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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 22.01.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 614/06
Rechtsgebiete: BetrVG, GG
Vorschriften:
BetrVG § 82 Abs. 1 | |
GG Art. 2 Abs. 1 |
Hat ein Personalgepräch mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten zu Gegenstand, kommt dem Informationsrecht des Betriebsrates ein größeres Gewicht zu, so dass der Arbeitnehmer jedenfalls nicht generell den Ausschluss von Betriebsratsmitgliedern verlangen kann.
Der Arbeitgeber hat es ebenfalls zu unterlassen, außerhalb mitbestimmungspflichtigter Vorgänge dem Betriebsrat die vollständige Personalakte eines Arbeitnehmers ohne dessen Genehmigung zur Verfügung zu stellen.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2007 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Voigt, den ehrenamtlichen Richter Herrn Schaper, den ehrenamtlichen Richter Herrn Gräber für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 27.01.2006 - 7 Ca 467/05 - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt es zu unterlassen,
1. an Personalgesprächen, die sich auf nicht mitbestimmungspflichtige Tatbestände beziehen, andere Betriebsratsmitglieder als das ggf. vom Kläger hinzugezogene Betriebsratsmitglied zu beteiligen,
2. außerhalb mitbestimmungspflichtiger Vorgänge dem Betriebsrat oder seinen Ausschüssen bzw. deren Mitgliedern ohne Genehmigung des Klägers seine Personalakte zur Verfügung zu stellen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Zu Ziffer 1. des Tenors (Beteiligung an Personalgesprächen) wird die Revision zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten in mehreren Fragen um die Beteiligung des Betriebsrates an Personalangelegenheiten des Klägers.
Der Kläger ist im Werk A-Stadt der Beklagten als gewerblicher Mitarbeiter beschäftigt. Mit Schreiben vom 30.06.2005 (Bl. 6 d.A.) wurde er zu einem Personalgespräch am 14.07.2005 geladen. Der Kläger erschien zu diesem Gespräch mit einem Betriebsratsmitglied seines Vertrauens. In dem Raum waren neben zwei Mitarbeitern aus dem Personalbereich der Beklagten, Herrn H. und B. auch zwei Mitglieder des vom Betriebsrat gebildeten Personalausschusses, Frau B. und Herr K. anwesend. Der Kläger bat die Beklagte darum, dass die beiden Personalausschussmitglieder den Raum verlassen sollten. Das Personalausschussmitglied Herr K. erklärte daraufhin sinngemäß: "Wir sind gewählte Personalausschussvertreter, wir gehen hier nicht raus." Nachdem der Kläger erneut auf dem Flur gewartet hatte, wurde er wieder hereingerufen. Die beiden Personalausschussmitglieder befanden sich weiter im Raum. Auf dem Tisch lag ferner die Personalakte des Klägers. Der Kläger erklärte, dass er zu einem Personalgespräch nur bereit sei, wenn die Personalausschussmitglieder den Raum verließen, er vertraue ihnen nicht. Der Mitarbeiter H. der Beklagten erklärte daraufhin, dann fände das Gespräch nicht statt.
Mit Datum vom 19.07.2005 erhielt der Kläger sodann eine Abmahnung (Bl. 6 d.A.), in der ihm vorgehalten wird, sich am 06.06.2005 erst 15 Minuten nach Schichtbeginn krankgemeldet zu haben.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, Personalgespräche zukünftig ausschließlich im Beisein eines vom Kläger hinzugezogenen Betriebsratsmitgliedes zu führen.
2. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, zu welchem Zweck und in welchem Umfang dem Personalausschuss mit R. B. und H. K. Personaldaten/ und oder andere Informationen oder die Personalakte über den Kläger zur Verfügung gestellt worden sind.
3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger gemäß §§ 34 Abs. 1 BDSG Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden und den Zweck der Speicherung zu erteilen.
4. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen außerhalb mitbestimmungspflichtiger Vorgänge dem Betriebsrat oder seinen Ausschüssen bzw. deren Mitgliedern ohne Genehmigung des Klägers seine Personaldaten oder sonstige Informationen über ihn zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger könne sich nicht Gesprächspartner für derartige Termine der Personalabteilung mit dem Personalausschuss selber aussuchen und damit eine gemeinsame Personalausschußsitzung "sprengen".
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.01.2006 dem Klagantrag zu 3) stattgegeben, bezüglich der Anträge zu 1), 2) und 4) die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Klagabweisung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne nicht verhindern, dass die Beklagte dem Betriebsrat Informationsrechte über das gesetzliche Maß hinaus gewähre. Der Kläger habe keinen Anspruch darüber zu entscheiden, wer auf Arbeitgeberseite an einem Personalgespräch teilnehme.
Gegen dieses ihm am 15.03.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.04.2006 Berufung eingelegt und diese am 11.05.2006 begründet. Zur Begründung führt der Kläger aus, das Arbeitsgericht habe bei weitgehend unstreitigen Tatsachen die rechtliche Beurteilung unzutreffend vorgenommen. Sicherlich sei dem Arbeitgeber unbenommen zu bestimmen, durch welchen Vorgesetzten, Personalreferenten oder Berater er sich in einem Personalgespräch vertreten lasse. Die Vertretung durch ein Betriebsratsmitglied scheide aber aus. Der Betriebsrat stehe eben nicht auf der Seite des Arbeitgebers. Ein vertrauliches Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wäre andernfalls unmöglich. Den Arbeitgeber treffe als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag auch die Obliegenheit, mit den Personaldaten des Klägers und sonstigen das Arbeitsverhältnis oder das Verhalten des Arbeitnehmers betreffenden Umständen vertraulich umzugehen. Dem Arbeitgeber sei es verwehrt, beliebig Personalakten von Mitarbeitern an durch den Arbeitgeber selbst ausgewählte Betriebsratsmitglieder oder Betriebsratsausschüsse weiterzureichen. Dies folge auch aus dem Rechtsgedanken des § 83 Abs. 1 BetrVG, wonach ein beigezogenes Betriebsratsmitglied zum Stillschweigen über den Inhalt der Personalakte verpflichtet sei.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 27.01.2006, Aktenzeichen 7 Ca 467/05
1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, an Personalgesprächen mit dem Kläger andere Betriebsratsmitglieder als das gegebenenfalls vom Kläger hinzugezogene Betriebsratsmitglied zu beteiligen,
- hilfsweise begrenzt auf nichtbestimmungspflichtige Tatbestände,
2. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, zu welchem Zweck und in welchem Umfang den Personalausschussmitgliedern R. B. und H. K. Personaldaten und oder andere Informationen oder die Personalakte über den Kläger zur Verfügung gestellt worden sind;
3. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen außerhalb mitbestimmungspflichtiger Vorgänge dem Betriebsrat oder seinen Ausschüssen bzw. deren Mitgliedern ohne Genehmigung des Klägers seine Personaldaten oder sonstige Informationen über ihn zur Verfügung zu stellen,
- hilfsweise die Personalakte zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Personalausschuss werde bei der Beklagten nicht nur originär bei Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechten, sondern auch bereits im Vorfeld eingeschaltet. Es bestehe bei der Beklagten eine Arbeitsordnung (Bl. 58 - 69 d.A.). Diese gebe der Beklagten die Möglichkeit, Verwarnungen, Verweise und auch Geldbußen auszusprechen. Sie enthalte in § 32 Regelungen über das Verfahren bei Verstößen, wonach der betreffenden Sachverhalt mit dem Betriebsrat zu erörtern sei. Zu einem solchen Gespräch sei der Kläger am 14.07.2005 gebeten