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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 21.01.2003
Aktenzeichen: 6 (5) Sa 628/01
Rechtsgebiete: KschG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1
BGB § 611
BGB § 242
1. Eine wegen langanhaltender Krankheit ausgesprochene Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt, wenn eine mittels Direktionsrechts durchführbare Einsetzungsmöglichkeit in einer anderen Abteilung besteht, bei der Beeinträchtigungen durch die Krankheit nicht verliegen. Äußert sich der Arbeitgeber zum Sachvortrag des Arbeitnehmers nicht, eine solche Möglichkeit bestehe, geht dies nach § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG zu seinen Lasten.

2. Wird der Arbeitnehmer in die andere Abteilung versetzt, muss er Zahlung nach dem dortigen Zeitlohn hinnehmen, auch wenn er in der ursprünglichen Abteilung mit Akkordlohn vergütet worden ist.

3. Der Arbeitgeber hat im einzelnen darzulegen, nach welchen Maßstäben eine wegen behaupteter Minderleistungen durchgeführte weitere Entgeltkürzung durchgeführt worden ist.

4. Wendet sich der Arbeitnehmer dadurch gegen die Lohnkürzung, dass er gegenüber seinem Meister mündlich widerspricht, und erklärt dieser, er bekomme dann höheren Lohn, wenn er dieselben Leistungen bringe wie ein anderer Arbeitnehmer, dann ist die Berufung der Beklagten auf eine Schriftform erfordernde Ausschlussfrist nicht treuwidrig.


6 (5) Sa 628/01

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

wegen sonstiges

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Bischof und Adacker aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Gerichtstag Ansbach, vom 19.12.2001 - Az. 8 Ca 5751/01 A - wird zurückgewiesen.

II.

Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Gerichtstag Ansbach, vom 24.05.2001 - Az. 8 Ca 9714/00 A - wird zurückgewiesen.

III.

Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Gerichtstag Ansbach, vom 19.12.2001 - Az. 8 Ca 9714/00 A - wie folgt abgeändert:

1.

Die Beklagte hat an den Kläger den sich aus Euro 585,64 (in Worten: Euro fünfhundertfünfundachtzig 64/100) brutto ergebenden Nettobetrag nebst 4 % Zinsen hieraus seit 01.04.2001 zu zahlen.

2.

Die Beklagte hat an den Kläger des weiteren den sich aus Euro 1.504,52 (in Worten: Euro eintausendfünfhundertvier 52/100) brutto ergebenden Nettobetrag nebst 4 % Zinsen hieraus seit 17.04.2002 zu zahlen.

3.

Im übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil vom 19.12.2001 zurückgewiesen.

IV.

Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz im Verfahren 8 Ca 9714/00 A hat der Kläger 7/8, die Beklagte 1/8 zu tragen.

V.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 3/8, die Beklagte 5/8 zu tragen.

VI.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch ordentliche krankheitsbedingte Arbeitgeberkündigung sowie über die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Nachzahlung von Entgelt.

Der am 17.01.1950 geborene Kläger ist seit 08.08.1989 bei der Beklagten, die einen Betrieb der Kunststoff verarbeitenden Industrie mit etwa siebzig ständig Beschäftigten führt, als Kunststoffwerker beschäftigt. In § 2 des Arbeitsvertrages vom 08.08.1989 ist geregelt, dass sich die Zusammensetzung des Lohnes aus einer ausgehändigten Lohnaufstellung ergebe. In § 8 ist festgehalten, dass im übrigen für das Arbeitsverhältnis ergänzend die Vorschriften des Tarifvertrages und der Arbeitsordnung der Firma in ihrer jeweiligen Fassung gelten sollten (Einzelheiten vgl. Arbeitsvertrag, Bl. 9 f. der Akte 8 Ca 9714/00 A). Der Kläger, der bis 13.02.1998 in der Presserei eingesetzt wurde, erhielt dort einen Stundenlohn von 24,12 DM brutto unter der Bezeichnung "D-Fertigungslohn", teilweise einen aus "F-Grundlohn" von 17,30 DM und "Prämie F-Lohn P" in Höhe von 5,45 DM zusammengesetzten geringeren Lohn.

Am 13.02.1998 erlitt der Kläger in der Presserei einen Arbeitsunfall. Aufgrund dieses Unfalls war er - mit einer Unterbrechung von zwei Tagen am 07.09. und 08.09.1998 - arbeitsunfähig erkrankt bis einschließlich 15.01.1999. In der Folge war er weiter erkrankt von 19.08.1999 bis 26.08.1999, von 07.09.1999 bis 24.04.2000 - unterbrochen von einem Arbeitsversuch am 23.03.2000 -, von 26.04.2000 bis 29.08.2000, von 19.09.2000 bis 30.10.2000, von 28.03.2001 bis 10.12.2001, von 12.12.2001 bis 19.12.2001 und von 09.01.2002 bis 18.01.2002. Soweit er in diesem Zeitraum Arbeitsleistungen erbrachte, war er im wesentlichen nicht mehr in der Presserei, sondern in der Zuschneiderei eingesetzt. Dort erhielt er - ab 19.01.1999 - zunächst einen Stundenlohn von 20,88 DM brutto. Ab Mai 1999 erhielt er einen Stundenlohn von nur noch 17,76 DM brutto, spätestens ab Januar 2001 von 18,21 DM brutto.

