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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: 9 TaBV 42/05
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 103 Abs. 2 |
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS
Verkündet am: 30. November 2005
In dem Beschlussverfahren unter Beteiligung
hat die neunte Kammer des Landesarbeitsgerichtes München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dunkl sowie die ehrenamtlichen Richter Lothar Kuhlemann und Horst Haug für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005 - 25 BV 349/03 - wird zurückgewiesen.
2. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005 - 25 BV 349/03 - in Ziffer 1 abgeändert:
Der Antrag der Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 4).
Die Beteiligte zu 1) ist ein Unternehmen eines weltweit herstellenden und vertreibenden Pharmakonzerns. In Deutschland wird der gesamte Vertrieb mit circa 1200 Außendienst- und circa 450 Innendienstmitarbeitern von der Beteiligten zu 2) gesteuert. Der Beteiligte zu 3) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2) bestehende Betriebsrat. Der Beteiligte zu 4), geboren am 31.5.1945, verheiratet, hatte seit 1.7.1992 ein Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 1). Tatsächlich erbringt der Beteiligte zu 4) seine Arbeitsleistung jedoch ausschließlich auf Weisung und im wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten zu 2). Unter dem Datum 27.11.2003 sind die Beteiligten zu 1), 2) und 4) übereingekommen, dass das bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 1.1.2004 mit sämtlichen Rechten und Pflichten auf die Beteiligte zu 2) übergegangen ist (Fotokopie Bl. 178 d. A.). Der Beteiligte zu 4) ist Betriebsratsmitglied beim Beteiligten zu 3). Der Beteiligte zu 4) ist als Pharmareferent für die Bezirke C./M./W. in B. zuständig. Sein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt € 3.863,--. Der Beteiligte zu 4) benutzt bei seiner Tätigkeit ein EDV-System, gsk-AS, in welchem er seine Arztpraxisbesuche dokumentiert. Wegen der Einzelheiten dieses Systems wird auf die "Benutzerdokumentation gsk-AS" (Bl. 185 - 189 d. A.) Bezug genommen. Zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Beteiligten zu 1) wurde am 11.12.2002 eine "Betriebsvereinbarung zum grundsätzlichen Einsatz von EDV-Systemen" (Bl. 111 - 117 d. A.) getroffen. Ziffer 7.1 dieser Betriebsvereinbarung enthält folgende Regelung:
"EDV-gestützte Softwaresysteme, die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeignet sind, bedürfen der Zuständigkeit des BR im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG. Näheres regelt Ziff. 11 dieser Vereinbarung".
Ziffer 10.1 hat folgenden Inhalt:
"Leistungs- und Verhaltenskontrollen dürfen nur mit vorheriger Zustimmung des BR durchgeführt werden (§ 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG)..."
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben unter dem Datum 1.6.2003 eine "Betriebsvereinbarung Vertriebsinformationssystem/Datawarehouse" (Bl. 191/192 d. A.) getroffen. Regelungsgegenstand dieser Betriebsvereinbarung ist die Konkretisierung von Ziff. 10 der EDV-Betriebsvereinbarung im Hinblick auf die Verarbeitung von Daten im Vertriebsinformationssystem, die geeignet sind, die Leistung und das Verhalten von Mitarbeitern zu überwachen. Ziffer 2.4 dieser Betriebsvereinbarung enthält folgende Regelung:
"Die Berichte zu den Tätigkeiten/Aktivitäten der Außendienstmitarbeiter sind für Mitarbeitergespräche zeitnah zu nutzen. ..."
Das Datawarehouse-System ist ein Betriebssystem, in welchem Vertriebsdaten zusammengefasst werden.
Unter dem Datum 11.6.2003 hat die Vorgesetzte des Beteiligten zu 4), Frau K., dem Beteiligten zu 4) eine E-Mail (Bl. 10 d. A.) gesandt, in der sie ihm unter anderem folgende Anweisungen erteilte:
"... Deshalb ist hier eine Besuchsfrequenz bei den Päd von 12 und bei den Apis von 10 unbedingt einzuhalten.
...
Besuchsdokumentation: Bitte dokumentiere im gsk-AS ausschließlich
Deine durchgeführten Arztkontakte."
Der Beteiligte zu 4) hat für den Zeitraum 7.7.2002 bis 18.8.2003 in das gsk-AS-System Kontaktdokumentationen eingetragen. Einige von ihm angegebene Ärzte befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub. Wegen der einzelnen Namen wird auf die Liste Bl. 20 d. A. Bezug genommen. Am 9.9.2003 fand mit dem Beteiligten zu 4), der bis 8.9.2003 erkrankt war, ein Gespräch statt, an welchem Herr O., HR Director Business Unit, Herr K., Personalreferent, Frau E., Vertriebsleiterin, sowie der Betriebsratsvorsitzende Herr Z. teilnahmen.
Mit Schreiben vom 10.9.2003 (Fotokopie Bl. 18 d. A.) hat die Beteiligte zu 2) beim Beteiligten zu 3) die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 4) beantragt.
Mit Schreiben vom 12.9.2003 (Bl. 19 d. A.) teilte der Beteiligte zu 3) mit, dass er der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung nicht zustimme.