gewesen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei ein Teilnahmerecht des Betriebsratsmitgliedes auf seinen Wunsch bei Gesprächen, die über den Gesprächsgegenstand des § 82 Abs. 2 BetrVG hinausgehen, nicht gegeben. Eine Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Auskunftsanspruch sei nicht ersichtlich. Im Übrigen ergebe sich aus § 2 Abs. 1 BetrVG und zahlreichen speziellen gesetzlichen Vorschriften, dass Arbeitgeber und Betriebsrat vertrauensvoll zusammenzuarbeiten hätten. Hierzu gehörten auch Personalgespräche und die damit verbundene Weitergabe von Informationen zur Vermeidung des Ausspruchs von Kündigungen im Vorfeld. So sei auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass etwa in Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG die Personalakte dem Betriebsrat vorgelegt werden dürfe. Diese Informationen unterlägen der Schweigepflicht des Betriebsrates. Infolge dieser Rechtsgrundlagen ergebe sich kein beeinträchtigtes Recht des Klägers. Mit dem Antrag zu 3) wolle der Kläger dem Arbeitgeber etwas verbieten, wonach der Arbeitgeber zahlreichen gesetzlichen Vorschriften, etwa § 90 und 111, § 99 und 87 BetrVG verpflichtet sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärungen der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gemäß §§ 518, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet. Die Berufungsbegründungsfrist lief am Ostersamstag, den 15.04.2006 ab, sodass die Begründungsschrift am 18.04.2006 fristgerecht eingegangen ist.
Die Berufung des Klägers ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet.
I.
Der Arbeitgeber hat es zu unterlassen, in Personalgesprächen außerhalb mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten gegen den Willen des Klägers Mitglieder des Betriebsrates bzw. des Personalausschusses teilnehmen zu lassen (Hilfsantrag zu 1.). Der vom Kläger generell geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht hingegen nicht.
Entgegen der Berufungserwiderung ist die Frage, in welchem Umfang der Kläger berechtigt ist, seinerseits ein Betriebsratsmitglied seines Vertrauens zu einem Gespräch beizuziehen, nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Dass dies nicht immer der Fall ist, hat der Kläger in der Antragsfassung durch das Wort "gegebenenfalls" kenntlich gemacht. Gegenstand des Klagantrags ist unmissverständlich allein die Frage, inwieweit der Kläger gegen seinen Willen die Anwesenheit von (anderen) Betriebsratsmitgliedern an derartigen Gespräch dulden muss.
Gesetzliche Vorschriften, aus denen sich unmittelbar eine Beantwortung der Frage ergeben würde, bestehen nicht. Wie bei der Frage der Einsichtnahme in die Personalakte (unten II.) hat insofern eine Abwägung zwischen den kollektivrechtlich vorgesehenen Beteiligungsrechten des Betriebsrates und dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz des Persönlichkeitsrechtes des einzelnen Arbeitnehmers (Recht auf informationelle Selbstbestimmung - grundlegend BVerfG vom 15.212.1983 - NJW 84, 419) stattzufinden. Schon die vorausgehende Frage, ob überhaupt Arbeitgeber oder Arbeitnehmer wechselseitig einen Rechtsanspruch darauf haben, von dem anderen Vertragsteil die Führung eines Gesprächs über persönliche Belange auf der einen oder anderen Seite zu führen und unter welchen Voraussetzungen dieses gegebenenfalls besteht, ist gesetzlich nur unvollständig geregelt. Es ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer zur Teilnahme an einem vom Arbeitgeber gewünschten Personalgespräch verpflichtet ist. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in betrieblichen Angelegenheiten anzuhören, die seine Person betreffen, ergibt sich aus § 82 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Vorliegend hat die Beklagte mit ihrer Ladung zu dem Gespräch am 14.07.2005 selbst zu erkennen gegeben, dass Bedarf für ein solches Gespräch bestand. Insofern ist die von der Beklagten gewählte Lösung, das Gespräch überhaupt nicht zu führen, jedenfalls nicht generell geeignet, die Problemstellung zu lösen. Der Kläger stellt auch nicht in Abrede, dass die Beklagte berechtigt ist autonom zu entscheiden, welchen ihrer Mitarbeiter sie mit der Führung des Gespräches betraut. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 BetrVG müssen dies aber Personen sein, die nach Maßgabe des organisatorischen Aufbaus des Betriebes hierfür zuständig sind. Streitgegenstand ist vorliegend ausschließlich die darüber hinausgehende Beiziehung von Mitgliedern des Betriebsrates. Die Strukturen des Arbeitsrechts unterscheiden sehr grundlegend zwischen den auf vertragsrechtlicher Grundlage bestehenden Individualrechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und der kollektivrechtlichen Interessenwahrnehmung durch den Betriebsrat. Diese Grenzziehung spielt im gesamten Bereich der Ausgestaltung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in sozialen und personellen Angelegenheiten sowie deren Begrenzung eine zentrale Rolle. So wird von der Rechtsprechung zu § 99 BetrVG immer wieder betont, dass Mitbestimmungsrechte etwa nicht dazu dienen, einzelne Vertragsbedingungen zu kontrollieren (etwa BAG vom 14.12.2004 - 1 ABR 54/03 - AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 121). Auch die Ausgestaltung der vertraglichen Leistungspflichten und die Rechte des Arbeitgebers bei deren Verletzung unterliegen grundsätzlich nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates; das gilt etwa für die Erteilung einer Abmahnung (BAG vom 17.10.89 - 1 ABR 100/88 - AP § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße Nr. 12; Richardi/ Thüsing BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 228 f).
Zwar bestehen, worauf die Beklagte verweist, auch außerhalb der Mitbestimmungsrechte im engeren Sinne zahlreiche Informationsrechte des Betriebsrates, die bereits im Vorfeld geplanter Maßnahmen zu erfüllen sind (etwa aus den §§ 75, 80, 81 Abs. 2, 90; s.auch unten II.). Das Betriebsverfassungsgesetz enthält - von speziellen Einzelregelungen abgesehen - keine Vorgaben dafür, in welcher Form die Informations- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates seitens des Arbeitgebers zu erfüllen sind. Die mündliche oder schriftliche Information durch den Arbeitgeber oder die vom Arbeitgeber eingeräumte eingeräumte unmittelbare Informationsgewinnung durch den Betriebsrat selbst im Wege der Teilnahme stehen insoweit gleichberechtigt nebeneinander. Es liegt grundsätzlich in der Entscheidung des Arbeitgebers selbst, in welcher Weise er eine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Information des Betriebsrates sicherstellt. Insoweit ist es denkbar, dass der Arbeitgeber sich weitgehend für unmittelbare Teilnahmerechte des Betriebsrates scheidet .
Der Arbeitgeber hat diese Informations- und Teilnahmerechte des Betriebsrates jedoch abzuwägen gegen den Schutz der persönlichen Interessen des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers. Dabei schlägt die im Betriebsverfassungsgesetz selbst vorgesehene Stufung der Gewichtigkeit der Rechtsposition des Betriebsrates auch auf diese Abwägung gegenüber den persönlichen Interessen des Arbeitnehmers durch. Bei den ausdrücklich als gesetzliche Mitbestimmungsrechte ausgestalteten Tatbeständen können sich die kollektiven Rechte des Betriebsrates durchaus gegenüber dem Individualschutz durchsetzen. So kann es durchaus sachgerecht sein, dass an Gesprächen aus Anlass einer beabsichtigten Einstellung oder Entlassung unmittelbar Vertreter des Betriebsrats teilnehmen. Es besteht auch nicht aufgrund grundsätzlicher Erwägungen Anlass, diese Möglichkeit völlig auszuschließen. Innerhalb des vom Kläger umfassend gestellten Antrages lassen sich auch nicht nach abstrakten Kriterien einzelne Fallgruppen