Mit Schreiben vom 27.06.2001 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.10.2001 mit der Begründung, aufgrund der häufigen und langanhaltenden Fehlzeiten durch Arbeitsunfähigkeit sei es nicht mehr möglich, den Arbeitsplatz des Klägers offen zu halten. Der Kläger erhob hiergegen unter dem 05.07.2001 - Eingang beim Arbeitsgericht laut Eingangsstempel - Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg. Diese Klage wurde unter dem Aktenzeichen 8 Ca 5751/01 A geführt.

Mit am 27.12.2000 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage wandte sich der Kläger auch gegen die vorgenommenen Kürzungen des Lohnes. Er errechnete seit 01.01.1998 bis 22.12.2000 eine Gesamtlohndifferenz von 10.088,64 DM brutto, ausgehend von einem Stundenlohnanspruch von 24,12 DM. Die Klage wurde beim Arbeitsgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 8 Ca 9714/00 A geführt.

Im Verfahren 8 Ca 5751/01 A hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Im Kündigungszeitpunkt sei zu erwarten gewesen, dass er in absehbarer Zeit wieder einsatzfähig sein würde. Außerdem werde die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung mit Nichtwissen bestritten.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht mit dem Aktenzeichen 8 Ca 5751/01 A daher zuletzt folgenden Antrag gestellt:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.06.2001 zum 31.10.2001 nicht aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei wegen häufiger und lang anhaltender Fehlzeiten erfolgt. Hierdurch sei der Betriebsablauf erheblich gestört worden, weil für den Kläger keine feste Ersatzkraft habe eingestellt werden können. Im Rahmen des Schichtbetriebs hätten immer wieder andere Mitarbeiter kurzfristig einspringen müssen, was zum einen nicht immer organisatorisch zu machen gewesen sei mit der Folge, dass teilweise die Schicht nicht vollständig besetzt gewesen sei, was zum anderen mit zusätzlichen Überstundenzuschlägen verbunden gewesen sei. Der Kläger habe sich geweigert, eine ärztliche Prognosebescheinigung zu beschaffen. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass weitere erhebliche Fehlzeiten anfallen würden. Es sei nicht richtig, dass diese Fehlzeiten auf dem früheren Arbeitsunfall beruhten. Die zuständige Berufsgenossenschaft habe zuletzt am 12.02.2001 die Arbeitsplätze überprüfen lassen und diverse medizinische Gutachten eingeholt.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 19.12.2001 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.06.2001 nicht aufgelöst worden sei.

Das Arbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, unter Anwendung des Drei-Stufen-Schemas des Bundesarbeitsgerichts zur Prüfung der krankheitsbedingten Kündigung sei die zulässige Klage auch begründet. Die Beklagte habe schon zur negativen Gesundheitsprognose nicht hinreichend vorgetragen. Sie habe keine ausreichenden Anknüpfungspunkte für eine negative Zukunftsprognose dargetan. Soweit sie sich darauf berufen habe, der Kläger falle gar nicht mehr wegen des Arbeitsunfalls aus, gehe sie selbst nicht mehr vom Vorhandensein einer negativen Prognose aus. Sie habe weder den Umfang der Fehlzeiten aufgeschlüsselt noch zu den einzelnen Krankheitsperioden vorgetragen. Auch zur Beeinträchtigung betrieblicher Interessen fehle es an nachvollziehbarem und substantiierten Sachvortrag. Schließlich habe sie als darlegungs- und beweispflichtige Partei sich zur Rüge ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung in keiner Weise geäußert. Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist den Klägervertretern ausweislich deren Empfangsbekenntnisses am 07.02.2002 zugestellt worden.

In seiner unter dem Aktenzeichen 8 Ca 9714/00 A geführten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde ihm für den Zeitraum ab 01.01.1998 bis 22.12.2000 einen Nachzahlungsbetrag, der sich aus dem Unterschied vom Stundenlohn von 24,12 DM brutto zum jeweils erhaltenen Lohn ergebe. Die Beklagte habe den Lohn ungerechtfertigt gekürzt.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht - nach teilweiser Rücknahme der Klage - daher folgenden Antrag gestellt:

Die Beklagte wird verurteilt, den sich aus DM 10.088,64 brutto ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszubezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Lohn des Klägers setze sich aus Tariflohn, Zulagen und, soweit der Arbeitnehmer in Akkord beschäftigt sei, aus einem Akkordlohnbestandteil zusammen. Nach den Bestimmungen des Arbeitsvertrages sei auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Kunststoff verarbeitenden Industrie anwendbar. In dessen § 21 sei festgelegt, dass Ansprüche spätestens innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen seien, anderenfalls seien sie verwirkt. Diese Ausschlussfrist habe der Kläger versäumt. Zu einer Lohneinbuße sei es deswegen gekommen, weil der Kläger von der Akkordlohn- in eine Zeitlohnabteilung versetzt worden sei. Die weitere Kürzung sei vorgenommen worden, weil der Kläger in der Zuschneiderei nicht die erforderlichen Leistungen gebracht habe. Alle Mitarbeiter würden regelmäßig Leistungsbewertungen unterzogen, danach werde die Lohneinstufung vorgenommen. Soweit der Kläger in der Presserei eingesetzt worden sei, habe er die üblichen Leistungsprämien erhalten. Der Kläger habe den Lohnmitteilungen nie widersprochen. Angesichts eines Tariflohns von 16,45 DM werde der Kläger immer noch übertariflich bezahlt.

