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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 12.09.2008
Aktenzeichen: 12 Sa 903/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 6
Einen Anspruch auf Freizeitausgleich eines teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds wegen der Teilnahme an einem Seminar nach § 37 VI BetrVG außerhalb der Arbeitszeit steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber in weit überwiegendem Maß nur Teilzeitarbeitnehmer beschäftigt. Der Anspruch auf Freizeitausgleich ist nach § 37 VI S. 2 BetrVG begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Dabei ist es nicht erforderlich, dass in der Abteilung des Betriebsratsmitglieds Vollzeitarbeitnehmer tätig sind.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 903/08

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Mestwerdt, den ehrenamtlichen Richter Herrn Bertrand, den ehrenamtlichen Richter Herrn Purps für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 14.05.2008 - 2 Ca 661/07 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Freizeitausgleich in Höhe von 58,5 Stunden zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Freizeitausgleich wegen der Teilnahme der Klägerin an mehreren Betriebsratsschulungen.

Die Klägerin ist Mitglied des bei der Beklagten bestehenden 15köpfigen Betriebsrates. Die Beklagte vertreibt Presseerzeugnisse, im Wesentlichen Produkte der N.-Zeitung. Sie beschäftigt 1.418 Mitarbeiter, davon 15 in Vollzeit. 12 Vollzeitkräfte sind als Gebietsbeauftragte tätig, die einstellungs- und entlassungsbefugt gegenüber Arbeitnehmern in ihrem Zustellbezirk sind und an der Wahl des Betriebsrats nicht teilgenommen haben. Die Beklagte beschäftigt weitere 2 Vollzeitkräfte im Sekretariat mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 35 Stunden sowie dort weitere Teilzeitkräfte.

Die Klägerin ist teilzeitbeschäftigt mit einer Arbeitszeit von ca. 2,5 Stunden täglich. Sie bearbeitet frühmorgens im Büro die Reklamationen aus dem Zustellbetrieb. In diesem Bereich sind keine Vollzeitkräfte tätig.

Die Klägerin nahm im September 2006, November 2006 sowie im Juni 2007 an einwöchigen Betriebsratsschulungen zur Einführung in die Arbeit des Betriebsrates teil. Es fielen jeweils 40 Seminarstunden an. Die Erforderlichkeit der Seminare für die Tätigkeit der Klägerin als Betriebsratsmitglied ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Beklagte vergütete die ausgefallene Arbeitszeit der Klägerin gemäß Lohnausfallprinzip und rechnete für September 2006 10,25 Stunden, für November 2006 13,75 Stunden und für Juni 2007 12,5 Stunden ab.

Mit der Klage begehrt die Klägerin Freizeitausgleich für die Teilnahme an den Schulungen in Höhe der von ihr errechneten Differenz zwischen den vergüteten Stunden und einer wöchentlichen Stundenzahl von 35. Sie hat behauptet, der Betriebsrat habe jeweils einen ordnungsgemäßen Entsendebeschluss gefasst. Unerheblich sei, dass die Beklagte ganz überwiegend nur Teilzeitkräfte beschäftige. Teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder müssten sonst mehr Freizeit für die Schulungen zur Verfügung stellen als Vollzeitbetriebsräte. Dies liege ein Verstoß gegen § 4 TzBfG.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Freizeitausgleich in Höhe von 58,5 Stunden zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und die Auffassung vertreten, bei einem Betrieb mit nur unerheblich wenigen Vollzeitkräften könne ein teilzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied nur in dem Umfang Freizeitausgleich beanspruchen, wie in seinem Arbeitsbereich - vorliegend im Bereich des Zustellgewerbes - üblich gearbeitet werde. Anderenfalls liege eine Besserstellung teilzeitbeschäftigter Betriebsratsmitglieder vor. Die Beklagte hat die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten.

