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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 15.03.2002
Aktenzeichen: 10 Sa 1570/01
Rechtsgebiete: StPO, BGB, ArbGG, ZPO, KSchG


Vorschriften:

StPO § 153 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 2
ArbGG § 12 Abs. 7
ArbGG § 64
ArbGG § 66
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
KSchG § 15
Einzelfallentscheidung zur Kündigung des technischen Leiters eines Kurbades wegen "Spannens" im Umkleidebereich.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen

10 Sa 1570/01

Verkündest am: 15.03.2002

URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 15.03.2002 durch die Vorsitzende Spelge und die ehrenamtlichen Richter Ritmeier und Dick

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 27.09.2001 - 2 Ca 431/00 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert wird auf 17.128,28 € festgesetzt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen sowie um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Klägers.

Der geborene Kläger ist verheiratet und drei im Zeitpunkt des Ausspruches der ersten Kündigung 12, 17 und 19 Jahre alten Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit dem 1. April 1998 für die Beklagte beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin, die Kurverwaltung B GmbH, als technischer Leiter tätig. Zuvor war er von 1980 an bei der Kurverwaltung der Gemeinde als Hausmeister tätig. Ob dieses Arbeitsverhältnis im Rahmen mehrerer Betriebsübergänge auf die Beklagte übergegangen ist, ist zwischen den Parteien streitig. Bei der Beklagten sind mehr als fünf Arbeitnehmer ohne Auszubildende beschäftigt. Es besteht kein Betriebsrat. Der Kläger hatte unter anderem die technischen Einrichtungen des von der Beklagten betriebenen Sole-Therapiebades zu kontrollieren, zu überwachen und instandzuhalten. Um diese Einrichtungen zu erreichen, hatte er Zutritt zu allen Bereichen des Sole-Therapiebades.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Scheiben vom 24. Juni 2000, auf das Bezug genommen wird (Bl. ISO-182 d.A.), außerordentlich, vorsorglich fristgerecht. Dieses Schreiben ging dem Kläger am 27. Juni 2000 zu. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe am 23. und 30. Mai 2000 die Eheleute R beim Umkleiden beobachtet. Diese sind Dauergäste, die regelmäßig Dienstags das Solebad benutzen. Im Mai 2000 waren sie 61 beziehungsweise 67 Jahre alt. An beiden Tagen kleideten sich die Eheleute R nach dem Schwimmen in einer Doppelkabine um. Hinsichtlich der räumlichen Aufteilung des Umkleidebereichs wird auf die Bauzeichnung (Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 14.2.2002, Bl. 201 d.A.) Bezug genommen. Die Kabinen haben keine bis zum Boden durchgehende Abtrennung. Vielmehr besteht zwischen Boden und der an die nächste Einzelkabine angrenzenden Kabinenwand in der von den Eheleuten R am 23. Mai 2000 benutzten äußeren Doppelkabine (Bl. 201 d.A.) wegen einer Bodenunebenheit ein von 15 cm auf 18 cm ansteigender Abstand. In der von ihnen am 30. Mai 2000 benutzten dritten Doppelkabine (die genaue Lage ergibt sich aus der Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 14.2.2002, Bl. 207 d.A.) besteht zwischen Boden und der an die nächste Einzelkabine angrenzenden Wand ein Abstand von 14,2 cm.

Der Kläger räumt ein, am 30. Mai 2000 in der an die von den Eheleuten R benutzten Doppelkabine angrenzenden Einzelkabine (Bl. 207 d.A.) auf dem Boden gelegen zu haben. Er habe verdächtige Geräusche gehört, die auf einen Schließfachaufbruch schließen ließen. Um den Aufenthaltsort des Täters festzustellen, habe er sich in die nächste offene Kabine gelegt. Da er nichts habe feststellen können, sei er auf der Suche nach dem Täter um die Kabinen herum bis in die Nähe des Solariums gegangen. Der Weg des Klägers im Einzelnen ergibt sich aus der Anlage 1 zum Schriftsatz vom 5. März 2002 (Bl. 225 d.A.). Dort stellten ihn Herr R und der mit diesem befreundete Zeuge S und konfrontierten ihn mit dem Vorwurf des Spannens. Wie der Kläger auf diesen Vorwurf reagierte, ist streitig.

In der Vergangenheit hat es immer wieder Schließfachaufbrüche im Solebad gegeben. Zu den Aufgaben des Klägers - und jedes anderen Mitarbeiters der Beklagten - gehörte es, auf solche Aufbrüche zu achten. Weder am 23. noch am 30. Mai 2000 sind Schließfächer aufgebrochen worden. Unstreitig ist die Beobachtung der gesamten nebeneinander liegenden Umkleidekabinen unter den Kabinentrennwänden hindurch möglich, sofern der Beobachter flach auf dem Boden liegt.

