicht möglich gewesen, eine treffende Prognose hinsichtlich einer längerfristigen Zusammenarbeit mit der Klägerin abgeben zu können.

Der Beklagte sei für die Zeit bis einschließlich 22.6.2004 zur Bezahlung der geleisteten Arbeit verpflichtet. Für die Tage 23. und 24.6.2004 sei er zur Vergütung verpflichtet, da er die Klägerin von der Arbeitsleistung freigestellt habe. Für die Zeit ab 25.6.2004 bis 15.7.2004 habe der Beklagte die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle zu leisten.

Für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung sei der Beklagte jedenfalls verpflichtet, die Umzugskosten der Klägerin zu bezahlen. Er habe ihr erklärt, dass er Wert darauf lege, dass sie ihren Lebensmittelpunkt von Regensburg nach Kempten verlagere. Wenn er dann dennoch kurzfristig kündige, müsse er die hieraus entstandenen Kosten tragen. Die Kosten würden sich auf € 2.562,-- belaufen.

Die Klägerin beantragte in erster Instanz:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 23.6.2004, der Klägerin zugegangen am 24.6.2004 zum 31.7.2004 nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 12.7.2004, der Klägerin zugegangen am 12.7.2004 zum 31.8.2004 nicht aufgelöst worden ist.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.8.2004 hinaus fortbesteht.

4. Der Beklagte wird verurteilt, € 3.500,-- Arbeitslohn für die Zeit vom 14.6.2004 bis einschließlich 15.7.2004 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem aktuellen Basiszinssatz seit dem 16.7.2004 zu bezahlen.

5. Hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu Ziff. 1 und 2 abgewiesen wird:

Die beklagte Partei wird verurteilt, an die klägerische Partei ' € 2.562,-- nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 20.7.2004 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragte dagegen,

die kostenpflichtige Klageabweisung.

Er trug vor, das Arbeitsverhältnis sei durch die erste Kündigung fristgerecht zum 31.7.2004 beendet worden. Die Kündigung sei während der Probezeit fristgerecht ausgesprochen worden; eines Kündigungsgrundes habe die Kündigung nicht bedurft. Die Kündigung sei auch nicht willkürlich oder rechtsmissbräuchlich, da gerade eine Probezeit dazu diene, die Möglichkeit einer zukünftigen Zusammenarbeit zu überprüfen.

Eine Zahlungspflicht für den 23. und 24.6.2004 bestehe nicht, da die Klägerin nicht beurlaubt worden sei, sondern diese von sich aus den Dienst verweigert habe. Für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis 11.7.2004 bestehe kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, weil gemäß § 3 Abs. 3 EFZG der Anspruch innerhalb der Wartezeit ausgeschlossen sei.

Der Anspruch auf Erstattung der Umzugskosten werde dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Eine Verpflichtung zur Zahlung von Umzugskosten bestehe grundsätzlich nicht. Dies sei auch vertraglich nicht vereinbart.

Das Arbeitsgericht Kempten hat durch Endurteil vom 4.2.2005 den Beklagten zur Zahlung von € 1.750,-- als Vergütung für die Zeit vom 14.6. bis 22.6.2004 und als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Zeit vom 12. bis 15.7.2004 verurteilt, also insgesamt zur Zahlung von 11 Arbeitstagen (€ 3.500,-- : 22 Arbeitstage x 11 Arbeitstage); im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 23.6.2004 zum 31.7.2004 beendet worden. Die Kündigung unterliege nicht der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, da die sechsmonatige Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt gewesen sei. Innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses könne der Arbeitgeber ohne Kündigungsgrund kündigen. Die Kündigung verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der Umzugskosten. Es fehle an einer Kostenübernahmeverpflichtung durch den Beklagten.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug und der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichtes im Einzelnen wird auf den Inhalt des Endurteils des Arbeitsgerichts Kempten vom 4.2.2005 (Bl. 101 - 116 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil, das ihr am 18.3.2005 zugestellt wurde, am 13.4.2005 Berufung eingelegt und diese am 11.5.2005 begründet.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Kempten vom 4.2.2005 (Az.: 4 Ca 2525/04) abzuändern und nach den Schlussanträgen I. Instanz zu erkennen;

2. die Kosten des Rechtsstreites der berufungsbeklagten Partei aufzuerlegen.

