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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 31.07.2009
Aktenzeichen: 10 Sa 1451/08
Rechtsgebiete: BGB, TV Lohngruppenverzeichnis zum MZArb, TV über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 611
TV Lohngruppenverzeichnis zum MZArb
TV über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder
1. Die Bestellung zum Vorhandwerker darf nicht willkürlich und ohne sachlichen Grund widerrufen werden.

2. Die durch den Widerruf erzielte Einsparung von Haushaltsmitteln kann ein berechtigtes Anliegen darstellen.

3. Eine Rationalisierungsmaßnahme i. S. d. TV über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder liegt vor, wenn sie die Qualität oder Quantität der Arbeit erhöhen soll oder wenn die Arbeit mit weniger Hilfsmitteln, weniger Zeit oder weniger Kosten erledigt werden soll. Dies muss nicht unbedingt mit der Einsparung von Arbeitskräften verbunden sein.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 1451/08

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2009 durch

den Direktor des Arbeitsgerichts Dreher, den ehrenamtlichen Richter Herrn Drangmeister, den ehrenamtlichen Richter Herrn Klausing für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 3. September 2008 - 2 Ca 217/08 - teilweise abgeändert:

Unter Klagabweisung im Übrigen wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 19. August 2007 die Lohnsicherung gemäß § 6 des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 in der Fassung vom 2. April 2002 zu gewähren, und dass die Beklagte ferner verpflichtet ist, die sich ergebenden Unterschiedsbeträge mit jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit zu verzinsen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Widerruf seiner Bestellung zum Vorhandwerker unwirksam sei, und die Zahlung der sich hieraus ergebenden tariflichen Zulagen. Hilfsweise stützt er seinen Zahlungsanspruch auf den Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder.

Der Kläger ist seit 1971 bei der Beklagten an der W. D. in M. als Arbeiter eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die für die Arbeiter des Bundes geltenden Tarifverträge Anwendung. Mit Wirkung vom 1. Januar 1999 bestellte ihn die Beklagte zum Vorhandwerker und zahlte ihm eine Vorhandwerkerzulage in der tariflichen Höhe von zuletzt 229,17 Euro brutto monatlich. Mit Wirkung vom 1. April 2007 stieg der Kläger in die Entgeltgruppe 8 TVöD auf.

Nach einer Überprüfung im Jahre 2005 kam die Beklagte zu dem Ergebnis, die Voraussetzungen für die Vorhandwerkerbestellung seien beim Kläger nach wie vor gegeben. Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes und einer daraufhin durchgeführten weiteren Überprüfung widerrief sie jedoch mit Schreiben vom 17. Juli 2007 die Vorhandwerkerbestellung. Sie führte aus, drei der fünf dem Kläger unterstellten Arbeitnehmer verrichteten Tätigkeiten als Bediener von CNC-gesteuerten Maschinen und seien in Entgeltgruppe 9 TVöD eingereiht. Sie arbeiteten überwiegend selbständig; die noch erforderliche allgemeine und fachliche Aufsicht könne durch den Werkstattmeister wahrgenommen werden. Seit dem 19. August 2007 erhält der Kläger die Vorhandwerkerzulage nicht mehr.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Widerruf sei unwirksam, so dass er Feststellung dieser Unwirksamkeit und der Zahlungspflicht beanspruchen könne. Seine Tätigkeit habe sich nicht verändert, insbesondere nicht nach der Überprüfung aus dem Jahre 2005. Er übe nach wie vor die Aufsicht aus, koordiniere die Maschinenarbeiten, erteile Anweisungen bei schwierigen Arbeitsgängen und führe die Aufsicht über die Schleif- und Gravurarbeiten sowie bei der Herstellung und Instandhaltung von Werkzeugen.

