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Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 2 TaBV 9/06
Rechtsgebiete: MitbestG, 2. WO zum MitbestG
Vorschriften:
MitbestG § 7 | |
MitbestG § 24 | |
2. WO zum MitbestG § 27 | |
2. WO zum MitbestG § 34 | |
2. WO zum MitbestG § 35 |
2. Maßgeblich für die Frage der Wählbarkeit ist der Beginn der Amtszeit.
3. Die Pflicht des Wahlvorstands zur Prüfung eines eingereichten Wahlvorschlags beginnt mit der Einreichung des schriftlichen Wahlvorschlags; erforderliche Aufklärungsmaßnahmen stellen keine pflichtwidrige Verzögerung der Prüfung dar.
4. Der Wahlvorstand ist - abgesehen von einer Mehrfachbewerbung im Sinn des § 27 Abs. 8 WO - zu einer Änderung des eingereichten Wahlvorschlags, insbesondere zu einer Streichung einzelner Bewerber, nicht befugt.
5. Erkennt der Wahlvorstand, dass er irrtümlich einen eingereichten Wahlvorschlag zunächst als gültig behandelt hat, darf er den als ungültig erkannten Wahlvorschlag nicht weiterhin als gültig behandeln.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS
Verkündet am 16. Februar 2006
in dem Beschlussverfahren
wegen einstweiliger Verfügung/Arrest
Die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Werner und die ehrenamtlichen Richter Kühnlenz und D. Ziegler aufgrund der mündlichen Anhörung vom 16. Februar 2006
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen.
Gründe: I.
Die Antragsteller wenden sich im Weg der einstweiligen Verfügung gegen eine Entscheidung des Unternehmenswahlvorstands für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, die am 31.03.2006 stattfindet.
Die Antragstellerin zu 1) reichte am 07.12.2005 als Vorschlagsvertreterin den Wahlvorschlag mit der Listenbezeichnung "Kompetenz und Sachverstand" ein. Die Annahmefrist für die Wahlvorschläge endete am 07.12.2005 um 16.00 Uhr. Der Wahlvorschlag der Antragstellerin zu 1) ging beim Wahlvorstand ca. eine halbe Stunde vor Ende der Annahmefrist und somit am 07.12.2005 gegen 15.30 Uhr ein. Auf dem Wahlvorschlag sind vier Bewerber aufgeführt und zwar die Antragsteller zu 1) und 2) als Bewerber für den Aufsichtsrat und als Ersatzmitglied für die Antragstellerin zu 1) die Arbeitnehmerin D... und als Ersatzmitglied für den Antragsteller zu 2) der Arbeitnehmer E....
Die Antragsteller zu 1) und 2) und das für ihn benannte Ersatzmitglied E... befinden sich in einem Altersteilzeitverhältnis. Die konstituierende Sitzung des neu zu wählenden Aufsichtsrats findet am 30.06.2006 statt. Die Freistellungsphase des Antragstellers zu 2) und des für ihn benannten Ersatzmitglieds E... beginnt vor dieser Sitzung (01.06.2006 bzw. 01.05.2006). Die Freistellungsphase der Antragstellerin zu 1) beginnt am 01.07.2006.
Unter dem 08.12.2005 erfolgte eine schriftliche Einladung an die Antragstellerin zu 1) in ihrer Eigenschaft als Vorschlagsvertreterin zur Verlosung der Reihenfolge der Ordnungsnummern der Wahlvorschläge für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer für den 16.12.2005. Mit Schreiben vom 29.12.2005 erklärte der Antragsgegner den Wahlvorschlag der Antragstellerin zu 1) als Vorschlagsvertreterin für ungültig. Zur Begründung führte er an, auf dem Wahlvorschlag befänden sich drei von vier Personen, die in keinster Weise die Interessen der Belegschaft vertreten könnten. Zwei Personen befänden sich schon vor der konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrats in der Freistellungsphase der Altersteilzeit. Eine Person könne nur an der konstituierenden Sitzung teilnehmen, bevor sie ebenfalls in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eintrete. Der Prozessbevollmächtigte der Antragssteller wandte sich mit Schreiben vom 05.01.2006 an den Antragsgegner und setzte eine Frist bis 07.01.2006 zur Rücknahme der Ungültigkeitserklärung vom 29.12.2005. Mit Schreiben vom 09.01.2006 teilte der Antragsgegner mit, dass er seine Entscheidung nicht revidiert habe und die Auslosung der Reihenfolge der Ordnungsnummern der Wahlvorschläge am 09.01.2006 stattgefunden habe.
