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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 12 Sa 274/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB §§ 249 ff. | |
BGB § 823 Abs. 1 | |
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 1 | |
ZPO § 269 Abs. 4 |
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2006 durch
den Richter am Arbeitsgericht Kubicki, den ehrenamtlichen Richter Herrn Prof. Bertrand, den ehrenamtlichen Richter Herrn Hain
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg, Az.: 3 Ca 276/04, vom 20.10.2004 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der Berufung hat die Klägerin 2/7 und die Beklagte 5/7 zu tragen.
Von den Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin 11/16 und die Beklagte 5/16.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadenersatz in Anspruch, weil sie die in ihrem Betrieb organisierten Arbeitnehmer zu einem Solidaritätsstreik aufgerufen hat.
Die Klägerin ist ein Unternehmen der Druckindustrie mit ca. 190 Mitarbeitern und Mitglied im Arbeitgeberverband der Druckindustrie Niedersachsen e. V. Auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Mitarbeiter wendet sie die mit der Beklagten abgeschlossenen Tarifverträge an.
Als 100%ige Tochter der Holdinggesellschaft "N...-M... GmbH & Co. KG" gehört sie der Unternehmensgruppe "N...-Z..." an. Diese verlegt räumlich ca. 5 km entfernt in der "N...-Z... Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG" die Tageszeitung "N...-Z...", welche ausschließlich von der Klägerin gedruckt wird. Diese erwirtschaftete Anfang 2004 ca. 60 % ihres Umsatzes mit dem Druck der N...-Z.... Darüber hinaus führte sie auch Druckaufträge anderer Zeitungsunternehmen aus.
Ursprünglich bildeten die Klägerin und die N...-Z...-Verlagsgesellschaft eine betriebliche Einheit. 1982 kam es zur Ausgliederung der Klägerin und rechtlichen Verselbständigung. Seit diesem Zeitpunkt führt sie einen eigenständigen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Sowohl bei der Klägerin als auch bei der N...-Z...-Verlagsgesellschaft sind jeweils Betriebsräte gewählt worden.
Der Geschäftsführer S... der Klägerin ist gleichzeitig auch der Geschäftsführer der N...-Z...-Verlagsgesellschaft.
Die Arbeitnehmer beider Unternehmen geben gemeinsam eine Betriebszeitschrift heraus und nehmen an gemeinschaftlich durchgeführten Betriebsfeiern teil.
Sowohl der Jahresabschluss der Klägerin als auch der Jahresabschluss der N...-Z...-Verlagsgesellschaft werden in den Konzernabschluss der N...-M... GmbH & Co. KG einbezogen.
Zur Unternehmensgruppe gehören weiter die "N...-Z... ZustellungsGmbH & Co. KG", die für die Verteilung der gedruckten Zeitungen zuständig ist, und die "N...-Z... Servicegesellschaft mbH & Co. KG", bei der Querschnitts- und allgemeine Verwaltungsaufgaben aller Gruppengesellschaften zusammengefasst sind.
Die Beklagte führte bei den Tageszeitungen einen Arbeitskampf. Erreicht werden sollte der Abschluss eines neuen Tarifvertrages für Redakteure der Tageszeitungen. Vom 12.01. bis zum 25.02.2004 wurde die N...-Z...-Verlagsgesellschaft bestreikt, es legten ca. 40 Redakteure die Arbeit nieder. Die Beklagte rief am 06.02.2004 die Mitarbeiter der Klägerin zu einem befristeten Solidaritätsstreik auf. Zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche bei ihr geltenden Tarifverträge ungekündigt. Ca. 20 Arbeitnehmer folgten diesem Appell und legten um 22.30 Uhr die Arbeit nieder. Hierdurch verzögerte sich die termingerechte Übergabe bereits fertiggestellter Zeitungen. Der Klägerin entstand ein Schaden in Höhe von 2.500,00 €.
