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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 13 Sa 570/03
Rechtsgebiete: BGB, TzBfG
Vorschriften:
BGB § 615 | |
TzBfG § 14 Abs. 4 | |
TzBfG § 21 |
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 30.09.2003
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 30.09.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter und die ehrenamtlichen Richterinnen Mann und de Weert
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 30.01.2003, 13 CA 623/02, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.800,-- € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Vergütung für Oktober und November 2002 in Höhe von insgesamt 4.800,-- €. Er stützt seinen Anspruch auf Annahmeverzug, § 615 BGB. Die Beklagte wendet böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs ein, weil der Kläger eine angebotene vorläufige Weiterbeschäftigung nicht angenommen habe. Sie bestreitet den Anspruch auch der Höhe nach.
Der Kläger ist seit 1992 als Auslieferungsfahrer im Getränkegroßhandel der Beklagten beschäftigt. Er geht von einer monatlichen Vergütung von 2.400,-- € brutto aus. Die Septemberabrechnung (Bl. 162 d.A.) weist ein Entgelt von 2.291,85 € brutto aus.
Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.08.2002 zum 27.09.2002 gekündigt und hatte diese Kündigung auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützt. Bezug genommen wird auf die Betriebsratsanhörung vom 15.08.2002, Bl. 137 und 138 d.A. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Mit Schreiben vom 03.12.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Kündigung vom 26.08.2002 nicht aufrechterhalte. Die Parteien setzten sodann das Arbeitsverhältnis fort.
Nach Ablauf der Kündigungsfrist bot der Kläger am Betriebssitz seine Arbeitskraft an. Die Beklagte, die zur Weiterbeschäftigung bereit war, legte dem Kläger folgende schriftliche Vereinbarung zur Unterzeichnung vor:
"Vor dem Hintergrund des andauernden Rechtsstreits über die krankheitsbedingte Kündigung vom 26.08.2002 wird folgendes vereinbart:
Die Fa. H. GmbH hält an ihrer Auffassung fest, wonach das Arbeitsverhältnis mit Herrn C. durch krankheitsbedingte Kündigung vom 26.08.2002 mit Ablauf des 27.09.2002 wirksam sein Ende gefunden hat.
Lediglich aus Gründen der Abwendung eines möglichen Annahmeverzugsrisikos werden folgende Punkte vereinbart:
1. Herr C. erbring aufgrund dieser besonderen Vereinbarung - bis auf weiteres - seine gewohnte Arbeitsleistung bei der Fa. H. GmbH in L.. Es gelten insoweit die bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen. Die Firma H. GmbH wird den Arbeitnehmer für die Zeit der freiwilligen Weiterbeschäftigung die vertragsgemäße Vergütung zahlen.
2. Auflösende Bedingung für das fortgeführte Arbeitsverhältnis ist, daß in dem zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Arbeitgeberkündigung vom 26.08.2002 eine rechtskräftige Entscheidung zu Gunsten der Firma ergeht. Mit Eintritt der Rechtskraft endet dieses Arbeitsverhältnis.
1. Sofern festgestellt wird, daß die Kündigung der Fa. H. GmbH vom 26.08.2002 das Arbeitsverhältnis nicht beendet, besteht das ursprüngliche Arbeitsverhältnis fort."
Der Kläger unterzeichnete nicht und teilte durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 01.10.2002 (Bl. 37 d.A.) mit, dass er seine Arbeitskraft anbiete, aber keine Verpflichtung zur Unterzeichnung der Vereinbarung bestehe. Die Beklagte verweigerte daraufhin die vorläufige Weiterbeschäftigung und die Entgeltzahlung für die Monate Oktober und November 2002.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei nicht verpflichtet gewesen, einen befristeten Arbeitsvertrag zu unterschreiben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.800,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins nach § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes auf jeweils 2.400,-- € brutto ab dem 30.10.2002 und ab dem 30.11.2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Kläger habe anderweitigen Verdienst durch vorläufige Weiterbeschäftigung erzielen können. Die vorläufige Weiterbeschäftigungsvereinbarung unterliege als auflösend bedingter Arbeitsvertrag dem Schriftformerfordernis gemäß §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG. Deshalb sei dem Kläger die schriftliche Vereinbarung zur Unterzeichnung vorgelegt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt der Kläger vor, böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs liege nicht vor. Eine Verpflichtung, die schriftliche Vereinbarung zu unterzeichnen, habe nicht bestanden. Es handele sich um eine nachteilige Vereinbarung, für die im Übrigen ein Befristungsgrund gemäß § 14 TzBfG nicht gegeben sei. Im Übrigen sei die vorläufige Weiterarbeit für ihn unzumutbar gewesen, ohne ausreichende Gründe habe die Beklagte eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen mit dem alleinigen Ziel, ihn los zu werden. Trotz Bezug von Arbeitslosengeld sei er berechtigt, die volle Vergütung für die fraglichen Monate geltend zu machen. Das Arbeitsamt habe die übergegangenen Ansprüche auf ihn rückübertragen. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an den Kläger und Berufungskläger unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Hannover Az.: 13 Ca 623/02 4.800,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetzes auf jeweils 2.400,00 € brutto ab dem 30.10.2002 und ab dem 30.11.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das erstinstanzliche Urteil.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist nicht begründet. Das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war zu bestätigen.