bilden, in denen das Persönlichkeitsrecht des Klägers sich zwingend durchsetzt (vgl. BAG vom 16.11.04 - 1 ABR 53/03 - AP § 2 BetrVG 1972 Nr. 3). Dem Hauptantrag konnte daher weder vollständig noch in Teilen stattgegeben werden. Im Bereich der nicht gesetzlich mitbestimmungspflichtigen Tatbestände sind die Interessen des Betriebsrates ohnehin auf reine Information beschränkt. Derartige notwendige Informationen kann der Arbeitgeber dem Betriebsrat unschwer selbst mündlich oder schriftlich erteilen. Eine sachimmanente Notwendigkeit, dass der Betriebsrat bereits an der Gewinnung derartiger Informationen unmittelbar teilnimmt, ist nicht gegeben. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist es anzuerkennen, wenn ein einzelner Arbeitnehmer - auch ohne Angabe von konkreten Gründen - sich durch den Betriebsrat nicht richtig vertreten fühlt und ein Vertrauensverhältnis zum Betriebsrat als nicht gegeben ansieht. Angesichts der individualrechtlichen Grundlagen des Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht ein insoweit auch rechtlich geschütztes Interesse des Arbeitnehmers, über personelle Angelegenheiten in vertraulicher Weise ausschließlich mit dem Arbeitgeber selbst zu sprechen. Die gesetzliche Schweigepflicht, die den Mitgliedern des Betriebsrates obliegt, ist nicht geeignet diese Vertraulichkeit im engeren Sinne zu gewährleisten. Deutlich wird dies gerade bei der dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Situation. Welche Umstände sowohl über seine Erkrankung als auch die verspätete Krankmeldung beim Arbeitgeber in dem Gespräch vorgetragen werden, kann der Arbeitgeber zu Beginn des Gespräches in keiner Weise absehen. In dieser Situation ist das Interesse des Arbeitnehmers an Vertraulichkeit von Informationen hoch zu gewichten. Es ist gerade Inhalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, selbst darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG aaO. unter C.II.1.a). Ggf. ist es der Beklagten zumutbar, das Einzelgespräch mit dem Arbeitnehmer und das Gespräch mit dem Betriebsrat/Personal-ausschuß getrennt zu führen .
Daran ändert im Ergebnis auch die Berufung der Beklagten auf die bestehende Arbeitsordnung nichts. Zwar gestaltet eine Arbeitsordnung das gesetzliche Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG aus. Betriebsbußen können als zusätzliche Sanktion auf kollektivrechtlicher Grundlage ausgestaltet werden (BAG vom 17.10.89 aaO; Richardi/Thüsing aaO. ). Im Ausgangsfall ist aber nicht festzustellen, dass die Beklagte sich tatsächlich auf die Arbeitsordnung stützten konnte und wollte. Regeln über die Krankmeldung sind in der Arbeitsordnung jedenfalls nicht ausdrücklich genannt - ggf. gilt unmittelbar die gsetzliche Regelung des § 5 Abs.1 EFZG. Die Arbeitsordnung sieht als Sanktion die Erteilung einer Abmahnung, wie sie dann tatsächlich erfolgt ist, nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Verhängung einer Buße nach der Arbeitsordnung tatsächlich konkret ins Auge gefasst hatte, ergeben sich aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht hinreichend eindeutig. Schließlich ist auch die Verfahrensvorschrift in § 32 der Arbeitsordnung, auf die die Beklagte sich bezieht, nicht zwingend im Sinne der Beklagten auszulegen. Zwar ist dort vorgesehen, dass der Sachverhalt mit dem Betriebsrat zu behandeln und der Werksangehörige zu hören ist. Dass dies zwingend in einem gemeinsamen Gespräch stattzufinden hat, lässt sich aus dieser Formulierung aber gerade nicht ableiten. Zwar mag sich das langjährig als betriebliche Praxis eingestellt haben. Es mag auch sein, dass der überwiegende Teil der Arbeitnehmer die Anwesenheit von Betriebsratsmitgliedern als positiv empfindet. Dies ändert aber nichts daran, dass in abweichenden Einzelfällen der Arbeitgeber auf entsprechende Bedenken des Arbeitnehmers einzugehen hat.
II.