Ursprünglich hat die Klägerin mit ihrer Klage einen Schaden in Höhe von insgesamt 7.975,47 € geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, der Aufruf zum Solidaritätsstreik sei rechtswidrig erfolgt. Es sei grundsätzlich unzulässig, an der Tarifauseinandersetzung nicht beteiligte Dritte in Arbeitskampfmaßnahmen einzubeziehen. Die nach der Rechtsprechung eng umgrenzten Ausnahmetatbestände hätten nicht vorgelegen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.975,47 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den Sympathiestreik als rechtmäßig verteidigt. Denn die Klägerin und die Verlagsgesellschaft hätten eine wirtschaftliche Einheit gebildet. Das Zeitungsverlagswesen sei gekennzeichnet durch ein Zusammenwirken verschiedenster Berufsgruppen, deren Arbeitsbedingungen in ganz unterschiedlichen Tarifverträgen geregelt seien. Daran ändere sich durch die rechtliche Verselbständigung früherer Betriebsteile nichts. Hinzu käme die firmenrechtliche Verknüpfung im Wege der Holdingstruktur. Eine enge wirtschaftliche Verflechtung sei gegeben. Hierzu hat sie behauptet, es habe auch ein Personalaustausch stattgefunden.
Mit Urteil vom 20.10.2004 hat das Arbeitsgericht Oldenburg der Klage teilweise in Höhe von 3.465,32 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2004 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es zu 2/5 der Klägerin und zu 3/5 der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte habe rechtswidrig der Klägerin einen Schaden zugefügt. Der von der Beklagten geführte Sympathiestreik sei rechtswidrig. Insbesondere liege auch keine enge wirtschaftliche Verflechtung vor, bei der ausnahmsweise ein Sympathiestreik als rechtmäßig angesehen werden könne. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf das Urteil vom 20.10.2004 (Bl. 180 bis 190 d. A.) verwiesen.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 27.01.2005 zugestellt worden. Mit einem am 14.02. 2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sie Berufung eingelegt und diese mit einem am 13.04.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 13.04.2005 verlängert worden war.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere ihre Rechtsauffassung, der dem konkreten Streitfall zugrunde liegende Sympathiestreik sei rechtmäßig. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf Erklärungen des Geschäftsführers der Klägerin S..., der die Klägerin und die N...-Z...-Verlagsgesellschaft als Einheit ansehe. Sie behauptet, die Arbeitnehmer W..., H... und T... seien von der Klägerin zur N...-Z...-Verlagsgesellschaft (bzw. von der N...-Z...-Verlagsgesellschaft zur Klägerin) in "unkomplizierter Art und Weise" versetzt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 20.10.2004, Az.: 3 Ca 276/04, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend. Der Sympathiestreik sei grundsätzlich rechtswidrig, und eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Klägerin und der N...-Z...-Verlagsgesellschaft, welche im Hauptarbeitskampf bestreikt worden ist, bestehe nicht.
Die Klägerin hat, nachdem die Parteien in der Kammerverhandlung vom 07.03.2006 eine Schadenhöhe von 2.500,00 € unstreitig gestellt haben, ihre weitergehende Klage, die den Betrag von 2.500,00 € nebst geltend gemachter Zinsen übersteigt, mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Parteien vom 13.04.2005, 20.06.2005 sowie 05.03.2006 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG, 511, 519 ZPO).
II.
Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Oldenburg hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden.
Die Beklagte schuldet der Klägerin 2.500,00 € als Schadenersatz gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB. Denn die Beklagte hat durch ihren Streik in das Recht der Klägerin an einem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, welches dem Schutz des § 823 Abs. 1 BGB unterfällt, eingegriffen. Der von der Beklagten durchgeführte Streik war auch als sog. Sympathiestreik rechtswidrig.
1.
Das Recht an einem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist allgemein als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB anerkannt (vgl. Palandt-Sprau, § 823 Rn. 20, 126; ErfK/Dietrich, Art. 9 GG Rn. 226; BAG, Urteil vom 05.03.1985, Az. 1 AZR 486/83, NZA 1985, 504 bis 508).