Mit Antrag vom 18.9.2003, beim Arbeitsgericht München eingegangen am selben Tage, beantragte die Beteiligte zu 1) die Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Mit Antrag ebenfalls vom 18.9.2003, beim Arbeitsgericht München eingegangen am 19.9.2003, beantragte die Beteiligte zu 2) die Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Das Verfahren der Beteiligten zu 2), welches zunächst unter dem Aktenzeichen 34 BV 356/03 geführt wurde, wurde durch Beschluss vom 22.10.2003 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit dem Verfahren 25 BV 349/03 verbunden und unter diesem Aktenzeichen weitergeführt.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind der Auffassung, ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung läge vor. Sie seien der Ansicht, der Beteiligte zu 4) habe einen Arbeitszeitbetrug begangen. Jedenfalls rechtfertige sich die Kündigung durch den Verdacht hierüber. Aufgabe der Außendienstmitarbeiter sei es, den Absatz der von gsk vertriebenen Medikamente durch persönliche Gespräche mit Ärzten und Apothekern zu fördern. Hierbei sei jedem Außendienstmitarbeiter ein fester zu betreuender Ärzte- bzw. Apothekerkreis zugeordnet. Der Außendienstmitarbeiter habe die Verpflichtung, jeden Tag ein bestimmtes Kontingent an persönlichen Besuchen durchzuführen (so genannte "Besuchsfrequenz"). Da eine Zeiterfassung im Außendienst nicht existiere, seien die Mitarbeiter verpflichtet, die von ihnen tatsächlich durchgeführten Arztkontakte über ihren Laptop in einem elektronischen Formular (gsk-AS) zu erfassen und zu dokumentieren. Der Beteiligte zu 4) habe in der Zeit vom 7.7.2003 bis 18.8.2003 insgesamt 24 Ärztekontakte im gsk-AS dokumentiert, die auf Grund nachweislicher urlaubsbedingter Abwesenheit der betroffenen Ärzte nicht stattgefunden haben können. Die Vorgesetzte des Beteiligten zu 4), Frau K. habe durch persönliche Nachfrage bei allen in der Anlage 3 zur Antragschrift aufgeführten Ärzten festgestellt, dass diese an dem betroffenen Tag urlaubsbedingt nicht in der Praxis anzutreffen waren. Da der Beteiligte zu 4) mit den angegebenen Ärzten zu den angegebenen Zeiten kein dienstliches Gespräch geführt haben könne, hätte er die betroffenen Daten nicht als "Kontakte" in gsk-AS dokumentieren dürfen. Es stehe daher fest, dass der Beteiligte zu 4) gezielt Besuche, die er tatsächlich nicht durchgeführt habe, eingetragen habe, um damit seine Besuchsfrequenz zu erhöhen. Zumindest bestehe der dringende Verdacht. Der Beteiligte zu 4) sei am 9.9.2003 hiermit konfrontiert worden. Nach dem Verlesen von circa 10 Dokumentationen habe der Beklagte zu 4) erklärt, dass ihm bekannt sei, um welche Vorfälle es sich handele und habe die Vorwürfe in weiten Teilen eingeräumt. Da die Umsätze des Beteiligten zu 4) trotz hoher Besucherfrequenz rückläufig waren, habe der Verdacht bestanden, dass der Beteiligte zu 4) tatsächlich weniger Besuche vornehme. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates sei durch die Nutzung der Daten aus dem gsk-AS nicht verletzt worden, jedenfalls liege kein Beweisverwertungsverbot vor. Auch die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten, da der Lauf der 2-Wochen-Frist erst am 9.9.2003 nach der Anhörung des Beteiligten zu 4) begonnen habe.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben im ersten Rechtszug beantragt,
die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung von Herrn Dr. S. zu ersetzen.
Das Arbeitsgericht München hat durch Beschluss vom 28.4.2005 dem Antrag der Beteiligten zu 2) stattgegeben und den Antrag der Beteiligten zu 1) abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Antrag der Beteiligten zu 1) habe keinen Erfolg, da der Beteiligte zu 4) spätestens seit dem 1.1.2004 nicht mehr Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1) sei. Auf den Antrag der Beteiligten zu 2) sei jedoch die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 2) zu ersetzen, da die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt sei. Die beabsichtigte außerordentliche Kündigung sei jedenfalls als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem Vorbringen der Beteiligten stehe für die Kammer zur Überzeugung fest, dass der Beteiligte zu 4) im Rahmen seiner Anhörung zunächst mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, dass er Ärzte als "besucht" angegeben habe, die zu dem genannten Zeitpunkt im Urlaub waren, und dass ihm hierbei wenigsten 10 Ärzte namentlich und mit Datum bekannt gegeben wurden. Unstreitig habe der Beteiligte zu 4) die Verlesung unterbrochen. Die Beteiligte zu 2) habe dies so verstehen dürfen, dass der Beteiligte zu 4) die Vorwürfe eingestanden habe. So habe der Zeuge K. klar zum Ausdruck gebracht, dass er die Äußerung des Beteiligten zu 4) so verstanden habe, dass dieser wusste, dass er "Mist gebaut hatte und die Ärzte nicht besucht hatte". Hierfür spreche auch, dass der Beteiligte zu 4) nach Aussage der Zeugin E. um eine zweite Chance gebeten habe und geäußert habe, dass es im Leid täte. Die Anhörungspflicht sei darüber hinaus auch nicht deshalb verletzt, weil dem Beteiligten zu 4) nach Abschluss des Gespräches die Liste nicht mitgegeben wurde, obgleich ihm noch für einen Tag Zeit gelassen wurde, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Die