Mit Urteil vom 14.05.2008 hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Klage abgewiesen unter Hinweis darauf, ein ordnungsgemäßer Entsendebeschluss des Betriebsrates sei nicht dargelegt worden. Zudem sei § 37 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG nicht auf Betriebe anzuwenden, die überhaupt keine bzw. eine nahezu zu vernachlässigende Anzahl von Vollzeitmitarbeitern beschäftigten. Die Begrenzung des Freizeitausgleichanspruches des teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers komme dann zum Tragen, wenn die Arbeitszeit des teilzeitbeschäftigten Betriesratsmitglieds von der üblichen Arbeitszeit abweiche. Dabei sei der betriebsübliche Umfang der Arbeitszeit derjenige eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Im Normalfall gebe es einen Mix zwischen Vollzeitmitarbeitern und Teilzeitkräften. Bei einem wie vorliegend gegebenen Verhältnis von 1.418 Mitarbeitern insgesamt und lediglich 15 Vollzeitmitarbeitern außerhalb des Tätigkeitsbereiches der Klägerin könne das teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglied nicht die Gleichstellung mit einer Vollzeitkraft beanspruchen. Dies führe zu einer unzulässigen Bevorzugung.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 10.06.2008 zugestellte Urteil am 24.06.2008 Berufung eingelegt und diese am 31.07.2008 begründet.

Die Klägerin behauptet unter Vorlage von Einladungen zu den Betriebsratssitzungen vom 31.07.2006, 18.09.2006 und 23.04.2007 sowie den Protokollen der jeweiligen Betriebsratssitzungen, der Betriebsrat habe mit der anwesenden Mehrheit seiner Mitglieder jeweils die Entsendung der Klägerin zu den Seminaren beschlossen. Der beantragte Freizeitausgleich für die Klägerin stelle auch keine Besserstellung gegenüber den anderen Teilzeitbeschäftigten dar, da die Klägerin an erforderlichen Schulungen teilgenommen und sogar darüber hinaus noch über die wöchentliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft hinaus für den Betrieb gearbeitet habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 14.05.2008 - 2 Ca 661/07 - abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und verteidigt die angefochtene Entscheidung. Auch den in der Berufungsinstanz vorgelegten Unterlagen sei nicht zu entnehmen, dass es zu einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrates gekommen sei. Die Protokolle seien zum Nachweis der Abstimmung ungeeignet; zwei ehemalige Betriebsratsmitglieder hätten am 11.10. und 15.10.2007 darauf hingewiesen, dass Beschlüsse als einstimmig protokolliert worden seien, obwohl dies nicht den Tatsachen entsprochen habe. Es ergebe sich aus den Anwesenheitslisten auch nicht, dass alle Anwesenden tatsächlich mit abgestimmt hätten.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 30.07.2008 und die Berufungserwiderung der Beklagten vom 06.08.2008 sowie auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung. Die Kammer hat Beweis erhoben über die Beschlussfassung des Betriebsrates in Bezug auf die Entsendung der Klägerin zu den streitgegenständlichen Seminaren durch Vernehmung des sistierten Zeugen K. Diesbezüglich wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2008.

Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Die Klägerin hat nach § 611 BGB i. V. m. § 37 Abs. 3 Satz 1, Absatz 6 Satz 1 und 2 BetrVG einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung in der zwischen den Parteien unstreitigen Höhe unter Fortzahlung ihres Arbeitsentgeltes.

1. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen war. Nach § 37 Abs. 6 Satz BetrVG gilt dies entsprechend für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch dann vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt. Nach § 37 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz ist in diesem Fall der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Abs. 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers.

a) Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen liegen vor. Die Teilnahme an den streitgegenständlichen Schulungsveranstaltungen war erforderlich im Sinne von § 37 Abs. 6 Satz 1, weil sie Kenntnisse vermittelt hat, die für die Arbeit der Klägerin im Betriebsrat erforderlich sind. Dies ist zwischen den Parteien nach der Erklärung der Beklagten zu Protokoll der Güteverhandlung vom 14.01.2008 (Bl. 30 d. A.) nicht im Streit.

