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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 09.01.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 79/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
1. Eine im Rahmen einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung vorzunehmende Zukunftsprognose (im Rahmen der Prüfung des Grundes an sich) kann auch dann negativ sein, wenn zwar keine Wiederholungstat nach einer rechtmäßigen Abmahnung vorliegt, sondern eine Ersttat nach einem klaren Hinweis des Arbeitgebers, dass er ein bestimmtes Fehlverhalten mit einer Kündigung beantworten werde.

2. Umstände in der Person des Arbeitnehmers können im Rahmen der Prüfung des für eine rechtmäßige Weisung zu beachtenden billigen Ermessens (§§ 106, 6 Abs. 2 GewO) nur berücksichtigt werden, wenn sich der Arbeitnehmer bei Erteilung der Weisung auf sie beruft; ein Nachschieben solcher persönlicher Umstände ist rechtlich unbeachtlich.

3. Für die Gewichtung des Interesses des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt es auch auf den Umfang der bei Unterlassen einer Kündigung zu befürchtenden Störungen an. Auch bei nur einmaligem vergangenem Fehlverhalten ist die Prognose wiederholter Verhaltensverletzungen in unbestimmt vielen Fällen zulässig.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 79/06

Verkündet am 09. Januar 2007

in dem Rechtsstreit

wegen: Sonstiges

Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Prof. Dr. Dr. Holzer-Thieser und die ehrenamtlichen Richter Seyler und Kaiser aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Unter Zurückweisung der Anschlussberufung wird auf die Berufung der Beklagten das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.10.2005 - Az. 17 Ca 2725/05 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 116,08 (in Worten: Euro einhundertsechzehn 8/100) brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2005 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 98 % zu tragen, die Beklagte 2 %.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien haben erstinstanzlich über die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten am 22.03.2005 zum 31.07.2005 u. a. wegen Arbeitsverweigerung ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, einen von der Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrag, den Lohn des Klägers für August 2005 (EUR 1.756,03 brutto), einen Weihnachtsgeldanspruch für 2004 (EUR 1.422,15 brutto) und über einen Urlaubsgeldanspruch des Klägers für 2005 (EUR 116,08 brutto) gestritten.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der Anträge der Parteien wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils vom 19.10.2005 (Bl. 233-245 d.A.) Bezug genommen.

Der Tenor dieses Urteils lautet:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22.03.2005 zum 31.07.2005 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.756,03 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2005 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere EUR 116,08 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2005 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 4/9, die Beklagte 5/9.

7. Der Streitwert wird auf EUR 6.788,23 festgesetzt.

8. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Gegen das der Beklagten am 10.01.2006 zugestellte Urteil hat sie mit Schriftsatz vom 10.02.2006, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 13.02.2006, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 14.02.2006 eingegangen, begründet.

Mit begründetem Schriftsatz vom 09.03.2006, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 10.03.2006 eingegangen, hat der Kläger Anschlussberufung eingelegt.

In der Berufungsinstanz beantragt die Beklagte:

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.10.2005, AZ: 17 Ca 2725/05, wird in den Ziffern 1. und 2. abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

Hilfsweise: Das Arbeitsverhältnis des Klägers wird gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages seitens der Beklagten, welcher der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 31.7.05 aufgelöst.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Kläger beantragt im Wege der Anschlussberufung:

1. Die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin wird zurückgewiesen.

2. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Az: 17 Ca 2725/05, vom 19.10.2005, wird abgeändert, soweit die Klage abgewiesen wurde.

3. Die Beklagte und Berufungsklägerin wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.422,15 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.12.2004 zu bezahlen.

4. Die Beklagte und Berufungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 13.02.2006 (Bl. 268-280 d.A.), 26.06.2006 (Bl. 315-345 d.A.), 18.12.2006 (Bl. 393-402 d.A.) und 03.01.2007 (Bl. 422 d.A.) sowie des Klägers vom 09.03.2006, (Bl. 292-311 d.A.), 01.09.2006 (Bl. 355-366 d.A.) und vom 07.09.2006 (Bl. 373-375 d.A.) sowie das Sitzungsprotokoll vom 09.01.2007 (Bl. 423-429 d.A.) Bezug genommen. Die Kammer hat Beweis erhoben durch unvereidigte Vernehmung der Zeuginnen C... und D.... Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf Bl. 424-427 d.A. Bezug genommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestands wird im Hinblick auf § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

I. Die ordentliche Kündigung vom 22.03.2005 ist wirksam.

1. Der Kläger hat die Kündigung binnen drei Wochen ab Zugang mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage angegriffen. Damit gilt die Kündigung nicht schon wegen verspäteter Klageerhebung als wirksam (§§ 4 S. 1, 7 KSchG).

2. Die Beklagte kündigte dem Kläger ordentlich u. a. wegen der Arbeitsverweigerung vom 09.12.2004, also wegen verhaltensbedingter Gründe. Da der Kläger unter den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG), ist die ausgesprochene Kündigung dahin zu überprüfen, ob für sie ein ausreichender Grund vorliegt.

3. Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist dann gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG rechtmäßig, wenn Tatsachen vorliegen, die an sich, also unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles, einen Kündigungsgrund darstellen, und eine Abwägung der für und gegen eine Kündigung sprechenden Interessen der Parteien des Arbeitsvertrages unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles stattfindet und zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt des Rentenalters nicht zugemutet werden kann.