Mit Schriftsatz vom 11.01.2006, beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 12.01.2006, beantragten die Antragssteller:
I. Der Beschluss des C... vom 29.12.2005 wird aufgehoben.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Hilfsweise:
I. Der C... wird, zumindest einstweilen, verpflichtet, den Wahlvorschlag der Vorschlagsvertreterin Frau A... für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer der C... zuzulassen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Arbeitsgericht hat mit dem am 19.01.2006 verkündeten Beschluss die Anträge der Antragsteller zurückgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses wird verwiesen.
In der Beschwerde, die mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 06.02.2006 eingelegt und am 07.02.2006 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg einging, stellen die Antragsteller folgende Anträge:
I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.01.2006, Az: 9 BVGa 1/06, wird aufgehoben.
II. Der Beschluss des C... vom 29.12.2005 wird aufgehoben.
Hierzu hilfsweise:
Der C... wird, zumindest einstweilen, verpflichtet, den Wahlvorschlag der Vorschlagsvertreterin Frau A... für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer der C... zuzulassen.
Insgesamt äußerst hilfsweise:
I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.01.2006, Az: 9 BVGa 1/06, wird abgeändert.
II. Der Beschluss des C... vom 29.12.2005 wird insoweit aufgehoben, als dort der Wahlvorschlag der Vorschlagsvertreterin Frau A... für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer der C... reduziert auf die Bewerber A.../D... für ungültig erklärt wird.
hierzu hilfsweise:
Der C... wird, zumindest einstweilen, verpflichtet, den Wahlvorschlag der Vorschlagsvertreterin Frau A... für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer der C... reduziert auf die Bewerber A.../D... zuzulassen.
Auf die Beschwerdebegründung vom 06.02.2006 und die Beschwerdeerwiderung vom 13.02.2006 wird Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist mit Haupt- und Hilfsanträgen unbegründet.
1. Die Antrags- und Beschwerdebefugnis ist für beide Antragsteller und Beschwerdeführer gegeben. Sie sind durch die Entscheidung des Antragsgegners formell und materiell betroffen, da der Wahlvorschlag, auf dem sie als Bewerber aufgeführt sind, für ungültig erklärt wurde.
2. Die Anträge der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind statthaft. Eine nachträgliche Überprüfung wesentlicher Mängel im Wahlverfahren durch eine Anfechtung bietet in der Regel nur einen unzureichenden Schutz, zumal die erfolgreiche Anfechtung der Wahl keine rückwirkende Kraft hat und eine Korrektur eine Anfechtung überflüssig machen kann (vgl. Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes 3. Aufl. Baur B Rz. 296 mit umfangreichen Nachweisen). Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass durch einstweilige Verfügung korrigierende Eingriffe in ein laufendes Wahlverfahren für Betriebsratswahlen oder Aufsichtsratswahlen nach dem Mitbestimmungsgesetz erfolgen können (vgl. z.B. Herbst/Bertelsmann/Reiter arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren S. 277 Rz. 318; Ostrowicz/Künzel/Schäfer der Arbeitsgerichtsprozess S. 414 Rz. 406; Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes - Baur 3. Aufl. S. 390 Rz. 296; Fitting Betriebsverfassungsgesetz 21. Aufl. § 18 Rz. 36 jeweils m.w.N.). Im Hinblick auf den durch den Wahlablauf bestehenden Zeitdruck kann in der Regel ein gerichtlicher Rechtsschutz