Der Hauptantrag des Klägers zu Ziff. 3.) ist mit seinem umfassenden Inhalt unbegründet, der Hilfsantrag begründet.
Dass im Rahmen konkreter mitbestimmungspflichtiger Maßnahmen der Betriebsrat durch den Arbeitgeber zu informieren ist, hat der Kläger bereits berücksichtigt, indem der Antrag zu Ziff. 3) sich auf nicht mitbetimmmungspfichtigte Maßnahmen beschränkt.
Der Kläger kann nicht generell verlangen, dass außerhalb konkret mitbestimmungspflichtiger Vorgänge die Beklagte dem Betriebsrat bzw. dessen Ausschüssen und Mitgliedern keinerlei Informationen über seine persönlichen Verhältnisse offenbart.
Wie die Beklagte zu Recht geltend macht, ist der Arbeitgeber dem Betriebsrat gegenüber aufgrund zahlreicher Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes nicht nur bei konkreten einzelnen Maßnahmen, sondern auch über allgemeine Umstände und Entwicklungen zur Information verpflichtet (z.B. §§ 75, 81, 90 BetrVG). Daraus folgt ein entsprechender Informationsanspruch des Betriebsrates. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat generell daüber zu wachen, dass im Betrieb geltende Rechtsvorschriften eingehalten werden. § 80 Abs. 2 BetrVG sieht auch insoweit einen umfassenden Informationsanspruch des Betriebsrats vor. Diese Informations- und Kontrollrechte des Betriebsrats genießen auch im konkreten Einzelfall ggf. Vorrang vor einem Vertraulichkeitsinteresse des Arbeitnehmers. So hat etwa der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Umstand einer Schwangerschaft mitzuteilen, auch wenn die betroffene Arbeitnehmerin um Vertraulichkeit gebeten hat (BAG vom 27.2.68 - AP § 58 Nr. 1 BetrVG; GK-BetrVG/Kraft/Weber 8. Aufl. § 80 Rn. 73). Die Informationsverpflichtung bezieht sich auch auf Umstände und Tatsachen, die sich aus der Personalakte des betreffenden Arbeitnehmers ergeben können (BAG vom 20.12.1988 - 1 ABR 63/87 - AP § 92 ArbGG 1979 Nr. 5). Wie auch bezüglich des Antrages zu 1) lassen sich Innerhalb des vom Kläger umfassend gestellten Antrages nicht nach abstrakten Kriterien einzelne Fallgruppen bilden, in denen das Persönlichkeitsrecht des Klägers sich zwingend durchsetzt (vgl. BAG vom 16.11.04 aaO.). Dem Hauptantrag zu 3) konnte daher weder vollständig noch in Teilen stattgegeben werden.
In der Fassung des Hilfsantrages ist der Antrag zu 3.) hingegen begründet. Die Beklagte darf außerhalb mitbestimmungspflichtiger Tatbestände dem Betriebsrat nicht die vollständige Personalakte des Klägers zur Einsichtnahme überlassen.
