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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 19.04.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 897/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613a
BGB § 622
Schließt der Insolvenzverwalter eines insolventen Betriebes mit sämtlichen Arbeitnehmern Aufhebungsverträge mit geringen Abfindungen (hier: 20 % eines Monatsgehaltes) und werden die Arbeitnehmer unmittelbar im Anschluss an den vereinbarten Ausscheidenszeitpunkt von einem Betriebsübernehmer wieder eingestellt, so ist die bisherige Betriebszugehörigkeit trotz des Aufhebungsvertrages im neuen Beschäftigungsverhältnis anzurechnen.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 897/04

in dem Rechtsstreit

wegen Kündigung

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Steigerwald und Emser aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth, Kammer Hof, vom 30.09.2004, Az. 3 Ca 393/04 H, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Länge der Kündigungsfrist anlässlich einer Arbeitgeberkündigung.

Der am 29.07.1969 geborene Kläger war seit 01.09.1985 bei der Firma B... als Kfz-Mechaniker beschäftigt. Diese Firma meldete Insolvenz an. Der Insolvenzverwalter schloss mit dem Kläger wie mit allen anderen Arbeitnehmern am 17.01.2000 einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 29.02.2000. Die Arbeitnehmer erhielten eine Abfindung in Höhe von 20% ihres Januargehaltes. Der Kläger schloss wie die anderen Arbeitnehmer am 01.03.2000 einen neuen Arbeitsvertrag mit der Beklagten. Er arbeitete an seinem bisherigen Arbeitsplatz weiter. Der Kläger bezog zuletzt ein Arbeitsentgelt in Höhe von etwa 1.700,- brutto.

Die Beklagte, die in der Zwischenzeit umfirmiert hat, kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.02.2004 mit Wirkung zum 31.03.2004.

In seiner am 17.03.2004 beim Arbeitsgericht Bayreuth erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe die Kündigungsfrist nicht eingehalten. Zu berücksichtigen sei eine Betriebszugehörigkeit seit 1985, so dass das Arbeitsverhältnis bis 31.05.2004 bestehe. Die Beklagte habe den bisherigen Beschäftigungsbetrieb zum 01.03.2000 im Rahmen eines Betriebsübergangs übernommen. Trotz des mit dem Insolvenzverwalter geschlossenen Aufhebungsvertrags sei die beim vorherigen Arbeitgeber zurückgelegte Betriebszugehörigkeit für die Kündigungsfrist zu berücksichtigen.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht daher zuletzt folgenden Antrag gestellt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 25.02.2004 nicht mit Ablauf des 31.03.2004, sondern erst mit Ablauf des 31.05.2004 endet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, die Betriebszugehörigkeitszeit bei der Vorgängerfirma sei nicht zu berücksichtigen, da der Kläger bei dieser durch Aufhebungsvertrag mittels Abfindungszahlung ausgeschieden sei. Ein Betriebsübergang habe nicht stattgefunden.

Der Kläger hat eingewandt, es seien damals sämtliche sachlichen und immateriellen Betriebsmittel auf den neuen Arbeitgeber übergegangen. Der Kfz-Reparaturbetrieb sei mit unveränderter Personalstärke ohne Unterbrechung fortgeführt worden. Der Abschluss des Aufhebungsvertrages stehe der Anrechnung der Betriebszugehörigkeit nicht entgegen, zumal die Arbeitnehmer diesen nur in Ansehung des Betriebsübergangs abgeschlossen hätten; sie hätten zum Teil sogar auf die Einhaltung der Kündigungsfrist verzichtet, was ohne die in Aussicht stehende Fortführung nicht sinnvoll gewesen wäre.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Abschluss des Aufhebungsvertrages habe das Arbeitsverhältnis beendet. Zum Zeitpunkt dieses Abschlusses sei für den Insolvenzverwalter nicht erkennbar gewesen, dass eventuell ein Betriebsübergang in Betracht kommen könnte. Eine objektive Gesetzesumgehung liege nicht vor, zumal eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nicht eingetreten sei.