Die Prüfung des sozial rechtfertigenden Grundes erfolgt dabei in zwei systematisch zu trennenden Abschnitten, nämlich einmal, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen ausreichenden Kündigungsgrund abzugeben, zum anderen, ob bei der Berücksichtigung dieser Umstände und der Interessenabwägung die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist. Diese Abgrenzung dient der Rechtssicherheit, weil sie die Anwendung des Rechtsbegriffs des sozial rechtfertigenden Grundes überschaubarer macht.

Einem Fehlverhalten kommt dabei die Qualität eines Kündigungsgrundes an sich nur zu, wenn von ihm konkrete Störungen im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit der Mitarbeiter, im Vertrauensbereich der Parteien oder im Unternehmensbereich ausgehen (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. DB 85, 656). Bei der Verweigerung, aufgetragene Arbeiten zu verrichten, liegt eine Störung im Leistungsbereich vor.

Die Störungen sind Teil des Kündigungsgrundes an sich und nicht erst ausschließlich bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen (BAG, BB 85, 1918).

Bei der Prüfung des Kündigungsgrundes an sich ist von großer Bedeutung, dass nach heute überwiegender Ansicht der Kündigungsgrund seiner Natur nach zukunftsbezogen ist (z.B. BAG, Urteil vom 12.01.2006 - Az. 2 AZR 21/05 - DB 06, 1567; Herschel, in: Festschrift für G. Müller, Seite 202 f.; Preis; Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, Diss. Köln 1987, Seite 328; Preis, DB 88, 1388; Weiß, Anm. zu EzA Nr. 10 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung). Nicht was war, entscheidet für sich betrachtet, vielmehr kommt es auf die Auswirkungen für die Zukunft an (Herschel, a.a.O.). Nicht das Fehlverhalten als solches, sondern nur dessen Auswirkungen können für eine Kündigung den Ausschlag geben (Weiß, a.a.O.). Die Kündigung ist keine Sanktion auf vergangenes Verhalten, sondern ein "Instrument der Regulierung der Zukunft" (Herschel, a.a.O.). Vergangenes kann bei der Bewertung des Kündigungsgrundes nur in zweierlei Weise effektiv werden: Zum einen kann ein zurückliegendes Ereignis eine Dauerwirkung erzeugen, zum anderen kann bezüglich eines früheren Ereignisses Wiederholungsgefahr bestehen (Herschel, a.a.O. und Anm. zu AP Nr. 78 zu § 626 BGB; BAG, BB 95, 1090). Zur Begründung der Negativprognose "bedarf es... einer zweistufigen Prüfung: Zunächst ist das in der Vergangenheit liegende vertragswidrige Verhalten festzustellen und zu würdigen, weil dies die notwendige Basis für die Zukunftsprognose ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob durch die Vertragsverletzung das Vertragsverhältnis auch künftig beeinträchtigt ist bzw. ob das Risiko weiterer Vertragsverletzungen droht" (Preis, a.a.O., Seiten 328 f.). Ein wesentliches Kriterium für die Bejahung einer Wiederholungsgefahr ist, ob der Arbeitnehmer trotz des Hinweises des Arbeitgebers, ein bestimmtes Fehlverhalten nicht zu dulden, dem Hinweis zuwider handelt. Denn in einem solchen Fall muss auch für die weitere Zukunft davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten fortsetzen werde. Regelmäßig kann ein Grund an sich nur bei einem rechtswidrigen, schuldhaften Vertragsverstoß bejaht werden (BAG, BB 99, 1819; DB 93, 1371).

Im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung hat der Arbeitgeber in einem ersten Prüfungsschritt zu prüfen, ob die von ihm befürchtete zukünftige Störung durch ein geeignetes milderes Mittel vermieden werden kann (sog. Ultima-Ratio-Prinzip). Zu den vorrangig zu wählenden Mitteln zählt eine Abmahnung. Eine wirksame Abmahnung setzt voraus, dass der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

Durch das Erfordernis einer vergeblich gebliebenen Abmahnung vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung "soll der mögliche Einwand des Arbeitnehmers ausgeräumt werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkannt oder jedenfalls nicht damit rechnen müssen, der Arbeitgeber sehe dieses Verhalten als so schwerwiegend an, dass er kündigungsrechtliche Konsequenzen ziehen werde" (KR/Fischermeier, 6. Aufl., Rdnr. 256 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 11.03.1999 - 2 AZR 507/98 - DB 99, 1324). Aufgrund dieser Überlegung ist eine Abmahnung "(entbehrlich), wenn eine an sich mögliche Verhaltensänderung des Arbeitnehmers aufgrund objektiver Anhaltspunkte künftig nicht erwartet werden kann. Diese negative Prognose kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens aus entsprechenden Hinweisen (z.B. im Arbeitsvertrag, in Rundschreiben oder Betriebsaushängen...) ... oder wegen der Evidenz seiner Pflichtwidrigkeit kannte oder kennen musste" (KR/Fischermeier, a.a.O., Rdnr. 280 zu § 626 BGB; vgl. auch BAG Urteil vom 17.02.1994 - 2 AZR 616/93 - BB 94, 1148; Urteil vom 18.05.1994 - 2 AZR 626/93 - DB 95, 532).