Die Eheleute R teilten noch am 23. und 30. Mai 2000 dem Mitarbeiter der Touristinformation B, an den sie im Bad verwiesen worden waren, telefonisch mit, dass sie beim Umkleiden beobachtet worden seien. Die damalige Geschäftsführerin der Beklagten G telefonierte am 25. Mai 2000 mit den Eheleuten R, ohne anschließend etwas zu unternehmen. Am 30. Mai 2000 war Frau G bis zum 7. Juni 2000 auf einer Tagung. Herr B informierte daher den Prokuristen S von der abermaligen Beschwerde der Eheleute R, der Frau G telefonisch in Kenntnis setzte und mit Schreiben vom 31. Mai 2000, auf das Bezug genommen wird (Bl. 227 f. d.A), dem Kläger bis zur Aufklärung und Treffen weitergehender Entscheidungen alle Tätigkeiten außerhalb der Technikräume untersagte. Zugleich stellte er ihm anheim, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Nach ihrer Rückkehr rief die Geschäftsführerin der Beklagten die Eheleute R an und ließ sich die Vorfälle schildern. Am 21. Juni 2000 führte sie in der Kanzlei der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten ein mehrstündiges Gespräch mit den Eheleuten R. Der Kläger war über die beabsichtigte Anhörung der Eheleute informiert worden.

Die Eheleute R erstatteten am 24. Mai und 2. Juni 2000 Strafanzeige gegen den Kläger. Das Amtsgericht Bad Iburg verurteilte den Kläger am 17. Januar 2001 wegen Beleidigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis abermals mit Schreiben vom 26. Januar 2001 vorsorglich außerordentlich.

Der Kläger legte gegen das Strafurteil Berufung ein. Die Strafkammer hatte ausweislich des Vermerks vom 26. März 2001 (Bl. 100/R der Strafakte) Bedenken hinsichtlich der rechtlichen Würdigung des Amtsgerichts. Die besonderen Umstände, die einen selbständigen beleidigenden Charakter erkennen ließen, und eine über die Schamverletzung hinausgehende Ehrverletzung seien nicht ersichtlich. Zudem habe der Täter wohl nicht gewollt, dass sein Tun bemerkt werde, so dass es auch am Vorsatz fehlen dürfe. Da die Staatsanwaltschaft diese Bedenken teilte, stellte das Landgericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Kläger nach § 153 Abs. 2 StPO am 24. April 2001 ein und erlegte die dem Kläger entstandenen Auslagen der Staatskasse ebenso auf wie die Verfahrenskosten.

Der Kläger wendet sich mit seiner am 13. Juli 2000 erhobenen und am 1. Februar 2001 erweiterten Klage gegen die beiden Kündigungen vom 24. Juni 2000 und vom 26. Januar 2001. Ferner begehrt er die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Protokolle vom 8. Januar und 27. September 2001 (Bl. 86-88/R sowie 134-136 d.A.).

Durch das dem Kläger am 5. Oktober 2001 zugestellte Urteil vom 27. September 2001 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil feststehe, dass der Kläger die Eheleute R beim Umkleiden beobachtet habe. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, die am 30. Oktober 2001 eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 31. Dezember 2001 am 27. Dezember 2001 begründet worden ist.

Der Kläger meint, die Beklagte habe eine Tatkündigung ausgesprochen, die sie auf die von ihm begangenen Straftaten gestützt habe. Straftaten lagen jedoch ausweislich der rechtskräftigen Feststellungen der Strafjustiz nicht vor. Auch der gegen ihn erhobene Verdacht sei durch den "Quasi-Freispruch" im Strafverfahren ausgeräumt. Vorsorglich bestreitet er, am 23. Mai 2000 die Eheleute R beim Umkleiden beobachtet zu haben. Am 30. Mai 2000 habe er nur versucht, einen Täter eines Schließfachaufbruches zu ermitteln. Sein früherer Vorgesetzter S habe ihm und den anderen Mitarbeitern den Tipp gegeben, sich in Kabinen einzuschließen und sich auf dem Fußboden auf die Lauer nach Tätern zu legen. Wenn verdächtige Geräusche zu hören seien, sei es vorteilhaft, auf dem Boden das Umfeld zu beobachten, weil es von Interesse sei, in welche Kabine der Täter gehe. Er habe schon einmal auf diese Weise einen Täter ermittelt. Auf den Artikel der Lokalpresse vom 8. Oktober 1998 (Bl. 226 d.A.) wird Bezug genommen. Auch am 30. Mai 2000 habe er verdächtige Geräusche gehört. Dazu hat er im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 15. März 2002 vorgetragen, er habe - wie schon im Oktober 1998 - ein Geräusch gehört, das sich wie ein auf den Boden fallendes Brecheisen angehört habe. Er habe sich dann in der nächsten freien Kabine auf den Boden gelegt, um zu sehen, ob etwas herunter gefallen sei, mit dem man einen Schrank aufbrechen könne. Auf die Protokollerklärung des Klägers (Bl. 230 f. d.A.) wird Bezug genommen. Er sei am 30. Mai 2000 nicht vor den Zeugen R und S geflohen, sondern habe nach dem Schrankaufbrecher gesucht. Bei einer Flucht habe er zahlreiche, auf dem von ihm eingereichten Plan (Bl. 225 d.A.) eingezeichnete Möglichkeiten gehabt, das Bad zu verlassen, ohne dass ihm die Zeugen R und S hatten folgen können, weil nur er einen Generalschlüssel besessen habe. Es sei auch abwegig, dass er als muskulöser Mann in den besten Jahren Angst vor dem Zeugen R gehabt haben solle. Die Zeugen R hätten in ihrer Aussage vor dem Arbeitsgericht gelogen. Sein Kopf sei - unstreitig - in Höhe der Ohren 19,1 cm, in Schläfenhöhe 15,5 cm breit. Es sei daher technisch unmöglich, dass er ihn, wie die Zeugen ausgesagt hatten, bis zu den Ohren durch den Spalt zwischen Boden und Trennwand geschoben habe. Darüber hinaus sei, wie sich aus den von der Beklagten zur Gerichtsakte gereichten Lichtbildern (31. 203-205 und 208 d.A.) ergebe, eine Identifizierung einer auf dem Boden der Nachbarkabine, durch den Spalt zwischen Boden und Trennwand blickenden Person nicht möglich. Er hatte sich aus einer derartigen Zwangslage auch nicht so schnell befreien und fliehen können, wie die Zeugen ausgesagt hatten.