Beteiligte zu 2) habe als verständige Arbeitgeberin davon ausgehen dürfen, dass der Beteiligte zu 4) Ärzte dokumentiert habe, die er nicht besucht hatte. Insoweit sei der Verdacht berechtigt und auch dringend, dass der Beteiligte zu 4) Arbeitsleistungen dokumentiert hat, die er nicht erbracht habe. Es sei in der Folge der dringende Verdacht gerechtfertigt, dass der Beteiligte zu 4) in der dafür normalerweise aufzuwendenden Arbeitszeit nicht für die Beteiligte zu 2) tätig gewesen sei. Es bestehe der Verdacht der Täuschung von Erbringung von Arbeitsleistungen und damit auch von Arbeitszeit. Da der Beteiligte zu 4) im Außendienst einem besonderen Vertrauensverhältnis unterliege, sei dies als derart schwerwiegend anzusehen, dass eine fristlose Kündigung begründet sei. Auch die Einlassung des Beteiligten zu 4) im Verlaufe des Prozesses, er habe zwar nicht die dokumentierten Ärzte besucht, sondern deren Praxispartner, führe zu keiner anderen Bewertung. Die Aussagen der Zeugen O., E. und K. unterlägen auch keinem Beweisverwertungsverbot. Die Beteiligte zu 2) habe als Ausgangspunkt ihrer Ermittlungen die Daten des gsk-AS verwendet, um den Beteiligten zu 4) zu kontrollieren. Eine entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterbliebene Mitbestimmung gebe, was den Schutz des Persönlichkeitsrechtes des Arbeitnehmers betreffe, der Beweisverwertung durch die staatlichen Gerichte keinen eigenen Unrechtsgehalt. Die unterbliebene Mitbestimmung führe für sich genommen nicht zu einem Verstoß der Beweisverwertung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die vorzunehmende Interessenabwägung ergebe ein überwiegendes Interesse der Beteiligten zu 2) an der außerordentlichen Kündigung. Es sei zu berücksichtigen, dass ein schwerer Verdacht vorliege, dass der Beteiligte zu 4) seine Arbeitsleistung/Arbeitszeit nicht im vertraglich geschuldeten Umfang erbringe und die Beteiligte zu 2) auf das Vertrauen ihrer Mitarbeiter im Außendienst angewiesen sei. Auch der Umstand, dass der Beteiligte zu 4) private Probleme hatte, führe zu keiner anderen Bewertung.
Die Beteiligte zu 2) habe entgegen der Annahme des Beteiligten zu 4) auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Kündigung sei auch aus sonstigen Gründen nicht rechtsunwirksam. Die Beteiligte zu 2) habe insbesondere den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört.
Bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im ersten Rechtszug und der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichtes im Einzelnen wird auf den Inhalt des Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005 verwiesen.
Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) haben gegen den Beschluss vom 28.4.2005, der ihnen am 10.5.2005 zugestellt wurde, fristgerecht (der Beteiligten zu 4) am 3.6.2005, die Beteiligten zu 1) und 3) am 9.6.2005) Beschwerde eingelegt und diese auch fristgerecht (der Beteiligte zu 3) am 7.7.2005 und die Beteiligten zu 1) und 4) am Montag, 11.7.2005) begründet.
Der Beteiligte zu 3) trägt im Beschwerdeverfahren vor, der Beschluss des Arbeitsgerichtes könne keinen Bestand haben, weil insbesondere die Beweiswürdigung der einvernommenen Zeugen nicht frei von Rechtsfehlern sei. Aus den Aussagen der Zeugen könne nicht entnommen werden, dass der Beteiligte zu 4) bei seiner Anhörung die Vorwürfe eingeräumt habe; seine Äußerung, er wüsste nicht, dass es so viele waren, beziehe sich darauf, dass er überrascht war über die hohe Anzahl der Vorwürfe, die ihm gemacht wurden, und dass er deshalb das Gespräch abgebrochen habe, weil er sich in der Situation mündlich nicht habe äußern wollen. Der Beteiligte zu 4) sei auf Grund der Vorwürfe völlig neben sich gewesen und somit nicht in der Lage, klare Gedanken im Sinne einer Verteidigung zu führen. Auch die Aussage "zur zweiten Chance" dürfe nicht überbewertet werden, da der Beteiligte zu 4) glaubwürdig erklärt habe, dass er bei der Anhörung völlig "neben sich war". Es werde bestritten, dass er hiermit seine Schuld habe eingestehen wollen. Es bestehe zusammengefasst nach richtiger Würdigung der Zeugenaussagen noch kein ausreichender konkreter Verdacht auf eine strafbare Handlung des Beteiligten zu 4), so dass aus diesem Grunde der Erstbeschluss keinen Bestand haben könne. Eine unrichtige Dokumentation im gsk-AS-System begründe auch noch keinen ausreichenden Verdacht. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, stelle sich der Außendienstmitarbeiter vor Beginn seiner täglichen Tour die zu besuchende Ärzteliste im System zusammen, die er dann später am Abend bestätige und versende. Nach der Versendung könne er keine Korrektur mehr vornehmen. Hier habe der Beteiligte zu 4) nachlässig gehandelt, wenn er es verabsäumt habe, die angelegten Ärzte wieder zu löschen, also einen zusätzlichen Vorgang im System vorzunehmen. Wie der Beteiligte zu 4) selber vorgetragen habe, habe er sich in einer persönlichen Stresssituation befunden, so dass es durchaus nachzuvollziehen sei, dass er die Löschung der am Morgen zusammengestellten Ärzte am Ende des Tages vergessen habe. Eine einmal abgesandte Liste könne ohne größeren Aufwand nicht verändert werden, so dass eine spätere Löschung sehr mühselig sei. Diese Nachlässigkeit rechtfertige allerdings keine fristlose Kündigung.