b) Die Teilnahme der Klägerin an den streitgegenständlichen Betriebsratsseminaren erfolgte aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit. Betriebsbedingte Gründe liegen dann vor, wenn bestimmte Gegebenheiten und Sachzwänge innerhalb der Betriebssphäre dazu geführt haben, dass Betriebsratsarbeit nicht während der Arbeitszeit erledigt werden kann (BAG, Urteil vom 10.11.2004 - 7 AZR 131/04 Rn. 17 -). Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung können sich dabei sowohl hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit auch hinsichtlich des Umfangs der Arbeitszeit ergeben (BAG, Urteil vom 16.02.2005 - 7 AZR 330/04 - Rn. 19). Die Beklagte beschäftigt überwiegend Teilzeitarbeitnehmer im Zustellbetrieb. Die Beschäftigung von Teilzeitarbeitnehmern ist damit Teil der betrieblichen Organisation und gehört damit grundsätzlich zur Sphäre der Beklagten (vgl. BT Druck 14/5741 S. 41). Auch die Lage der Arbeitszeit der Klägerin ist dadurch gekennzeichnet, dass sie parallel zu den im Zustellbetrieb tätigen Zusteller den Reklamationsdienst im Büro zu erledigen und zu organisieren hat. Sie arbeitet morgens vor 8.00 Uhr. Damit wird auch die Lage der Arbeitszeit durch die betriebliche Arbeitszeitgestaltung geprägt. Sowohl der Umfang der Arbeitszeit der Klägerin wie auch die Lage der Arbeitszeit der Klägerin haben somit dazu geführt, dass die Schulung der Klägerin außerhalb ihrer Arbeitszeit erfolgt ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es für die Begründung des Ausgleichsanspruchs unerheblich, dass sie nahezu ausschließlich Teilzeitkräfte beschäftigt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, dass bestimmte Betriebe, die durch überwiegende Teilzeitbeschäftigung geprägt sind, vom Geltungsbereich der Norm ausgenommen werden sollten. Der Wortlaut des § 37 Abs. 6 BetrVG sieht eine einschränkende Anwendung auf Betriebe mit einer "normalen" Beschäftigtenstruktur nicht vor. Der Gesetzgeber wollte im Gegenteil den teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern einen gegenüber der alten Rechtslage weitergehenden Ausgleichsanspruch einräumen (BT-Drucks. 14/5741 S. 41); die Teilzeitbeschäftigung sollte deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers gerade als Besonderheit der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung im Sinne von § 37 Abs. 6 Satz 2 BetrVG anerkannt werden (vgl. BT Drucksachen 14/5741 S. 41; BAG, Urteil vom 10.11.2004 - 7 AZR 131/04 Rn. 19; BAG Urteil vom 16.02.2005 - 7 AZR 330/04 Rn. 19).

Die Betriebsstruktur der Beklagten stellt sich auch nicht als so ungewöhnlich dar, als dass davon ausgegangen werden kann, der Gesetzgeber habe einen Betrieb wie den der Beklagten nicht erfassen wollen. Auch in anderen Branchen (Gebäudereinigung etc.) werden überwiegend Teilzeitarbeitnehmer beschäftigt. Denkbar ist es, dass in einem Betrieb nur teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer tätig sind; auch dann greift der Freizeitausgleichsanspruch des § 37 Abs. 6 BetrVG (BAG, Urteil vom 16.02.2005 7 AZR 330/04 - Rn. 24). Betriebsbedingte Gründe i.S.v. § 37 Abs. 6 Satz 2 BetrVG liegen deshalb vor.

c). Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Freizeitausgleich bis zur Höhe von 35 Wochenstunden.