Der Kläger meint, die Beklagte habe die Ausschluss des § 626 Abs. 2 BGB versäumt, weil ihr Prokurist spätestens Ende Mai 2000 vollständig über den der Kündigung zugrundeliegenden Sachverhalt informiert gewesen sei.

Er behauptet, die Beklagte könne ihn so einsetzen, dass er den Umkleidebereich nicht betreten müsse.

Er ist der Ansicht, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten unzumutbar sei. Diese habe das Aussageverhalten und die Aussagen der Eheleute R nicht kritisch gewürdigt, sonst hätte sie gemerkt, dass deren Aussagen unwahr seien. Sie habe den Kläger in übelster Weise mit Vorwürfen attackiert und wolle das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall lösen, was sich schon aus der vorsorglichen Kündigung vom 26. Januar 2001 ergebe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 27. September 2001 - 2 Ca 431/00 abzuändern und

1. festzustellen, dass die fristlosen Kündigungen vom 24. Juni 2000 und 26. Januar 2001 unwirksam sind;

2. das Arbeitsverhältnis aufzulösen und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung von 34.356,56 € brutto, hilfsweise eine niedrigere, ins Ermessen des Gerichts gestellte Abfindung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, sie habe eine Verdachtskündigung ausgesprochen, jedenfalls schiene sie eine solche nach. Sie behauptet, der Kläger habe am 23. und 30. Mai 2000 die Eheleute R beim Umkleiden beobachtet. Dies habe er gegenüber den Zeugen R und S zugegeben, als sie ihn am 30. Mai 2000 gestellt hatten. Sie halt die Zeugen R für glaubwürdig und sieht das Vorbringen des Klägers als Schutzbehauptung an.

Sie ist der Auffassung, sie habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Geschäftsführerin habe die erforderliche Aufklärung zugig vorangetrieben. Maßgeblich für den Kündigungsentschluss sei der persönliche Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Eheleute R gewesen.

Eine Umsetzung des Klägers komme nicht in Betracht. Er müsse in Notfällen immer den Umkleidebereich betreten, so dass die Beklagte mit weiteren Straftaten zu Lasten ihrer Gäste rechnen müsse.

Die Kammer hat die Strafakten 3 Cs 396/00 des Amtsgerichts Bad Iburg beigezogen und im Termin vom 15. März 2002 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Sie hat ferner durch Augenscheinseinnahme Beweis darüber erhoben, wie weit der Kläger seinen Kopf durch einen 14,2 cm hohen Schlitz stecken kann. Hinsichtlich der Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 15. März 2002 (Bl. 232 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig §§ 64, 66 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Juni 2000 beendet worden. Die weiteren Kündigungen sind damit gegenstandslos. Der Auflösungsantrag ist unbegründet. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

A. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Juni 2000 ist wirksam.

I. 1. Die Beklagte hat eine "Tatkündigung" ausgesprochen. Nach ihrer im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigungserklärung (und im Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts) bestehenden Überzeugung hat nämlich der Kläger die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen tatsächlich begangen und ihr deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht (vgl. BAG, 20.8.1997, 2 AZR 620/96, AP Nr. 27 zu § 626 BGB - Verdacht strafbarer Handlung <II 1 a d.Gr.>). Dies ergibt sich eindeutig aus dem Kündigungsschreiben, in dem sie auf S. 2 (Bl. 181 d.A.) ausgeführt hat, dass sie tatsächlich davon ausgehe, das der Kläger die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung begangen habe, sowie aus der Aussage der damaligen Geschaftsführerin G vor dem Arbeitsgericht, die bekundet hat, sie sei nach dem persönlichen Gespräch mit den Eheleuten R zu der Überzeugung gelangt, dass der Vorfall sich so, wie von diesen berichtet, abgespielt habe.

