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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 07.02.2002
Aktenzeichen: 14 Sa 554/01
Rechtsgebiete: BAT


Vorschriften:

BAT § 47 II
BAT § 361
Im Fall einer Änderung der Dauer der Arbeitszeit sind für die Berechnung dies Urlaubsaufschlags gem. § 47II Unterabsatz 4 BAT die zwischen der Arbeitszeitänderung und dem Beginn des Urlaubs liegenden vollen Kalendermonate maßgeblich.

Dies führt über die Regelung des § 361 Unterabsatz 2 BAT, nach der sich die unständigen Bezügebestandteile nach der Arbeitsleistung des Vorvormonats bemessen dazu, dass insoweit die tatsächlichen Verhältnisse aus der Zeit vor der Arbeitszeitänderung Bedeutung erhalten.


Landesarbeitsgericht Niedersachsen

14 Sa 554/01

Verkündet am: 07.02.2002

URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 07.02.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plathe und die ehrenamtlichen Richter Wiche und Nenke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 12.03.2001 abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung des beklagten Landes insgesamt wie folgt gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 168,28 € brutto nebst 4 % Zinsen auf 66,92 @ brutto seit dem 15.11.2000 sowie auf 101,36 € brutto seit dem 07.02.2002 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem beklagten Land auferlegt.

Der Gegenstandswert beträgt für das Verfahren 1. Instanz 66,92 € und für das Berufungsverfahren auf 168,28 €.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist seit 1983 bei dem beklagten Land als Krankenschwester im Universitätsklinikum G beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die auch vertraglich vereinbarten Regelungen des Bundesangestelltentarifvertrages BAT Anwendung.

Die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin betrug bis zum 03.06.1998 19,25 Stunden sowie ab diesem Zeitpunkt 28,875 Stunden.

Die Klägerin hat im zweiten Halbjahr 1998 in der Zeit vom 07.08. bis 01.09.1998 16 Urlaubstage, am 01.10.1998 einen Urlaubstag sowie vom 19. bis 22.10.1998 4 Urlaubstage genommen.

An Urlaubsaufschlag hat das beklagte Land lediglich für die 5 Urlaubstage im Oktober 1998 einen Urlaubsaufschlag von insgesamt 64,25 DM auf der Grundlage eines täglichen Betrages vom 12,85 DM gezahlt.

Die Klägerin hat nach einer erfolglosen schriftlichen Geltendmachung vom 21.01.1999 die Zahlung eines Urlaubsaufschlags auch für die Urlaubstage im August und September 1998 verlangt.

Auf der Grundlage einer Erklärung beider Parteien, dass der Urlaubsaufschlag für die Urlaubstage im August und September 1998 rechnerisch täglich 12,85 DM betragen würde, hat die Klägerin beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 130,88 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 15.11.2000 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass im Fall einer Änderung der Dauer der Arbeitszeit Berechnungszeitraum für den Urlaubsaufschlag gemäß § 47 II Unterabschnitt (UA) 4 BAT auch die ersten beiden vollen Kalendermonate nach der Arbeitszeitänderung seien.

Mit der Berufung vertritt das beklagte Land weiterhin die Auffassung, dass die Regelung des § 47 II UA 4 BAT dahin auszulegen sei, dass für die Berechnung des Urlaubsaufschlags nach einer Änderung der Dauer der Arbeitszeit der aus dem Vorjahr errechnete Aufschlag keine Bedeutung mehr haben könne; daraus ergebe sich, dass wegen der Regelung des § 36 II BAT die in den ersten beiden Kalendermonaten nach der Arbeitszeitänderung zu zahlenden unständigen Bezügebestandteile nicht zu berücksichtigen seien, da sie ihre tatsächliche Grundlage in der Zeit vor der Arbeitszeitänderung hätten.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 12.03.2001 Az.: 2 Ca 501/00 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie

das beklagte Land zu verurteilen, an sie weitere 101,36 € nebst 4 % Zinsen ab 07.02.2000 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

den weiteren Antrag der Klägerin abzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und begründet ihre Klagerweiterung im Berufungsverfahren mit einem entsprechenden Differenzbetrag, der sich daraus ergibt, dass sich für die Urlaubstage im August 1998 auf der Basis der Abrechnung für Juli 1998 rechnerisch ein Zuschlag von täglich 20,89 DM sowie für den Urlaubstag im September ein solcher von 15,78 DM ergebe.

Das beklagte Land hat hierzu in der Berufungsverhandlung erklärt, die von der Klägerin behaupteten Zuschlagsbeträge von 20,89 DM für Urlaubstage im August 1998 sowie von 15,78 DM für den Urlaubstag im September 1998 rechnerisch nicht bestreiten zu wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des beklagten Landes ist nicht begründet.

Die Klage ist einschließlich der als Anschlussberufung zu wertenden Klagerweiterung im Berufungsverfahren begründet.