Der Kläger hat eingewandt, der Tarifvertrag finde auf das vorliegende Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Die Lohnänderung sei ab 01.01.1998 vorgenommen worden, habe also mit dem Arbeitsunfall vom 13.02.1998 nichts zu tun. Die Umsetzung in die Zuschneiderei sei erst ab Januar 1999 vorgenommen worden. Sie sei nicht auf seinen Wunsch hin erfolgt. Er habe der Lohnkürzung gegenüber seinem Meister, U..., widersprochen. Er habe keine Lohnaufstellung erhalten, lediglich monatliche Gehaltsabrechnungen. Er habe auch der weiteren Kürzung im Mai 1999 gegenüber seinem Meister widersprochen, als der Zeitlohn ohne weitere Angaben nochmals gekürzt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat im Verfahren 8 Ca 9714/00 A die Klage mit Teilurteil vom 22.05.2001 in Höhe eines Teilbetrages von DM 7.442,88 DM abgewiesen.

Es hat diese Abweisung damit begründet, nach dem Arbeitsvertrag finde auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Kunststoff verarbeitenden Industrie Anwendung. Dieser sehe eine Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit vor. Der Kläger selbst trage erstmalige Geltendmachung durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 15.11.2000 vor. Damit seien alle Nachzahlungsansprüche für den Zeitraum 01.01.1998 bis 26.04.2000 in Höhe von 7.442,88 DM verfallen. Das Teilurteil vom 22.05.2001 ist den Klägervertretern ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 26.06.2001 zugestellt worden.

Den über den Restbetrag von DM 2.645,76 brutto offenstehenden Anspruch hat das Arbeitsgericht mit Schluss- und Endurteil vom 19.12.2001 ebenfalls abgewiesen.

Es hat diese Abweisung damit begründet, entgegen dem Vorbringen des Klägers sei eine feste Stundenlohnvereinbarung von DM 24,12 brutto nicht gegeben. Es bestehe nur ein Anspruch des Klägers entsprechend dem Manteltarifvertrag in Verbindung mit den hierzu abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen. Es finde dasjenige Entlohnungsmodell Anwendung, das in der Abteilung gelte, in welcher der Kläger eingesetzt sei. Er sei nach seinem Arbeitsunfall nunmehr in der Zuschneiderei eingesetzt; dort werde er wie die anderen Arbeitnehmer nach Zeitlohn vergütet. Die Versetzung sei vom Arbeitsvertrag gedeckt, weil es sich bei beiden Positionen um Anlerntätigkeiten handele. Billiges Ermessen für die Versetzung nach § 315 BGB sei gegeben, weil der Kläger nach eigenem Vorbringen nach seinem Arbeitsunfall nicht mehr in der Presserei arbeiten könne. Ein Anspruch auf Zahlung von 24,12 DM brutto ergebe sich also nicht. Die Klage sei unschlüssig. Das Schluss- und Endurteil des Arbeitsgerichts vom 19.12.2001 ist den Klägervertretern ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 22.01.2002 zugestellt worden.

Die Beklagte hat gegen das arbeitsgerichtliche Endurteil im Verfahren 8 Ca 5751/01 A mit Schriftsatz ihrer Vertreter vom 06.03.2002, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 07.03.2002, Berufung eingelegt. Diese Berufung wurde zunächst unter dem Aktenzeichen 5 Sa 156/02 geführt. Sie hat diese Berufung - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 22.04.2002 - mit am 19.04.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 18.04.2002 begründet. Der Kläger hat gegen das am 26.06.2001 zugestellte Teilurteil im Verfahren 8 Ca 9714/00 A mit am 26.07.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat diese Berufung mit am Montag, den 27.08.2001 eingegangenem Schriftsatz begründet. Diese Berufung wurde beim Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 5 Sa 628/01 geführt. Der Kläger hat gegen das Schluss- und Endurteil des Arbeitsgerichts vom 19.12.2001, zugestellt am 22.01.2002, mit am 14.02.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat diese Berufung - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 19.04.2002 - mit am 15.04.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Das Verfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen 5 Sa 96/02 geführt. Sämtliche Verfahren wurden durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 13.03.2002 verbunden und zuletzt unter dem Aktenzeichen 6 (5) Sa 628/01 weitergeführt.