Er hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Widerruf der Bestellung zum Vorhandwerker nach § 3 Abs. 4 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis zum Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder mit Schreiben vom 27. Juli 2007 unwirksam ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn über den 19. August 2007 hinaus die Vorhandwerkerzulage in Höhe von monatlich 229,17 Euro brutto zu zahlen und die Nachzahlungsbeträge jeweils mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit zu verzinsen sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 90 Prozent der Vorhandwerkerzulage als Jahressonderzulage (206,25 Euro), zahlbar zum 30. November 2007 und dann fortlaufend zum 30. November eines Jahres, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Widerruf der Vorhandwerkerzulage sei aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Die Arbeitnehmer B., Sp. und Wi. bedienten selbständig die CNC-gesteuerten Maschinen. Die noch verbleibende Aufsicht könne durch den Werkstattleiter erfolgen. Nach einem Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung müsse die Vorhandwerkerfunktion überwiegend, also mit mehr als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit, wahrgenommen werden; dies sei nicht der Fall. Dem Werkstattleiter seien sieben Facharbeiter zugeordnet; die Fachaufsicht könne durch ihn allein ausgeübt werden. Bei der Überprüfung Ende 2004/Anfang 2005 hätten die Voraussetzungen für die Vorhandwerkerbestellung noch vorgelegen. Die Arbeitnehmer B. und Wi. seien damals noch nicht CNC-Fräser bzw. -Dreher gewesen. Seit dem Widerruf der Bestellung übe der Kläger keinerlei Vorhandwerkertätigkeiten mehr aus. Er verfüge über keine CNC-Kenntnisse, so dass er auch keine Anweisungen geben und die Tätigkeit nicht koordinieren könne.

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und ausgeführt, der Beklagten habe ein sachlicher Grund für den Widerruf der Vorhandwerkerbestellung nicht zur Seite gestanden. Die Tätigkeit und der Verantwortungsbereich des Klägers hätten sich seit der Überprüfung zu Anfang 2005 nicht derart verändert, dass die Voraussetzungen weggefallen seien. Die allgemeine und fachliche Aufsicht sei auch bei den Arbeiten an CNC-gesteuerten Maschinen erforderlich. Gleiches gelte für die Koordination und Überwachung der Arbeitssicherheit. Die Beklagte sei den Beweis, dass der Werkstattmeister die Aufgabe übernehmen könne, schuldig geblieben. Dagegen spreche auch die vom Vorgesetzten des Klägers gefertigte Stellungnahme. Das Bestreiten der Beklagten sei unsubstantiiert; auch habe sie die Art der Umorganisation nicht näher dargelegt.

Gegen das ihr am 9. September 2008 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 22. September 2008 Berufung eingelegt und sie innerhalb der verlängerten Frist am 10. Dezember 2008 begründet.

Die Berufung führt aus, im Jahre 1999 sei der Kläger zum Vorhandwerker bestellt worden, weil er die Aufsicht und die Koordination der Maschinenarbeiten ausgeübt habe und bei schwierigen Arbeitsgängen, bei Schleif- und Gravurarbeiten sowie bei der Herstellung und Instandhaltung von Werkzeugen Anweisungen zu erteilen gehabt habe. In der Folgezeit habe es wiederholte, auch personelle Umorganisationen gegeben. Nach einer Überprüfung zu Anfang 2005 sei die zweite Vorhandwerkergruppe aufgelöst worden. Die Gruppe des Klägers wiederum habe nach entsprechender Ausbildung der Mitarbeiter zwei neue CNC-Maschinen erhalten. Die dort zu verrichtende Tätigkeit werde völlig selbständig ausgeübt; Anleitungen und Koordinierungsaufgaben fielen daher nicht mehr an. Es bleibe neben der Erstellung der Fertigungsunterlagen, die jedoch nunmehr durch den Werkstattmeister erfolge, nur noch die Mitwirkung bei der Auftragserteilung und die allgemeine Aufsicht. Auch der Magazinarbeiter Ba. arbeite selbständig.