Ein rechtswidriger Streik verletzt dieses Recht (vgl. BAG, Urteil vom 05.03.1985, a.a.O.; Palandt, a.a.O., Rn. 130).
2.
Der von der Beklagten bei der Klägerin geführte Streik war auch rechtswidrig. Es handelt sich um einen sog. Sympathiestreik.
A
Den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen folgend, ist ein Sympathiestreik generell rechtswidrig.
a)
Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen im Allgemeinen und des Sympathiestreiks im Besonderen ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Denn das Arbeitskampfrecht ist gesetzlich nicht geregelt, vielmehr durch Richterrecht geprägt.
Allgemein wird die Zulässigkeit von Arbeitskämpfen aus Art. 9 Abs. 3 GG abgeleitet, der eine institutionelle Garantie des Arbeitskampfes enthält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04. 07.1995, AP Nr. 4 zu § 116 AFG; BAG, Urteil vom 10.06.1980, Az.: 1 AZR 690/79, AP Nr. 67 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Diese vorgegebene Norm ist wertausfüllungsbedürftig und lückenhaft. Deshalb kommt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Beurteilung der Problematik der Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen eine besondere Bedeutung zu (vgl. BAG, Urteil vom 12.03.1985, Az.: 1 AZR 636/82, NZA 1985, 537 bis 540).
b)
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat den Sympathiestreik als grundsätzlich rechtswidrig angesehen (grundlegend: BAG, Urteil vom 05.03.1985, Az.: 1 AZR 468/83, NZA 1985, 504 bis 508, und Urteil vom 12.01.1988, Az.: 1 AZR 219/86, NZA 1988, 474 bis 476). Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass die Funktion des Arbeitskampfes die Grenzen seiner Zulässigkeit bestimme. Er sei wegen seiner Hilfsfunktion für die Tarifautonomie gewährleistet und zulässig. Nur deshalb dürfe er als Instrument zur Durchsetzung tariflicher Regelungen eingesetzt werden. Ein Sympathiestreik diene nicht unmittelbar diesem Zweck. Denn er richte sich nicht gegen den Tarifpartner, mit dem ein Tarifvertrag abgeschlossen werden soll. Der von dem Sympathiestreik betroffene Unternehmer könne die Forderungen, die von den Gewerkschaften erhoben werden, nicht erfüllen. Er könne den Arbeitskampf nicht durch Nachgeben vermeiden oder zwischen Kampf und Nachgeben wählen. Er bedürfe deshalb eines größeren Schutzes als der unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffene Arbeitgeber. Das rechtfertige es, das Streikrecht der Gewerkschaften für den Regelfall auf den Streik gegen den unmittelbaren Tarifpartner zu beschränken. Durch eine solche Beschränkung werde das Streikrecht der Gewerkschaften in seinem Kerngehalt nicht angetastet.
Diesen zutreffenden Ausführungen hat das erkennende Gericht nichts weiter hinzuzufügen, es schließt sich ihnen an.
c)
Das Bundesarbeitsgericht hat im Folgenden niemals seine bereits dargestellte Rechtsauffassung zur Rechtswidrigkeit des Sympathiestreikes aufgegeben. Andere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes, aus denen die Beklagte eine Abkehr von dem Prinzip der Rechtswidrigkeit der Sympathiestreiks herleiten möchte (z. B. BAG, Urteil vom 18.02. 2003, Az.: 1 AZR 142/02, NZA 2003, 866 bis 870), betrafen nicht die Fallkonstellation eines Sympathiestreiks. Entscheidend hat das Bundesarbeitsgericht auf die Partizipation der Außenseiter an dem Ergebnis der kollektiven Auseinandersetzung abgestellt, aufgrund dessen die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Streikes nicht den Regeln und Grundsätzen des Sympathiestreikes unterworfen ist und deswegen einen solchen Streik für rechtmäßig erklärt.
