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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 22.08.2008
Aktenzeichen: 12 TaBV 14/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 3
Eine auf der Grundlage eines Tarifvertrages nach § 3 BetrVG durchgeführte Betriebsratswahl ist nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

12 TaBV 14/08

In dem Beschlussverfahren

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 22. August 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Mestwerdt, den ehrenamtlichen Richter Herrn Bertram, den ehrenamtlichen Richter Herrn Heyer beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Celle vom 29. Januar 2008 - 1 BV 5/07 - abgeändert:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Mandat des Antragstellers erloschen ist.

Der Antragsteller ist der im Baumarkt Bad E-Stadt gewählte Betriebsrat. Zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl war der Baumarkt Bad E-Stadt eine Betriebsstätte der M. OHG (im Folgenden M.). Die Antragsgegnerin betreibt bundesweit Baumärkte unter der Firmierung t. BauMarkt GmbH. Mit Kaufvertrag vom 16.05.2007 erwarb die Antragsgegnerin mit Wirkung zum 01.09.2007 von der Firma M. 133 Baumärkte, darunter den Baumarkt Bad E-Stadt. In 125 dieser Baumärkte waren örtliche Betriebsräte gebildet.

Die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen im Unternehmen der Antragsgegnerin richten sich nach dem am 10.09.1999 mit der Gewerkschaft HBV im Rahmen eines Zusammenschlusses von Baumärkten verschiedener Unternehmen geschlossenen Zuordnungstarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Ziffer BetrVG 1972 (im Folgenden: Zuordnungs-TV 1999). Dort heißt es u. a.:

"§ 2 Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben

Um die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern und ein erfolgreiches Zusammenwirken zwischen Arbeitnehmern und Geschäftsleitung in Fragen der Betriebsverfassung zu gewährleisten, sind sich die Parteien einig, nach § 3 Abs. 1 Ziffer 3 des Betriebsverfassungsgesetzes eine abweichende Regelung über die Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben vorzunehmen. Zu diesem Zweck wird das Filialnetz einschließlich der Zentrale in folgende vier Regionen aufgeteilt, die sich im Einzelnen aus der beiliegenden Anlage 1 (Kreisgrenzenkarte) ergeben.

Region Nord

Region Ost

Region Süd I

Region Süd II.

Sämtliche in der jeweiligen Regelung gelegenen Betriebsstätten werden untereinander zugeordnet mit Folge, dass die in dieser Region tätigen Mitarbeiter gemeinsam einen Betriebsrat wählen, dessen Zuständigkeit sich auf alle zusammengefassten Betriebsstätten erstreckt.

§ 3 Neue Betriebsstätten

Die Regelung des § 2 gilt auch für als Betriebsteile oder Nebenbetriebe anzusehende Betriebsstätten, die während der Laufzeit des Vertrages durch eine der vertragschließenden Unternehmen errichtet oder übernommen werden."

Nach dem Verhandlungsprotokoll vom 13.09.1999 waren sich die Tarifvertragsparteien darüber einig, dass bei Übernahme neuer Baumärkte mit bestehenden Betriebsräten in den einzelnen Märkten Überleitungsregelungen zum Zwecke ihrer Integration in den Zuordnungs-TV 1999 erarbeitet werden sollten. Der Zuordnungs-TV 1999 wurde am 05.01.2000 vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung genehmigt. Er ist ungekündigt. Erstmalig im Jahr 2000 und sodann regelmäßig wurden auf der Basis des Zuordnungs-TV 1999 Regionalbetriebsräte gewählt. Der Beteiligte zu 3) ist der für die Region Nord gewählte Betriebsrat. Bad E-Stadt gehört räumlich zum Gebiet der Region Nord.