Der Kläger hat grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung für Oktober, November 2002 aus Annahmeverzug, § 615 Satz 1 BGB. Durch Ausspruch der unwirksamen Kündigung ist Verzug eingetreten, der durch das Angebot der vorläufigen Weiterbeschäftigung nicht beendet worden ist. Der Annahmeverzug endet nicht, wenn der Arbeitgeber wie hier bei einer Arbeitsaufforderung die Kündigung aufrechterhält (dazu: BAG vom 07.11.2002, 2 AZR 650/00, EzA § 615 BGB 2002 Nr. 1). Der Kläger muss sich aber nach § 615 Satz 2 BGB den Verdienst anrechnen lassen, den er bei Annahme des vorläufigen Weiterbeschäftigungsangebots bei der Beklagten erzielt hätte.
Die Voraussetzung der Böswilligkeit des Unterlassens anderweitigen Erwerbs liegt vor. Im Ergebnis besteht damit kein Entgeltanspruch für die beiden streitgegenständlichen Monate.
Böswilliges Unterlassen liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer der Vorwurf gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzuges trotz Kenntnis aller Umstände (Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und Nachteilsfolgen für den Arbeitgeber) vorsätzlich untätig bleibt oder die Arbeitsaufnahme bewusst verhindert. Eine Anrechnung kommt auch in Betracht, wenn der Arbeitgeber für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits vorläufige Weiterbeschäftigung anbietet. Nach der Art der Kündigung und ihrer Begründung und unter Berücksichtigung der Bedingungen für die vorläufige Weiterbeschäftigung ist dann zu entscheiden, ob die Arbeitsleistung für den Arbeitnehmer zumutbar war (BAG vom 07.11.2002, 2 AZR 650/00, a.a.O.; BAG vom 16.05.2000, 9 AZR 203/99, EzA § 615 BGB Nr. 99; BAG vom 19.03.1998, 8 AZR 139/97, EzA § 613 a BGB Nr. 163).
Dem Kläger war die Annahme des Weiterbeschäftigungsangebotes zumutbar, er hat böswillig anderweitigen Erwerb unterlassen.
Beschäftigung ist angeboten worden zu den bisherigen Vertragsbedingungen, Veränderungen in der Beschäftigung und in der Vergütung waren nicht vorgesehen. Die Art der Kündigung und ihre Begründung sind hier unerheblich, sie waren nicht ursächlich für die Ablehnung durch den Kläger. Die Krankheitstage in der Vergangenheit (2002 bis zu Kündigung 14 Arbeitstage; 2001 19 Arbeitstage; 2000 14 Arbeitstage) sind zwar bei weitem nicht ausreichend zur Begründung einer krankheitsbedingten Kündigung. Es ist durchaus der Verdacht gerechtfertigt, dass die Kündigung aus "disziplinarischen" Gründen ausgesprochen wurde, um eine Reduzierung der Arbeitsunfähigkeitszeiten in der Zukunft zu erreichen. Es spricht deshalb viel dafür, dass der Kläger die Weiterbeschäftigung hätte ablehnen dürfen etwa mit der Begründung, er wolle versuchen, sich eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Eine abschließende Wertung ist aber insoweit nicht erforderlich. Der Kläger hat selbst seine Arbeitskraft im Betrieb angeboten, er war zur Weiterbeschäftigung bereit. Art und Begründung der Kündigung waren deshalb nicht ursächlich für die Nichtannahme. Ursächlich war allein, dass der Kläger nicht bereit war, die schriftliche Vereinbarung zu unterzeichnen. Diese Begründung ist aber nicht ausreichend, um Böswilligkeit zu verneinen.