Der Beteiligte zu 4) trägt im Beschwerdeverfahren vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass
1. die streitgegenständlichen Eintragungen des Beteiligten zu 4) in die gsk-AS-Dokumentationen eine Arbeitszeitmanipulation darstellen bzw. den Verdacht einer Manipulation begründen,
2. die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB von den Beteiligten zu 1) und 2) gewahrt worden sei,
3. die Anhörung des Beteiligten zu 4) am 9.9.2003 vollständig und wirksam erfolgt sei,
4. die Gründe der beabsichtigten Kündigung nicht der gsk-AS-Dokumentation entstammen und
5. das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört sei, obwohl die Beteiligten zu 1) und 2) dem Beteiligten zu 4) im laufenden Zustimmungsersetzungsverfahren noch die Zahlung einer von der Staatsanwaltschaft angebotenen Geldauflage zur Einstellung eines Ermittlungsverfahrens angeboten haben.
Die streitgegenständlichen Eintragungen des Beteiligten zu 4) in die gsk-AS-Dokumentation könnten schon deswegen keine Arbeitszeitmanipulation darstellen bzw. den Verdacht einer Manipulation rechtfertigen, weil der Beteiligte zu 4) während seiner täglichen Arbeitszeit nicht nur Ärzte besucht habe, sondern auch Apotheken und die dort tätigen Apotheker. Diese Besuche seien aber in der Dokumentation nicht zu erfassen. Der Beteiligte zu 4) habe auch keine tägliche Besuchsfrequenz zu erfüllen. Die Außendienstmitarbeiter seien nicht verpflichtet, an jedem Wochentag ein bestimmtes Kontingent an persönlichen Besuchen durchzuführen und damit die angebliche, von der Beteiligten zu 1) behauptete Besuchsfrequenz zu erfüllen. Zu dem habe der Beteiligte zu 4) zuhause von seinem Heimarbeitsplatz aus gearbeitet. Auch dies werde nicht in die gsk-AS-Dokumentation eingetragen. Fehleintragungen von Ärzten bzw. Arztpraxen würden daher für sich genommen nicht in einem unmittelbaren Bezug zur Arbeitszeit stehen. Über die reinen Arztkontakte hinaus, seien die Außendienstmitarbeiter auch legitimiert, Gespräche mit Arzthelferinnen und Vertretern in die Dokumentation einzutragen. Die gsk-AS-Dokumentation lasse eine Kontrolle der Arbeitszeit gar nicht zu. Bei den Beteiligten zu 1) und 2) würden keinerlei Anweisungen zum Umfang und Inhalt der Eintragungen in die gsk-AS-Liste existieren. Die Liste enthalte zu dem keinerlei Angaben zu weiteren Tätigkeiten der Vertriebsmitarbeiter, soweit sie keine Ärzte, sondern Apotheker besuchen. Unzutreffend sei auch, dass die gsk-AS-Dokumentation dem Nachweis der Zeiterfassung der Außendienstmitarbeiter diene. Aus der Dokumentation der Arztbesuche ergebe sich auch kein zwingender Rückschluss auf die Arbeitszeit des Beteiligten zu 4), da dieser nicht gehalten sei, jeden Arbeitstag 8/6 Zeitstunden für Arztbesuche aufzuwenden. Folglich würden auch Tätigkeiten vom Heimarbeitsplatz aus als Arbeitszeit gelten, ebenso wie Wegezeiten und fehlgeschlagene Arztbesuche sowie Besuche von Apotheken. Es sei auch zu rügen, dass das Gericht dem Vortrag des Beteiligten zu 4) nicht nachgegangen sei, dass er die Arztpraxen aufgesucht und dort mit den Vertretern der jeweiligen Ärzte über die von den Beteiligten zu 1) und 2) vertriebenen Präparate gesprochen habe. Das BAG lasse es zu, dass der Verdacht gegen den Arbeitnehmer im Laufe des Prozesses bis zum Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz rückwirkend durch Entlastungstatsachen ausgeräumt oder verstärkt werden könne. Das Vorbringen des Arbeitnehmers, mit dem er sich von dem Verdacht reinigen will, sei vom Gericht vollständig aufzuklären. Dies habe das Arbeitsgericht jedoch nicht getan.
Die Beteiligte zu 1) trug im Beschwerdeverfahren vor, der Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005 sei rechtsfehlerhaft und verletze die Beteiligte zu 1) in ihren Rechten. Die Beteiligte zu 1) habe den Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung rein vorsorglich gestellt. Diesen Antrag verfolge sie rein vorsorglich auch in der Beschwerdeinstanz weiter.
Die Beteiligte zu 1) beantragt im Beschwerdeverfahren:
Der Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005, Az.: 25 BV 349/03, wird in Ziff. 2 des Tenors dahin abgeändert, dass auf Antrag der Beteiligten zu 1) die Zustimmung des Beteiligten zu 3) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 4) - Dr. S. - ersetzt wird.