Ferner beantragt die Klägerin im Wege der Klageerweiterung:

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Lohn für die Zeit vom 16. Juli bis einschließlich 31. Juli 2004 in Höhe von € 1.806,40 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 15. August 2004 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt dagegen,

die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Klägerin vom 9.5.2005 (Bl. 143 - 149 d. A.), vom 9.6.2005 (Bl. 188 - 190 d. A.) und vom 23.6.2005 (Bl. 210/211 d. A.) und auf den Schriftsatz des Beklagten vom 25.5.2005 (Bl. 184 - 190 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Kempten vom 4.2.2005 ist zulässig, aber unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht bis auf einen Betrag von € 1.750,-- nebst Zinsen als unbegründet abgewiesen. Auf die ausführlichen und überzeugenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteiles, denen sich das Berufungsgericht voll anschließt, wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Die in der Berufung vorgebrachten Einwände, die das erstinstanzliche Vorbringen im Wesentlichen wiederholen und bereits zutreffend und umfassend vom Arbeitsgericht gewürdigt wurden, sind nicht geeignet, zu einer anderen, von der arbeitsgerichtlichen Entscheidung abweichenden rechtlichen Beurteilung zu führen.

Ergänzend ist noch auszuführen:

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die ordentliche Kündigung vom 23.6.2004 unter Einhaltung der gemäß § 1 Ziff. 2, § 10 Ziff. 2 des Arbeitsvertrages vereinbarten Kündigungsfrist während der Probezeit von einem Monat zum Monatsende zum 31.7.2004 beendet.

Da gemäß § 1 Abs. 1 KSchG bei einer Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung in dieser Zeit frei. Es gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluss). Es bedarf keines irgendwie gearteten - verständigen, sinnvollen oder sachlichen - Grundes für die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers (vgl. KR-Etzel § 1 KSchG Rz. 133). Die Grenze wäre lediglich ein Verstoß gegen Treu und Glauben (vgl. BAG vom 9.5.1996 RzK I 8 k Nr. 10). Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt jedoch nicht vor. Dies hat das Arbeitsgericht mehr als ausführlich und verständlich in den Entscheidungsgründen des Endurteiles vom 4.2.2005 ausgeführt. Die Klägerin weigert sich nur, dies zur Kenntnis zu nehmen. Selbst wenn der Beklagte im Vorstellungsgespräch "einen begeisterten Eindruck von der Klägerin" hinterlassen haben sollte, selbst wenn er sie gelobt haben sollte, so hat er damit nicht sein freies Kündigungsrecht verwirkt. Und wenn die Klägerin geltend macht, nach sieben Arbeitstagen sei es dem Beklagten gar nicht möglich gewesen, bereits eine Prognose hinsichtlich einer längerfristigen Zusammenarbeit zwischen den Parteien abzugeben, so verkennt sie, dass dies auch gar nicht erforderlich ist; denn damit würde man das Erfordernis eines Kündigungsgrundes einführen, also dass eine Kündigung sachlich gerechtfertigt ist. Gerade dies ist aber innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses nicht erforderlich. Die Klägerin muss sich wie jeder andere Arbeitnehmer damit abfinden, dass der Arbeitgeber innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses frei kündigen kann, auch wenn ihr die Kündigung aus ihrer Sicht heraus nicht einleuchtend oder verständlich ist. Entscheidend und ausreichend ist, dass der Arbeitgeber - aus welchen Gründen und Überlegungen auch immer - zu dem Entschluss gelangt ist, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen.

2. Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht den Antrag auf Erstattung der Umzugskosten abgewiesen. Zum einen wurde zwischen den Parteien keine Vereinbarung zur Erstattung der Umzugskosten getroffen; zum anderen besteht auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB, wie er von der Klägerin geltend gemacht wird. Es fehlt bereits ein Verstoß gegen die guten Sitten. Der Beklagte hat, wie oben ausgeführt, lediglich von seinem Recht auf freie ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht. Dies ist sittlich nicht verwerflich. Soweit die Klägerin behauptet, der Beklagte habe sie zu einem Umzug veranlasst und ihre eine langfristige Tätigkeit in Aussicht gestellt, so handelt es sich hier um eine - im Übrigen bestrittene - Pauschalbehauptung, die auch nicht unter Beweis gestellt worden ist. Gegen die Richtigkeit der Behauptung spricht im Übrigen auch, dass im schriftlichen Arbeitsvertrag eine Probezeit von drei Monaten vereinbart wurde; damit ist aber eine sofortige in Aussichtstellung einer längerfristigen Tätigkeit und eine Veranlassung zum sofortigen Umzug nicht in Einklang zu bringen. Vom Vertrauen in eine längerfristige Tätigkeit und von der Notwendigkeit eines Umzuges hätte die Klägerin somit vernünftigerweise erst dann ausgehen können, wenn sie die Probezeit erfolgreich hinter sich gebracht hätte; das Arbeitsverhältnis wurde aber schon während der Probezeit beendet.