Kann die zukünftig befürchtete Störung nicht durch ein milderes Mittel vermieden werden, sind im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung in einem zweiten Prüfungsschritt die konkreten Umstände des Einzelfalles zu betrachten und ist abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung oder das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Die Interessenabwägung hat sich am Merkmal der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu orientieren. Das Merkmal der Zumutbarkeit findet sich zwar ausdrücklich nur in § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung, doch beschreibt es nach Meinung der Kammer auch sachgerecht das maßgebliche Abwägungskriterium bei einer ordentlichen Kündigung. Die Abwägung bei außerordentlicher und ordentlicher Kündigung unterscheidet sich nur hinsichtlich der Länge des zu betrachtenden Zeitraums für die Weiterbeschäftigung. Während die außerordentliche Kündigung unwirksam ist, wenn es dem Arbeitgeber zumutbar ist, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beschäftigen zu können, ist die ordentliche Kündigung unwirksam, wenn es dem Arbeitgeber zumutbar ist, den Arbeitnehmer bis zum Erreichen des Rentenalters zu beschäftigen.

4. Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kommt die Kammer zum Ergebnis, dass für die ordentliche Kündigung vom 22.03.2005 ein ausreichender Kündigungsgrund vorliegt.

a) Die Weigerung des Klägers am 09.12.2004, eine Patientin zu behandeln, stellt einen Grund an sich dar.

aa) Der Kläger hat seine Arbeitspflicht verletzt.

(a) Der Kläger hatte am 09.12.2004 die vertragliche Pflicht, eine weitere Patientin zu behandeln. Dies folgt daraus, dass die Mitarbeiterin C... dem Kläger gegenüber weisungsberechtigt war, der Kläger dies wusste, die Mitarbeiterin C... das Weisungsrecht im Sinne einer konkreten Handlungsweise ausübte, und die Weisung sich im Rahmen der von § 106 GewO gezogenen äußeren und inneren Grenzen hielt und der Kläger nicht verlangte, von Mehrarbeit freigestellt zu werden.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

(aa) Die Mitarbeiterin C... war befugt, dem Kläger Weisungen zu erteilen und ihm Arbeitsaufgaben zu übertragen.

Das Weisungsrecht folgt zumindest aus der "Abmahnung wegen Dienstverweigerung" vom 17.11.2003, gefertigt von dem rechtsanwaltschaftlichen Vertreter der Beklagten und im Namen der Beklagten ausgesprochen. In diesem Schreiben wird ausgeführt, dass

- sich der Kläger auf eine Bitte von Frau C... hin geweigert habe, Überstunden zu leisten,

- der Kläger nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet sei, Überarbeit zu leisten,

- der Kläger verpflichtet sei, gemäß den Weisungen des Arbeitgebers die Arbeitskraft anzubieten, dies nicht geschehen sei, der Kläger erst auf mehrmaliges Nachfragen von Frau C... überhaupt bereit gewesen sei, eine Antwort zu geben,

- der Kläger mit einer Kündigung rechnen müsse, wenn er sich weiterhin weigern würde.

Mit diesen Ausführungen ist die Erklärung der Beklagten klargestellt, dass der Kläger die Anweisungen der Mitarbeiterin C... zu befolgen hat. Denn gerade der im Schreiben vom 17.11.2003 geschilderte Vorfall einer Verweigerung von Überstunden, die Frau C... "erbeten" hat, wird in diesem Schreiben dahingehend gewertet, dass der Kläger mit seinem Verhalten die Verpflichtung, gemäß den Weisungen des Arbeitgebers zu arbeiten, nicht erfüllt hat, und genau wegen diesen konkreten Verhaltens wird ihm die Kündigung angedroht.

Aus dem Kontext wird weiterhin klar, dass "Weisungen des Arbeitgebers" auch Weisungen sind, die Frau C... in Vertretung der Beklagten erteilt. Der Kläger konnte den Begriff "Weisungen des Arbeitgebers" nur in diesem umfassenden Sinn verstehen. Dass ein Arbeitgeber Weisungen durch Vertreter erteilen lässt, ist alltägliche Selbstverständlichkeit und kann auch im vorliegenden Fall nicht anders verstanden werden. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des - unbestrittenen - Vortrags der Beklagten, dass die Einteilung der Therapeuten nie von der Beklagten persönlich vorgenommen worden ist.

Der Kläger hat behauptet, das Anmeldepersonal sei gegenüber den anderen Therapeuten nicht weisungsbefugt gewesen, und hat für diese Behauptung Zeugen benannt. Von der Vernehmung dieser Zeugen konnte die Kammer absehen, da es auf die Frage eines Weisungsrechts gegenüber den anderen Therapeuten für die Entscheidung nicht ankommt. Selbst wenn die Zeugin C... gegenüber den anderen Therapeuten nicht weisungsberechtigt gewesen ist, so hat die Beklagte doch mit ihrem Schreiben vom 17.11.2003 hinreichend deutlich erklärt, dass der Zeugin C... das Weisungsrecht jedenfalls gegenüber dem Kläger übertragen worden ist. Es steht dem Arbeitgeber frei, einem Mitarbeiter das Weisungsrecht nur im Hinblick auf einen bestimmten Arbeitnehmer zu übertragen und das Weisungsrecht gegenüber anderen Arbeitnehmern abweichend zu organisieren.