In der Berufung gegen das die Kündigung vom 27.06.2001 betreffende Endurteil trägt die Beklagte vor, entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen. Im Kündigungszeitpunkt hätten objektive Tatsachen vorgelegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigten. Im Jahr 1998 sei der Kläger bis auf zwei erfolglose Arbeitsversuche am 07.09. und 08.09. durchgehend arbeitsunfähig gewesen; sie habe Entgeltfortzahlung für 30 Tage leisten müssen. Im Jahr 1999 sei der Kläger an 104 Arbeitstagen erkrankt gewesen, davon 35 Tage mit Entgeltfortzahlung. Im Jahr 2000 sei der Kläger bis 30.10. mit Ausnahme der Arbeitsversuche vom 20.03., 25.04. und 26.04. durchgehend erkrankt gewesen, davon 14 Tage mit Entgeltfortzahlung. Im Jahr 2001 sei er vom 28.03. bis zum Kündigungszeitpunkt und darüber hinaus bis 10.12. sowie von 12.12. bis 19.12. arbeitsunfähig erkrankt gewesen, mithin an 189 Arbeitstagen, davon 6 mit Entgeltfortzahlung. Sie habe den Kläger mit Schreiben vom 15.12.1999 und vom 17.01.2000 aufgefordert, mittels einer ärztlichen Bescheinigung eine Prognose über seinen voraussichtlichen Gesundheitszustand abzugeben. Der Kläger sei dem nicht nachgekommen.

Die Beklagte meint, es sei falsch, dass alle Fehlzeiten auf dem Arbeitsunfall beruhten; zumindest bei den Fehlzeiten des Jahres 1999 sei dies nicht der Fall. Es sei zu erwarten, dass der Kläger im selben Umfang wie in der Vergangenheit arbeitsunfähig sein werde, wobei diese Arbeitsunfähigkeit keine Spätfolge des Arbeitsunfalls sei. Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Fehlzeiten führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer betrieblichen Interessen. Schon allein die wirtschaftliche Beeinträchtigung durch die Entgeltfortzahlungskosten für 35 Tage im Jahr 1999, 14 Tage im Jahr 2000 und 6 Tage im Jahr 2001 sei mit 4.475,52 Euro beachtlich. Im übrigen habe der Kläger an denjenigen Tagen, an denen er gearbeitet habe, einen 50%-igen Leistungsverlust aufzuweisen. Er errechneten sich bei einem Stundensatz von 10,90 bzw. 11,17 Euro Verluste von 7.578,28 Euro. Im Jahr 1999 seien Kosten für Leiharbeiter für 35 Tage von 3.626,- Euro, im Jahr 2000 für 14 Tage mit 1.450,40 Euro entstanden. Infolge des Leistungsverlustes des Kläger von ca. 30 % für drei Monate ergebe sich, da Personal habe angelernt werden müssen, - für jeweils 60 Tage in den Jahren 1999, 2000 und 2001 - eine Belastung von jeweils 1.776,- Euro. Die Fehlzeiten hätten auch zu erheblichen Betriebsablaufstörungen geführt. Im Rahmen des Schichtbetriebs hätten immer wieder andere Mitarbeiter kurzfristig für den Kläger einspringen müssen. Dies sei nicht immer organisatorisch machbar gewesen, so dass die Schicht nicht vollständig besetzt gewesen sei. Im übrigen hätten Überstundenzuschläge gezahlt werden müssen. Wegen kurzfristig einzuarbeitenden Ersatzpersonals sei es zu einem Rückgang der Produktion gekommen.

Die Beklagte führt aus, der Betriebsrat sei mit Schreiben vom 18.06.2001 (Anlage zum Schriftsatz vom 18.04.2002, Bl. 193 f. d.A.) angehört worden. Er habe die Frist verstreichen lassen. Ihm sei bewusst gewesen, dass es durch den häufigen Ausfall des Klägers zu erheblichen Störungen im Betriebsablauf gekommen sei.

Der Kläger wendet ein, er habe nach dem Arbeitsunfall auf dem Arbeitsplatz in der Zuschneiderei nie Probleme gehabt. Diese seien nur dann aufgetreten, wenn er wieder an die Presse versetzt worden sei. Dies habe die Beklagte am 26.04.2000 und am 18.09.2000 ohne erkennbare Gründe getan. Er sei jederzeit in der Lage, in der Zuschneiderei ohne Beeinträchtigung zu arbeiten. Die Beklagte habe die erneuten Arbeitsunfähigkeitszeiten durch Versetzung an die Presse jeweils provoziert. Seit Februar 2002 könne er ohne Beeinträchtigung auch wieder an der Presse arbeiten, nachdem ein Aufzug installiert worden sei, mit dem bestimmte Teile aus der Presse herausgenommen werden könnten. Die Fehlzeiten beruhten sämtlich auf dem Arbeitsunfall. Die angeführten betrieblichen Belastungen würden bestritten, ebenso wie die Kosten, wie der behauptete Leistungsabfall und Kosten für Leiharbeitnehmer. Letztere würden seit zehn Jahren ständig beschäftigt.

