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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 13.09.2004
Aktenzeichen: 13 Ta 374/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 114 |
Landesarbeitsgericht Niedersachsen Beschluss
In dem Rechtsstreit
Hier: Sofortige Beschwerde wegen Verweigerung der Prozesskostenhilfe.
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 18.05.2004, 2 Ca 115/04, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
Der Kläger war bis Dezember 2003 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Klage aus März 2004 hat er Zahlung des Entgelts für Dezember in Höhe von 3.306,25 € beantragt. Das Verfahren ist durch Versäumnisurteil vom 23.04.2004 beendet worden.
Das Arbeitsgericht hat Prozesskostenhilfe verweigert wegen Mutwilligkeit der Klage, zur Erwirkung eines Titels über die unstreitige Klageforderung habe das Mahnverfahren zur Verfügung gestanden.
Die Beklagte hatte über die Klageforderung eine ordnungsgemäße Entgeltabrechnung erteilt, die Abrechnung ist dem Kläger nach seinem Vortrag nach mehreren telefonischen Mahnungen am 18.02.2004 zugegangen.
Der Kläger trägt vor, er habe mehrfach die Zahlung des Entgelts telefonisch angemahnt und dabei in Aussicht gestellt, den Gerichtsweg bestreiten zu wollen. Die Beklagte habe erklärt, dass sie die Forderung nicht erfüllen werde. Damit sei zu erwarten gewesen, dass sich die Beklagte gegen die Klageforderung verteidigen wollte und gegen einen Mahnbescheid Widerspruch einlegen würde.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Kläger korrekt auf die konstengünstigere Möglichkeit des Mahnverfahrens verwiesen.
Gemäß § 114 ZPO ist Prozesskostenhilfe zu verweigern, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig erscheint. Für die inhaltliche Bestimmung des Begriffs der Mutwilligkeit sind Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfebewilligung heranzuziehen. Durch Prozesskostenhilfe soll die hilfsbedürftige Partei in die Lage versetzt werden, ihr Klagebegehren, soweit hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, vor Gericht durchsetzen zu können. Sie soll damit in ihren prozessualen Möglichkeiten der Partei gleichgestellt werden, die die Kosten einer Rechtsverfolgung selbst finanzieren kann. Maßstab für die Feststellung der Mutwilligkeit ist dann aber, ob eine nicht hilfsbedürftige Partei in gleicher Weise ihre Ansprüche prozessual durchgesetzt hätte, oder ob sie einen anderen, kostengünstigeren Weg gewählt hätte (z.B. Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 114, RdNr. 34).
Als kostengünstigere Alternative zu dem vom Kläger gewählten Klageverfahren kommt das Mahnverfahren in Betracht. So hat das Landgericht Lüneburg (Beschluss vom 21.09.2001, 8 O 247/01, NJW-RR 2002, 647) ausgeführt, Mutwilligkeit sei zu bejahen, wenn der Kläger einen vollstreckbaren Titel auch im Mahnverfahren erwirken kann. In der Literatur wird Mutwilligkeit der Klageerhebung bejaht, wenn etwa bei Zahlungsklagen ein Mahnverfahren möglich ist und der geltend gemachte Anspruch unbestritten ist und voraussichtlich unbestritten bleiben wird (MK-ZPO, 2. Aufl., § 114, RdNr. 124; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 62. Aufl.,§ 114, RdNr. 117; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., vor § 114, RdNr. 32; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 114, RdNr. 44).
Die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hat im Beschluss vom 04.06.2004, 10 Ta 241/04, die Auffassung vertreten, der Kläger sei nur dann auf das Mahnverfahren zu verweisen, wenn der Arbeitgeber die Schuld förmlich anerkannt habe oder eine vorprozessuale Zahlungsaufforderung nicht erfolgt sei. Im Übrigen sei eine sofortige Klageerhebung nicht mutwillig, und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber vorprozessual die Ansprüche nicht bestritten habe und nicht erkennbar sei, mit welchen Argumenten er sich gegen die Klage verteidigen wolle. Auch wenn lediglich von Zahlungsunwilligkeit oder Zahlungsunfähigkeit auszugehen sei, könne Klage erhoben werden.