aa). Seinem Umfang nach ist der Ausgleichsanspruch begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers nach § 37 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG. Vollzeitbeschäftigt ist ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag über die einem Arbeitstag üblicherweise entsprechende Zeit hat. Die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers kann daher nur eine Arbeitszeit sein, deren Dauer sich im Rahmen der für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer allgemein üblichen regelmäßigen Arbeitszeiten bewegt. Grundsätzlich ist dabei nach der Rechtsprechung des BAG (BAG, Urteil vom 16.02.2005 - 7 AZR 330/04 Rn. 25) auf die Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebes der Beklagten abzustellen. Sollte diese jedoch unterschiedlich festgelegt sein, z. B. für verschiedene Abteilungen oder Arbeitnehmergruppen, kommt es für den Umfang des Ausgleichsanspruchs der Klägerin auf die Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer der Abteilung oder Arbeitnehmergruppe an, der die Klägerin angehört. Lässt sich nicht ermitteln, mit welcher Arbeitszeit ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in dieser Abteilung tätig wäre, so ist auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, der die gleiche oder eine ähnliche Tätigkeit ausübt wie das entsandte Betriebsratsmitglied, abzustellen. Fehlt ein solcher Arbeitnehmer, ist die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 4 TzBfG anhand des für den Betrieb der Beklagten fachlich geltenden Tarifvertrages, bei Fehlen eines solchen nach der Branchenüblichkeit zu bestimmen.

bb). Danach besteht der geltend gemachte Anspruch auf Freizeitausgleich.

Maßgeblich ist nach der Prüfungsabfolge des BAG zunächst die Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebes der Beklagten. Diese beträgt nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung 35 Stunden. In diesem Umfang arbeiten jedenfalls die vollzeitbeschäftigten Sekretärinnen. Andere Arbeitnehmer, die in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis mit der Beklagten stehen und eine andere wöchentliche Stundenzahl als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu arbeiten haben, gibt es nicht. Die Gebietsbeauftragten sind nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG nicht Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG; ob diese auch 35 Wochenstunden arbeiten, bedurfte deshalb keiner weiteren Klärung. Damit begrenzt sich der Freizeitausgleichsanspruch der Klägerin auf die im Betrieb der Beklagten für Vollzeitbeschäftigte geltende 35-Stunden-Woche.

cc). Eine weitergehende Differenzierung nach Betriebsabteilungen ist nach der Prüfungsabfolge des BAG nur dann vorgesehen, wenn in den einzelnen Abteilungen unterschiedliche Arbeitszeiten für Vollzeitbeschäftigte gelten. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist deshalb nicht ausschließlich auf den Arbeitsbereich der Klägerin abzustellen, in dem es unstreitig keine vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer gibt. Es ist auch nicht auf die durchschnittliche Arbeitszeit der Klägerin oder auf die durchschnittliche Arbeitszeit aller im Zustellbereich beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen. Eine solche Beschränkung sieht das Gesetz nicht vor. Die Klägerin wird als Betriebsratsmitglied auch nicht unzulässig i.S.v. § 78 Satz 2 BetrVG begünstigt, indem sie Freizeitausgleich bis zur Höhe von 35 Wochenstunden erhält. Diesem Freizeitausgleich stehen erbrachte Schulungsstunden gegenüber. Es entsprach gerade dem Willen des Gesetzgebers, mit der Novellierung von § 37 Abs. 6 BetrVG den teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern, die außerhalb ihrer Arbeitszeit geschult werden, auch einen entsprechenden Ausgleichsanspruch zu gewähren (BT Druck 14/5741 S. 41). Die umfangmäßige Begrenzung soll lediglich verhindern, dass sie bessergestellt werden als vollzeitbeschäftigte Kollegen im Betrieb.

Gibt es somit im Betrieb der Beklagten keine andere wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte wie 35 Stunden, so hat sich der Freizeitausgleichsanspruch der Klägerin daran zu orientieren.

2. Der Betriebsrat der Beklagten hat die Teilnahme der Klägerin an den streitgegenständlichen Betriebsratsseminaren nach § 33 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG ordnungsgemäß beschlossen.