Diese Kündigung wird von der Beklagten auf den Vorwurf gestützt, der Kläger habe die Eheleute R als Kunden des Solebades wiederholt und bewusst beim Umkleiden beobachtet und sei dabei von diesen bemerkt worden. Auch wenn sie im Kündigungsschreiben (Bl. 180-182 d.A.) wiederholt davon spricht, bei diesem Verhalten handele es sich um "Straftaten", so hat sie die Kündigung nicht nur und gerade darauf gestützt, dass der Kläger damit den Straftatbestand der sexuellen Beleidigung erfüllt habe. Maßgeblich für sie ist vielmehr die in diesem Verhalten liegende Verletzung des Arbeitsvertrages. Das ergibt sich daraus, dass sie auf Seite 2 des Kündigungsschreibens (Bl. 181 d.A.) ausdrücklich darauf abgestellt hat, dass das schwerwiegende Fehlverhalten des Klägers eine sie zur fristlosen Kündigung berechtigende Vertragsverletzung darstelle.

2. Die Kündigung ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht schon deswegen unwirksam, weil nach den Feststellungen der Strafjustiz ein strafwürdiges Verhalten nicht vorlag. Die aus dem Vermerk des Vorsitzenden der 7. Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 26. März 2001 (Bl. 100/R d. Strafakte) ersichtlichen strafrechtlichen Erwägungen, die für die erkennende Kammer ohnehin nicht bindend waren (§ 14 Abs. 2 Ziffer 1 EGZPO a.F.), sind für die Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung ohne Bedeutung, weil Kündigungsgrund wie ausgeführt nicht die Begehung einer Straftat, sondern das Vorliegen einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung ist.

Der gegen den Kläger erhobene Vorwurf ist durch die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153 Abs. 2 StPO auch nicht ausgeräumt worden. Aus dem Vermerk vom 26. März 2001 ergibt sich gerade, dass die Strafkammer Bedenken hinsichtlich der Erfüllung qualifizierender objektiver Tatbestandsmerkmale und des Beleidigungsvorsatzes hatte. Diese Gesichtspunkte spielen für die der Kündigung zugrundeliegende Pflichtverletzung keine Rolle.

II. Der Kläger hat bewusst und wiederholt die Eheleute R beim Umkleiden beobachtet. Die Eheleute R, insbesondere Frau R, haben den Kläger dabei bemerkt und sich durch sein Verhalten in ihrer Intimsphäre verletzt gefühlt. Der Kläger hat, obwohl er bemerkt hatte, das er entdeckt worden war, sein Verhalten wiederholt. Dies macht es der Beklagten unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen (§ 626 Abs. 1 BGB).

1. Die Kammer hat ihrer Entscheidung folgende Umstände zugrunde gelegt:

Der Kläger hat die Eheleute R am 23. und 30. Mai 2000 durch die Spalte zwischen Boden und Kabinentrennwand aus der Nachbarkabine beim Umkleiden beobachtet. Die Eheleute R haben dabei sein in die Spalte gepresstes, schräg nach oben gewandtes Gesicht bemerkt und den Kläger erkannt. Der Kläger ist darauf hin geflohen, jedoch am 30. Mai 2000 von Herrn R und dem Zeugen S gestellt worden. Er hat gegenüber den beiden Zeugen sein Verhalten eingeräumt. Die Eheleute R, insbesondere Frau R, fühlten sich durch das Verhalten des Klägers gekränkt und in ihrer Intimsphäre verletzt, weswegen sie Strafanzeige gegen den Kläger erstattet haben und sich bei der Beklagten über den Kläger beschwert haben.

2. Diese Umstände folgen aus den unstreitigen Tatsachen und den Bekundungen der Zeugen R und S. Dabei hat die Kammer - wie schon das Amtsgericht Bad Iburg und das Arbeitsgericht - den Aussagen der Zeugen R Glauben geschenkt.

a) Der Kläger greift die Glaubwürdigkeit dieser Zeugen nur damit an, dass es angesichts der Große seines Kopfes unmöglich sei, dass er ihn so weit durch die Spalte zwischen Boden und Trennwand gesteckt habe, wie die Zeugen ausgesagt, diese also gelogen hatten. Nach den Feststellungen der Kammer durch Augenscheinseinnahme am 15. März 2002 sind die Aussagen der Zeugen R jedoch mit den objektiven Gegebenheiten zu vereinbaren.