Die Zeugin C... war also generell berechtigt, im Wege einer die Arbeitspflicht des Klägers konkretisierenden Weisung den Kläger zur Leistung von Überstunden zu verpflichten.

(bb) Hat ein Arbeitnehmer keine Kenntnis vom Weisungsrecht eines Mitarbeiters und erteilt ihm dieser eine Weisung, so kann er unter Umständen ein Leistungsverweigerungsrecht haben, wenn er annehmen konnte, der Anweisende sei nicht berechtigt.

Das Schreiben vom 17.11.2003 ist dem Kläger - unstreitig - zugegangen. Damit hatte er spätestens mit Zugang dieses Schreibens Kenntnis von der Weisungsbefugnis der Mitarbeiterin C....

(cc) Die Mitarbeiterin C... hat am 09.12.2004 durch ihre Erklärung gegenüber dem Kläger die Pflicht des Klägers begründet, eine weitere Patientin nach regulärem Dienstschluss zu behandeln.

Eine Weisung muss nicht in direktiver Form ausgesprochen werden. Eine Erklärung verliert nicht dadurch ihre Fähigkeit, den Inhalt der arbeitsvertraglichen Pflichten zu konkretisieren, dass sie dem Arbeitnehmer Raum lässt, eigene Interessen vorzubringen, deren Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung des billigen Ermessens gemäß §§ 106, 6 Abs. 2 GewO gesetzlich vorgesehen ist. Nach Aussage der Zeugin C... ist diese Notwendigkeit, Arbeitnehmerinteressen zu berücksichtigen, der Grund dafür gewesen, dass sie am 09.12.2004 keine direktive Weisung formuliert hat. Damit hat sich die Zeugin C... konform mit den Vorstellungen der Beklagten verhalten, die - wie sie in der Verhandlung vom 09.01.2007 vor dem Berufungsgericht erklärte - zum Zwecke eines guten Betriebsklimas und eines kollegialen Zusammenarbeitens aller Betriebsangehörigen Weisungen nicht in direktiver Form, sondern in Form einer höflichen Anfrage aussprechen möchte. Wenn ein Arbeitgeber sich für diese höfliche Form der Weisung entscheidet, dann kann der Arbeitnehmer dieses Entgegenkommen des Arbeitgebers nicht zu seinen Gunsten dahin werten, es liege schon per se wegen der höflichen Form keine Weisung vor. Entscheidend ist allein, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, dass der Arbeitgeber mit einer bestimmten Erklärung die arbeitsvertraglichen Pflichten konkretisieren will. Am 09.12.2004 konnte der Kläger erkennen, dass die Mitarbeiterin C... den Kläger zu einer weiteren Arbeitsleistung auffordern wollte. Die Zeugin C... hat bei ihrer Vernehmung ausgesagt, sie sei zum Kläger gegangen und habe ihm gesagt, dass es heute keine andere Möglichkeit gäbe, die Patientin zu behandeln, außer durch ihn, und habe ihn gefragt, ob er die Behandlung durchführen könne. Jedenfalls vor dem Hintergrund des Schreibens vom 17.11.2003 musste der Kläger diese Erklärung der Mitarbeiterin C... als Weisung verstehen. Im Schreiben vom 17.11.2003 hat der Beklagtenvertreter ausgeführt, dass der Kläger die "Bitte von Frau C..." nicht erfüllt habe und der Kläger Überstunden "nach Absprache mit dem Personal der Anmeldung" leisten müsse. Obwohl hier von "Bitte" und "Absprache" die Rede ist, hat der Beklagtenvertreter die Nichterfüllung der "Bitte" und das Unterlassen einer "Absprache" als Pflichtverletzung angesehen und d e s h a l b für den Wiederholungsfall die Kündigung angedroht. Der Kläger konnte also die von der Zeugin C... am 09.12.2004 gestellte Frage, ob er die Behandlung durchführen könne, nicht als für ihn unverbindlich verstehen und nach Belieben verneinen. Daran ändert nichts, dass die Zeugin C... ausgesagt hat, der Therapeut könne entscheiden, ob er eine Arbeit annähme und Überstunden leiste oder nicht. Damit ist nicht ausgedrückt, dass die Zeugin meinte, die Therapeuten verletzten ihren Vertrag nicht, wenn sie keine Überstunden leisteten. Offensichtlich wollte die Zeugin auf die faktische Entscheidungsfreiheit hinweisen und auf die Möglichkeit, eigene Planungen geltend zu machen, die einem Arbeitseinsatz entgegenstehen und gemäß § 106 GewO auch zu berücksichtigen sind. Im Übrigen wäre dann, wenn die entsprechende Passage der Aussage dahingehend verstanden werden würde, die Zeugin habe ausgedrückt, dass jeder Therapeut die rechtliche Befugnis habe, Überarbeit beliebig abzulehnen, die Aussage für die Entscheidung gleichwohl unbehelflich, denn dann hätte die Zeugin keine Tatsachen bekundet, sondern eine Rechtsmeinung geäußert, die jedenfalls - wie ausgeführt - im Fall des Klägers unzutreffend ist.

(dd) Die Weisung verstößt nicht gegen den Arbeitsvertrag und beachtet damit die von § 106 GewO i.V.m. § 6 Abs. 2 GewO aufgezeigte äußere Schranke.