Der Beteiligte zu 3) beantragt im Beschwerdeverfahren:
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005 Az.: 25 BV 349/03 wird aufgehoben.
2. Die Anträge der Antragsteller werden zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 4) beantragt im Beschwerdeverfahren:
Den Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005 Az.: 25 BV 349/03, abzuändern und den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 4) Dr. S., zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) beantragt dagegen:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 3) und die Beschwerde des Beteiligten zu 4) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005, Az.: 25 BV 349/03, werden verworfen, hilfsweise zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2) trägt im Beschwerdeverfahren vor, die Beschwerde des Beteiligten zu 3) sei bereits unzulässig, weil es an einer ausreichenden Beschwerdebegründung fehle. Sie sei auch mangels einer Beschwer unzulässig. Jedenfalls sei die Beschwerde des Beteiligten zu 3) als unbegründet zurückzuweisen. Dies gelte auch für die Beschwerde des Beteiligten zu 4). Das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt, dass im Fehlverhalten des Beteiligten zu 4) ein wichtiger Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung liege. Denn die Angabe von Ärzten, die tatsächlich nicht besucht wurden, stelle einen Arbeitszeitbetrug dar bzw. begründe den dringenden Verdacht einer solchen schwerwiegenden Pflichtverletzung. Der Vortrag des Beteiligten zu 4) in seiner Beschwerdebegründung habe dies nicht erschüttern können. Soweit der Beteiligte zu 4) behaupte, dass es keine Vorgaben für die Besuchsfrequenz gebe, sei dies unzutreffend. Mit E-Mail vom 11.6.2003 sei dem Beteiligte zu 4) von Frau K. im Wege der Weisung eine bestimmte Besuchsfrequenz vorgegeben und somit die Arbeitspflicht des Beteiligten zu 4) näher konkretisiert worden. Daher sei irrrelevant, ob gegenüber anderen Außendienstmitarbeitern eine entsprechende Anweisung existiere. Dass der Beteiligte zu 4) von seinem Heimarbeitsplatz aus gearbeitet habe, stelle eine reine Schutzbehauptung dar und werde mit Nichtwissen bestritten. Es sei unzutreffend, dass die Aufzeichnungen aus der gsk-AS-Dokumentation nicht zur Verhaltenskontrolle hätten herangezogen werden dürfen. Jedenfalls spiele es vorliegend keine Rolle, weil das Arbeitsgericht auf Grund Beweisaufnahme zutreffend festgestellt habe, dass der Beteiligte zu 4) im Rahmen des Anhörungsgespräches am 9.9.2003 zugestanden habe, dass er die dokumentierten Arztbesuche tatsächlich nicht durchgeführt habe bzw. die Beteiligten zu 1) und 2) hiervon ausgehen mussten, so dass zumindest ein dringender Verdacht bestehe, dass sich der Beteiligte zu 4) eines solchen schwerwiegenden Fehlverhaltens schuldig gemacht habe. Es sei unerheblich, dass die Aufzeichnungen in der gsk-AS-Dokumentation nicht primär zur Zeiterfassung dienten. Die Eingabe von Ärzten, die tatsächlich nicht besucht wurden, stelle eine Täuschung über die erbrachte Arbeitsleistung und damit einen Arbeitszeitbetrug dar bzw. begründe den dringenden Verdacht einer solchen schwerwiegenden Pflichtverletzung. Unerheblich sei der Einwand des Beteiligten zu 4), dass er die angeblich besuchten Ärzte als Zeugen benannt habe. Das Arbeitsgericht habe sich mit dem Einwand des Beteiligten zu 4) auseinandergesetzt, dass er andere Praxispartner bzw. Mitarbeiter besucht bzw. Eintragungen in die gsk-AS-Dokumentation angeblich versehentlich nicht gelöscht haben will. Die Beteiligten zu 1) und 2) hätten auch die 2-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Es sei der Beteiligte zu 4) auch vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden. Nach Abbruch der Verlesung der Vorwürfe durch den Beteiligten zu 4) seien keine weiteren Angaben mehr erforderlich gewesen, desgleichen keine schriftliche Auflistung der Vorwürfe. Der Beteiligte zu 4) habe selbst ausgesagt, dass er sich Notizen gemacht habe. Da der Beteiligte zu 4) weder eine Liste oder auch nur die Wiederholung der Daten verlangt habe, hätten die Beteiligten zu 1) und 2) davon ausgehen können, dass sich der Beteiligte zu 4) ausreichende Notizen gemacht habe, sich die Vorwürfe gemerkt habe und eben ohnehin wusste, um welche Verstöße es gehe. Das Arbeitsgericht habe auch die Interessenabwägung zutreffend vorgenommen. Der Vortrag des Beteiligten zu 4), dass ihm im Zusammenhang mit einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren die Übernahme der Verteidigerkosten und etwaiger Geldauflagen zugesagt wurde, ändere am Ergebnis nichts. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren habe einen anderen Sachverhalt betroffen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Beteiligten zu 4) seien wegen Bestechungsvorwürfen gegenüber Ärzten geführt worden, vorliegend gehe es aber darum, dass der Beteiligte zu 4) die Beteiligen zu 1) und 2) über Arbeitsleistungen getäuscht habe, die er tatsächlich nicht erbracht habe.