Die Antragsgegnerin schloss mit der Gewerkschaft ver.di am 06.08./18.08.2007 einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG 2001 (im Folgenden TV 2007) zur Schaffung zusätzlicher betriebsverfassungsrechtlicher Vertretungen der Arbeitnehmer/Innen (Vertrauensleute). Der TV 2007 gilt für alle im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Baumärkte der Antragsgegnerin. Nach § 2 Abs. 2 TV 2007 ist Aufgabe der zusätzlichen betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung, eine zweckdienliche Kommunikation mit dem jeweils zuständigen Regionalbetriebsrat zu gewährleisten. Nach der ersten Protokollnotiz zum TV 2007 haben die Tarifvertragsparteien vereinbart, dass die erste zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Interessenvertretung im Sinne des TV 2007 nicht extra gewählt, sondern nach bestimmten Grundsätzen aus dem Kreis der gewählten Betriebsratsmitglieder der M. Baumarktbetriebe bestimmt wird. Die Präambel der ersten Protokollnotiz zum TV 2007 lautet diesbezüglich wie folgt:

"Mit dem Kauf der in der Anlage verzeichneten M. Baumarktbetriebe durch die t. BauMarkt GmbH mit Wirkung ab 01.08.2007 oder später und deren Zusammenschluss mit den in der t. BauMarkt GmbH bestehenden Betrieben unter Beachtung von § 111 Satz 3 Ziffer 3 BetrVG und unter der Voraussetzung, dass die übernommenen M. Baumarktbetriebe in die jeweiligen t. BauMarkt Betriebe eingegliedert werden, gilt der Tarifvertrag gemäß § 3 Abs. 5 BetrVG mit folgender Maßgabe: ..."

Mit Wirkung zum 01.09.2007 sind 133 M. Baumärkte im Wege von Betriebsübergängen auf die Antragsgegnerin übergegangen. Zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges hatten die vier gewählten Regionalbetriebsräte 76 Mitglieder, nämlich in der Region Nord 21, in der Region Ost 21, in der Region Süd I 15 und in der Region Süd II 19 Mitglieder. Nach Übernahme der 133 Baumärkte besteht die Betriebsorganisation der Antragsgegnerin nunmehr aus 385 Baumärkten mit ca. 14.000 Arbeitnehmern. In der Region Nord und in der Region Ost sind nach der Übernahme der M. Baumärkte Neuwahlen durchgeführt worden. Der Regionalbetriebsrat Nord hat jetzt 31, der Regionalbetriebsrat Ost 25 Mitglieder. Die Arbeitnehmer im Baumarkt Bad E-Stadt haben an der Wahl teilgenommen. Am 13.06.2008 wurde das Wahlergebnis bekannt gemacht. Die Wahl wurde nicht angefochten.

Am 03.09.2007 erhielten die Mitarbeiter des Baumarktes in Bad E-Stadt eine vom 30.08.2007 datierende Unterrichtung der Firma M. unterschrieben sowohl vom Personalleiter der Firma M. wie auch dem Personalleiter der Antragsgegnerin F.. In Ziffer 5 dieses Schreibens wird darauf hingewiesen, dass nach dem Betriebsübergang die im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Mitbestimmungsrechte nicht mehr durch den örtlichen Betriebsrat, sondern künftig durch den bei der Antragsgegnerin jeweils bestehenden Regionalbetriebsrat wahrgenommen werden.

Am 03. und 04.09.2007 gab die Antragsgegnerin die neue Personalführungsstruktur bekannt. Die Personalverantwortung im Sinne von §§ 99, 102 BetrVG wird jetzt durch die zentrale Personalverwaltung wahrgenommen. Die örtlichen Leitungsaufgaben obliegen dem Marktleiter R.. Er erstellt Dienst- und Schichtpläne, die konkreten Vertretungs- und Pausenregelungen sowie die Urlaubsplanung vor Ort.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Betriebsstätte Bad E-Stadt sei vor wie nach dem Übergang auf die Antragsgegnerin eigenständiger Betrieb im Sinne von § 1 BetrVG 2001, gelte jedenfalls aber nach § 4 Abs. 1 BetrVG als solcher. Die Betriebsidentität bestehe auf Grund ausreichender Kompetenzen des örtlichen Marktleiters fort. Das Mandat des Antragstellers sei deshalb nicht erloschen.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Mandat des Antragstellers auch nach dem Übergang des Betriebes des Baumarktes Bad E-Stadt, E-Straße, Bad E-Stadt auf die Arbeitgeberin per 01.09.2007 fortbesteht