Eine neuerliche Überprüfung im Juni 2007 habe ergeben, dass kein Vorhandwerker mehr erforderlich sei. Auftragsplanung und -verteilung seien stets Aufgaben des Werkstattmeisters gewesen. Die allgemeine Aufsicht könne ebenfalls durch den Werkstattleiter vorgenommen werden. Dieser sei jeweils nur kurz dienstlich abwesend. Für die Überwachung der Arbeitssicherheit sei eine spezielle Fachkraft vorhanden. Der Umstand, dass die Auflösung der anderen Vorhandwerkergruppe ohne Probleme vonstatten gegangen sei, indiziere, dass dies vorliegend ebenso sei. Das Erstgericht habe verkannt, dass durch die Einführung neuer Techniken die Aufgaben wesentlich verändert worden seien. Die allgemeine Aufsicht, die nicht einmal den Grund für die Vorhandwerkerbestellung des Klägers gebildet habe, sei ebenfalls nicht mehr erforderlich. Der Kläger habe nicht vorgetragen, welche fachlichen Anweisungen er bei schwierigen Arbeitsgängen geben müsse. Bei der gebotenen Interessenabwägung sei schließlich das Gebot der sparsamen Haushaltsführung zu berücksichtigen. Der relativ kurze Zeitraum der Vorhandwerkerbestellung von acht Jahren falle nicht zu Gunsten des Klägers ins Gewicht, der überdies durch die Höherreihung keine zu großen finanziellen Einbußen erleide.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 19. August 2007 die Lohnsicherung gemäß § 6 des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 in der Fassung vom 2. April 2002 zu gewähren, und dass die Beklagte ferner verpflichtet ist, die sich ergebenden Unterschiedsbeträge mit jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit zu verzinsen. Der Kläger macht geltend, er koordiniere auch die Tätigkeiten der Arbeitnehmer, die früher der zuerst aufgelösten Vorhandwerkergruppe angehört hätten. Er bestreitet, dass die Fertigungsunterlagen nicht von ihm erstellt würden, dass er keine Koordinierungsaufgaben wahrnehme und dass es im Zuge der Auflösung der anderen Vorhandwerkergruppe keine Probleme gegeben habe. Solche hätten nur vermieden werden können, weil der Kläger Vorhandwerker geblieben sei. Die Beklagte gehe selbst von einer verbleibenden Vorhandwerkergruppe aus und trage nur vor, der Werkstattleiter könne die hieraus resultierenden Aufgaben übernehmen. Es handele sich um einen bloßen Austausch der aufsichtsführenden Person. Dies sei willkürlich. Auch die an den CNC-Maschinen tätigen Arbeitnehmer organisierten ihr Tätigkeitsfeld und die Arbeitsabläufe nicht selbst.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Berufungsrechtszuge wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist von dieser fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66, Abs. 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch nur in dem erkannten Umfange begründet. Der Widerruf der Vorhandwerkerbestellung ist wirksam, so dass der Kläger nicht die Feststellung von deren Unwirksamkeit und die Zahlung von Vorhandwerkerzulage verlangen kann. Hingegen hat er Anspruch auf Zahlung der Lohnsicherung nach dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder. Die Urteilsformel ist daher gegenüber der zunächst verkündeten Formulierung in Übereinstimmung mit dem Beratungsergebnis der Kammer klarstellend dahin zu berichtigen, dass die Klage mit dem Feststellungsantrag abgewiesen wird.

1.

Die Beklagte hat die Bestellung des Klägers zum Vorhandwerker zu Recht widerrufen, denn ihr stand hierfür ein sachlicher Grund zur Seite. Die ursprünglichen Vorhandwerkeraufgaben des Klägers sind weggefallen; der Widerruf ist auch nicht unbillig.

a)