nur im Weg der einstweiligen Verfügung gewährt werden. Im Allgemeinen ist deshalb auch eine Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben, wenn neben dem Verfügungsanspruch auch ein Verfügungsgrund gegeben ist, der jedoch nicht allein auf die Eilbedürftigkeit des Eingriffs in das Wahlverfahren gestützt werden kann. Erforderlich ist stets eine Interessenabwägung zwischen den Interessen der Antragstellerseite und den Nachteilen, die entstehen können, wenn eine spätere Wahlanfechtung wegen des Eingriffs in den Ablauf der Betriebsratswahlen erfolgreich durchgeführt wird oder durch den Abbruch einer Wahl ein Zustand entsteht, in dem keine Betriebsvertretung existiert. Aus diesem Gesichtspunkt wird von der herrschenden Meinung angenommen, dass eine Untersagung der Durchführung der Wahl nur in Fällen der Nichtigkeit einer Wahl erfolgen kann (vgl. Herbst/Bertelsmann/Reiter a.a.O. Rz. 315; Ennemann in Berscheid/Kunz/Brand, Praxis des Arbeitsrechts 2. Aufl. S. 1907 Rz. 359; Fitting a.a.O. § 18 Rz. 42; Baur a.a.O. S. 363 Rz. 299). Dementsprechend sind die Anforderungen an den Verfügungsgrund nicht ganz so weit reichend, wenn lediglich berichtigende Eingriffe in das Wahlverfahren angestrebt werden. Die Interessenabwägung zwischen konkreten Vor- und Nachteilen wird überwiegend beim Verfügungsgrund angesiedelt (vgl. Ennemann a.a.O. S. 1910 Rz. 371 f.; Herbst/Bertelsmann/Reiter S. 337 Rz. 419 f.; Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge Arbeitsgerichtsgesetz 5. Aufl. § 85 Rz. 36; Ostrowicz/Künzel/Schäfer S. 416 Rz. 406; Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. § 940 Rz. 4; Baur a.a.O. B S. 341 Rz. 264). Ob der Verfügungsgrund eine Zulässigkeits- oder Begründetheitsvoraussetzung ist, ist höchst umstritten (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Baur a.a.O. H S. 764 Rz. 307). Im Fall der Annahme als Prozessvoraussetzung kann ein wegen Verneinung des Verfügungsgrundes abgewiesener Antrag unter Umständen wiederholt werden, was ausscheidet, wenn man eine Begründetheitsvoraussetzung annimmt und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung folglich als unbegründet zurückweist. Im Streitfall kann dahinstehen, ob man den Verfügungsgrund als Zulässigkeitsvoraussetzung oder als Begründetheitsvoraussetzung betrachtet, da schon kein Verfügungsanspruch besteht.
3. Ein Verfügungsanspruch ist nicht gegeben. Als Verfügungsanspruch kommt ein Anspruch auf Meidung oder Beseitigung eines Wahlfehlers in Betracht (vgl. Baur a.a.O. B S. 361 Rz. 297). Der Antragsgegner hat den Wahlvorschlag der Antragstellerin zu 1) zu Recht als ungültig bewertet.
a. Die Wahl der Arbeitnehmervertreter hatte, wie auch zwischen den Antragstellern und dem Antragsgegner unstreitig ist, nach der zweiten Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz vom 04. Mai 1976 (Bundesgesetzblatt I S. 1153) zu erfolgen. Nach § 29 der Wahlordnung (im Folgenden WO) kann in jedem Wahlvorschlag für jede Bewerberin oder für jeden Bewerber jeweils ein Ersatzmitglied des Aufsichtsrats vorgeschlagen werden, wobei ausgeschlossen ist, dass eine Bewerberin oder ein Bewerber sowohl als Mitglied als auch als Ersatzmitglied des Aufsichtsrats vorgeschlagen wird. Im Wahlvorschlag der Antragstellerin zu 1) sind deshalb diese als Bewerberin und der Antragsteller zu 2) als Bewerber für den Aufsichtsrat vorgeschlagen und als Ersatzmitglied für die Antragstellerin zu 1) die Arbeitnehmerin D... und als Ersatzmitglied für den Antragsteller zu 2) der Arbeitnehmer E....