2. der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, den Antragsteller in Ausübung seiner Tätigkeit dadurch zu behindern, dass gegenüber den Arbeitnehmern des Baumarktes Bad E-Stadt behauptet wird, der Antragsteller bestehe nicht mehr.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen

und die Auffassung vertreten, auf der Grundlage des Zuordnungstarifvertrages 1999 in Verbindung mit dem Tarifvertrag 2007 ergebe sich, dass nach dem Übergang der Filiale Bad E-Stadt auf die Antragsgegnerin der Regionalbetriebsrat Nord zuständig sei.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen mit Beschluss vom 29.01.2008 stattgegeben. Der Baumarkt Bad E-Stadt erfülle die Voraussetzungen eines Betriebsteils im Sinne von § 4 BetrVG mit einem Marktleiter, der in erforderlichem Maße auch nach dem Übergang des Betriebes Arbeitgeberfunktionen wahrnehme. Das Mandat sei nicht durch den Zuordnungs-TV 1999 sowie des TV 2007 entfallen. Der Zuordnungs-TV 1999 sei rechtswidrig, da eine Zusammenfassung eigenständiger Betriebe durch Tarifvertrag in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 1 BetrVG 1972 nicht möglich gewesen sei. Die Regelungen des Zuordnungs-TV 1999 beträfen darüber hinaus ausschließlich Betriebsteile und Nebenbetriebe, nicht jedoch selbständige Betriebe wie die Betriebsstätte Bad E-Stadt. Auch nach § 3 BetrVG 2001 sei der Tarifvertrag rechtswidrig, da die Zusammenfassung der Baumärkte zu Regionen nicht der sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der 14.000 Arbeitnehmer diene. Bezüglich der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird verwiesen auf den angefochtenen Beschluss.

Die Antragsgegnerin hat gegen den ihr am 06.02.2008 zugestellten Beschluss am 11.02.2008 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 06.05.2008 am 06.05.2008 begründet. Der Zuordnungs-TV 1999 sei sowohl nach altem wie auch nach neuem Recht wirksam. Er erfasse nicht nur Betriebsteile und Nebenbetriebe im Sinne des § 4, sondern auch echte Betriebe im Sinne von § 1 BetrVG. Auch die in § 3 Zuordnungs-TV 1999 geregelte Erfassung "neuer Betriebsstätten" sei rechtlich zulässig. Betriebsverfassungsrechtlich gelte deshalb nach § 3 Abs. 5 BetrVG 2001 die Region Nord als "ein Betrieb". Der Baumarkt Bad E-Stadt sei deshalb nach Übergang auf die Antragsgegnerin Bestandteil des Regionalbetriebes Nord geworden. Der Zuordnungs-TV 1999 erfülle auch die Dienlichkeitsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG 2001, weil er in den vormals acht betriebsratslosen Betriebsstätten nunmehr für eine betriebsverfassungsrechtliche Vertretung sorge und darüber hinaus mehr Freistellungen und Spezialisierungsmöglichkeiten für die Betriebsräte biete. Ob Betriebsübergang und Eingliederung eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Ziffer 3 BetrVG 2001 darstelle, sei nicht erheblich, weil eine Verletzung der Beteiligungsrechte nicht zur Unwirksamkeit einer durchgeführten Betriebsänderung führe. Nach der nicht angefochtenen Neuwahl des Regionalbetriebsrates Nord bestehe ein Mandat des Antragstellers in keinem Fall mehr.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Celle vom 29.01.2008 - 1 BV 5/07 - abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 3) schließt sich dem Antrag der Antragsgegnerin an.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass festgestellt wird zu Ziffer 1), dass das Mandat des Antragstellers für den Betrieb des Baumarktes Bad E-Stadt, E-Straße, Bad E-Stadt fortbesteht.

Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er hat in der mündlichen Anhörung zum Ausdruck gebracht, dass es ihm um die Feststellung des Fortbestandes seines Mandates zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung geht. Auch durch die nicht angefochtene Wahl zum Regionalbetriebsrat Nord sei das Mandat des Antragstellers nicht erloschen. Die auf der Grundlage des rechtswidrigen ZuordnungsTV 1999 durchgeführte Betriebsratswahl sei nichtig, einer Anfechtung habe es nicht bedurft. Die Tarifvertragsparteien hätten beim Zuordnungs-TV 1999 ihre Regelungsbefugnis überschritten, indem sie die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 BetrVG a. F. nicht beachtet hätten. Insbesondere fehle es an der erforderlichen Dienlichkeit der Regelungen. Der Grundsatz der möglichen ortsnahen und effektiven Vertretung der Arbeitnehmer im Betrieb werde ins Gegenteil verkehrt. Da ein Interessenausgleichsverfahren nach § 111, 112 BetrVG nicht stattgefunden habe, könne sich die Antragsgegnerin auch nicht auf den vollständigen Zusammenschluss der hinzugekommenen M. Baumärkte mit dem Leitungsapparat in A-Stadt berufen.