Die angebotene Vereinbarung enthält keine für den Kläger nachteiligen Bedingungen, die geschuldete Arbeit und die Vergütung bleiben unverändert. Im Gegenteil ist festzustellen, dass mit der schriftlichen Vereinbarung eine eindeutige Grundlage für die Weiterbeschäftigung gelegt war. Ziffer 2 bestimmt, dass im Falle einer wirksamen Kündigung das Vertragsverhältnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses fortbesteht, und zwar auf einer eindeutig festgelegten vertraglichen Grundlage.
Die Unsicherheiten einer formlosen Weiterbeschäftigung etwa zur Frage einer einseitigen Lösung sind beseitigt. Aus Sicht der Kammer ist gerade eine solche schriftliche Vereinbarung für einen Kläger, der den Bestand des Arbeitsverhältnisses sichern will, nur vorteilhaft.
Rechtliche Bedenken gegen eine schriftliche Weiterbeschäftigungsvereinbarung bestehen nicht. Für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung beinhaltet sie einen Fortbestand des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses (Ziffer 3). Für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung soll das Arbeitsverhältnis mit Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozess enden, es ist damit auflösend bedingt gemäß § 21 TzBfG. Ein sachlicher Grund für die Bedingung ist gegeben. Das vorläufige Weiterbeschäftigungsverhältnis ist als Grundlage für eine Beschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits allgemein anerkannt, so dass ein Bedingungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG vorliegt.
Die schriftliche Vereinbarung berücksichtigt auch die Interessen beider Parteien. Unabhängig von der Frage, ob nach §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG Schriftformerfordernis besteht, ist festzustellen: Im Gegensatz zur vorläufigen Weiterbeschäftigung aufgrund eines Beschäftigungsurteils, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt, soll in Fällen der vorliegenden Art eine freiwillige Weiterbeschäftigung erfolgen. Die Grundlage dieser freiwilligen Beschäftigung festzulegen und schriftlich zu fixieren, dient dann aber der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im Interesse beider Vertragsparteien.
Ob für ein vorläufiges Weiterbeschäftigungsverhältnis das Schriftformerfordernis der §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG gilt, ist umstritten (z.B. LAG Hamm vom 16.01.2003, 16 Sa 1126/02, DB 2003, 1739; Bayreuth, DB 2003, 1736). Einer endgültigen Entscheidung dieser Frage bedarf es hier nicht. Zumindest ernsthaft in Erwägung zu ziehen ist, dass Schriftform erforderlich ist. Für die schriftliche Vereinbarung gab es dann aber ein berechtigtes Interesse der Beklagten, dem der Kläger wegen der auch für ihn vorteilhaften Vereinbarung nachkommen musste.
Im Gegensatz zu einer Weiterbeschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt eine Weiterbeschäftigung ohne Vorliegen eines Beschäftigungstitels freiwillig. Es besteht keine Verpflichtung zur Beschäftigung. Naheliegend ist es dann aber, als Grundlage für die vorläufige Weiterbeschäftigung von einer vertraglichen Vereinbarung auszugehen mit auflösender Bedingung für den Fall der Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung im Kündigungsschutzprozess. Damit würde das Schriftformerfordernis greifen. Diese Auffassung wird vom LAG Hamm (a.a.O.) und auch im Schriftum überwiegend vertreten (ErfKomm zum Arbeitsrecht, 3. Auflage, § 21 TzBfG, Rdnr. 10; APS, Großkomm. zum Kündigungsrecht, § 623 BGB, Rdnr. 12; KR, 6. Auflage, § 623 BGB, Rdnr.263).
Um das Risiko eines Zustandekommens eines unbefristeten neuen Arbeitsverhältnisses gemäß § 16 TzBfG auszuschließen, durfte die Beklagte eine schriftliche Vereinbarung verlangen.
Da die Berufung zurückzuweisen war, trägt der Kläger die Kosten des Rechtsmittels, § 97 ZPO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 3 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestanden nicht. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird verwiesen.
Ende der Entscheidung
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