Hinsichtlich der Entgeltforderung trägt der Kläger vor, er habe die Forderungen Anfang Februar 1999 gegenüber seinem Meister, Herrn U..., geltend gemacht. Dieser habe erklärt, er - der Kläger - verdiene weniger, weil er weniger arbeite. Wenn er wieder mehr arbeite, werde er im nächsten Monat das gleiche verdienen wie früher. Im Mai 1999 sei der Lohn dann sogar auf DM 17,76 reduziert worden. Auch hier habe er sich an Herrn U.. gewandt und die Differenz geltend gemacht. Der Meister habe daraufhin zu ihm gesagt, er erhalte dann 24,- DM pro Stunde, wenn er so viel arbeite wie sein Arbeitskollege B.... Im Juni 1999 habe er dem Meister mitgeteilt, dass die Zahl der von ihm geschnittenen Rollen mit denen des Kollegen B... gleich sei. Er habe sich dann auf die Aussagen des Meisters verlassen und die Lohndifferenzen mit Schreiben vom 16.11.2000 geltend gemacht. Er sei einverstanden, dass er in der Zuschneiderei nur Zeitlohn erhalte. Es sei aber willkürlich, wenn der Lohn hier von 20,88 DM brutto auf 17,76 DM brutto gekürzt werde. Er erbringe sogar noch eine höhere Leistung als seine Kollegen, weil er als Nichtraucher im Gegensatz zu diesen keine Zigarettenpause einlege. Seit Januar 2001 habe sich nun sein Stundenlohn auf 18,21 DM brutto erhöht. Es ergebe sich als weitere Differenz bis einschließlich März 2002 ein Betrag von 2.942,59 DM. Seit 11.03.2002 arbeite er wieder in der Presserei im Akkord, was jedoch erst in der April-Abrechnung berücksichtigt worden sei.

Die Beklagte hat sich zum Vortrag des Klägers hinsichtlich der Entgeltnachzahlungsansprüche in der Berufungsinstanz nicht mehr geäußert.

Der Kläger stellt im Berufungsverfahren daher folgende Anträge:

I.

Auf die Berufung vom 26.07.2001 hin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Az. 8 Ca 9714/00 A, abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dam Kläger Euro 3.804,97 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 27.09.2001 zu zahlen.

II.

Das Schluss- und Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Az. 8 Ca 9714/00 A, vom 19.12.2001 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den sich aus 1.352,75 Euro brutto ergebenden Nettobetrag zu zahlen, nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den sich aus 1.504,62 Euro brutto ergebenden Nettolohn zu zahlen, zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen kostenpflichtig zurückzuweisen.

Als Berufungsklägerin bezüglich des Endurteils vom 19.12.2001 im Verfahren 8 Ca 5751/01 A beantragt die Beklagte:

I.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg (Az. 8 Ca 5751/01 A) vom 19.12.2001 wird aufgehoben.

II.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt insoweit

kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ohne Einschaltung seiner Prozessvertreter die Entgeltforderung nochmals nach Monaten aufgeschlüsselt (Schriftsatz vom 27.12.2002, Bl. 221 f. d.A.). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Endurteils vom 19.12.2001, des Teilurteils vom 22.05.2001 und des Schluss- und Endurteils vom 19.12.2001, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 17.12.2002 (Bl. 216 ff. d.A.) und die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufungen sind zulässig. Sie sind statthaft, weil sie sich gegen arbeitsgerichtliches Urteile richten (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1.200,- DM hinsichtlich des Teilurteils sowie hinsichtlich des Schluss- und Endurteils (§ 64 Abs. 2 ArbGG in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung). Die Zulässigkeit bezüglich des Kündigungsrechtsstreits folgt aus § 64 Abs. 2 c ArbGG. Die Berufungen sind auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, jeweils in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung, vgl. § 26 Nr. 5 EG-ZPO).

II.

Die Berufung der Beklagten bezüglich der Kündigungsschutzklage ist jedoch nicht begründet, ebenso die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil vom 24.05.2001. Als teilweise begründet erweist sich die Berufung des Klägers gegen das Schluss- und Endurteil vom 19.12.2001.

1.

Das Urteil des Arbeitsgerichts im Verfahren mit dem Aktenzeichen 8 Ca 5751/01 A erweist sich als richtig. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.06.2001 nicht aufgelöst worden ist.

a.

Die Berufungskammer folgt insoweit den sorgfältigen Erwägungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 543 Abs. 1 ZPO in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung, vgl. § 26 Nr. 5 EG-ZPO). Nur ergänzend sei noch hinzugefügt:

b.