Nach Auffassung der Kammer ist abweichend von der Entscheidung der 10. Kammer grundsätzlich vom Vorrang des Mahnverfahrens auszugehen. Nur dann, wenn der Arbeitgeber vorprozessual auf Mahnung die Berechtigung der Forderung bestreitet, Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen oder Zurückbehaltungsrechte geltend macht, ist eine sofortige Klageerhebung nicht als mutwillig anzusehen. Durch Prozesskostenhilfe soll eine Gleichstellung der hilfsbedürftigen Partei mit der nicht hilfsbedürftigen Partei erreicht werden, nicht dagegen eine Besserstellung durch staatliche Finanzierung der Prozesskosten. Von der hilfsbedürftigen Partei ist deshalb zu verlangen, dass sie den möglichst kostengünstigsten Weg, nämlich das Mahnverfahren, wählt. Sofortige Klageerhebung ist nur dann angebracht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Mahnverfahren nicht zum Erfolg führen wird, also Widerspruch eingelegt wird. Gerade für das arbeitsgerichtliche Verfahren ist dabei als wesentlich auf § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG zu verweisen. Es besteht nach dieser Vorschrift kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten. Die nicht hilfsbedürftige Partei muss danach die Anwaltskosten eines Klageverfahrens selbst tragen. Für ein Mahnverfahren benötigt ein Arbeitnehmer nicht die Hilfe eines Prozessbevollmächtigten. Er kann das Mahnbescheidsformular selbst ausfüllen, er kann aber auch die Hilfe der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts in Anspruch nehmen oder sich gegebenenfalls wegen Beratungshilfe an das Amtsgericht wenden. Bei Ausschöpfung dieser Möglichkeiten kann er ein Mahnverfahren einleiten, ohne dass für ihn Kosten entstehen. Kostenvorschüsse werden nach § 12 Abs. 4 ArbGG a.F. nicht erhoben.
Gegenüber dem kostenfreien Mahnverfahren fallen bei Klageerhebung und Erledigung durch Versäumnisurteil ohne vorausgegangene streitige Verhandlung Anwaltskosten von ca. 400,-- € an. Der Nettoverdienst, der dem Kläger aus der Dezember-Abrechnung zustand, beläuft sich auf 2.055,95 €. Angesichts dieser Unterschiede in der finanziellen Belastung hätte eine nicht hilfsbedürftige Partei, die die Kosten allein zu tragen hat, im Zweifel den Weg über das Mahnverfahren gewählt und hätte das Risiko einer Verfahrensverzögerung durch Widerspruch in Kauf genommen.
Der Kläger hatte keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Mahnverfahren Widerspruch einlegen würde. Nach seinem Vorbringen hat er telefonisch gemahnt, die Beklagte hat angekündigt, dass sie nicht zahlen werde. Gründe dafür hat sie offenbar nicht genannt, sie hat insbesondere nicht die Berechtigung der Forderung bestritten oder Aufrechnung angekündigt. Vielmehr hat sie auf die telefonischen Mahnungen hin schließlich am 18.02.2004 eine ordnungsgemäße Abrechnung für den Monat Dezember erteilt. Weil der Kläger nur Forderungen entsprechend dieser Abrechnung stellen wollte, bestand die berechtigte Erwartung, dass das Mahnverfahren ohne Widerspruch zu einem Vollstreckungstitel führen würde. Zwar ist nicht zu verkennen, dass gerade zahlungsunwillige oder zahlungsunfähige Schuldner die einfache Form des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid nutzen, um zu verzögern. Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger, weil es sich um die Vergütung für einen ganzen Monat handelte, ein besonderes Interesse an der schnellen Erlangung eines Vollstreckungstitels hatte. Angesichts der hohen Kosten war ihm aber das Risiko einer Verzögerung durch das Mahnverfahren zuzumuten.
Zu betonen ist, dass mit der Wahl eines Mahnverfahrens als kostengünstigeren Weg nicht nur finanzielle Interessen des Landes, das die Prozesskostenhilfe zu leisten hat, gewahrt werden. Auch der Kläger selbst muss ein Interesse daran haben, Prozesskosten möglichst gering zu halten. Bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe kommt unter Umständen Ratenzahlung in Betracht. Auch bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung kann diese Entscheidung nachträglich bei Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 120 Abs. 4 ZPO geändert werden. Die hilfsbedürftige Partei muss deshalb in jedem Fall damit rechnen, dass sie entweder von vornherein oder später per Ratenzahlung zur Begleichung der Prozesskostenhilfeausgaben herangezogen wird. Die Wahl des Mahnverfahrens als kostengünstigeren Weg steht deshalb im eigenen Interesse der Partei. Es spricht viel dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Rahmen seiner Belehrungspflicht nach § 12 a Abs. 1 Satz 2 ArbGG gehalten war, den Kläger auf den kostengünstigeren Weg des Mahnverfahrens und auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Rechtsantragsstelle beim Arbeitsgericht hinzueisen.
Da die Beschwerde zurückzuweisen war, trägt der Kläger die Kosten des Rechtsmittels.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt gemäß § 77 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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