b. Die Zurückweisung des Wahlvorschlags der Antragstellerin zu 1) als ungültig ist nicht etwa deshalb unwirksam, weil sie erst am 29.12.2005 erfolgte. Zutreffend ist, dass nach § 34 WO der Wahlvorstand die Prüfung eines Wahlvorschlags unverzüglich vorzunehmen hat und bei Ungültigkeit oder Beanstandung den Vorschlagsvertreter schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten hat. Aus der Entscheidung des BAG vom 25.05.2005 - Az: 7 ABR 39/04 - ergibt sich zwar, dass eine Wahlanfechtung begründet sein kann, wenn ein Wahlvorstand seine Verpflichtung zur unverzüglichen Prüfung eines eingereichten Wahlvorschlags verletzt und dies kausal sein kann für das Ergebnis der durchgeführten Wahl, weil bei rechtzeitiger Beanstandung der Wahlvorschlag voraussichtlich noch hätte berichtigt werden können. Im Fall der Entscheidung des BAG vom 25.05.2005 ging es um einen behebbaren Mangel. Die hier streitige Frage der Wählbarkeit der Antragsteller zu 1) und 2) und des Ersatzmitglieds für den Antragsteller zu 2) stellt keinen behebbaren Mangel dar, so dass schon insoweit keine vergleichbare Fallgestaltung vorliegt. Die Antragsteller haben jedoch bereits keinen Sachverhalt dargelegt und glaubhaft gemacht, der eine Pflichtverletzung im Sinne des § 34 WO ergeben könnte.
aa. Bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Einreichungsfrist verblieb dem Wahlvorstand eine Zeit zur Prüfung von etwa einer halben Stunde, wobei es auf die genaue Zahl der Minuten nicht ankommt. Nicht entscheidend ist, dass nach dem Vorbringen der Antragsteller schon im Laufe des Tages vor der Abgabe die Einreichung des Wahlvorschlags mündlich angekündigt worden sei und auch bekannt gewesen sei, dass bei drei der Bewerbern ein Altersteilzeitverhältnis bestehe. Die Prüfungspflicht des Wahlvorstands beginnt grundsätzlich erst mit der Abgabe des schriftlich eingereichten Wahlvorschlags. Im Streitfall hat der Antragsgegner ausgeführt, er habe erst Erkundigungen einziehen müssen, wann die Bewerber und der Ersatzbewerber E... in die Freistellungsphase eintreten. Es seien Informationen beim Unternehmen angefordert worden, wobei zunächst die Herausgabe der Daten verweigert worden sei. Auf Nachfrage des Wahlvorstandsvorsitzenden habe der Antragsteller zu 2) erklärt, dass er und der Ersatzbewerber E... am 01.07. und die Antragstellerin zu 1) am 01.08. in die Freistellungsphase gehen würden. Dieses Gespräch habe am 20.12.2005 um 11.00 Uhr stattgefunden. Daraufhin habe der Vorsitzende nochmals beim Unternehmen nachgefragt und am 21.12.2005 um 13.57 Uhr die tatsächlichen Zeitpunkte erfahren (Freistellungsphase für den Antragsteller zu 2) und den Ersatzbewerber E... am 01.06.2006 bzw. 01.05.2006 und bei der Antragstellerin zu 1) 01.07.2006). Daraus folgt, dass der Wahlvorstand weder bis zum Ablauf der Einreichungsfrist und somit innerhalb etwa einer halben Stunde die Prüfung des Wahlvorschlags abschließen musste noch eine Pflichtverletzung darin zu sehen ist, dass er die Entscheidung, den Wahlvorschlag für ungültig zu erklären erst nach Kenntniserlangung der genauen Daten der jeweiligen Zeitpunkte des Eintritts der drei Bewerber in die Freistellungsphase der Altersteilzeit getroffen hat.
bb. Eine Pflichtverletzung des Wahlvorstands gegen die Wahlvorschrift des § 34 WO ist auch nicht darin zu sehen, dass der Wahlvorstand zunächst den Wahlvorschlag als gültig betrachtet hat und der Antragstellerin zu 1) eine Einladung zur Verlosung der Reihenfolge der Ordnungsnummern der Wahlvorschläge übersandt hat. Erkennt der Wahlvorstand, dass er rechtsirrig eine Gültigkeit eines Wahlvorschlags angenommen hat, dann hat er nicht etwa den ungültigen Wahlvorschlag weiterhin als gültig zu behandeln, sondern kann die bisherige Zulassung des Wahlvorschlags widerrufen (vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 04.10.1957 = AP Nr. 1 zu § 10 WO zum Bundespersonalvertretungsgesetz).