Die Bestellung zum Vorhandwerker darf nicht willkürlich und ohne sachlichen Grund widerrufen werden (BAG 11.6.1980 - 4 AZR 437/78 - AP MTB II § 9 Nr. 6 = PersV 1982, 297 m.w.N.). Es muss sich um eine vernünftige, einleuchtende und mit der Aufgabe insgesamt zusammenhängende Begründung handeln. Hierzu gehört auch eine umfassende Abwägung aller wesentlichen Umstände, um zu ermitteln, ob bei der Abwägung zwischen wirtschaftlichen Vorteilen für den Arbeitgeber und einem langjährigen, wenn auch widerruflichen Besitzstand des Arbeitnehmers dem letzten ein so hoher Vorrang einzuräumen ist, dass der Entzug als sachwidrig erscheint (BAG 14.7.1982 - 4 AZR 810/79; BAG 11.6.1980 - 4 AZR 437/78 - a.a.O.; LAG Niedersachsen 3.12.2004 - 3 Sa 1100/03).

b)

Gemessen daran liegt ein sachlicher Grund für den Widerruf der Bestellung vor.

aa)

Die Beklagte hat nachvollziehbar und substantiiert dargelegt, auf Grund welcher Tatsachen die Voraussetzungen der Vorhandwerkerbestellung nach der ersten, für den Kläger günstigen Überprüfung aus dem Jahre 2005 weggefallen sind. Es ist plausibel, dass der Kläger die fachliche Aufsicht über Arbeitnehmer nicht leisten kann, die an Maschinen tätig sind, für die er selbst nicht ausgebildet ist und die daher im Übrigen auch höher eingereiht sind als er selbst.

Diesem substantiierten Vorbringen ist der Kläger, obwohl er mit den Verhältnissen an seinem Arbeitsplatz vertraut ist, nicht seinerseits substantiiert entgegengetreten. Er nimmt lediglich den Wegfall der Tätigkeiten, die die Vorhandwerkerbestellung gerechtfertigt haben, pauschal in Abrede. Dies genügt nicht den Anforderungen an eine umfassende Erklärung über die von der Beklagten behaupteten Tatsachen. Seinem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, welche Überwachungs- und Koordinierungsaufgaben ihm verblieben sein sollen. Gleiches gilt für die Aufgaben aus dem Bereich des Arbeitsschutzes. Die Beklagte hat vorgetragen, dieser Bereich falle in die Zuständigkeit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit. Hierzu hat sich der Kläger nicht erklärt.

Ebenso nachvollziehbar ist durch die Beklagte dargelegt, ein allfälliger Rest an Koordinierungs- und Überwachungstätigkeit könne durch den Werkstattleiter durchgeführt werden. Hierin liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein willkürlicher Austausch der Person des Vorhandwerkers. Vielmehr ist es rationeller, einem Arbeitnehmer, mit dessen bisherigem Arbeitsentgelt diese Aufgabenwahrnehmung schon abgegolten ist, die eventuell noch verbleibenden arbeitsplatzübergreifenden Tätigkeiten zu übertragen. Die dadurch erzielte Einsparung von Haushaltsmitteln kann ein berechtigtes Anliegen darstellen (BAG 11.6.1980 - 4 AZR 437/78 - AP MTB II § 9 Nr. 6 = PersV 1982, 297) und ist vorliegend gut nachvollziehbar.

bb)

Der Widerruf der Vorhandwerkerbestellung erweist sich auch nicht in Ansehung des vorangegangenen Verhaltens der Beklagten oder wegen des erworbenen sozialen Besitzstandes des Klägers als treuwidrig.

(1)

Den Umstand, dass die erste Überprüfung zu einem anderen Ergebnis gekommen war, hat die Beklagte nachvollziehbar damit erklärt, dass erst danach neue Umstände in Gestalt der Anschaffung zweier CNC-Maschinen eingetreten seien, welche die Vorhandwerkertätigkeit weitgehend hätten entfallen lassen. In der nochmaligen Überprüfung, die ein für den Kläger ungünstiges Ergebnis zeitigte, liegt kein widersprüchliches Verhalten, zumal sie durch einen Bericht des Bundesrechnungshofes initiiert worden war, den die Beklagte von Verfassungs wegen (vgl. Art. 114 Abs. 2 GG i.V.m. § 1 BRHG) nicht ignorieren konnte. Nach der ersten Überprüfung hatte der Kläger auch keinen durch die Beklagte gegebenen Grund für die Annahme, er könne sich nunmehr auf den Bestand der Vorhandwerkerbestellung bis zu seiner Berentung verlassen.