Mit Beschluss vom 22.05.2008 wurde der C. an dem Verfahren beteiligt. Bezüglich des weiteren Vortrages der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin vom 06.05.2008 sowie die weiteren Schriftsätze vom 16.07.2008 und 15.08.2008, auf die Beschwerdeerwiderung des Antragstellers vom 21.05.2008 sowie die weiteren Schreiben vom 23.07.2008 und 14.08.2008 und bezüglich des Vortrages des Beteiligten zu 3) auf den Schriftsatz vom 03.07.2008 sowie schließlich auf die Erörterung in der mündlichen Anhörung vom 22.08.2008.

II. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Das Mandat des Antragsstellers ist erloschen.

1. Neben dem Antragsteller und der Antragsgegnerin war als weiterer Beteiligter nach § 83 Abs. 3 ArbGG der Regionalbetriebsrat Nord der Antragsgegnerin zu beteiligen. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller die Arbeitnehmer im Baumarkt Bad E-Stadt vertritt oder der Regionalbetriebsrat Nord. In einem solchen Kompetenzstreit sind beide Betriebsräte nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu beteiligen.

2. Die Anträge sind zulässig. Der Antragsteller ist beteiligtenfähig und antragsbefugt im Sinne von § 81 Abs. 1 ArbGG; er hat auch das notwendige Interesse an der begehrten Feststellung des Fortbestandes seines Mandats. Selbst wenn das Mandat des Antragstellers bereits durch Eingliederung in den Regionalbetrieb Nord am 01.09.2007 oder aber durch die Neuwahl des Regionalbetriebsrats beendet worden ist, ist für das Verfahren von einer Beteiligten- und Antragsbefugnis des Antragstellers auszugehen, da der Antragsteller mit rechtlichen Erwägungen den Fortbestand seines Mandates behauptet und dies eine Frage der Begründetheit des Antrages ist.

3. Der Antrag zu 1. ist unbegründet.

a). Der Antrag bedarf der Auslegung. Der Antragsteller greift mit tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen die Beendigung seines Mandates durch zwei Vorgänge an. Er nimmt zunächst in Abrede, dass sein Mandat durch den Übergang des Betriebes Bad E-Stadt auf die Antragsgegnerin mit Wirkung zum 01.09.2007 beendet worden ist. Sodann vertritt er die Auffassung, dass sein Mandat auch nicht durch die Regionalbetriebsratswahl 2008 erloschen worden ist. Wie der Antragsteller in der mündlichen Anhörung vom 22.08.2008 auch zum Ausdruck gebracht hat, begehrt er die Feststellung des aktuellen Fortbestandes seines Mandates zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung.

b). Mit diesem Inhalt ist der Antrag unbegründet. Jedenfalls mit der nicht angefochtenen Neuwahl des Regionalbetriebsrates Nord ist das Amt des Antragstellers erloschen.

aa). Ein Fortbestand über den Zeitpunkt der Wahl hinaus wäre nur denkbar, wenn die Wahl nichtig war. Dies ist nicht erkennbar. Eine Betriebsratswahl ist nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der schwerwiegenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders krassen Wahlverstößen angenommen werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Mangel offenkundig ist und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss den "Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen". Dies ist bei einer Betriebsratswahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt grundsätzlich nicht der Fall. Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge (ständige Rechtsprechung zuletzt BAG, Beschluss vom 19.11.2003 - 7 ABR 25/03 -). Bei der Bestimmung des Betriebsbegriffs und seiner Anwendung auf die konkrete betriebliche Organisation ist eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten, die eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Entscheidung erfordern. Unterlaufen dabei Fehler, sind diese in der Regel nicht so grob und offensichtlich, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht besteht (BAG, a. a. O. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

bb). Der Antragsteller vertritt die Auffassung, aus der Rechtswidrigkeit des Zuordnungstarifvertrages 1999 folge die Nichtigkeit einer auf diesem Tarifvertrag bzw. dessen Anwendung beruhenden Betriebsratswahl. Dem folgt die Kammer nicht.