Das Arbeitsgericht Bayreuth hat der Klage mit Endurteil vom 30.09.2004 in vollem Umfang stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat dies im Wesentlichen damit begründet, zwischen dem Arbeitsverhältnis zur Vorgängerfirma und demjenigen zur Beklagten habe ein enger sachlicher Zusammenhang bestanden. Es sei von einem Betriebsübergang auszugehen. Die rechtliche Unterbrechung durch den Aufhebungsvertrag sei daher unschädlich.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist den Beklagtenvertretern ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 08.10.2004 zugestellt worden (Bl. 75 d.A.). Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihrer Vertreter vom 02.11.2004, beim Landesarbeitsgericht eingegangen 03.11., Berufung eingelegt und ihre Berufung gleichzeitig begründet.

Die Beklagte hat sich in der Berufung darauf gestützt, das Bundesarbeitsgericht habe im Urteil vom 10.12.1998, AP Nr. 185 zu § 613a BGB, entscheidend darauf abgestellt, dass ein Aufhebungsvertrag nur dann wegen objektiver Gesetzesumgehung nichtig sei, wenn er lediglich die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem bekannten Erhalt des Arbeitsplatzes bezwecke. Diesem Zweck diene der Aufhebungsvertrag nur dann, wenn zugleich ein neues Arbeitsverhältnis beim Betriebsübernehmer mindestens in Aussicht gestellt werde. Auch müsse der Aufhebungsvertrag durch Anfechtung oder aus sonstigem Rechtsgrund beseitigt werden, wenn der Arbeitnehmer die Fortsetzung beim Betriebsübernehmer verlange. Nichtigkeit scheide aus, weil der Insolvenzverwalter den Übergang nicht gekannt habe. Auch seien die Arbeitsbedingungen nicht verschlechtert worden. Der Aufhebungsvertrag sei rechtlich nicht beseitigt worden.

Die Beklagte stellt als Berufungsklägerin daher in der Berufungsinstanz folgende Anträge:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth, Kammer Hof, vom 30.09.2004, Az. 3 Ca 393/04 H, wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend und führt aus, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei von einer Einheitlichkeit der Arbeitsverhältnisse auszugehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils vom 30.09.2004 (Bl. 63 ff. d.A.), die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 19.04.2005 (Bl. 102 ff. d.A.) und die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, weil sie sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil richtet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Da der Kläger die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses über einen bestimmten Zeitraum hinaus begehrt, ist ein Beschwerdewert nicht erforderlich (§ 64 Abs. 2 c) ArbGG). Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts erweist sich als richtig. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Berufungskammer folgt den sorgfältigen Erwägungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Nur ergänzend ist im Hinblick auf die in der Berufung von den Parteien vorgetragenen Argumente noch hinzuzufügen:

1. Eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, die für die Betriebszugehörigkeit und die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen des § 622 BGB maßgeblich wäre, ist in der Tat nicht ersichtlich. Sie folgt entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.12.1998 (8 AZR 324/97, AP Nr. 185 zu § 613a BGB). In dieser Entscheidung stellt das Bundesarbeitsgericht entscheidend darauf ab, ob ein Aufhebungsvertrag mit dem alten Arbeitgeber "auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb" gerichtet ist (unter B.II. der Entscheidungsgründe). Im weiteren prüft das Bundesarbeitsgericht, ob diese Voraussetzungen im zu entscheidenden Fall vorgelegen haben, und kommt zum Ergebnis, dies sei in der dortigen Konstellation beim Abschluss des Aufhebungsvertrages mit Übertritt in die Beschäftigungsgesellschaft und gleichzeitigem Bewusstsein auch des Arbeitnehmers, dass im übrigen Fortsetzung eines Teils des Betriebs angestrebt werde, der Fall gewesen. Entscheidend ist hierbei der Ausgangspunkt, ob mit dem Aufhebungsvertrag ein endgültiges Ausscheiden nicht nur zum alten Arbeitgeber, sondern auch aus dem Betrieb bewirkt werden sollte. Davon kann die Kammer in der vorliegenden Konstellation nicht ausgehen. Mit Recht führt der Kläger an, dass vorliegend alle Umstände dagegen sprechen: Die Abkürzung der Kündigungsfristen im Aufhebungsvertrag ebenso wie die nur geringe Abfindung und die zuletzt von der Beklagten nicht mehr bestrittene Übernahme des gesamten Betriebes ohne jede Unterbrechung. Die Beklagte weist im Übrigen selbst darauf hin, dass es im Fall der Zusammenrechnung der Betriebszugehörigkeit dem Insolvenzverwalter schwer gemacht werde, einen Betriebsübergang zu erzielen. Dies mag richtig sein. Es rechtfertigt jedoch nicht, die Zusammenrechnung abzulehnen, wenn nicht das endgültige Ausscheiden aus dem Betrieb im Vordergrund der Motivation für den Aufhebungsvertrag steht, sondern die Weiterführung mit den Arbeitnehmern, deren Arbeitsbedingungen durch den vertraglich vereinbarten Neubeginn im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, die Kündigungsfristen und die soziale Verfestigung des Arbeitsverhältnisses eben doch verschlechtert werden.