(2)

Auch überwiegt der schutzwerte soziale Besitzstand des Klägers nicht das Interesse der Beklagten am Widerruf der Bestellung. Die Beklagte ist, wie soeben unter aa) ausgeführt, nach allgemeinen Grundsätzen des Haushaltsrechts gehalten, ihre Mittel sparsam und wirtschaftlich zu verwalten und war zudem gerade im Hinblick auf die Vorhandwerkerbestellungen vom Bundesrechnungshof eindringlich hierzu angehalten worden. Dagegen streitet für den Kläger der mehrjährige, wenn auch prinzipiell widerrufliche, Besitzstand, der zu einer entsprechenden Änderung seines Lebensstandards geführt haben mag. Andererseits ist Dauer der Vorhandwerkertätigkeit mit 8 1/2 Jahren im Verhältnis zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von im Zeitpunkt des Widerrufs 36 Jahren relativ kurz. Vor allem aber ist der Kläger auf Grund seiner inzwischen erfolgten Höherreihung nicht wesentlich schlechter gestellt als zuvor. Abgesehen davon wird der Besitzstandsverlust durch die Lohnsicherung nach dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder kompensiert (s. dazu sogleich).

2.

Der Kläger hat Anspruch auf Lohnsicherung nach dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder (TV-Rat).

a)

Der hilfsweise und erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Antrag auf Feststellung des Anspruchs auf Lohnsicherung ist zulässig.

aa)

Es handelt sich nicht um eine unselbständige Anschlussberufung, welche nicht die Frist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 1 ZPO eingehalten hätte. Der Kläger begehrt nicht die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu seinen Gunsten, sondern stützt auf die im wesentlichen gleichen Tatsachen, mit denen er die Hauptanträge begründet, hilfsweise einen Anspruch auf Lohnsicherung statt des Lohnes selbst. Dies ist sachdienlich, weil so ein weiterer Prozess vermieden wird und eine Verzögerung des Rechtsstreits nicht eintritt.

bb)

Dem Kläger steht das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) zur Seite. Es handelt sich um einen der allgemein anerkannten Eingruppierungsfeststellungsklage ähnlichen Antrag; es ist zu erwarten, dass die Beklagte als Arbeitgeberin des öffentlichen Dienstes einer rechtskräftigen Feststellung Folge leisten wird.

b)

Der Antrag ist auch begründet. Die Vorhandwerkerzulage ist durch eine Rationalisierungsmaßnahme im Tarifsinne entfallen, so dass der Kläger Lohnsicherung verlangen kann.

aa)

Der Tarifvertrag lautet, soweit vorliegend von Bedeutung:

"§ 1

Begriffsbestimmungen

(1) Rationalisierungsmaßnahmen i. S. dieses Tarifvertrages sind vom Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, wenn diese Maßnahmen für Arbeiter zu einem Wechsel der Beschäftigung oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Unter den Voraussetzungen des Unterabsatzes I kommen als Maßnahmen z. B. in Betracht ...

e) Einführung anderer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren, auch soweit sie durch Nutzung technischer Veränderungen bedingt sind.

...

Protokollnotizen zu Absatz I: 1.

Ob eine Änderung erheblich bzw. wesentlich ist, ist von der Auswirkung der Maßnahme her zu beurteilen.

...

§ 6

Lohnsicherung

(1) Ergibt sich in Fällen des § 3 Abs. 2 und 3 eine Lohnminderung, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeiter den Lohn auf der Grundlage des Sicherungsbetrages (Abs. 2) zu wahren.

(2) Der Sicherungsbetrag setzt sich zusammen aus

...

b)

den in der Protokollnotiz Nr. I genannten Zulagen, die der Arbeiter für dieselbe Tätigkeit mindestens die letzten drei Jahre ... bezogen hat, ...

...

Protokollnotizen zu Abs. II:

1.