Gemäß § 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages ist der Kläger verpflichtet, "Mehr- und Überarbeit... zu leisten". Eine solche Vertragsklausel ist rechtlich zulässig. Sie verstößt nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht (EK/Preis, 6. Aufl., Rdnr. 825 zu § 611 BGB). Die Zulässigkeit dieser Vertragsklausel räumt auch der Kläger ein (Schriftsatz vom 28.06.2005, Seite 11, Bl. 145 d.A.).

Damit kann die Prüfung der zwischen den Parteien streitigen Frage dahinstehen, ob die am 09.12.2004 angeordnete zusätzliche Arbeit vom Kläger über das normale Maß von 30 Stunden wöchentlich hinaus zu leisten war (Überarbeit) oder innerhalb des normalen Maßes (weil ausgefallene Stunden für die wöchentliche Arbeitsleistung nicht mitzurechnen waren, wie die Beklagte meint). Auch wenn - nach Meinung des Klägers - vom Kläger Überarbeit gefordert wurde, war er hierzu aufgrund des Arbeitsvertrages verpflichtet.

(ee) Die Weisung verstößt nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht.

§ 124 SGB IX sieht vor, dass schwerbehinderte Menschen auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt werden. Es kann die Prüfung der Frage dahinstehen, ob die Erklärungen des Klägers vom 09.12.2004 dahingehend ausgelegt werden können, er habe eine Freistellung von zusätzlicher Arbeit "verlangt". Denn jedenfalls fehlt es schon an einer von ihm geforderten Freistellung von "Mehrarbeit". Eine solche liegt nur vor, wenn die normale gesetzliche Arbeitszeit nach § 3 S. 1 ArbZG (werktäglich 8 Stunden) überschritten wird (BAG Urteil vom 21.11.2006 - 9 AZR 176/06). Nach der von der Beklagten vorgetragenen - unbestrittenen - Verteilung der Arbeitszeit des Klägers auf die einzelnen Wochentage (Schriftsatz vom 11.05.2005, Seite 7, Bl. 34 d.A.), war vom teilzeitbeschäftigten Kläger (30 Stunden wöchentlich) am 09.12.2004 die Überschreitung der Arbeitszeit von 8 Stunden nicht verlangt worden.

(ff) Die Weisung vom 09.12.2004 entspricht auch billigem Ermessen (§ 106 S. 1, S. 3 GewO).

"Billiges Ermessen" ist beachtet, wenn der Arbeitgeber bei seiner Weisung auch die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt und sich nicht nur von seinen eigenen Belangen leiten lässt. Die Beklagte hat diese innere Beschränkung des Weisungsrechtes beachtet.

Es bestehen unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit keine Beschränkungen, von einer Teilzeitkraft, wie dies der Kläger ist (30 Stunden wöchentlich), die Leistung von Überstunden zu fordern. Dies gilt auch dann, wenn neben der Teilzeitkraft von der Befähigung her gleichwertige Vollzeitkräfte - wie im vorliegenden Fall - beschäftigt sind. Der Arbeitgeber handelt nicht per se unbillig, wenn er eine Teilzeitkraft zur Überarbeit auffordert und nicht eine Vollzeitkraft. Im Gegenteil: Die zusätzliche Arbeit wirkt für die Teilzeitkraft weniger belastend als für eine Vollzeitkraft. Mit diesem Argument hat es das BAG deshalb auch für zulässig angesehen, dass ein Tarifvertrag eine Mehrarbeitszulage nur bei Überarbeit einer Vollzeitkraft und nicht auch bei Überarbeit einer Teilzeitkraft vorsieht (DB 04, 1995).

Die Zeugin C... hat ausgesagt, dass sie vor dem Gespräch mit dem Kläger zwei andere Therapeuten gefragt habe, ob sie die zusätzliche Patientin behandeln könnten und beide verneinten. Wenn die Weisung dann an den Kläger ging, hat die Beklagte nicht unbillig gehandelt. Im Gegenteil: Es blieb ihr gar nichts anderes übrig, als an den Kläger heranzutreten. Die Interessen des Klägers hat sie dadurch berücksichtigt, dass die Zeugin C... - wie sie aussagte - zuerst die beiden anderen Therapeuten befragt hat. Dadurch, dass die Beklagte der Reihe nach an alle drei in Betracht kommenden Therapeuten herangetreten ist, hat sie auch den im Rahmen des § 106 GewO zu beachtenden Gleichbehandlungsgrundsatz berücksichtigt. Dass sie aus dem Verhalten der drei Therapeuten unterschiedliche rechtliche Konsequenzen gezogen hat (den anderen beiden Therapeuten wurde nicht gekündigt), ist nicht im Rahmen des bei einer Weisung zu beachtenden billigen Ermessens zu prüfen, sondern im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung bezüglich der Kündigung.