Mit Recht verweist das Arbeitsgericht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.06.2002 (2 AZR 270/01, EzA § 1 KSchG Nr. 55). Das BAG hat hier eine Unterbrechungswirkung trotz einer bestandskräftigen Kündigung abgelehnt. Es hat insoweit im Wesentlichen auf die fehlende zeitliche Unterbrechung und die Fortsetzung der Identität des Betriebes abgestellt. Es hat erläutert, die zwingende Regelung des § 613a BGB dürfe nicht durch Kündigung und nachfolgende Wiedereinstellung umgangen werden. Noch deutlicher ergibt sich dies aus der Entscheidung des BAG vom 18.09.2003 (2 AZR 330/02, EzA § 622 BGB 2002 Nr. 2). Dort hat das BAG ausdrücklich ausgeführt: "Die gesetzlichen Regelungen gewähren einen Inhaltsschutz und wollen insbesondere verhindern, dass eine Betriebsveräußerung zum Anlass eines Abbaus der erworbenen Besitzstände der Arbeitnehmer genommen wird (BAG 12. Mai 1992, 3 AZR 247/91, BAGE 70, 209; BAG 27.06.2002, 2 AZR 270/01, a.a.O.). Deshalb spielt es auch keine Rolle, ob der Kläger bereits vom Insolvenzverwalter eine Abfindung erhalten hat. Die zwingende Regelung des § 613a BGB darf beispielsweise nicht durch eine Kündigung und nachfolgende Wiedereinstellung umgangen werden." Dem schließt sich die Kammer in vollem Umfang an.

Anderes würde nur dann gelten, wenn der Abschluss des Aufhebungsvertrages in Kenntnis aller Umstände darauf gerichtet wäre, das Arbeitsverhältnis und die Zugehörigkeit zum Betrieb vollständig und endgültig zu beenden, oder wenn der Wunsch nach Beendigung vom Arbeitnehmer ausgegangen wäre. Dies gilt aber dann nicht, wenn - wie vorliegend der Kläger behauptet - die Übernahme aller Arbeitnehmer durch einen Betriebsübernehmer schon absehbar war. Dies gilt auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch gegen den Betriebsübernehmer gehabt hat - wovon vorliegend auszugehen ist, weil bei einer Fortsetzung am 01.03. denknotwendig der Entschluss zur Übernahme schon im Februar und damit während des Laufes des Arbeitsverhältnisses erfolgt ist. Dann ist ein Wille der Vertragsparteien, der auf ein endgültiges Ausscheiden aus dem Betrieb gerichtet ist, gerade nicht erkennbar. Die zwingenden Schutzvorschriften des § 613a BGB wie des § 622 BGB würden in dieser Konstellation umgangen. Insoweit genügt es, wenn die Umgehung objektiv vorliegen würde, auf eine Umgehungsabsicht der Beteiligten kommt es nicht an. Insoweit ist es unerheblich, ob der Insolvenzverwalter bereits am 17.01.2000 im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages von der möglichen Betriebsübernahme wusste oder nicht.

2. Nach alldem erweist sich das Urteil des Arbeitsgerichts als richtig. Die Kündigung vom 25.02.2004 konnte das Arbeitsverhältnis zum Kläger nach § 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB erst mit Wirkung zum 31.05.2004 beenden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

3. Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO).

4. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

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