Die Zeugin R hat vor dem Arbeitsgericht bekundet, sie habe am 23. Mai 2000 das volle Gesicht des Klägers gesehen, dieser habe den Kopf bis zum Ohr schräg durch die Spalte gesteckt. Ob das halbe, das ganze Ohr oder nur der Ohransatz zu sehen gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Sie hat ferner vor dem Arbeitsgericht ausgesagt, sie habe am 30. Mai 2000 das Gesicht des Klägers bestimmt bis zu den Ohren gesehen, dieser habe praktisch den halben Kopf durch die Spalte gesteckt. Vor dem Amtsgericht Bad Iburg hat sie bekundet, das Gesicht des Klägers habe bis zu den Ohren unter dem Spalt hergeguckt und dabei laut Protokoll des Amtsgerichts mit den Händen vor ihre Ohren gezeigt (Bl. 75 d. Strafakte). Der Zeuge R hat vor dem Arbeitsgericht bekundet, das Gesicht des Klägers sei voll zu erkennen gewesen, er habe das volle Gesicht des Klägers gesehen. Vor dem Amtsgericht hat er ebenfalls ausgesagt, das Gesicht des Klägers habe beide Male voll durch den Spalt geschaut, beim ersten Mal etwas weiter (Bl. 79 d. Strafakte).

Die Zeugen haben damit beide übereinstimmend und in mehreren Vernehmungen vor unterschiedlichen Gerichten bekundet, dass das Gesicht des Klägers voll zu erkennen gewesen sei. Auch die Zeugin R hat mit ihrer Angabe, sie habe das Gesicht des Klägers "bis zu den Ohren" gesehen, nur umschrieben, dass die Gesichtszüge des Klägers voll zu erkennen gewesen seien. Aus ihrer Geste vor dem Amtsgericht ergibt sich nämlich, dass sie mit diesen Worten nur umschreiben wollte, dass das Gesicht des Klägers bis vor die Ohren sichtbar gewesen sei, also das gesamte Gesicht, nicht aber mehr. Die Kammer hat sich anlässlich der Augenscheinseinnahme am 15. März 2002 davon überzeugt, dass bereits bei einem Abstand zwischen Boden und Trennwand von 14,2 cm das Gesicht des Klägers so weit erkennbar war wie das der Versuchsperson auf dem von der Beklagten eingereichten Lichtbild 4 (Bl. 208 d.A.). Dies lässt sich angesichts der Schwierigkeiten, einen visuellen, nur kurzen Eindruck, der bei den Zeugen zudem erheblichen Schrecken ausgelöst hat, verbal zu umschreiben, mit den Bekundungen der Zeugen in Einklang bringen. Das Gesicht des Klägers war für die Kammer deutlich sichtbar und zu erkennen. Inwieweit das Tragen einer Brille mit größeren Gläsern, wie sie der Kläger nach seinem Vorbringen im Termin am 30. Mai 2000 getragen haben will, eine Durchsicht im von der Kammer festgestellten Umfang entgegenstehen soll, war für die Kammer nicht erkennbar. Bei einem Abstand von 15 - 18 cm zwischen Boden und Trennwand in der vom Kläger nach den Bekundungen der Zeugen F benutzten Kabine ist das Gesicht des Klägers mit Sicherheit noch in größerem Umfang zu erkennen gewesen.

Soweit der Kläger im Termin ausgeführt hat, er könne die Versuchsperson auf den Lichtbildern nicht erkennen, ändert dies nichts daran, dass nach den Feststellungen der Kammer seine Gesichtszuge durchaus zu erkennen waren. Tatsächlich haben die Zeugen R ihn sowohl am 23. als auch am 30. Mai 2000 erkannt, wie sich schon aus der Strafanzeige vom 24. Mai 2000 (Bl. 1-3 der Strafakte) und der Aussage des Zeugen S, wonach die Zeugin R ihm schon am 23. Mai 2000 auf einem im Bad aushängenden Lichtbild den Kläger als denjenigen gezeigt habe, der gerade in ihre Kabine geblickt habe, ergibt.

b) Demgegenüber hat die Kammer das Vorbringen des Klägers, er habe am 30. Mai 2000 nur auf dem Boden der an die von den Eheleuten R benutzten Umkleidekabine angrenzenden Kabine gelegen, um einen möglichen Schrankaufbruch aufzuklären und sei anschließend auf Tätersuche gewesen, als er die Zeugen R und S getroffen habe, als Schutzbehauptung gewertet. Zwar hat der Kläger im Termin vom 15. März 2002 erstmals nachvollziehbar dargelegt, wieso er den Verdacht eines Schrankaufbruches gehegt haben will und was er mit einer Rundumsicht unter die Trennwände hindurch erreichen wollte. Gegen sein Vorbringen spricht jedoch zunächst, dass es am 30. Mai 2000 zu keinem Schrankaufbruch gekommen ist. Dagegen spricht ferner sein Verhalten, nachdem er auf die Zeugen R und S getroffen war. Nach den übereinstimmenden Bekundungen dieser Zeugen hat der Kläger ihnen zugerufen "Tut mir nichts, ich gebe alles zu". Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen S hat der Kläger keine Einwände erhoben. Hatte der Kläger tatsächlich nur einen Schrankaufbrecher gesucht, wäre nichts naheliegender und einfacher gewesen, als dies gegenüber den Zeugen R und S anzugeben. Seine Reaktion lässt sich - zumal angesichts seiner körperlichen Überlegenheit, auf die der Kläger selbst hinweist - nur damit erklären, dass er nach der Entdeckung und Verfolgung in Panik verfallen war. Damit lässt sich auch erklären, dass er die zahlreichen Fluchtmöglichkeiten, die aus dem von ihm überreichten Plan (31. 22b d.A.) erkennbar sind, nicht nutzte. Angesichts der körperlichen Konstitution des Klägers hat die Kammer auch keine Zweifel, dass er nach Entdeckung durch die Zeugen R so schnell aufspringen konnte, dass er und der 67jährige Herr R gleichzeitig aus den jeweils von ihnen benutzten Kabinen stürzten.