Die Personalakte stellt eine komprimierte Zusammenstellung ausschließlich personenbezogener Informationen dar, die im besonderen Maße die Gewährleistung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts erfordern. Es ist daher in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit des Zugriffs dritter Personen auf Personalakten in äußerstem Maße restriktiv zu handhaben hat. Maßgeblich für eine Abwägung zwischen Persönlichkeitsschutz und berechtigten Interessen ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (etwa BAG vom 4.4.1990 - 5 AZR 299/89 - AP § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 21). Jedenfalls einen Anspruch auf Vorlage der ganzen Personalakte hat der Betriebsrat nicht (BAG vom 20.12.1988 - 1 ABR 63/87 aaO.; LAG Frankfurt vom 22.4.1984 - 4 TaBV 93/83 - NZA 85, 97). Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass die Personalakte dem Betriebsrat in G. überhaupt nicht zugänglich gemacht werden darf (Richardi/Thüsing 10. Aufl. § 83 Rn. 25). Dafür spricht die Regelung in § 83 Abs. 1 BetrVG. Selbst wenn der Arbeitnehmer ein Betriebsratsmitglied zur Einsichtnahme in seine Personalakte zur Unterstützung beizieht, gilt für dieses Betriebsratsmitglied eine spezielle Schweigepflicht sogar gegenüber anderen Betriebsratsmitgliedern. Diese Regelung würde sinnlos, wenn der Betriebsrat (bzw. Mitglieder eines Ausschusses) ohnehin die gesamte Personalakte zur Einsicht erhalten könnte. Diese Rechtsfragen brauchen im vorliegenden Rechtsstreit aber nicht umfassend entschieden zu werden. Denn jedenfalls macht der zugrundeliegende Sachverhalt deutlich, dass in keiner Weise ein sachlich begründetes Interesse erkennbar ist, warum anlässlich einer verspäteten Arbeitsunfähigkeitsmeldung die vollständige Personalakte des Klägers zum Gesprächsinhalt für den Personalausschuss gemacht werden sollte. Die gegebenenfalls erforderlichen Informationen aus der Personalakte hätte die Beklagte in derselben Situation dem Personalausschuss unschwer mündlich erteilen können. Da die Beklagte aber auch im Verlaufe des Rechtsstreits weiterhin das Recht für sich reklamiert, dem Betriebsrat bzw. Personalausschuss weitgehend undifferenziert die vollständige Akte zwecks Information zur Verfügung zu stellen, ist auch eine entsprechende Wiederholungsgefahr gegeben, die den Unterlassungsanspruch des Klägers begründet. Das Argument der Beklagten, insbesondere in Kündigungsverfahren sei es bei der Beklagten so üblich, die vollständige Personalakte vorzulegen, geht zum einen über den vom Kläger gestellten Antrag hinaus, der auf nicht mitbestimmungspflichtige Vorgänge begrenzt ist, zum anderen ist eben auch zu danach zu differenzieren, ob der Arbeitnehmer einer derartigen Vorgehensweise ausdrücklich widerspricht oder nicht.
III.
Ein Rechtsanspruch des Klägers auf Auskunftserteilung gemäß dem Antrag zu 2) besteht hingegen nicht. Einen allgemeinen Auskunftsanspruch kennt das Zivilrechtsystem des BGB nicht. Der sich aus § 34 BDSG ergebende Auskunftsanspruch ist bereits ausgeurteilt und erfüllt. Im übrigen erkennt die Rechtsprechung einen Auskunftsanspruch dann an, wenn er erforderlich ist, um den Betroffenen die Durchsetzung eines bestehenden Rechtes zu ermöglichen (vgl. Zöller-Krüger ZPO 26. Aufl. § 260 Rn. 13 ff.). Insofern ist nicht ausreichend dargelegt, welche weitergehenden Rechte des Klägers sich bei Erteilung der entsprechenden Auskunft ergeben sollten. Die von der Beklagten an den Personalausschuss bzw. dessen Mitglieder erteilten Informationen können nicht rückgängig gemacht werden. Nach Außen obliegen die Mitglieder des Personalausschusses und des Betriebsrates einer gesetzlichen Schweigepflicht. Welche Rechte gegen wen der Kläger in dieser Situation darüber hinaus meint geltend machen zu können, ist nicht näher begründet worden und auch nicht ersichtlich. Ein berechtigtes Bedürfnis für eine Auskunftserteilung ist daher nicht gegeben.
IV.
Zu Ziffer 1) des tenorierten Unterlassungsanspruches (Beteiligung von Betriebsratsmitgliedern an Personalgesprächen) war die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für die Beklagte zuzulassen. Der globale Antrag des Klägers ist hingegen für die weitere grundsätzliche Klärung von Rechtsfragen nicht geeignet. Zu Ziffer 2) und 3) ist angesichts der bereits vorhandenen Rechtsprechung ein weiteres Klärungsbedürfnis nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO unter Einbeziehung der rechtskräftigen Teil-Entscheidung der 1. Instanz.
Ende der Entscheidung
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