Überschreiten die Tarifvertragsparteien die ihnen durch § 3 Abs. 1 BetrVG eingeräumte Regelungsbefugnis - etwa indem sie die inhaltlichen Vorgaben des § 3 Abs. 1 BetrVG nicht beachten - so ist die entsprechende Regelung zwar rechtsunwirksam bzw. auch nichtig; eine auf einem fehlerhaften Tarifvertrag beruhende Wahl ist in diesem Fall jedoch lediglich anfechtbar (vgl. FESTL, BetrVG § 3 Rn. 23; ähnlich DKK/Trümmner BetrVG § 3 Rn. 169). Die Situation ist vergleichbar mit der Verkennung des Betriebsbegriffes bei der Durchführung einer Betriebsratswahl. Ein nach § 19 Abs. 2 BetrVG anfechtungsbefugter Beteiligter muss deshalb die auf den Tarifvertrag beruhende Betriebsratswahl anfechten. Dies ist nicht erfolgt.

cc). Unabhängig davon ist die Wahl des Regionalbetriebsrates Nord auch deshalb nicht nichtig, weil der Zuordnungs-TV 1999, auf dessen Anwendung die Durchführung der Betriebsratswahl in der Region Nord beruht, rechtswirksam ist.

Der ZuordnungsTV ist mit Zustimmung des BMAS nach § 3 Abs. 2 BetrVG 1972 wirksam zustande gekommen.

Er ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Prüfungsmaßstab ergibt sich aus § 3 BetrVG 2001. Da das BetrVG 2001 keine besonderen Übergangsvorschriften enthält, ist nach Inkrafttreten des BetrVG 2001 bei der Anwendung des Tarifvertrages bzw. seiner Überprüfung die nach dem BetrVG 2001 geltende Rechtslage zugrunde zu legen (FESTL a.a.O.§ 3 Rn. 1).

Der Zuordnungstarifvertrag 1999 erfüllt die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 b BetrVG 2001. Danach kann durch Tarifvertrag für Unternehmen mit mehreren Betrieben die Zusammenfassung von Betrieben bestimmt werden, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient.

Im Rahmen einer Inhaltskontrolle ist zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien bei der konkreten Ausgestaltung der ihnen durch § 3 Abs. 1 BetrVG verliehenen Befugnis einen erheblichen Beurteilungsspielraum und ein weites Regelungsermessen haben, welches die Gerichte bei der Rechtskontrolle zu beachten haben (FESTL a.a.O. § 3 Rn. 21; DKK/Trümmner a.a.O. § Rn. 156). Die gerichtliche Rechtskontrolle ist deshalb darauf beschränkt, ob grobe Fehler in der Beurteilung bzw. der Ermessensausübung seitens der Tarifvertragsparteien vorgelegen haben (DKK/Trümmner a.a.O. § 3 Rn. 156).