4. Der von der Antragstellerin zu 1) eingereichte Wahlvorschlag war unheilbar ungültig.
a. Die Vorschrift des § 35 WO befasst sich in Absatz 1 mit unheilbaren ungültigen Wahlvorschlägen und in Absatz 2 mit heilbaren ungültigen Wahlvorschlägen. Die in Absatz 2 genannten heilbaren ungültigen Wahlvorschläge sind endgültig ungültig, wenn der Unternehmenswahlvorstand sie beanstandet hat und die Mängel nicht innerhalb einer Woche seit der Beanstandung beseitigt worden sind. Die hier streitige Frage der Wählbarkeit ist in § 35 WO nicht genannt, sie wird vielmehr vorausgesetzt. Es ist in Rechtsprechung und Literatur einhellige Meinung, dass die Aufzählung der unheilbaren Mängel in der Wahlordnung nicht abschließend ist (vgl. Hanau/Ulmer Mitbestimmungsgesetz § 15 Rz. 75; Raiser Mitbestimmungsgesetz § 15 Rz. 22; Hoffmann/Lehmann/Weinmann § 15 Rz. 72 i.V.m. § 12 Rn. 63; Bundesverwaltungsgericht AP Nr. 2 zu § 10 WO zum Personalvertretungsgesetz). Zu den nicht heilbaren Mängeln zählt eine fehlende Wählbarkeit, was schon daraus ersichtlich ist, dass durch eine Nachfristsetzung keine Wählbarkeit begründet werden kann.
b. Eine Wählbarkeit nach § 7 Abs. 2 Mitbestimmungsgesetz ist nicht gegeben, wenn der Bewerber zu Beginn seiner Amtszeit sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet. Die Antragsteller tragen vor, die Entscheidung des BAG vom 05.10.2000 - Az: 7 AB 18/00 sei zum Anwendungsbereich des § 76 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 ergangen und sei nicht einschlägig für den Streitfall. In dieser Entscheidung habe sich das BAG speziell mit dem Begriff "Beschäftigung" befasst und angenommen, dass ein Arbeitnehmer mit Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit nach dem Blockmodell nicht mehr beschäftigt sei im Sinne des § 76 Abs. 2 BetrVG. Im Streitfall sei einschlägig das Mitbestimmungsgesetz, wonach hinsichtlich der Wählbarkeit in § 7 nur festgelegt sei, dass die Kandidaten lediglich Arbeitnehmer des Unternehmens seien. Es sei demnach keine Rede von "beschäftigt sein" oder dergleichen. Die Antragsteller zitieren die Entscheidung des BAG vom 25.10.2000 nicht vollständig. In dieser Entscheidung hat das BAG sich sowohl mit dem Begriff "beschäftigt" befasst als auch mit dem Begriff "sich befinden". Es hat ausgeführt, trotz des unterschiedlichen Wortlauts - einerseits "beschäftigt in", andererseits "sich befinden" - verlangten § 76 Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrVG 1952 einheitlich für den einzigen Arbeitnehmervertreter bzw. für den einzigen Gruppenvertreter, dass sie in einem Betrieb des Unternehmens beschäftigt sein müssen. Für eine differenzierende Auslegung der Wählbarkeitsvoraussetzungen des einzigen Arbeitnehmervertreters bzw. des einzigen Gruppenvertreters bestehe nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift kein Anlass. Das BAG hat darauf abgestellt, dass nach beiden Begriffen Voraussetzung sei, dass eine Eingliederung in betriebliche Abläufe zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung vorausgesetzt sei. Das Blockmodell sei gerade dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer mit Beginn der Freistellung seine Tätigkeit im Betrieb beende und keine gesicherte Rückkehrmöglichkeit mehr bestehe. Unabhängig davon, dass nach dem Eintritt in die Freistellungsphase der unmittelbare Bezug zu den betrieblichen Abläufen auf Dauer verloren zu gehen drohe, fehle es damit an einer künftigen Betroffenheit von den Entscheidungen des Aufsichtsrats.