Das Arbeitsgericht hat die in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätze über die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung (vgl. zuletzt BAG vom 29.04.1999 und vom 12.04.2002, 2 AZR 431/98 und 2 AZR 148/01, EzA § 1 KSchG Krankheit Nrn. 46 und 49) zutreffend angeführt und angewandt. Dabei kann dahinstehen, ob die vorliegenden umfangreichen Fehlzeiten, von denen die Kammer auszugehen hat - das nicht weiter substantiierte Bestreiten dieser von der Beklagten im Berufungsverfahren im einzelnen aufgeschlüsselten Zeiten durch den Kläger ist unbeachtlich, weil der Kläger über diese Krankheitszeiten eigene Kenntnis besitzt (§ 138 Abs. 1, 2 und 4 ZPO) -, eine Prognose rechtfertigen, es sei mit weiteren Fehlzeiten zu rechnen. Selbst das Vorliegen einer solchen Prognose würde eine Kündigung aus personenbedingten Gründen nicht bedingen. Der Kläger hat nämlich eingewandt, die Fehlzeiten bezögen sich jeweils nur auf die Arbeit in der Presserei, die Arbeit in der Zuschneiderei habe er ohne gesundheitliche Probleme ausüben können. Er hat erklärt, er habe nur dann die Arbeit abbrechen müssen und sei arbeitsunfähig geworden, wenn und nachdem die Beklagte von ihm verlangt habe, wieder in der Presserei zu arbeiten. Die Beklagte ist diesem Vorbringen nicht entgegengetreten. Damit hat die Kammer von der Richtigkeit dieses klägerischen Vorbringens auszugehen (§ 138 Abs. 3 ZPO). Legt man dieses Vorbringen zugrunde, dann ist davon auszugehen, dass für eine Weiterarbeit im Betrieb - in der Zuschneiderei - keinerlei negative Prognose zu erkennen ist. Die Beklagte hat den Kläger über einen erheblichen Zeitraum immer wieder dort eingesetzt. Es ist in keiner Weise erkennbar, dass und warum dies im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung und des Ablaufs der Kündigungsfrist nicht weiter möglich gewesen sein sollte. Nach alldem gibt es Anhaltspunkte für eine negative Prognose allenfalls für die Tätigkeit an der Presse, nicht aber für diejenige in der Zuschneiderei. Die Kündigung ist schon aus diesem Gesichtspunkt heraus sozialwidrig. Soweit sich die Beklagte auf die fehlende Mitwirkung des Klägers stützt und geltend macht, er habe ärztliche Prognosen nicht vorgelegt, ist dies unerheblich. Die Kammer folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch darin, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, derartige Prognosen oder Gutachten vorzulegen, und sich im Kündigungsschutzprozess dennoch auf eine für ihn günstige Genesungsprognose berufen kann (zuletzt BAG vom 12.04.2002, 2 AZR 148/01, EzA § 1 KSchG Nr. 49).

c.

Die Kündigung scheitert auch daran, dass betriebliche Auswirkungen durch zu erwartende Fehlzeiten nicht ausreichend dargelegt sind. Soweit sich die Beklagte auf wirtschaftliche Belastungen bezogen hat, liegen diese nicht in ausreichendem Umfang vor. Die Beklagte selbst führt Entgeltfortzahlungskosten mit 35 Tagen für 1999, 14 Tagen für 2000 und 6 Tagen für 2001 an. Unter Berücksichtigung dessen, dass der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer einen Entgeltfortzahlungsanspruch von sechs Wochen im Jahr zugesteht, genügen derartige Belastungen als wirtschaftliche Beeinträchtigung für eine krankheitsbedingte Kündigung nicht. Das Bundesarbeitsgericht verlangt hier sechs Wochen pro Jahr erheblich übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, wobei es unschädlich ist, wenn in einem Jahr diese Kosten nicht erreicht werden (vgl. zuletzt etwa BAG vom 12.12.1996, 2 AZR 7/96, und vom 20.01.2000, 2 AZR 378/99, EzA § 1 KSchG Krankheit Nrn. 41 und 47; KR-Etzel, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht, 6. Aufl. 2002, § 1 KSchG RdNr. 342). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass derart hohe Entgeltfortzahlungskosten in der Zukunft zu erwarten gewesen wären, wenn es schon in der Vergangenheit angesichts der vorliegenden Folgeerkrankungen an derart hohen Kosten gefehlt hat. Soweit sich die Beklagte auf Kosten wegen der Leistungsminderung des Klägers berufen hat, erscheint dies als nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat hier Berechnungen angestellt, ohne im einzelnen darzulegen, welche Minderleistungen der Kläger bei welchen Arbeiten verrichtet haben soll und welche Auswirkungen dies konkret gehabt haben soll. Ähnliches gilt für die Einstellung von Leiharbeitnehmern. Auch hier lässt sich nicht nachvollziehen, zu welchen Zeiten und für welche Arbeiten Leiharbeitnehmer herangezogen werden mussten. Der Vortrag ist insgesamt widersprüchlich, wenn zum einen auf die Leiharbeitnehmerkosten abgestellt wird, zum anderen aber Überstunden von Kollegen behauptet werden. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar dargelegt, wann welche Kollegen welche Überstunden verrichten mussten und wann es in welchem Umfang zu welchen konkret auf das Fehlen des Klägers zurückgehenden Produktionsrückgang gekommen sein soll. Damit fehlt es an einer nachvollziehbaren Darlegung betrieblicher Auswirkungen. Im übrigen steht auch die Versetzungsmöglichkeit auf den Arbeitsplatz in der Zuschneiderei, die der Kläger behauptet hat, ohne dass die Beklagte widersprochen und nachvollziehbar dargelegt hätte, was dem entgegenstehen sollte, dem Entstehen betrieblicher Auswirkungen entgegen. Die Kündigung scheitert also, wie schon das Arbeitsgericht zurecht festgestellt hat, auch an diesem Punkt.

d.

Angesichts dieses fehlenden Sachvortrags kommt es auf die Frage ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung nicht mehr an. Es bestehen erhebliche Bedenken, ob die Anhörung ordnungsgemäß erfolgt ist, weil darin nicht einmal die bisherigen Fehlzeiten nachvollziehbar unter Benennung von Erst- und Folgeerkrankungen aufgeführt sind.

e.

Die Kündigung erweist sich nach alldem als sozial nicht gerechtfertigt. Die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts im Verfahren 8 Ca 5751/01 A ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen.

2.