Gegen seine Behauptung spricht schließlich auch, dass der Kläger nach den ebenfalls von ihm nicht angegriffenen Bekundungen der Zeugin G ihr gegenüber den Vorfall lediglich abgestritten, also gerade nicht auf die von ihm nunmehr behauptete Tätersuche hingewiesen, und auch nicht erklärt hat, dass es gar nicht möglich sei, den Kopf voll unter der Kabinenabtrennung hindurch zu stecken.

Für die Wertung des Klägers als Schutzbehauptung spricht abschließend auch, dass es keinerlei nachvollziehbare Erklärung dafür gibt, warum die Eheleute R, die den Kläger vor den Vorfallen vom 23. und 30. Mai 2000 nicht persönlich kannten, insbesondere keinen Zwist mit ihm hatten, diesen ohne jeden erkennbaren Grund mit dem Vorwurf des "Spannens" überziehen und deswegen Strafanzeige gegen ihn erstatten sollten. Dies gilt um so mehr, als dieser Vorwurf mit erheblichen persönlichen Unannehmlichkeiten für die Eheleute R verbunden war, die vor Polizei und verschiedenen Gerichten immer wieder die für sie unerfreulichen Vorfälle schildern und darlegen mussten, in welchem Zustand der Be- beziehungsweise Entkleidung sie sich befanden, und ihre Gefühle offenbaren mussten.

c) In der Gesamtschau dieser Umstände hat die Kammer die erforderliche persönliche Gewissheit erlangt (vgl. BGH, 17.2.1970, III ZR 139/67, BGHZ 53, 245 <256>), dass die von den Eheleuten R gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe zutreffen.

3. Das Verhalten des Klägers am 23. und 30. Mai 2000, insbesondere die Blickrichtung von unten nach schräg oben, hat das Schamgefühl und die Intimsphäre der Eheleute R, insbesondere von Frau R, schwer verletzt. Dies hat der Kläger zumindest in Kauf genommen, weil er mit seiner Entdeckung jederzeit rechnen musste und sein Verhalten am 30. Mai 2000 fortgesetzt hat, obwohl er am 23. Mai 2000 von der Zeugin R entdeckt worden war. Er hat damit gezeigt, dass er die Befriedigung seines Sexualbedürfnisses über die Intimsphäre der Besucher des von der Beklagten betriebenen Bades stellt. Die Eheleute R haben Strafanzeige erstattet und die Einschaltung der Presse angekündigt. Es war der Beklagten unzumutbar, einen Arbeitnehmer, der jederzeit Zugang zum Umkleidebereich hat und dies innerhalb kurzer Zeit wiederholt ausnutzt, um Badegäste beim Umkleiden zu beobachten, auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Frist einen Monat zum Monatsende oder wegen einer seit 1980 rechnenden Betriebszugehörigkeit des Klägers sechs Monate zum Monatsende betrug. Angesichts des Verhaltens des Klägers war es der Beklagten nach Aufklärung der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe unzumutbar, diesen auch nur bis zum 31. Juli 2000 weiterzubeschäftigen. Das Verhalten des Klägers war damit an sich als Grund zur außerordentliche Kündigung geeignet.

4. Auch unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls ergibt sich nichts anderes.

a) Zugunsten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er vier Personen zum Unterhalt verpflichtet ist und das Arbeitsverhältnis bisher unbelastet war. Dabei geht die Kammer zugunsten des Klägers von einer seit 1980 rechnenden Betriebszugehörigkeit aus.

b) Demgegenüber ist zugunsten der Beklagten in die Interessenabwägung einzustellen, dass sie dem Kläger gerade wegen seiner langen Betriebszugehörigkeit besonderes Vertrauen geschenkt und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit nicht kontrolliert hat. Angesichts der Hartnäckigkeit des vom Kläger gezeigten Verhaltens, der sich trotz seiner Entdeckung durch die Eheleute R am 23. Mai 2000 nicht hat davon abhalten lassen, am 30. Mai 2000 wieder zu "spannen" und sich darüber hinaus auch noch wieder dieselben Opfer ausgesucht hat, muss die Beklagte von einer erheblichen Wiederholungsgefahr ausgehen. Bereits das der Kündigung zugrundeliegende Verhalten hat eine erhebliche Rufschädigung der Beklagten bewirkt. Diese muss zudem angesichts ihres Kundenkreises von typischerweise überwiegend älteren Gästen davon ausgehen, dass die Weiterbeschäftigung des Klägers zu Unruhe unter den Gästen und Rückgang der Besucherzahlen führt. Schließlich steht der Kläger noch in einem Lebensalter, das ihm den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht verschließt.