Entscheidend ist, ob Arbeitnehmer, die in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eintreten, noch Arbeitnehmer des Unternehmens sind. Dies ist nicht nur mit der Entscheidung des BAG vom 25.10.2000, sondern auch mit der weiteren neueren Rechtsprechung der Obergerichte zu verneinen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 14.11.2001 - Az: 17 P 01.638 = VGHE BY 55,31 f. entschieden, dass Arbeitnehmer in der Freistellungsphase Altersteilzeit "de facto" ausgeschieden sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 15.05.2002 - Az: 6 P 8/01 = BVerfGE 116, 242 f. festgestellt, dass Arbeitnehmer mit Beginn der Freistellungsphase "aus der Dienststelle ausgegliedert" werden. Das BAG hat im Beschluss vom 16.04.2003 - Az: 7 ABR 53/02 = NZA 2003, 1345 f. für die maßgebliche Belegschaftsstärke nach § 9 BetrVG entschieden, dass die in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer nicht mehr zu berücksichtigen sind, "weil sie dem Betrieb nicht mehr angehören". Das Beschwerdegericht schließt sich dieser zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung an. Arbeitnehmer, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, sind nicht mehr wählbar als Vertreter der Arbeitnehmer für den nach dem Mitbestimmungsgesetz gebildeten Aufsichtsrat, weil sie dem Unternehmen nicht mehr angehören. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu ruhenden Arbeitsverhältnissen wie z.B. bei Elternzeit oder Wehrdienst, bei denen eine Rückkehr in den Betrieb beabsichtigt ist.
5. Abzustellen ist entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht auf die Wählbarkeit zum Zeitpunkt der Wahl, sondern auf den Zeitpunkt des Beginns der Amtszeit. Das BAG hat in der Entscheidung vom 25.10.2000 - 7 ABR 18/00 - für das Betriebsverfassungsgesetz 1952 festgestellt, dass das Amt eines Arbeitnehmervertreters in einem Aufsichtsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 endet mit dem Wegfall einer Voraussetzung für die Wählbarkeit (unter B 1 der Gründe m.w.N.). Für die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz gilt dies ebenfalls. Insoweit ist die Entscheidung des BAG vom 25.10.2000 weiter einschlägig.
Durch das Mitbestimmungsgesetz vom 04. Mai 1976 hat sich insoweit nichts geändert. § 24 Abs. 1 bestimmt, "verliert ein Aufsichtsratsmitglied, das nach § 7 Abs. 2 Arbeitnehmer des Unternehmens sein muss, die Wählbarkeit, so erlischt sein Amt". Daraus ergibt sich, dass ein Bewerber nicht mehr das passive Wahlrecht hat, wenn der Mangel der Wählbarkeit schon vor Beginn der Amtszeit gegeben ist. Wenn ein später auftretender Mangel zum Amtsverlust führt, dann kann, wenn derselbe Mangel, wenn er von Anfang an vorliegt, nicht zu einer gültigen Wahl führen und damit eine schwächere Rechtsfolge haben (vgl. Hoffmann/Lehmann/Weinmann Mitbestimmungsgesetz § 22 Rz. 49; Hanau/Ulmer Mitbestimmungsgesetz § 7 Rz. 20; Raiser Mitbestimmungsgesetz 4. Aufl. § 7 Rz. 12). § 24 Abs. 1 Mitbestimmungsgesetz entspricht inhaltlich der Vorschrift des § 24 Ziffer 4 BetrVG, wonach die Mitgliedschaft im Betriebsrat erlischt durch Verlust der Wählbarkeit. Fehlte die Wählbarkeit schon im Zeitpunkt der Wahl, so ist dieser Mangel entweder durch eine Wahlanfechtung oder nach Ablauf der Anfechtungsfrist in einem gesonderten gerichtlichen Verfahren zur Feststellung der Nichtwählbarkeit geltend zu machen (Fitting BetrVG 21. Aufl. § 24 Rz. 31).