Auch die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 24.05.2001 erweist sich als nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden, dass dem Kläger der geltend gemachte Nachzahlungsbetrag für den Zeitraum 01.01.1998 bis 26.04.2000 in Höhe von 7.422,88 DM nicht zusteht. Die Berufungskammer folgt auch insoweit den sorgfältigen Erwägungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 543 Abs. 1 ZPO in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung, vgl. § 26 Nr. 5 EG-ZPO).

a.

Die Ansprüche sind in der Tat verfallen. Der Tarifvertrag für die Kunststoff verarbeitende Industrie ist nach den arbeitsvertraglichen Abmachungen auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Dieser Feststellung des Arbeitsgerichts ist der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr entgegengetreten. Die Ausschlussfrist des § 21 MTV erfasst damit die Ansprüche, soweit sie vor August 2000 liegen, weil der Kläger die Ansprüche erstmals mit Schreiben seiner anwaltlichen Vertreter vom 15.11.2000 schriftlich verlangt hat.

b.

Es kann dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers zutreffend ist, er habe die Ansprüche mündlich gegenüber dem hierfür zuständigen Meister U... geltend gemacht. Der Tarifvertrag erklärt nämlich, dass die Ansprüche verwirkt seien, wenn sie nicht innerhalb der Frist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht seien. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger daran hätte gehindert sein können, diese Frist einzuhalten, bestehen nicht. Insbesondere sind auch keine Umstände dafür ersichtlich, dass die Beklagte den Kläger von einer rechtzeitigen schriftlichen Geltendmachung abgehalten hätte. Der Kläger selbst trägt vor, der Meister habe erklärt, er bekomme dann DM 24,- brutto, wenn er so viel wie sein Arbeitskollege arbeite. Der Meister hat dem Kläger also nicht ohne Vorbehalte versprochen, er bekomme einen höheren Lohn. Er hat dies dem Kläger allenfalls in Aussicht gestellt, aber unter einer Bedingung, deren Einhaltung mangels geeigneter Kriterien durchaus vielschichtig beurteilt werden kann. Der Kläger hat erklärt, er habe dem Meister später gesagt, er arbeite ebensoviel wie der Kollege B.... Eine Antwort des Meisters hat der Kläger hierauf nicht behauptet. Damit musste auch für den Kläger offen sein, ob er die Voraussetzungen für den höheren Lohn objektiv oder nach Einschätzung des Meisters erfüllen würde. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass er sich hätte darauf verlassen können, er werde Nachzahlungen ohne weitere Geltendmachung bekommen - und zwar für den Zeitraum von Januar 1999 bis April 2000. Davon konnte der Kläger nicht ausgehen. Es liegt also Verfall der Ansprüche insoweit vor.

c.

Unabhängig hiervon hätte die Kammer der Klage insoweit aus dem weiteren Grund nicht stattgeben können, weil der Anspruch insoweit nicht schlüssig dargelegt ist. Der Kläger hat - ohne Nennung von im betreffenden Monat geleisteten Stunden - vorgetragen, er müsse Nachzahlungen für bestimmte Zeiträume erhalten - berechnet auf der Basis eines Anspruches von 24,12 DM brutto. Schon das Arbeitsgericht hat darauf hingewiesen, ein Anspruch in Höhe von 24,12 DM brutto sei nicht ersichtlich. Dem schließt sich die Kammer an. Dies erschließt sich im übrigen schon aus der vom Kläger vorgelegten Lohnabrechnung für Dezember 1997 (Anlage K 2, Bl. 11 der Akte im Verfahren 8 Ca 9714/00 A). Dort ist für 67 Stunden ein Lohn von 17,30 DM zuzüglich 5,45 DM aufgeführt. Der Kläger hat also schon vor dem Arbeitsunfall und vor den nunmehr aufgetretenen Problemen nicht immer 24,12 DM brutto pro Arbeitsstunde erhalten. Der Anspruch ist in der vorliegenden Form also nicht schlüssig dargetan. Eine Berechnung des Anspruches mit einem niedrigeren Stundensatz ist für die Kammer nicht möglich. Der Kläger hat insbesondere nicht dargetan, in welchen Monaten er wieviele Stunden mit welchem Stundensatz geleistet hat. Selbst wenn man daher davon ausgehen würde, dass dem Kläger für die Tätigkeit in der Zuschneiderei 20,88 DM brutto zustehen würden, wäre die Kammer aufgrund der fehlenden Aufschlüsselung nicht in der Lage, die Höhe des dem Kläger dann zustehenden Anspruches für den Zeitraum bis 26.04.2000 zu errechnen.

d.

Auch das Teilurteil erweist sich damit als richtig, so dass die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen war.

3.

Die Berufung des Klägers gegen das Schluss- und Endurteil des Arbeitsgerichts vom 19.12.2001 erweist sich als teilweise erfolgreich. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Nachzahlung von 1.145,43 DM brutto, dies entspricht Euro 585,64 brutto, als Lohndifferenz für den Zeitraum 30.08.2000 bis 22.12.2000 zu.

a.