c) In der Gesamtschau dieser wechselseitigen Interessen liegt eine so starke Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten durch das Verhalten des Klägers vor, dass deren Kündigungsinteresse das Bestandsschutzinteresse des Klägers überwiegt.

5. Die Kündigung verstoßt auch nicht gegen den Verhaltnismäßigkeitsgrundsatz.

a) Die Beklagte konnte das Arbeitsverhältnis auch sofort kündigen, ohne zunächst eine Abmahnung aussprechen zu müssen. Grundsätzlich muss jeder Kündigung, die auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers beruht, bei dem erwartet werden kann, dass das Vertrauen wieder hergestellt wird, eine Abmahnung vorangegangen sein. Eine Abmahnung ist jedoch dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. In diesen Fällen ist bereits durch das pflichtwidrige Verhalten das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen auf Dauer zerstört (BAG, 10.2.1999, 2 ABR 31/98, AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969 <B II 5>; 1.7.1999, 2 AZR 676/98, AP Nr. 11 zu § 15 BBiG <II 2 a d.Gr.>).

Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass die Beklagte sein Verhalten hinnehmen wurde. Die Pflichtverletzung des Klägers durch das wiederholte Spannen wiegt vielmehr so schwer, dass bereits dadurch das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Parteien erforderliche Vertrauen dauerhaft zerstört worden ist.

b) Die Beklagte musste den Kläger auch nicht zu geänderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigen, statt ihm zu kündigen.

Allerdings kommt der Ausspruch einer Beendigungskündigung, gleichgültig, ob sie auf betriebs-, personen- oder verhaltensbedingten Gründen beruht, und gleichgültig, ob sie als ordentliche oder außerordentliche Kündigung ausgesprochen wird, erst in Betracht, wenn keine Möglichkeit zu einer anderweitigen Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, u.U. auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen, besteht. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber bei verschuldeten erheblichen Vertragsverletzungen eine Weiterbeschäftigung zu anderen Bedingungen nur selten zumutbar sein wird (BAG, stRspr seit Urteil von 27.9.1984, 2 AZR 62/83, AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969 <B II 3 a d.Gr.>). Die Möglichkeit einer Versetzung ist in der Regel aber nur bei arbeitsplatzbezogenen, nicht bei arbeitsplatzunabhängigen Kündigungsgründen zu prüfen (BAG, 8.6.2000, 2 AZR 638/99, AP Nr. 163 zu § 626 BGB <B III 1 d.Gr.>).

Hier macht das Verhalten des Klägers der Beklagten die Weiterbeschäftigung generell unzumutbar. Es fehlt nämlich an objektiven Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger das beanstandete Verhalten auf einem anderen Arbeitsplatz nicht fortsetzen wird und damit am erforderlichen Arbeitplatzbezug (vgl. BAG, 16.1.1997, 2 AZR 98/96, n.v. <II 2 c d.Gr.>). Es besteht auf jedem Arbeitsplatz immer die Gefahr, dass der Kläger sich Zugang zum Umkleidebereich verschafft, um sein Verhalten zu wiederholen.

III. Die Beklagte hat die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.

1. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt in dem Moment, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt. Für den Fristbeginn kommt es auf die sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis des Kündigungssachverhalts an. Selbst grobfahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Zur Aufklärung des Sachverhalts kann der Kündigungsberechtigte die ihm nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführen, insbesondere dem Kündigungsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Durch derartige Maßnahmen darf die Kündigung aber nicht länger als unbedingt nötig hinausgeschoben werden. Der Fristbeginn ist daher nur solange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Bei der Anhörung des Kündigungsgegners ist von einer Regelfrist von einer Woche auszugehen, die nur aus sachlich erheblichen oder verständigen Gründen überschritten werden darf. Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist einzelfallbezogen zu beurteilen, ob sie mit der gebotenen Eile betrieben wurden (BAG, 31.3.1993, 2 AZR 492/92, AP Nr. 32 zu § 626 BGB - Ausschlussfrist <II 1 d.Gr.> m.w.N.).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze begann die Ausschlussfrist am 21. Juni 2000 nach Abschluss der Anhörung der Eheleute R durch die damalige Geschäftsführerin der Beklagten G. Die am 27. Juni 2000 zugegangene Kündigung ist innerhalb der Ausschlussfrist ausgesprochen worden.