Der Klägerin steht für die 15 Urlaubstage im August 1998 ein Urlaubsaufschlag von täglich rechnerisch unstreitig 20,89 DM sowie für den Urlaubstag im September 1998 ein solcher von 15,78 DM zu, da für die Berechnung des Urlaubsaufschlags aufgrund der Arbeitszeitänderung ab 03.06.1998 gem. § 47 II UA 4 BAT für die Urlaubstage im August 1998 die Vergütungsabrechnung für Juli 1998 und für den Urlaubstag im September die Vergütungsabrechnungen für Juli und August 1998 maßgeblich sind.

Bei der Auslegung von Tarifverträgen ist davon auszugehen, dass Tarifverträge entsprechend den Regelungen für die Auslegung von Gesetzen in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen sind, wobei der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien über den reinen Wortlaut hinaus zu berücksichtigen ist, wenn und soweit er in dem tariflichen Normenwerk seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BAG AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung m. w. Nachw.), weis sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen ergeben kann (vgl. BAG AP Nr. 165 zu §§ 22, 23 BAT 1975 m. w. Nachw.)

Auf dieser Grundlage ist die Regelung des § 47 II UA 4 BAT schon nach ihrem Wortlaut dahin auszulegen, dass für die Berechnung des Urlaubsaufschlags nach einer Änderung der Dauer der Arbeitszeit die zwischen der Arbeitzeitänderung und dem Beginn des Urlaubs liegenden vollen Kalendermonate maßgeblich sind.

Dies führt über die Regelung des § 36 I UA 2 BAT, wonach dem Angestellten für einen Kalendermonat unständige Bezügebestandteile auf der Grundlage der Arbeitsleistung des Vorvormonats zustehen, dazu, dass insoweit die tatsächlichen Verhältnisse aus einer Zeit vor der Arbeitszeitänderung Bedeutung behalten (LAG Köln ZTR 94, 381, Clemens-Scheuring BAT Erläuterung 18 a zu § 47, Böhm-Spiertz BAT Rd-Nr. 49 zu § 47, vgl. auch BAG EzBAT § 47 Urlaubsvergütung Nr. 5, BAG ZTR 92, 155 sowie BAG AP Nr. 20 zu § 47 BAT).

Dabei ergibt sich diese Übernahme der Regelung des § 36 I UA II BAT im Rahmen des § 47 II UA 4 BAT aus Nr. 2 der Protokollnotizen zu § 47 II BAT, wo entsprechend der Terminologie des § 36 I UA 2 BAT darauf abgestellt wird, dass die Zuschläge dem Angestellten in dem betreffenden Kalendermonat zugestanden haben. Wenn ein bestimmter tariflicher Begriff wie hier der des Zustehens aus § 36 I UA 2 BAT an anderer Stelle des selben Tarifvertrages verwendet wird, besteht kein Anlass für eine abweichende Auslegung dieses Begriffs im Rahmen von § 47 II BAT. Hinzu kommt, dass in der Protokollnotiz Nr. 2 im 3. Absatz, der den UA 4 betrifft, der letzte Satz des 2. Absatzes über eine Nichtberücksichtigung der ersten beiden vollen Kalendermonate nicht in Bezug genommen wird.

Der abweichenden Ansicht von Uttlinger-Breier (Erläuterung 20 zu § 47 BAT) vermag das Gericht sich angesichts der klaren tariflichen Regelung nicht anzuschließen. Aus der tariflichen Regelung ergibt sich vielmehr, dass die Tarifvertragsparteien den Grundgedanken, dass bei einem Arbeitszeitwechsel der aus der Zeit davor errechnete Aufschlag keine Bedeutung mehr haben soll, im Hinblick auf die Berechnung der unständigen Bezügebestandteile in § 36 I UA 2 BAT nicht vollständig durchgeführt haben, sondern dass durch das Zustehen von unständigen Bezügebestandteilen erst im übernächsten Monat nach der entsprechenden Arbeitsleistung auch Arbeitsleistungen aus der Zeit vor der Arbeitszeitänderung Bedeutung behalten, da insoweit in § 47 II UA 4 BAT eine von § 36 I UA 2 BAT abweichende Regelung nicht getroffen ist. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, diese generalisierende Regelung der Tarifvertragsparteien inhaltlich darauf zu überprüfen, ob sie zu Ergebnissen führt, die auch in jedem Einzelfall als besonders gerecht empfunden werden (LAG Köln a.a.O., vgl. auch BAG ZTR 96, 471).

Die Kostenentscheidung folgt, aus §§ 91, 97 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 II ArbGG.

Soweit im Termin vom 07.02.2002 ein abweichender Urteilstenor verkündet worden ist, beruht dies auf einem Fehler bei der Umrechnung der DM-Beträge in Euro und wird hiermit gemäß § 319 ZPO berichtigt.

Ende der Entscheidung

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