Dabei geht die Kammer davon aus, dass dem Kläger für diese Zeiten, in denen er im wesentlichen in der Zuschneiderei gearbeitet hat, ein Anspruch auf ein Stundenentgelt von 20,88 DM brutto zusteht. Die Beklagte hat dem Kläger dieses Entgelt für die Arbeit in der Zuschneiderei im Zeitraum Januar bis April 1999 gezahlt. Sie hat sich zum Vorbringen des Klägers, er habe dieselbe Leistung erbracht wie der Kollege B..., nicht geäußert. Diese Aussage ist damit als zugestanden anzusehen (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat die weitere Kürzung des Lohnes für die Arbeit in der Zuschneiderei von 20,88 DM brutto auf 17,73 DM brutto bzw. später auf 18,21 DM brutto nur mit dem Satz begründet, der Kläger habe geringere Leistungen erbracht. Dieser Vortrag ist nicht ausreichend. Wenn dem Kläger zunächst Entgelt für die Arbeit in Höhe von 20,88 DM brutto gezahlt worden ist wie vorliegend, dann müsste der Arbeitgeber im einzelnen nachvollziehbar erläutern, aufgrund welcher im einzelnen benannter Maßstäbe der Arbeitnehmer nunmehr welche im einzelnen aufgeführte Leistungen erbracht bzw. nicht erbracht hat. Nur dann könnte die Kammer nachvollziehen, ob die behaupteten geringeren als die zunächst veranschlagten Leistungen vorliegen, ob dies auf den Arbeitnehmer zurückzuführen ist und inwieweit eine derartige Minderleistung die vorgenommene Lohnverringerung rechtfertigt. All dies hat die Beklagte nicht getan. Sie hat sich auf Minderleistungen berufen und damit zum Ausdruck gebracht, für Normalleistung seien 20,88 DM brutto geschuldet und angebracht - wobei vorliegend offen bleiben kann, ob sich dies aus einem in Betriebsvereinbarung festgelegten Entgeltsystem oder aus Gleichbehandlungsgrundsätzen ergibt. Angesichts dieses Vortrags hätte sie die behaupteten Leistungsmaßstäbe im einzelnen vortragen müssen. Der fehlende Sachvortrag geht zu ihren Lasten. Die Kammer muss daher davon ausgehen, dass der Kläger für die Arbeit in der Zuschneiderei einen Stundenlohn von 20,88 DM brutto zu beanspruchen hatte.

b.

Dieser Stundenlohn steht dem Kläger für den Zeitraum 20.08. bis 18.09.2000, 31.10. bis 30.11. und 01.12. bis 22.12.2000 zu. Der Kläger erhielt in diesem Zeitraum einen Stundenlohn von 18,21 DM brutto, wie sich aus der vom Kläger nicht widersprochenen Aufstellung der Beklagten ersehen lässt (Anlage zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 23.11.2001 im Verfahren 8 Ca 9714/00 A, Bl. 94 f. d.A.). Der Differenzbetrag von 2,67 DM brutto steht ihm für insgesamt 11 Wochen mit in der Verhandlung vom 19.12.2002 unstreitig gestellten 39 Wochenstunden im Zeitraum bis 22.12.2000 zu. Die Beklagte schuldet mithin noch einen Betrag von DM 1.145,43 brutto, dies entspricht Euro 585,64 brutto. Insoweit ist die Berufung gegen das Schluss- und Endurteil begründet.

c.

Begründet ist die Berufung auch, soweit der Kläger die Klage mit dem Differenzlohn für die Monate Januar 2001 bis März 2002 erweitert hat. Der Kläger hat insoweit die Differenz zwischen dem erhaltenen Lohn von 18,21 DM brutto und dem geschuldeten Lohn von 20,88 DM brutto nachvollziehbar unter Angabe der in den jeweiligen Monaten geleisteten Stunden verlangt. Die Beklagte hat diesbezüglich weitere nachvollziehbare Einwendungen nicht erhoben. Die schriftliche Geltendmachung des höheren Stundenlohnes durch Anwaltsschriftsatz vom 15.11.2000 erfasst auch die Geltendmachung dieser Abrechnungsperioden. Irgendwelche Einwendungen gegen den Anspruch sind insoweit nicht ersichtlich.

d.

Die geltend gemachten Zinsen stehen dem Kläger nach §§ 291, 288 BGB ab Rechtshängigkeit zu.

e.

Soweit der Kläger einen höheren Differenzbetrag geltend macht - für den Zeitraum bis 22.12.2000 -, ist der Antrag nicht begründet. Insoweit erweist sich das Schluss- und Endurteil des Arbeitsgerichts als richtig, so dass die Berufung insoweit zurückzuweisen war.

4.

Die Kostenentscheidung des Endurteils des Arbeitsgerichts im Verfahren 8 Ca 5751/01 A erweist sich als richtig. Die Kostenentscheidung des Schluss- und Endurteils im Verfahren 8 Ca 9714/00 A war abzuändern, weil der Kläger insoweit in Höhe von 585,64 Euro obsiegt hat. Er hat daher nur 7/8 der Kosten 1. Instanz zu tragen, die Beklagte 1/8.

Bei den Kosten des Berufungsverfahrens war das Unterliegen der Beklagten bezüglich der Klageerweiterung sowie hinsichtlich des Verfahrens 8 Ca 5751/01 A zu berücksichtigen. Die Kostenquote beträgt daher 3/8 zu Lasten des Klägers, 5/8 zu Lasten der Beklagten (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1, 91 ZPO).

5.

Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

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