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Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 02.06.2003
Aktenzeichen: 5 Ta 78/03
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 5 |
5 Ta 78/03
IM NAMEN DES VOLKES Beschluss
in dem Rechtsstreit
wegen sonstiges
Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Malkmus ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden/Kammer Schwandorf vom 13.11.2002 in der Fassung des Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses vom 21.05.2003, Az: 5 Ca 1163/02 S, abgeändert.
2.
Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage wird zurückgewiesen. 3.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Klägerin war seit 01.04.1989 bei der Beklagten als Teamleiterin gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt EUR 1.645,33 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 17,5 Stunden beschäftigt. Mit Schreiben vom 25.03.2002, der Klägerin zugegangen am 26.03.2002, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2002 und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen an. Die Klägerin hat der angebotenen Änderung unter dem Vorbehalt zugestimmt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sei.
Mit Schriftsatz vom 02.07.2002 - beim Arbeitsgericht Weiden am 03.07.2002 eingegangen - ließ die Klägerin durch die D... Kündigungsschutzklage erheben, verbunden mit dem Antrag, die Klage gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen. Zur Begründung dieses Antrags trägt die Klägerin vor, die Klage sei am 11.04.2002 gefertigt und auf den Postweg gebracht worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Beschluss vom 13.11.2002 mit der Begründung zugelassen, die Klagepartei sei trotz aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert gewesen, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Beschlusses im Einzelnen wird Bezug genommen.
Gegen den am 04.12.2002 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.12.2002, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, Beschwerde einlegen lassen. Wegen des Beschwerdevorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der Beschwerdebegründung sowie der Beschwerdeerwiderung Bezug genommen. Mit Beschluss vom 21.05.2003 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig; sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerde ist auch begründet.
Auf Antrag ist die Klage nachträglich zuzulassen, wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben (§ 5 Abs. 1 KSchG). Zwar hat die Klägerin selbst durch Beauftragung dreier Rechtssekretäre der D... zur Klageeinreichung am 28.03.2002 alle ihr nach Lage der Umstände zuzumutende Sorgfalt angewandt. Indes ist eine Klage gegen die Kündigung vom 25.03.2002 erst am 03.07.2002 und damit außerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG beim zuständigen Arbeitsgericht eingegangen. Etwaiges Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten hierbei muss sich die Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Die Beschwerdekammer schließt sich dieser in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung an (LAG Nürnberg, Beschluss vom 12.03.2002, 5 Ta 177/01; zum Meinungsstand vgl.: KR-Friedrich, 6. Aufl., § 5 KSchG RdNr. 69 b ff; APS/Ascheid, § 5 KSchG RdNr. 27; LAG Niedersachsen, Beschluss vom 27.07.2000, LAGE § 5 KSchG, Nr. 98).
Für die Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO im Rahmen des § 5 KSchG spricht, dass § 4 Satz 1 KSchG eine prozessuale Klageerhebungsfrist enthält (BAG vom 26.06.1986, AP Nr. 14 zu § 4 KSchG 1969). Wird die Prozesshandlung nicht von der Partei selbst, sondern von einem Bevollmächtigten vorgenommen, so wirkt sie für die Partei in gleicher Weise, als wäre sie von ihr selbst vorgenommen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO); damit muss sie sich aber auch das Verschulden des Bevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (vgl. LAG Nürnberg vom 28.07.1987, LAGE § 5 KSchG 1969 Nr. 30; LAG Köln vom 26.07.1994, LAGE § 5 KSchG Nr. 67). § 85 Abs. 2 ZPO gilt über § 46 Abs. 2 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Die Bestimmung ist Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes für Prozessvertretungen, der alle Handlungen und Unterlassungen umfasst, die sich auf den Rechtsstreit beziehen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 85 RdNr. 1). Eine Differenzierung danach, ob das Verschulden während oder bei der Einleitung des Verfahrens stattfand, enthält § 85 Abs. 2 ZPO nicht (vgl. Grunsky, Anmerkung zu LAG Hamm, EzA § 5 KSchG Nr. 8).
Nicht anrechnen lassen muss sich ein Arbeitnehmer allerdings das Verschulden von Hilfspersonen des Bevollmächtigten, für deren Tätigwerden § 85 Abs. 2 ZPO keine Anwendung findet. Ein Falschhandeln dieser Personen muss sich ein Bevollmächtigter nur anrechnen lassen, wenn er das Personal nicht sorgfältig ausgewählt oder überwacht hat oder aber ihm selbst ein Organisationsverschulden anzulasten ist (vgl. APS/Ascheid, § 5 KSchG RdNr. 36 m.w.N.).
Die Klagepartei hat vorliegend keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, der erkennen lässt, dass ihr bei der Versäumung der Klagefrist kein Verschulden zuzurechnen ist. Nicht als Verschulden anzurechnen sind einer Partei Verzögerungen bei der Beförderung eines Schriftstückes durch die Deutsche Post (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 04.12.1979, EzA § 233 ZPO Nr. 2) oder der Verlust eines Schriftstückes außerhalb des Verantwortungsbereiches der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten (vgl. BGH vom 11.02.1957, NJW 1957, 790). Die nach dem Vortrag des Klägerinvertreters am 11.04.2002 gefertigte und auf den Postweg gebrachte Klageschrift ist bis zum Zeitpunkt vorliegender Entscheidung nicht beim Arbeitsgericht Weiden eingegangen; es ist also davon auszugehen, dass das Schriftstück verlorengegangen ist. In einem solchen Fall ist zwar nicht die Art des Verlustes darzulegen, sondern nur, dass der Verlust mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten eingetreten ist (vgl. BGH, a.a.O.). Hierzu ist erforderlich, im Einzelnen darzulegen, dass die Klageschrift bereits der Post übergeben worden ist. In der Verantwortung des Absenders liegt es nämlich, das zu befördernde Schriftstück ordnungsgemäß frankiert und adressiert zur Post zu geben; erst dann scheidet ein Schriftstück aus dem Einflussbereich des Absenders aus (vgl. Bundesverfassungsgericht, a.a.O. sowie LAG Köln vom 28.04.1983, EzA § 233 ZPO Nr. 5). Der Absendevorgang muss lückenlos und schlüssig dargestellt werden (BFH, Beschluss vom 16.12.2002, NJW 2003, 1343).
Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann mit dem bloßen Hinweis, die Klage sei "auf den Postweg gebracht" worden, nicht ansatzweise nachvollzogen werden. Dieser Vortrag lässt nicht einmal erkennen, was unter "auf den Postweg gebracht" konkret verstanden wird. Wurde die Klage in einen Briefkasten geworfen, auf einem Postamt aufgegeben oder nur in einen bürointernen Postauslauf gelegt? Mit diesem Vorbringen kann auch ein der Klägerin anzulastendes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten bei der Organisation ihres Büros nicht ausgeschlossen werden. Hierzu gehört auch die Organisation des Postausgangs, außerdem muss es eine wirksame Postausgangskontrolle geben (BGH, NJW-RR 1998, 1443). Hierzu fehlt es an jeglicher Darstellung. Dass eine bestimmte Einzelanweisung erteilt wurde, wie mit dem Postausgang im konkreten Fall zu verfahren sei, wird nicht dargetan.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (vgl. BAG, Beschluss vom 20.08.2002, 2 AZB 16/02).
Ende der Entscheidung
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