Die Schwerbehinderung hinderte die Beklagte nicht zur Überstundenanordnung. Denn es ist nicht erkennbar, dass konkret die Behinderung, weswegen dem Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt worden war, für den Kläger eine besondere Belastung dargestellt hätte, wenn er die Überarbeit geleistet hätte (§ 106 S. 3 GewO). Der allgemeine Hinweis des Klägers auf seine eingeschränkte Bewegungsfreiheit und seine schnellere Ermüdung als Folge seiner hochgradigen Sehbehinderung genügt schon deshalb nicht, weil er nicht vorgetragen hat, dass er konkret am 09.12.2004 unter den genannten Symptomen gelitten hat, was für das am 09.12.2004 zu beachtende billige Ermessen allein entscheidend sein konnte. Dass - nach Aussage der Zeugen C... - zusätzliche 50 Minuten für den Kläger ein besonderes Problem darstellen konnten, musste sich der Beklagten auch deshalb nicht aufdrängen, weil der Kläger per 09.12.2004 11,9 Stunden nicht gearbeitet hatte (Minusstunden). Auch wenn diese Stunden aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs vergütungspflichtig sein sollten und deshalb nicht als "Minusstunden" anspruchsmindernd gewertet werden dürfen, wie der Kläger vorträgt, ist doch festzuhalten, dass der Kläger diese Stunden nicht gearbeitet hat und insoweit seinen Körper schonen hat können. Im Übrigen hat der Kläger sich auf die Schwerbehinderung als besonderen Hinderungsgrund nicht berufen, als ihm die Überarbeit aufgetragen worden ist. Ein Arbeitgeber kann einen persönlichen Hinderungsgrund bei Ausspruch einer Weisung nur berücksichtigen, wenn ihm dieser auch bekannt ist, ein Nachschieben ist unzulässig.

Dies gilt auch für die vom Kläger vorgetragenen Schmerzen in seinen Händen. Selbst wenn die Beklagte wusste, dass der Kläger wegen seiner Schmerzen in den Händen die wöchentliche Stundenzahl von 38,5 auf 30 reduzierte, wie der Kläger - von der Beklagten bestritten - behauptet, so ist damit nicht gleichzusetzen, dass die Beklagte auch am 09.12.2004 wusste oder wissen musste, der Kläger habe vermehrt Schmerzen, wenn er 50 Minuten Überarbeit leistet. Denn zum einen lag die Vereinbarung der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitsstunden schon acht Jahre zurück und musste die Beklagte ohne weitere Informationen des Klägers nicht vom Fortbestehen der Schmerzen ausgehen, zum anderen hatte der Kläger bis zum 09.12.2004 im Umfang von 11,9 Stunden sein Arbeitssoll nicht erreicht (vgl. oben).

(b) Der Kläger hat die Pflicht, Überarbeiten zu leisten, verletzt.

Der Kläger hatte zwar seine Bereitschaft erklärt, Überarbeit zu leisten, dies aber davon abhängig gemacht, dass er am nächsten Tag einen Freizeitausgleich im selben Umfang bekäme.

Zu diesem Junktim war der Kläger nicht berechtigt. Aufgrund der wirksamen Weisung musste er Überarbeit leisten und konnte allenfalls im Zusammenwirken mit der Beklagten einen Freizeitausgleich vereinbaren. Im Übrigen hat sich der Kläger im Arbeitsvertrag ausdrücklich zur Überarbeit "gegen Vergütung" verpflichtet, nicht gegen Freizeitausgleich.

Die Beklagte hat auch nicht rechtsmissbräuchlich die sofortige Vereinbarung eines Freizeitausgleichs verweigert, was möglicherweise ein Leistungsverweigerungsrecht des Klägers hätte begründen können. Denn am nächsten Tag war ein Abfeiern wegen Auslastung der Praxis der Beklagten nicht möglich, wie die Beklagte - unbestritten - vorgetragen hat.

bb) Durch die Weigerung des Klägers, die Weisung zu erfüllen, hat der Kläger eine Störung des Arbeitsverhältnisses herbeigeführt und zwar im Leistungsbereich.

cc) Die Pflichtverletzung geschah rechtswidrig und vorsätzlich. Gründe, die die Rechtswidrigkeit oder die Schuld ausschließen könnten, sind nicht erkennbar.

dd) Es war auch im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs zu befürchten, dass der Kläger die Pflichtwidrigkeiten wiederholen würde. Grundlage für diese negative Zukunftsprognose ist insbesondere die Tatsache der Pflichtverletzung nach Erhalt des Schreibens vom 17.11.2003. Mit diesem Schreiben hat die Beklagte deutlich gemacht, dass der Kläger bei einer zukünftigen Missachtung von Arbeitsanweisungen mit einer Kündigung rechnen müsse. Aufgrund dieser klaren Androhung einer Kündigung hat die Beklagte jeden Zweifel beseitigt, wie sie bei gleichgelagerten Pflichtverletzungen zu reagieren gedenkt. Wenn sich dies der Kläger nicht zur Warnung dienen ließ und den Hinweis vom 17.11.2003 missachtete, dann war berechtigterweise von der Gefahr weiterer Vertragsverletzungen auszugehen. Ob das Schreiben vom 17.11.2003 eine wirksame Abmahnung im kündigungsrechtlichen Sinn enthält, ist ohne Bedeutung und deshalb nicht zu prüfen.

ee) Damit ist die Arbeitsverweigerung des Klägers an sich für eine Kündigung geeignet.

b) Auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der beiderseitigen Interessen hält die Kammer die ordentliche Kündigung für die adäquate Antwort auf das Fehlverhalten des Klägers.

aa) Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagten ein milderes Mittel als eine Kündigung zur Verfügung gestanden hätte, um die zukünftig befürchteten Störungen zu vermeiden.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass das Schreiben vom 17.11.2003 keine wirksame Abmahnung enthalte und damit vor einer Kündigung erst eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen.