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf den Inhalt der Schriftsätze des Beteiligen zu 3) vom 7.7.2005 (Bl. 408 - 411 d. A.), der Beteiligten zu 1) vom 11.7.2005 (Bl. 424 - 426 d. A.), des Beteiligten zu 4) vom 11.7.2005 (Bl. 442 - 454) und der Beteiligten zu 2) vom 4.8.2005 (Bl. 467 - 494 d. A.) verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005 ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 4) zu Recht abgewiesen. Der Zustimmungsersetzungsantrag gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG ist zwar bereits zulässig, wenn das Zustimmungsverfahren beim Betriebsrat gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG abgeschlossen ist; ein vor Abschluss des Zustimmungsverfahrens gestellter Antrag ist jedoch unzulässig, auch wenn er nur vorsorglich gestellt wird (vgl. BAG AP Nr. 18 zu § 103 BetrVG 1972; KR-Etzel 5. Aufl. § 103 BetrVG Rz. 83 und 111). Im vorliegenden Falle war aber das Zustimmungsverfahren gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG zwischen der Beteiligten zu 1) und dem Beteiligten zu 3) bei Einreichung des Zustimmungsersetzungsantrages gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG durch die Beteiligte zu 1) beim Arbeitsgericht München am 18.9.2003 noch nicht abgeschlossen; es hatte vielmehr noch nicht einmal begonnen, denn der Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 4) wurde nicht von der Beteiligten zu 1) gestellt, sondern von der Beteiligten zu 2), der G., wie sich aus dem Briefkopf des Schreibens vom 10.9.2003 (Fotokopie Bl. 18 d. A.) ergibt. Dass dieser Zustimmungsantrag von der Beteiligten zu 2) stammte (und nicht von der Beteiligten zu 1), ergibt sich auch daraus, dass der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung (Fotokopie Bl. 19 d. A.) der Beteiligten zu 2) und nicht der Beteiligten zu 1) mitteilte. Überdies wäre der Zustimmungsersetzungsantrag der Beteiligten zu 1) auch unbegründet; denn Voraussetzung für die Begründetheit des Zu-stimmungsersetzungsantrages ist, dass der Antragsteller Arbeitgeber des betroffenen Betriebsratesmitgliedes ist, zu dessen Kündigung die Zustimmung ersetzt werden soll, § 103 Abs. 2 BetrVG. Diese Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben. Das ursprünglich zwischen der Beteiligten zu 1) und dem Beteiligten zu 4) bestehende Arbeitsverhältnis wurde nämlich in einem dreiseitigen Vertrag vom 11/27.11.2003 zwischen den Beteiligten zu 1), 2) und 4) auf die Beteiligte zu 2) übertragen, und zwar mit Wirkung zum 1.1.2004. Damit war im Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichtes über den Zustimmungsersetzungsantrag die Beteiligte zu 1) nicht mehr Arbeitgeber des Beteiligten zu 4).
III.
Dagegen sind die Beschwerden der Beteiligten zu 3) und 4) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005 insoweit begründet, als das Arbeitsgericht den Zustimmungsersetzungsantrag der Beteiligten zu 2) stattgegeben hat.
1. Es bestehen schon erhebliche rechtliche Bedenken, ob der Zustimmungsersetzungsantrag der Beteiligten zu 2) gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG nicht bereits aus formalen Gründen abzuweisen ist. Es ist nämlich zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Niederschrift vom 18.11.2004 Seite 2), dass Arbeitgeber des Beteiligten zu 4) bis 1.1.2004 die Beteiligte zu 1) war und damit auch im Zeitpunkt des Antrages an den Betriebsrat auf Zustimmung gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG am 10.9.2003 sowie bei Einreichung des Zustimmungsersetzungsantrages gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG am 19.9.2003 durch die Beteiligte zu 2). Der Antrag auf Zustimmung gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG und auf Zustimmungsersetzung gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG kann aber rechtswirksam nur vom Arbeitgeber des betreffenden Betriebsratsmitgliedes gestellt werden, zu dessen Kündigung die Zustimmung erteilt werden soll. Während nun im Laufe des Zustimmungsersetzungsverfahrens die Beteiligte zu 2) durch die Vereinbarung vom 11/27.11.2003 Arbeitgeberin des Beteiligten zu 4) wurde, war sie es unstreitig beim Zustimmungsantrag an den Betriebsrat gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG nicht. § 103 Abs. 2 BetrVG setzt nach der zutreffenden Rechtsprechung des BAG den Abschluss des Zustimmungsverfahrens beim Betriebsrat voraus (vgl. BAG AP Nr. 18 zu § 103 BetrVG 1972). Dabei muss es sich nach Auffassung des Beschwerdegerichtes um ein wirksames Zustimmungsverfahren nach § 103 Abs.1 BetrVG handeln; davon kann aber nur ausgegangen werden, wenn der richtige Arbeitgeber das Zustimmungsverfahren eingeleitet hat, nicht dagegen, wenn es eine Rechtsperson eingeleitet hat, die gar nicht Arbeitgeber des betroffenen Betriebsratsmitgliedes war. Da Arbeitgeber des Beteiligten zu 4) am 10.9.2003 die Beteiligte zu 1) war, hätte diese das Zustimmungsverfahren gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG einleiten müssen und nicht die Beteiligte zu 2), wie es tatsächlich geschah. Hätte die Beteiligte zu 1) zutreffender Weise das Zustimmungsverfahren gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG eingeleitet und danach das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG, so hätte es die Beteiligte zu 2) nach der Vereinbarung des Überganges des Arbeitsverhältnisses ab 1.1.2004 als Rechtsnachfolgerin der Beteiligten zu 1) im Rahmen des Arbeitsverhältnisses weiterführen können.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Arbeitsgericht lediglich im Rahmen des § 103 Abs. 2 BetrVG eine vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung ersetzen darf, nicht aber die Zustimmung von sich aus erteilen darf (BAG vom 7.5.1986 2 ABR 27/85 RzK II 3 Nr. 11). Es darf aber nur die Zustimmung ersetzen, die zu Unrecht verweigert wurde. Die von der Beteiligten zu 2) beantragte Zustimmung wurde aber nach der damals bestehenden Rechtslage vom Betriebsrat schon deshalb zu Recht verweigert, weil die Beteiligte zu 2) damals nicht Arbeitgeberin des Beteiligten zu 4) war.