Zulagen im Sinne des Buchstabens b) 1. Halbsatz sind:

... Vorhandwerkerzulagen ..."

bb)

Die Voraussetzungen für die Zahlung des Sicherungsbetrages liegen vor.

(1)

Bei der Umstellung auf die Arbeiten mit CNC-Maschinen handelt es sich um eine Rationalisierungsmaßnahme im Tarifsinne.

Eine Maßnahme dient dem Ziele einer rationelleren Arbeitsweise, wenn sie die Qualität oder die Quantität der Arbeit erhöhen soll oder wenn die Arbeit mit weniger Hilfsmitteln, weniger Zeit oder weniger Kosten erledigt werden soll (BAG 29.3.2001 - 6 AZR 652/99 - EzBAT TV Rationalisierungsschutz vom 9.1.1987 Nr. 4 = ZTR 2002, 77). Eine Rationalisierungsmaßnahme liegt auch dann vor, wenn sie zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit vorgenommen worden ist, was nicht unbedingt mit einer Einsparung von Arbeitskräften verbunden sein muss, sondern sich auch im Bereich der Änderungen der Arbeitsorganisation, etwa durch bessere Nutzung bestehender Kapazitäten durch Zusammenfassung bestimmter Aufgaben ermöglichen lässt (BAG 14.5.1986 - 4 AZR 66/85).

Dies ist vorliegend der Fall. Die Arbeitsbedingungen haben sich auch durch die organisatorische Maßnahme des Arbeitgebers wesentlich geändert. Der Einsatz neuer Maschinen und das damit verbundene selbständige Arbeiten an den CNC-Maschinen ohne Überwachung und Koordination durch einen Vorhandwerker hat zur Neuorganisation der früheren Vorhandwerkergruppe und zum Wegfall der Überwachungstätigkeit durch den Kläger geführt. Dies ist von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 19.10.2000 - 6 AZR 291/99 - BAGE 96, 140 = AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 35 = EzBAT TV Rationalisierungsschutz vom 9.1.1987 Nr. 3; 27.10.2005 - 6 AZR 116/05), der sich das erkennende Gericht anschließt, als Rationalisierungsmaßnahme anerkannt.

(2)

Die Änderung der Arbeitstechnik oder Arbeitsorganisation ist wesentlich. Nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 ist die Frage, ob eine Änderung wesentlich ist, von der Auswirkung der Maßnahme her zu beurteilen. Wesentlich ist eine Änderung, wenn mit der Maßnahme gewichtige Auswirkungen verbunden oder zu erwarten sind (BAG 19.10.1000 - 6 AZR 291/99 a.a.O.; 14.5.1986 - 4 AZR 66/85). Dabei kann eine Änderung, die für die gesamte Verwaltung nicht wesentlich ist, für einen Verwaltungs- oder Betriebsteil wesentlich sein (BAG 29.3.2001 - 6 AZR 652/99 - EzBAT TV Rationalisierungsschutz vom 9.1.1987 Nr. 4 = ZTR 2002, 77).

Für die Organisation der Werkstatt des Aufgabenfeldes 120, in der der Kläger arbeitet, ist der Verzicht auf den Einsatz eines koordinierenden und überwachenden Vorhandwerkers verbunden mit der nunmehr selbständigen Arbeit an CNC-Maschinen eine wesentliche Änderung. Es handelt sich bei der Werkstatt auch um einen Betriebsteil, denn sie lässt sich von den übrigen Betriebsteilen gut abgrenzen; nicht erforderlich ist hingegen, dass es sich um einen selbständigen Betriebsteil handelt (BAG 14.5.1986 - 4 AZR 66/85).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Zwar hat der Kläger sich mit der Hauptforderung nicht durchsetzen können, doch macht es für ihn auf Grund seiner langen Betriebszugehörigkeit wirtschaftlich keinen Unterschied, ob er die Zulage als solche oder stattdessen die Lohnsicherung nach dem TV-Rat beanspruchen kann.

IV.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die sich im Rahmen der vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze hält.

Ende der Entscheidung

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