Denn auch dann, wenn das Schreiben vom 17.11.2003 wegen einzelner Mängel nicht als wirksame Kündigung im kündigungsrechtlichen Sinn angesehen werden könnte - was offen bleiben kann -, war eine Abmahnung im vorliegenden Fall entbehrlich.

Aus dem Schreiben vom 17.11.2003 konnte der Kläger in aller Deutlichkeit entnehmen, dass die Beklagte die Missachtung einer Überstundenanordnung auf keinen Fall hinnehmen, sondern eine Kündigung aussprechen werde. Damit war für die Beklagte klar, dass eine Änderung des Verhaltens des Klägers auch bei Ausspruch einer Abmahnung nicht erwartet werden konnte und eine negative Prognose angestellt werden musste.

bb) Auch die Einzelfallprüfung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Bei einer Gesamtabwägung überwiegen die für eine Auflösung sprechenden Umstände.

(a) Für den Kläger sprechen allein sein Alter von 48 Jahren, das das Finden eines neuen Arbeitsplatzes deutlich erschweren wird, seine Betriebszugehörigkeit von - im Zeitpunkt des Kündigungsausspruches - gut 11 Jahren und seine Schwerbehinderteneigenschaft.

Entgegen der Meinung des Klägers kann bei der Interessenabwägung nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, dass die Beklagte die Weigerung der beiden Kollegen vom 09.12.2004, die zusätzliche Patientin zu behandeln, nicht ebenfalls zum Anlass einer Kündigung genommen hat. Auch wenn bei Kündigungen wegen des Erfordernisses der Einzelfallprüfung der Gleichbehandlungsgrundsatz keine Anwendung findet, so kann doch dann, wenn ein Arbeitgeber nach einem vergleichbaren Fehlverhalten mehrerer Arbeitnehmer nur gegenüber einem Arbeitnehmer die Kündigung ausspricht, sich aus dem unterschiedlichen Verhalten ergeben, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch mit dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar ist (KR/Etzel, a.a.O., Rdnr. 233 zu § 1 KSchG m.w.N.). Das setzt allerdings gleiche Sachverhalte voraus. Solche fehlen im vorliegenden Fall. Von den Parteien ist nicht vorgetragen, dass die Beklagte gegenüber den beiden anderen Therapeuten, die am 09.12.2004 ebenfalls eine Überarbeit verweigert haben, schon vor dem 09.12.2004 erklärt hatte, eine Verweigerung der Überarbeit stelle eine Pflichtverletzung und einen Kündigungsgrund dar. Hat aber nur der Kläger - in Gestalt des Schreibens vom 17.11.2003 - einen solchen Hinweis erhalten, und wusste damit nur er und wussten nicht auch die beiden anderen Therapeuten, dass eine Arbeitsverweigerung eine Kündigung auslösen würde, dann kann aus dem Unterlassen der Kündigung der beiden anderen Therapeuten nicht abgeleitet werden, der Beklagten sei die Weiterbeschäftigung des Klägers zumutbar. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar.

(b) Gegen den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sprechen demgegenüber schwerwiegende Argumente.

(aa) Der Kläger hat am 09.12.2004 nicht nur die Arbeit verweigert, sondern er wusste, nachdem die beiden anderen Kollegen eine Arbeitsleistung bereits abgelehnt hatten und die Zeugin C... ihm dies - nach der Bekundung der Zeugin - mitgeteilt hatte, dass der Beklagten aufgrund seiner Arbeitsverweigerung ein Schaden entstehen werde, wenn er die Überarbeit nicht leiste (weil dann die Patientin nicht behandelt werden könne). Ausgehend von dem vergangenen Verhalten des Klägers konnte die Beklagte prognostizieren, dass der Kläger zukünftig bereit sein werde, die Beklagte durch Arbeitsverweigerung zu schädigen und zwar - da eine Häufigkeitsbegrenzung nicht erkennbar ist - in unbestimmt vielen Fällen. Damit musste die Beklagte von der Gefahr ausgehen, dass der Kläger der Beklagten zukünftig einen hohen Schaden zufügen werde.

(bb) Weiterhin darf die Beklagte berücksichtigen, dass jedenfalls - insoweit unbestritten - ein Teil der Belegschaft nicht mehr bereit ist, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten. Im Schriftsatz vom 09.03.2006 (Seite 11, Bl. 302 d.A.) hat der Kläger die betriebliche Störung selbst eingeräumt. Er hat vorgetragen, dass "ein Großteil der Belegschaft nach wie vor bereit (ist), mit dem Kläger weiterzuarbeiten".

(cc) Des Weiteren hat der Kläger Ende 2002/Anfang 2003, wie die Zeugin D... bei ihrer Vernehmung glaubwürdig ausgesagt hat, die Zeugin D..., nachdem sie zur Hygienebeauftragten ernannt worden war, gefragt, ob sie "zum Feind übergelaufen sei". Damit hat der Kläger ausgedrückt, dass er ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht als Gemeinschaftsverhältnis versteht, bei dem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam um einen Unternehmenserfolg bemühen, sondern als Gegnerschaft. Eine solche Einstellung eines Arbeitnehmers verstärkt das Interesse eines Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

(dd) Schon aufgrund dieser schwerwiegenden Argumente überwiegt nach Meinung der Kammer das Interesse der Beklagten an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

(ee) Nur zur Abrundung sei noch auf folgende, die Auflösung ebenfalls unterstützende Überlegung hingewiesen:

Der Kläger hat nach seinem eigenen Vorbringen Diskussionen mit dem Anmeldepersonal nicht immer in einem freundlichen und höflichen Ton geführt (Schriftsatz vom 09.03.2006, Seite 9, Bl. 300 d.A.). Selbst wenn der Kläger behauptet, auch das Anmeldepersonal habe nicht immer den richtigen Ton getroffen, so räumt er doch eine eigene Vertragswidrigkeit ein. Ist ein Arbeitskollege unhöflich, so hat doch jedes Belegschaftsmitglied gleichwohl die eigene Pflicht, sich vertragsgemäß zu verhalten. Dazu gehört, alles zu tun, um das Zusammenleben aller Belegschaftsmitglieder zu verbessern und durch freundliches und höfliches Verhalten zu versuchen, ein gutes Betriebsklima (wieder) herzustellen.

c) Damit erweist sich die Kündigung schon aufgrund der Arbeitsverweigerung vom 09.12.2004 als sozial gerechtfertigt. Auf die weiteren von der Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründe ist damit nicht mehr einzugehen.

II. Aufgrund der Vertragsbeendigung zum 31.07.2005 steht dem Kläger kein Anspruch auf die Vergütung für August 2005 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs gemäß § 615 S. 1 BGB zu (EUR 1.756,03 brutto). Denn Tatbestandsmerkmal des § 615 BGB ist das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses.

III. Damit ist das Ersturteil in den Nummern 1 und 2 abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.

IV. Soweit das Ersturteil den erstinstanzlich gestellten Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen hat, ist auch diese Entscheidung aufgrund der Berufung der Beklagten abzuändern.

Die Beklagte hatte den Auflösungsantrag unter der - zulässigen - Rechtsbedingung des Erfolges der Kündigungsschutzklage gestellt. Da die Kündigungsschutzklage abzuweisen ist, ist diese Rechtsbedingung nicht eingetreten, so dass ein Auflösungsantrag rechtlich nie existent geworden ist. Damit kann er auch nicht abgewiesen werden. Dies ist durch das Berufungsurteil klarzustellen.

B.

Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

I. Für den geltend gemachten Anspruch auf Weihnachtsgeld 2004 fehlt eine Anspruchsgrundlage.

1. In § 5 des Arbeitsvertrages ist geregelt, dass "auch nach wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch erwächst". Aufgrund dieser Regelung (und nicht schon wegen der Freiwilligkeit der Zahlung, wie das Erstgericht angenommen hat; vgl. BAG, NZA 05, 889) kann ein Anspruch nicht aus dem Arbeitsvertrag abgeleitet werden.

2. Ein Anspruch ist auch nicht wegen Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes entstanden. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Seite 24 f. des Urteils, Bl. 255 f. d. A.).

II. Ein Anspruch kann auch nicht damit begründet werden, die Beklagte habe mit der "Streichung" des Weihnachtsgeldes für 2004 gegen Treu und Glauben verstoßen (da sie eine Verknüpfung der "Streichung" des Weihnachtsgelds mit der verlangten Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich vorgenommen habe).

Dies folgt schon daraus, dass die Beklagte keine Leistung "gestrichen" hat. Offensichtlich geht der Kläger davon aus, dass ihm ein Weihnachtsgeldanspruch zugestanden habe, den die Beklagte wieder gestrichen (widerrufen) habe. Streichen (widerrufen) kann man aber nur einen Anspruch, der jemals bestanden hat. Wird der Anspruch unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt, dann kann der Arbeitgeber nur unter Beachtung billigen Ermessens (§ 315 BGB) durch Abgabe einer Willenserklärung widerrufen. Ein solcher Widerruf ist nur rechtmäßig, wenn die Interessen des Arbeitnehmers gebührend berücksichtigt worden sind. Es kann dabei notwendig sein, die gesamten Umstände des Einzelfalls zu prüfen.

Anders ist die Rechtslage im vorliegenden Fall. Die Beklagte hatte keine Willenserklärung abzugeben, um von einer Leistungspflicht freizukommen. Da ein Anspruch des Klägers nie bestanden hat, war die Beklagte berechtigt - in den durch den Gleichbehandlungsgrundsatz gezogenen Grenzen -, alljährlich frei zu entscheiden, ob sie im jeweiligen Jahr ein Weihnachtsgeld gewähren wollte. Es konnte damit beim Kläger kein schützenswertes Vertrauen bezüglich einer Gewährung des Weihnachtsgelds entstehen. Infolge dessen hat die Beklagte auch nicht treuwidrig gehandelt, wenn sie für 2004 kein Weihnachtsgeld bezahlt hat.

III. Damit war die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

C.

Zur Klarstellung der gesamten Rechtslage schien es der Kammer angebracht, den Tenor des Ersturteils insgesamt neu zu formulieren. Dabei war es notwendig, auch die vom Erstgericht ausgesprochene rechtskräftig gewordene Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Urlaubsgelds für 2005 in Höhe von EUR 116,08 brutto in den Tenor des Berufungsurteils aufzunehmen.

Ausgehend von dem vom Erstgericht festgesetzten Streitwert (EUR 6.788,23) waren die Kosten des Verfahrens erster Instanz entsprechend dem Umfang des beiderseitigen Unterliegens zu quoteln (§§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO).

D.

Als im Berufungsverfahren allein Unterliegender hat der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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