Die Zeugin G, deren Glaubwürdigkeit vom Kläger mit seiner Berufung nicht angegriffen worden ist, hat vor dem Arbeitsgericht bekundet, ihr sei in dem Telefonat am 25. Mai 2000, in dem ihr Frau R von dem ersten Vorfall berichtet habe, kein Name genannt worden. Anlass, gegen den Kläger etwas zu unternehmen, hatte die Beklagte damit noch nicht.

Erst nach dem zweiten Vorfall hat der damalige Prokurist S für die Beklagte von Herrn B den Kläger als "Spanner" genannt bekommen. Dieser hat daraufhin nach telefonischer Rücksprache mit Frau G mit dem Schreiben vom 31. Mai 2000 (Bl. 227 f. d.A.) dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Da dem Kläger der ihm vorgeworfene Sachverhalt aus eigener Anschauung bekannt war, reichte dies zur Hemmung der Ausschlussfrist zunächst aus.

Unmittelbar nach der Rückkehr von einer Tagung am 8. Juni 2000 hat die Geschäftsführerin sich mit den Eheleuten R telefonisch in Verbindung gesetzt. Sie hat bekundet, dass sie den Vorwürfen der Eheleute R zunächst keinen Glauben geschenkt habe, weil sie den Kläger jahrelang persönlich kenne. Sie habe sich darum einen persönlichen Eindruck insbesondere von Frau R verschaffen wollen. Erst dieses persönliche Gespräch habe ihr die Überzeugung verschafft, dass die Vorwürfe zutrafen.

Angesichts der Intention des § 626 Abs. 2 BGB, eine vorschnelle außerordentliche Kündigung zu verhindern (BAG, AP Nr. 32 zu § 626 BGB - Ausschlussfrist <II 3 d.Gr.>), war die Beklagte verpflichtet, sich angesichts der Schwere der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe einen persönlichen Eindruck von den Eheleuten R zu verschaffen. Angesichts des Umstandes, dass die Termine der Eheleute R, der Geschäftsführerin G und des zu dem Gespräch berechtigterweise hinzu gezogenen jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten und damit von vier Beteiligten nach Rückkehr der Geschäftsführerin von einer Tagung koordiniert werden mussten, liegt es auf der Hand, dass ein früherer Gesprächstermin als der 21. Juni 2000 nicht vereinbart werden konnte. Dabei ist zu beachten, dass zwischen dem 8. Juni und dem 21. Juni 2000 nur acht Arbeitstage lagen und in diese Zeit noch am 11. und 12. Juni 2000 das Pfingstfest fiel. Da der Kläger sowohl mit Schreiben vom 31. Mai 2000 (Bl. 227 f. d.A.) als auch nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten auf S. 3 ihres Schriftsatzes vom 29. Dezember 2000 (Bl. 80 d.A.) darüber informiert worden ist, dass weitere Ermittlungen angestellt und insbesondere die Eheleute R persönlich angehört werden sollten, konnte der Kläger auch nicht annehmen, dass die Beklagte nach Ablauf von zwei Wochen seit dem 30. Mai 2000 den Vorfall nicht zum Anlass einer außerordentliche Kündigung nehmen werde. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers ist insoweit daher nicht entstanden (vgl. KR-Fischermeier, 6. Aufl., 2002, § 626 BGB, Rz. 331).

Die Beklagte hat daher mit der gebotenen und nach den Umständen des Einzelfalls möglichen Eile aus verständigen, im Interesse des Klägers liegenden Gründen bis zum 21. Juni 2000 weitere Ermittlungen angestellt und den Kläger darüber informiert. Der Beginn der Ausschlussfrist war daher bis zum 21. Juni 2000 gehemmt.

IV. Da bereits die von der Beklagten ausgesprochene Tatkündigung wirksam ist, kam es auf die von der Beklagten wirksam nachgeschobene (vgl. KR-Fischermeier, a.a.O., Rz. 216) Verdachtskündigung nicht mehr an.

B. In dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 24. Juni 2000 und die vorsorgliche außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Januar 2001 beendet worden wäre, bestand wegen der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 24. Juni 2000 bereits kein Arbeitsverhältnis mehr. Die Klage war daher auch insoweit als unbegründet abzuweisen (vgl. BAG, 20.9.2000, 5 AZR 271/99, AP Nr. 8 zu § 2 ArbGG 1979 - Zuständigkeitsprüfung <I d.Gr.>).

C. Der Auflösungsantrag des Klägers war angesichts der Wirksamkeit der außerordentliche Kündigung vom 24. Juni 2000 ebenfalls unbegründet (§ 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG).

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

E. Der Wert des Berufungsverfahrens war angesichts der beiden vom Kläger angegriffenen Kündigungen, die langer als drei Monate auseinanderliegen, gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG auf zwei mal drei Gehälter festzusetzen. Dabei war ein Gehalt des Klägers entsprechend seiner Angabe in der Klagschrift mit 5.583,33 DM = 2.854,71 € zu bemessen.

Ende der Entscheidung

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