d)
Die Rechtmäßigkeit eines Sympathiestreikes lässt sich auch nicht aus Art. 6 Nr. 4 der Europäischen Sozialcharta vom 18.10.1961 herleiten. Denn in dieser Bestimmung wird das Streikrecht der Arbeitnehmer im Falle von Interessenkonflikten nur anerkannt, "um die wirksame Ausübung des Rechts auf kollektive Handlungen zu gewährleisten". Die ESC sieht damit den Arbeitskampf im Dienste der Tarifautonomie; Arbeitskämpfe sind nur zum Ausgleich tariflicher Interessenkonflikte erforderlich (vgl. BAG, Urteil vom 05.03.1985, a.a.O.). Darüber hinaus stellt sie kein geltendes Bundesrecht (vgl. MünchArbR/Otto, § 286 Rn. 65), sondern Völkerrecht dar, aus dem die Bürger und Institutionen keine unmittelbaren Rechte und Pflichten ableiten können.
B
Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Ausnahmetatbestände, unter denen ein Sympathiestreik ausnahmsweise rechtmäßig ist, greifen vorliegend nicht ein.
a)
Sympathiestreiks können rechtmäßig sein, wenn entweder der von der Kampfmaßnahme betroffene Arbeitgeber zuvor seine "Neutralität" im Hauptarbeitskampf verletzt hat oder aber wenn der betroffene Arbeitgeber zwar rechtlich selbständig ist, wenn aber wirtschaftlich betrachtet nur ein Betriebsteil des im Arbeitskampf befindlichen Unternehmens betroffen wäre. Es müsste dann auf der Arbeitgeberseite eine so enge wirtschaftliche Verflechtung bestehen, dass es sich um ein und denselben sozialen Gegenspieler handelt, wenn also das bestreikte Unternehmen nicht mehr als außenstehender Dritter angesehen werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 05.03.1995, a.a.O.; BAG, Urteil vom 20.12.1963, Az.: 1 AZR 157/63, AP Nr. 34 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
b)
Die einzig in Betracht kommende Ausnahme unter dem Gesichtspunkt der engen wirtschaftlichen Verflechtung - gegen ihre Neutralitätspflicht hat die Klägerin in Bezug auf den Hauptarbeitskampf nicht verstoßen - ist nicht einschlägig. Zur Überzeugung der Kammer reichen die unstreitig vorhandenen wirtschaftlichen Verflechtungen nicht aus, um sich als enge wirtschaftliche Verflechtungen im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung beurteilen zu lassen.
aa)
Konkrete Vorgaben durch das Bundesarbeitsgericht, unter welchen Voraussetzungen eine wirtschaftliche Verflechtung anzunehmen ist, fehlen. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist eine strenger Maßstab für das Vorliegen solch enger wirtschaftlicher Verflechtungen anzunehmen. Denn die Rechtswidrigkeit eines Solidaritätsstreiks ist die Grundregel, ihre Zulässigkeit die Ausnahme. Ausnahmevorschriften werden allgemein in unserer Rechtsordnung eng ausgelegt. Dies entspricht der generellen Tendenz, die Ausdehnung von Arbeitskämpfen nicht ohne hinreichende Gründe zuzulassen, was sich nicht etwa nur einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer, sondern - wie die Begrenzung der Aussperrungsbefugnis im Arbeitskampf belegt - auch zu Lasten der Arbeitgeber auswirkt (vgl. MünchArbR/Otto, § 286 Rn. 44).
bb)
Die im Streitfall vorhandenen wirtschaftlichen Verflechtungen gehen nicht über die in einem Konzern normalerweise vorhandenen Verflechtungen hinaus, wobei unentschieden bleiben kann, ob zwischen der Klägerin und der Arbeitgeberin des Hauptarbeitskampfes ein Konzernverhältnis überhaupt vorliegt.