3. Soweit das Arbeitsgericht die Vergütungsforderung für die Zeit 23. und 24.6.2004 und auch im Übrigen abgewiesen hat, ist die Berufung unzulässig. Gemäß § 520 Abs. 3 Ziff. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung und die Rechtserheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Bei Mehrheit mit der Berufung verfolgter Ansprüche ist die Begründung für jeden Anspruch nötig (vgl. BGHZ 22, 272; NJW 1993, 307). In der innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingereichten Berufungsbegründungsschrift ist jedoch ein Vortrag, inwieweit die Abweisung des Anspruches auf Vergütung für den 23. und 24.6.2004 und für die Entgeltfortzahlung bis 11.7.2004 rechtsfehlerhaft ist, nicht enthalten. Den Vortrag für den 23. und 24.6.2004 hat die Klägerin erstmals im Schriftsatz vom 23.6.2005 erbracht und damit lange nach Ablauf der Begründungsfrist am 18.5.2005. Die Rechtsfolge gemäß § 522 Abs. 1 ZPO ist, dass insoweit die Berufung bereits unzulässig ist.

II.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Zeit vom 16. bis 31.7.2004 gemäß § 3 Abs. 1 EFZG.

1. Die Klägerin hat diesen Anspruch erstmals im Wege der Klageerweiterung im Berufungsverfahren geltend gemacht. Die Klageerweiterung ist ein Unterfall der Klageänderung (vgl. Zöller § 263 ZPO Rz. 2; BGH NJW 1985, 1841). Die Zulässigkeit der Klageänderung im Berufungsverfahren beurteilt sich nach § 533 ZPO. Die Klageerweiterung ist hier sachdienlich, da hierdurch ein neuer Prozess vermieden und der Streit der Parteien endgültig bereinigt werden kann; ferner beruht die Entscheidung auf Tatsachen, die das Berufungsgericht ohnehin bei der Entscheidung zu berücksichtigen hat.

2. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit 16. bis 31.7.2004 ist gemäß § 3 Abs. 1 EFZG begründet. Die Klägerin war in dieser Zeit unstreitig arbeitsunfähig krank. Dies hat sie auch durch ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12.7.2004 nachgewiesen. Da die Wartefrist des § 3 Abs. 3 EFZG am 12.7.2004 abgelaufen war, hat die Klägerin Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle; der Anspruch beläuft sich auf € 1.806,40 brutto (€ 3.500,-- brutto : 31 x 16).

3. Dieser Anspruch ist nicht gemäß § 12 des Arbeitsvertrages verfallen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist bei einer einstufigen Ausschlussfrist die Erhebung der Kündigungsschutzklage ein geeignetes Mittel, die Ansprüche, die während des Kündigungsrechtsstreites fällig werden und von dessen Ausgang abhängen, geltend zu machen. Denn in diesem Falle wird dem Arbeitgeber das Gesamtziel der Klage, nicht nur den Arbeitsplatz zu erhalten, sondern auch die hieraus sich ergebenden Ansprüche zu sichern, deutlich (vgl. BAG AP Nr. 114 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).

Da die Kündigung vom 23.6.2004 keinen Beendigungszeitpunkt beinhaltet, so wird von der Kündigungsschutzklage auch die Einhaltung der zutreffenden Kündigungsfrist bis zum 31.7.2004 erfasst; damit unterfiel der Geltendmachung der Ansprüche auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Zeit bis zum 31.7.2004. Im Übrigen wäre die Ausschlussfrist auch wegen § 12 Ziff. 2 des Arbeitsvertrages gewahrt; denn danach reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruches aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20.7.2004 für die Zeit ab 25.6.2004 bis 15.7.2004 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle verlangt; dieses Verlangen lag innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist des § 12 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages. Damit wusste der Beklagte, dass die Klägerin auch die weitere Entgeltforderung nach dem 16.7.2004 noch verlangen wird. Da die Arbeitsunfähigkeit ab 25.6. bis 31.7.2004 denselben Lebenssachverhalt betraf, war eine erneute Geltendmachung des Anspruches für die Zeit vom 16.7. bis 31.7.2004 nicht mehr erforderlich.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht statthaft. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen für eine Zulassung gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen. Die Parteien werden auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72a ArbGG) hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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