Der Betriebsrat war beschlussfähig nach § 33 Abs. 2 BetrVG. Dies ergibt sich anhand der von der Klägerin zu den Akten gereichten Protokollen der Betriebsratssitzungen vom 31.07.2006, 18.09.2006 und 23.04.2007 sowie auf der Grundlage der Aussage des Zeugen K. Dieser hat nach Überzeugung der Kammer glaubhaft und glaubwürdig bekundet, dass jeweils die Mehrzahl der Mitglieder des Betriebsrates an der jeweiligen Beschlussfassung teilgenommen und die Entsendung der Klägerin beschlossen hat. Es war erkennbar, dass dem Zeugen lediglich daran gelegen war, nur das zu bekunden, dass er tatsächlich noch wusste. Er hat offen und ruhig ausgesagt. Dass er, nachdem es Widersprüche im Hinblick auf die Führung des Protokolls gab, seine Aussage korrigiert hat, spricht weder gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage noch die Glaubwürdigkeit des Zeugen. Der Zeuge hatte die Spalten erkennbar verwechselt.

Soweit zwei Betriebsratsmitglieder im Oktober 2007 und damit erhebliche Zeit nach den streitgegenständlichen Betriebsratssitzungen ihren Rücktritt damit begründet haben, dass Beschlüsse als einstimmig protokolliert wurden, obwohl sie nicht einstimmig gefasst waren, begründet das keine Zweifel an der Aussage des Zeugen. Der Zeuge hat insoweit eingeräumt, dass es gelegentlich längerer Beratung mit den beiden Betriebsratskolleginnen und -kollegen bedurfte. Ob tatsächlich in allen Fällen eine zutreffende Protokollierung erfolgt ist, kann aber auch dahinstehen. An der Betriebsratssitzung vom 31.07.2006 haben weder Frau K. noch Herr T. teilgenommen. Der Zeuge hat auch auf Frage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten das Namenskürzel hinter dem Betriebsratsmitglied M. als dessen Unterschrift identifiziert. Die Kammer hat deshalb keinen Zweifel daran, dass alle 8 Betriebsratsmitglieder, die auf den Stundenzetteln unterschrieben haben, tatsächlich auch bei der Beschlussfassung am 31.07.2006 in Bezug auf die Entsendung der Klägerin anwesend waren und dieser zugestimmt haben.

In Bezug auf die Betriebsratssitzung vom 18.09.2006 ist im Hinblick auf die Einwände der Beklagten zu bedenken, dass auch an dieser Sitzung das Mitglied T. nicht teilgenommen hat. Teilgenommen haben an dieser Sitzung insgesamt 13 von 15 Betriebsratsmitgliedern. Im Hinblick darauf folgt die Kammer ebenfalls der Aussage des Zeugen A., dass die Mehrheit der Mitglieder der Entsendung der Klägerin zugestimmt hat.

An der Betriebsratssitzung vom 23.04.2007 haben 15 Mitglieder teilgenommen. Aus welchen Gründen dort i. A. T. aufgeführt ist, ist unerheblich. Durchgreifende Zweifel daran, dass mit der Mehrheit der Betriebsratsmitglieder die Entsendung der Klägerin zu dem letzten streitgegenständlichen Seminar beschlossen wurde, bestehen auf der Grundlage des Aussage des Zeugen A. für die Kammer nicht.

Auf die Berufung der Klägerin war das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück deshalb abzuändern und der Klage zu entsprechen. Dass rechnerisch sich bei einer 35 Stunden Woche unter Berücksichtigung der gezahlten Stunden tatsächlich ein Freizeitausgleichsanspruch von 68,5 Stunden ergibt, konnte nicht berücksichtigt werden (§ 308 Abs. 1 ZPO)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

II. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Die nach der Novellierung von § 37 Abs. 6 BetrVG bestehenden Rechtsfragen sind auf der Grundlage der Entscheidungen des BAG vom 10.11.2004 und 16.02.2005 geklärt.

Ende der Entscheidung

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