Im Einzelnen:
Soweit die Beklagte behauptet, es habe in drei Fällen einen unproblematischen Austausch von Arbeitnehmern gegeben, dokumentiert diese Behauptung - als richtig unterstellt - eher die fehlende wirtschaftliche Verflechtung. Angesichts der Arbeitnehmerzahl von 320 bzw. 190 stellt sich die Anzahl der Arbeitnehmer, die möglicherweise problemlos versetzt bzw. ausgetauscht worden sind, als ein verschwindend geringer Prozentanteil dar.
Die von der Klägerin für das bestreikte Unternehmen erhaltenen Druckaufträge begründen eine gewisse wirtschaftliche Verflechtung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein Ausmaß handelt, welches 50 % nicht wesentlich übersteigt. Ein bedeutender Anteil von immerhin 40 % der Druckaufträge wird für andere als das im Hauptarbeitskampf befindliche Unternehmen durchgeführt.
Die Teilidentität der Geschäftsführer, die Darstellung des Unternehmensverbundes durch diese als Einheit nach außen, sowie die gemeinsamen Betriebsfeiern und die einheitlich von den Arbeitnehmern herausgegebene Zeitung haben durchaus ein gewisses Gewicht.
Insgesamt gesehen treten diese Umstände jedoch aufgrund folgender Gesichtspunkte zurück:
Wie bereits das Arbeitsgericht Oldenburg zutreffend dargestellt hat, ist bereits bei äußerer Betrachtung eine Einheit nicht erkennbar. Die Arbeitnehmer wirken nicht räumlich zusammen. Die beiden Unternehmen sind schon seit ihrer Spaltung vor 25 Jahren eigene Wege gegangen. Sie nutzen keine gemeinsamen Einrichtungen, die Belegschaft sieht sich nicht als Einheit, ein gemeinsamer Betriebsrat, der das verkörpern würde, existiert nicht. Es gibt keine ineinandergreifenden Produktionsprozesse. Vielmehr handelt es sich um eine schlichte Kapitalbeteiligung, die in unserem modernen Wirtschaftsleben üblich ist und immer stärker in den Vordergrund tritt.
Die wirtschaftliche Verflechtung in dem zu entscheidenden Streitfall geht nicht über das hinaus, was durch einen bloßen Konzernbezug vermittelt wird. Wollte man einen solchen Konzernbezug zulassen, dann würde man das bereits dargestellte strenge Regel-Ausnahmeprinzip verändern. Dies hält die Kammer für rechtswidrig.
Demgegenüber kommt es auch nicht darauf an, ob Sympathiestreiks der historischen Tradition im Druck- und Verlagswesen entsprechen. Die tatsächlichen Gegebenheiten, die zur Rechtfertigung dieser Tradition angeführt werden, nämlich die Zersplitterung einer Tarifeinheit in einem Betrieb, lassen sich im vorliegenden Streitfall bei der Klägerin gerade nicht vorfinden. Im Übrigen ist in den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Rechtsgrundsätzen keine Ausnahme unter dem Gesichtspunkt einer historisch gewachsenen Tradition zu erkennen.
3.
Als Folge des rechtswidrigen Streiks ergibt sich die Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz in Höhe von 2.500,00 €. Den durch den Streik verursachten Schaden haben die Parteien in der Kammerverhandlung vom 07.03.2006 unstreitig gestellt. In Höhe der weitergehenden Klagforderung hat die Klägerin ihre Klage teilweise zurückgenommen und lediglich die Geltendmachung des unstreitigen Schadens in Höhe von 2.500,00 € nebst erstinstanzlich zugesprochener Zinsen verfolgt. Gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 ZPO bedurfte es keiner Abänderung des erstinstanzlichen Urteilstenors in Bezug auf die Hauptsache.
III.
Die Kostenentscheidung resultiert aus § 92 ZPO.
Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zuzulassen. Insbesondere ist von grundsätzlicher Bedeutung, unter welchen Voraussetzungen eine enge wirtschaftliche Verflechtung, die einen Sympathiestreik rechtmäßig erscheinen lässt, anzunehmen ist.
Ende der Entscheidung
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