Damit hätte wohl bereits aus diesem Grunde dem Zustimmungsersetzungsantrag der Beteiligten zu 2) nicht stattgegeben werden dürfen; dies kann aber letztlich dahingestellt bleiben, da dem Zustimmungsersetzungsantrag auch aus materiellen Gründen nicht stattzugeben war.
2. Die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 4) scheitert nämlich nach Auffassung des Beschwerdegerichtes an der im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung.
Das Arbeitsgericht hat im Rahmen des § 103 Abs. 2 BetrVG in vollem Umfange zu prüfen, ob die beabsichtigte Kündigung durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist. Das Arbeitsgericht hat eine Rechtsentscheidung zu treffen, die praktisch den Kündigungsschutzprozess vorwegnimmt (vgl. BAG AP Nr. 1 und 3 zu § 103 BetrVG 1972). Die Rechtsprechung konkretisiert die Prüfung der Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB in zwei systematisch selbständigen Abschnitten. Es wird zuerst geprüft, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben. Sodann wird untersucht, ob bei Berücksichtigung aller Umstände und der Interessenabwägung die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist (vgl. BAG AP Nr. 14 und 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).
Es kann zugunsten der Beteiligten zu 2) unterstellt werden, dass der Beteiligte zu 4) in der Zeit vom 7.7. bis 18.8.2003 insgesamt 24 Ärztekontakte im gsk-AS-System dokumentiert hat, die tatsächlich nicht stattgefunden haben, und zwar wie in der Antragsschrift vom 18.9.2003 und in der dazugehörigen Anlage 4 aufgeführt, und dass der Beteiligte zu 4) insoweit die Beteiligte zu 2) getäuscht hat, und dass dieses Verhalten an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben. Jedoch kann nach den konkreten Umständen des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht davon ausgegangen werden, dass der Beteiligten zu 2) die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar gewesen wäre. Bei der Beantwortung der Zumutbarkeit ist bei außerordentlichen Kündigungen von Arbeitnehmern, die nicht den besonderen Schutz von Funktionsträgern genießen, zu prüfen, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist. Diese Regelung in § 626 Abs. 1 BGB kann bei Funktionsträgern im Sinne des § 15 KSchG nicht greifen, weil ihnen nicht ordentlich gekündigt werden kann. Das Gesetz enthält insoweit eine Regelungslücke. Nach der Rechtsprechung des BAG ist bei der Zumutbarkeitsprüfung im Rahmen ordentlich unkündbarer Arbeitsverhältnisse eine fiktive Kündigungsfrist zugrunde zu legen, nämlich die, die gelten würde, wenn dem Funktionsträger ordentlich gekündigt werden könnte (vgl. BAG AP Nr. 99 zu § 626 BGB; AP Nr. 35 und 42 zu § 15 KSchG 1969). Ohne die ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 4) wäre die - fiktive - Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 2 BGB bei einem Arbeitsverhältnis seit 1.7.1992 fünf Monate zum Ende eines Kalendermonates. Für diesen Zeitraum wäre der Beteiligten zu 2) der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 4) nicht unzumutbar. Zugunsten der Beteiligten zu 2) kann davon ausgegangen werden, dass der Beteiligte zu 4) im Zeitraum 7.7. bis 18.8.2003 die Beteiligte zu 2) über die Richtigkeit von 24 dokumentierten Arztbesuchen getäuscht hat; dies stellt eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflicht dar, die vorgenommenen Arztbesuche zutreffend zu dokumentieren; dies stellt auch einen Vertrauensbruch dar.
Jedoch liegt entgegen der Auffassung der Beteiligen zu 2) und des Arbeitsgerichtes damit kein "Arbeitszeitbetrug" vor. Ein Betrug im Sinne des § 263 StGB läge nur dann vor, wenn die Täuschung bei der Beteiligten zu 2) nicht nur einen entsprechenden Irrtum erregt hätte, sondern sie auch zu einer nachteiligen Vermögensverfügung veranlasst hätte, die bei ihr zu einem Vermögensschaden geführt hätte. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben. Der Beteiligte zu 4) wird von der Beteiligten zu 2) nicht nach der Anzahl von durchgeführten Kundenbesuchen vergütet. Es ist also mangels eines entsprechenden Vortrages der Beteiligten zu 2) nicht ersichtlich, dass der Beteiligte zu 4) für die Zeit 7.7. bis 18.8.2003 eine geringere Arbeitsvergütung erhalten hätte, wenn er die 24 - als nicht durchgeführt unterstellten - Arztbesuche der Beteiligten zu 2) gegenüber nicht dokumentiert hätte. Insofern ist durch die Täuschungshandlung des Beteiligten zu 4) keine Vermögensverfügung der Beteiligten zu 2) ausgelöst worden.