Der Antragsteller zu 2) und der als Ersatzmitglied vorgeschlagene Bewerber E... waren somit nicht wählbar. Schon deshalb konnte der Wahlvorstand den eingereichten Wahlvorschlag der Antragstellerin zu 1) nicht weiter als gültig behandeln. Ob die Antragstellerin zu 1), die am 01.07.2006 in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eintritt, das passive Wahlrecht hat, weil sie für einen Tag das Amt eines Mitglieds des Aufsichtsrats ausüben könnte, ist im Streitfall nicht entscheidend, weil der Wahlvorstand im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller den Wahlvorschlag nicht durch Streichung einzelner Bewerber verändern konnte. Die Antragsteller stützen sich insoweit auf die Kommentierung bei Raiser, a.a.O. § 15 Rz. 22: "nicht wählbare Kandidaten werden gestrichen, ohne dass dies die Gültigkeit des Wahlvorschlags berührt". Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden:
a. Das Mitbestimmungsgesetz und die Wahlordnung regeln nicht, wie zu verfahren ist, wenn nicht alle Bewerber eines Wahlvorschlags wählbar sind. § 27 Abs. 8 WO regelt, dass in Fällen einer mehrfachen Benennung auf verschiedenen Wahlvorschlägen die Bewerberin oder der Bewerber auf sämtlichen Wahlvorschlägen zu streichen ist, wenn die Bewerberin oder der Bewerber auf Aufforderung des Unternehmenswahlvorstands nicht innerhalb einer Woche erklärt, welche Bewerbung aufrechterhalten bleiben soll. Diese Fallgestaltung, die in der Wahlordnung vorgesehen ist, ermöglicht die Streichung einer Bewerberin oder eines Bewerbers durch den Wahlvorstand. Bei der fehlenden Wählbarkeit ist eine Regelung in der Wahlordnung nicht vorgesehen. Nach der zitierten Anmerkung bei Raiser ist nicht ersichtlich, auf welche Fallgestaltung er sich beziehen will. Nicht wählbar im Sinne des § 27 Abs. 8 WO ist nämlich auch eine Bewerberin oder ein Bewerber auf mehreren Wahlvorschlägen. Für diese Fallgestaltung ergibt sich die Möglichkeit der Streichung einzelner Bewerber bereits aus der Wahlordnung selbst. Eine Konkretisierung wäre bei Raiser insbesondere auch deshalb erforderlich gewesen, weil er in derselben Anmerkung Rz. 22 kommentiert: "ungültig ist ein Wahlvorschlag vielmehr auch dann, wenn er ohne Einverständnis der Unterzeichner verändert wurde" und sich hierbei auf die Entscheidung des BAG vom 15.12.1972, Az. 1 ABR 8/72 = AP Nr. 1 zu § 14 BetrVG 1972 stützt. Dort hat das BAG entschieden, dass der Wahlvorschlag kein Vorschlag des Listenvertreters ist, sondern aller, die ihn unterzeichnet haben. Die ohne Einverständnis der Unterzeichner vorgenommene Streichung einzelner oder mehrerer Kandidaten bedeute eine inhaltliche Änderung des Wahlvorschlags, weshalb ein Wahlvorschlag durch die Streichung ungültig werde und kein Wahlvorschlag im Sinn des Betriebsverfassungsgesetzes sei. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat zum Bundespersonalvertretungsgesetz entschieden, dass es nicht möglich ist, die Namen nicht wählbarer Bewerber zu streichen, da dies einer Änderung der von den Unterzeichnern abgegebenen Erklärung, die in den Wahlvorschlag aufgeführten Bewerber zur Wahl zu stellen, gleichkomme (AP Nr. 2 zu § 10 Wahlordnung zum Personalvertretungsgesetz). Nach der Streichung eines Bewerbers sei der Wahlvorschlag nicht mehr mit dem ursprünglichen Wahlvorschlag identisch. Die Streichung könne auch nicht durch den Listenvertreter erfolgen und zwar auch nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag, da die Anwendung der Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag im Wahlrecht, das in allen seinen Teilen nur persönlich ausgeübt werden könne, nicht möglich sei. Eine nachträgliche Billigung der Streichung mit rückwirkender Kraft könne die fristgemäße Einreichung des mit der erforderlichen Zahl von Unterschriften versehenen Wahlvorschlags nicht ersetzen. Es sei aber auch nicht vertretbar, einen Vorschlag zur Wahl zu stellen, dessen Bewerber nicht alle wählbar seien. Dies würde bei den Wählern irrige Vorstellungen über den Inhalt eines zur Wahl gestellten Vorschlags erwecken und zur Verfälschung des Wahlergebnisses führen. Das Berufungsgericht habe zu Recht darauf hingewiesen, dass es widersinnig erscheine, wenn der Wahlvorstand offenen Auges einen Wahlvorschlag zulassen müsste, der aus anderen als den in der Wahlordnung erwähnten Gründen rechtswidrig sei, und untätig die sehr nahe liegende Gefahr in Kauf zu nehmen hätte, dass die Wahl angefochten und für ungültig erklärt werden würde. Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts schließt sich die Beschwerdekammer an. Der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach der Wahlvorstand nicht wählbare Kandidaten nicht von sich aus streichen darf, schließen sich in der Literatur auch Hanau in Hanau/Ulmer Mitbestimmungsgesetz § 12 Rz. 50 und Hoffmann/Lehmann/Weinmann § 12 Rz. 63 an.