Auf der Grundlage des Zuordnungs-TV 1999 wurden mehrere Betriebe nach § 1 bzw. § 4 Abs. 1 BetrVG zusammengefasst. Unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraumes der Tarifvertragsparteien kann nicht erkannt werden, dass diese tarifliche Regelung nicht die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder nicht einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Tarifvertrag bereits über mehrere Wahlperioden hinaus Grundlage für die Bildung von Betriebsräten und die Organisation der Mitbestimmung im Unternehmen der Antragsgegnerin gewesen ist, ohne dass dies - soweit erkennbar - zu Defiziten in der Wahrnehmung und Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten geführt hat. Die Zusammenfassung zu regionalen Betriebsräten führt ferner dazu, dass die zum Zeitpunkt des Überganges der M.betriebe noch acht betriebsratslosen Baumärkte nunmehr über einen Betriebsrat verfügen und damit ein betriebsratsloser Zustand beendet wurde. Soweit das Arbeitsgericht wie auch der Antragsteller darauf verweist, dass die Zahl der gewählten Betriebsräte in einem nach Regionen gebildeten Betriebsrat geringer ist, ist dies unergiebig. Die degressive Steigerung von Betriebsratssitzen mit zunehmender Arbeitnehmeranzahl entspricht den gesetzlichen Vorgaben nach § 9 BetrVG und kann deshalb kein Beleg für eine den Interessen der Arbeitnehmer widersprechende Organisation der Mitbestimmung sein. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass mit dem TV 2007 zur Verbesserung der Kommunikation zwischen den einzelnen Betrieben/Betriebsteilen und dem Regionalbetriebsrat in jedem Baumarkt eine Vertrauens- und Ansprechperson bestellt und damit vermeintlichen Kommunikationsdefiziten entgegengesteuert wurde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Betriebsverfassungsgesetz grundsätzlich die tarifliche Neuregelung der Bildung von Betriebsräten erleichtert, wenn dies im Hinblick auf die Struktur des Unternehmens erforderlich ist. Die maßgeblichen Entscheidungen im Unternehmen der Antragsgegnerin werden auf der Ebene der Regionen getroffen. Es ist deshalb sachgerecht, als Äquivalent auch den Betriebsrat auf dieser Ebene zu installieren. Es liegt im Rahmen des Beurteilungsermessens der Tarifvertragsparteien, wenn sie davon ausgegangen sind, dass die gewählte tarifliche Regelung der Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dienlicher ist als die Bildung von 385 einzelnen Betriebsräten, die von den Entscheidungsstrukturen der Antragsgegnerin regelmäßig abgekoppelt sein dürften.

dd). Auch die weiteren Einwände des Antragstellers gegen die Wirksamkeit der Betriebsratswahl greifen nicht. Entgegen der Auffassung des Antragstellers war die Wahl auch nicht deshalb nichtig, weil eine bindende Entscheidung eines Arbeitsgerichts nach § 18 Abs. 2 BetrVG zum Zeitpunkt der Wahl vorgelegen hat. Ein Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG zur Feststellung der betriebsratsfähigen Organisationseinheiten hat es nicht gegeben. Der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts Celle verhält sich lediglich dazu, ob mit Übergang des M.betriebs nach § 613 a BGB auf das Unternehmen der Antragsgegnerin das Mandat des Antragstellers entfallen ist.

ee). Schließlich ergibt sich die Nichtigkeit der Betriebsratswahl auch nicht daraus, dass beim Übergang der Betriebe auf das Unternehmen der Antragsgegnerin zum 01.09.2007 kein Interessenausgleich im Sinne von § 111, 112 BetrVG versucht wurde. Unabhängig davon, ob es überhaupt eine beteiligungspflichtige Maßnahme im Sinne von § 111 BetrVG gegeben hat, führt ein Verstoß gegen die Beratungspflichten nicht zur Rechtsunwirksamkeit einer vollzogenen Maßnahme. Ob in diesem Zusammenhang überhaupt Unterlassungsansprüche bestanden hätten, bedarf keiner Ausführung.

ff). Rechtsfolge des wirksamen Zuordnungs-TV 1999 ist, dass die auf seiner Grundlage gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten nach § 3 Abs. 5 BetrVG als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes gelten. Mit dem Übergang des M.betriebes Bad E-Stadt nach § 613 a BGB in den Regionalbetrieb Nord der Antragsgegnerin zum 01.09.2007 wurde dieser Betrieb damit in einen bestehenden Betrieb mit einem existierenden Betriebsrat eingegliedert. Dies führt zum Mandatsverlust des eingegliederten Betriebsrates (BAG, Beschluss vom 31.05.2000 - 7 ABR 78/98 -;FESTL a.a.O. § 21 a Rn. 14).

gg). Daraus ergibt sich, dass das Mandat des Antragstellers bereit zum 01.09.2007, jedenfalls aber mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses der nicht angefochtenen Wahl in der Region Nord am 13.06.2008 erloschen ist, so dass der Antrag zu 1. unbegründet ist.

3. Auch der Antrag zu 2. ist aus vorstehenden Erwägungen unbegründet. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin war der Beschluss des Arbeitsgerichts deshalb abzuändern.

4. Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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