Aus dem Umstand, dass der Beteiligte zu 4) im Zeitraum 7.7. bis 18.8.2003 24 Arztbesuche zuviel angegeben hat, kann auch nicht zwangsläufig gefolgert werden, dass der Beteiligte zu 4) damit weniger gearbeitet hat, als er nach seinem Arbeitsvertrag für die Beklagte zu 2) zu arbeiten verpflichtet gewesen wäre. Eine derartige Annahme wäre eine durch nichts gerechtfertigte Unterstellung. Hier hätte es des Vortrages der Beteiligten zu 2) bedurft, wie viel Kundenbesuche der Beteiligte zu 4) an den einzelnen Arbeitstagen in der Zeit vom 7.7. bis 18.8.2003 nun tatsächlich durchgeführt hat, und dass sich hieraus zwangsläufig ergibt, dass er und in welchem Umfange er seine pro Tag abzuleistende Arbeitszeit nicht erfüllt hat. Hierzu fehlt jedoch jeglicher Vortrag; es fehlt sogar der Vortrag, wie viele Stunden der Beteiligte zu 4) für die Beteiligte zu 2) überhaupt täglich bzw. wöchentlich tätig sein musste.
Soweit sich die Beteiligte zu 2) darauf beruft, sie habe dem Beteiligten zu 4) durch E-Mail von Frau K. vom 11.6.2003 angewiesen, eine Besuchsfrequenz bei den Päd von 12 und bei den Apis von 10 unbedingt einzuhalten, so ergibt sich auch hieraus nicht, dass der Beteiligte zu 4) seine vertraglich geschuldete Arbeitszeit nicht abgeleistet hat; zum einen ist aus dem Vortrag der Beteiligten zu 2) nicht ersichtlich, dass und an welchen Tagen er in der Zeit vom 7.7. bis 18.8.2003 diese Besuchsfrequenz nicht eingehalten hat und zum anderen ist nicht ersichtlich, dass es überhaupt immer möglich gewesen wäre, die vorgegebenen Besuchsfrequenz im Rahmen der geschuldeten Arbeitszeit einzuhalten.
Es kann somit nur davon ausgegangen werden, dass der Beteiligte zu 4) der Beteiligten zu 2) ein Mehr an Tätigkeit vorgetäuscht hat, aber dass dies ohne konkrete negative finanzielle Auswirkungen war. Der Umstand, dass mit der Täuschung auch ein Vertrauensbruch verbunden war, zwingt nicht zu einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. So kann auch bei einem Vertrauensbruch vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich sein, so wenn die Störung im Vertrauensbereich auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers beruht und in Zukunft eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung erwartet werden kann (vgl. BAG NZA 1997, 1281; 2002, 232). Der Beteiligte zu 4) hat im Rahmen seiner Anhörung am 9.9.2003 nach Aussage der Zeugin E. geäußert, dass er um eine zweite Chance bitte und es nicht wieder vorkommen würde. Hieraus kann im Rahmen einer Prognose geschlossen werden, dass der Beteiligte zu 4) bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zukünftig Falscheintragungen im gsk-AS-System unterlassen hätte und eine Abmahnung somit durchaus seine Funktion erfüllt hätte, den Beteiligten zu 4) in Zukunft zu einem redlichen Verhalten zu veranlassen. Hinzu kommt, dass der Beteiligte zu 4) immerhin seit 1.7.1992 bei der Beteiligten zu 2) bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt ist, also eine erhebliche Betriebszugehörigkeitszeit aufzuweisen hat, und er darüber hinaus mit 60 Lebensjahren in einem Alter ist, in dem er auf dem freien Arbeitsmarkt eine Beschäftigung als Pharmareferent nicht mehr finden wird. Im Übrigen wäre es der Beteiligten zu 2) auch durchaus möglich, durch stichprobenartige Rückfragen in Arztpraxen zu überprüfen, ob der Beteiligte zu 4) nach einer Abmahnung nun zutreffende Eintragungen im gsk-AS-System vornimmt. Die Beteiligte zu 2) wäre als insoweit nicht auf Zufallserkenntnisse angewiesen. Anhand der Gesamtumstände, insbesondere im Hinblick darauf, dass der Beteiligten zu 2) kein messbarer Schaden entstanden ist und eine gute Prognose für ein zukünftig vertragstreues Verhalten des Beteiligten zu 4) besteht und damit dem Interesse der Beteiligten zu 2) ausreichend Rechnung getragen werden kann, wäre eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 4) unverhältnismäßig. Damit war der dem Zustimmungsersetzungsantrag der Beteiligten zu 2) stattgebende Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 28.4.2005 aufzuheben und der Zustimmungsersetzungsantrag abzuweisen.
3. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen für eine Zulassung gemäß § 72 Abs. 2, 92 Abs. 1 S. 2 ArbGG nicht gegeben sind. Die Beteiligten zu 1) und 2) werden auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 92a ArbGG) hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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