b. Im Streitfall ergibt sich noch die Besonderheit, dass die Antragstellerin zu 1) als Vorschlagsvertreterin und der Antragsteller zu 2) mit dem Hauptantrag zum Ausdruck bringen, dass sie in erster Linie das Ziel verfolgen, den Wahlvorschlag unverändert zur Wahl zuzulassen. Hätte der Wahlvorstand, wie mit dem Hilfsantrag begehrt wird, lediglich einzelne Bewerber gestrichen, so würde nicht nur der veränderte Wahlvorschlag nicht mehr gedeckt durch die Unterzeichner, vielmehr würde ein Wahlvorschlag vorliegen, der vom Wahlvorstand eingebracht worden wäre und nicht einmal dem Willen der Vorschlagsvertreterin und des Antragstellers zu 2) entsprechen würde.
6. Das Beschwerdegericht hatte nicht zu prüfen, ob wie die Antragsteller vorbringen, sie in besonderer Weise für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat geeignet wären infolge der bisherigen Tätigkeiten und der größeren Unabhängigkeit gegenüber dem Unternehmen infolge des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit. Dieser Vortrag der Antragsteller ist ebenso unbeachtlich wie das weitere von ihnen vorgebrachte Argument, ihr subjektives und über Art. 2 Grundgesetz geschütztes Recht sei durch eine gesetzwidrige Auslegung verletzt worden, was auch einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz bedeute, weil eine Gruppe von älteren Arbeitnehmern, nämlich die über 55-jährigen (Altersteilzeitgesetz) ohne sachlichen Grund benachteiligt wäre. Die Ungültigkeitserklärung des Wahlvorschlags erfolgte nicht wegen des Alters der in Altersteilzeit befindlichen Bewerber, sondern wegen der fehlenden Wählbarkeit unter zwingenden Vorgaben der Wahlgrundsätze nach dem Mitbestimmungsgesetz. Die Antragsteller lassen außer Acht, dass das Gesetz über die Altersteilzeit in § 1 den Grundsatz normiert, älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente zu ermöglichen. Die Antragsteller haben nicht den gleitenden Übergang gewählt, sondern die Aufteilung in eine volle Arbeitsphase und eine Freistellungsphase. Durch diese Entscheidung, die sie selbst getroffen haben, sind sie nicht wegen ihres Alters durch das Gesetz über die Altersteilzeit benachteiligt.
7. Mangels Vorliegens eines Verfügungsanspruchs kommt es auf das Vorliegen eines Verfügungsgrundes nicht mehr an. Bei der Antragstellerin zu 1) würde im Übrigen die Interessenabwägung zur Verneinung des Verfügungsgrundes führen, weil es jedenfalls vertretbar erscheint, die Wählbarkeit zu verneinen, wenn die Amtsausübung nur für einen Tag möglich ist.
8. Die Beschwerde der Antragsteller erweist sich damit insgesamt, nämlich mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen als unbegründet.
Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (§ 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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