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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: 15 Sa 535/07
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7
Zur Haushaltsmittelbefristung von Arbeitsverträgen der Arbeitsvermittler/innen im Rahmen der sogenannten Vermittlungsoffensive.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 Sa 535/07

In dem Rechtsstreit

hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Löber, den ehrenamtlichen Richter Herrn Franitzek, den ehrenamtlichen Richter Herrn Heyer für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 01.03.2007 - 5 Ca 531/06 - wird zurückgewiesen, wobei der Tenor zur Klarstellung dahin neugefasst wird, dass festgestellt wird, dass die Befristung in dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 23.12.2005 unwirksam ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin war seit dem am 1. Oktober 2001 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge im Rahmen der sogenannten Vermittlungsoffensive als Arbeitsvermittlerin in der Agentur für Arbeit H. eingestellt. Die Vermittlungsoffensive beruht auf der Umsetzung des Beschlusses zur Modernisierung und Intensivierung der Arbeitsvermittlung, der in der Arbeitsgruppe "Beschäftigungsförderung - aktive Arbeitsmarktpolitik" des Bündnisses für Arbeit, Ausbildungsförderung und Wettbewerbsfähigkeit gefasst worden war und der eine nachhaltige Intensivierung der Arbeitsvermittlung zum Inhalt hat.

Vor Ablauf der zuletzt bis zum 31. Dezember 2005 vereinbarten Befristung schlossen die Parteien am 23. Dezember 2005 einen vom 1. Januar - 30. September 2006 befristeten Arbeitsvertrag (Bl. 3 d. A.), wobei nach dem der Klägerin am 30. Dezember 2005 zur Kenntnis gebrachten Vermerk die Befristung wiederum auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG (Haushaltsmittel) gestützt wurde (Bl. 40 d. A.).

Zuvor hatte die Regionaldirektion der Beklagten ihre Agenturen im Vorgriff auf den erstellten aber noch nicht genehmigten Haushaltsplan für das Jahr 2006 mit Mail vom 15.12.2005 (Bl. 103 f d. A., Anhang, Bl. 138 f d. A.) über die für befristete Beschäftigungen im Rahmen der Vermittlungsoffensive für 2006 voraussichtlich zur Verfügung stehenden Mittel unterrichtet und gebeten, die entsprechenden Arbeitsverträge vorzubereiten, um diese nach Genehmigung des Haushaltsplanes abzuschließen. Dabei waren der Agentur H. 4,5 Jahreskräfte für bereits bis zum 31. Dezember 2006 befristete Verträge und 13,5 Jahreskräfte für Verträge ab 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2008 zugewiesen worden, wobei letztere später auf 14,5 Jahreskräfte erhöht wurden, weil im Tausch mit einer Planstelle die Mittel für eine Jahreskraft von N. nach H. übertragen wurde (Bl. 39 d. A.). Nachdem die Bundesregierung den vom Verwaltungsrat der Beklagten festgestellten Haushaltsplan für 2006 am 20. Dezember 2005 genehmigt hatte, waren die Agenturen für Arbeit mit Mail der Regionaldirektion vom 22. Dezember 2005 (Bl. 106 f d. A.) unterrichtet und ermächtigt worden, die eingeleiteten Maßnahmen zur Beschäftigung zusätzlicher Arbeitsvermittler und -vermittlerinnen mit befristeten Arbeitsverträgen zu vollziehen.

Der Haushaltsplan der Beklagten für das Jahr 2006 lautete im Kapitel 5 unter der Nr 6:

Ausgaben für die Beschäftigung von Kräften mit befristetem Arbeitsvertrag dürfen bei Titel 425 07 - Vergütungen der Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag zur weiteren Verbesserung des Betreuungsschlüssels "Arbeitsvermittler zu Arbeitslosen/Betrieben" bis 31. Dezember 2006 sowie zur Sicherstellung fachlich adäquater Betreuungsschlüssel bis 31. Dezember 2008 bis zur Höhe von 150 Mio. Euro geleistet werden, wenn Ausgaben bei Kapitel 2 Titel 971 01 - Eingliederungstitel in entsprechender Höhe eingespart werden.

Die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Deckungsfähigkeit obliegt den Agenturen für Arbeit.

Die Agentur H. hat ausweislich der Bewirtschaftungsübersicht (Bl. 140 ff d. A.) die Mittel für die ihr zugewiesenen 19 Jahreskräfte = 228 Monatskräfte mit 225,07 Monatskräften ausgeschöpft, u. a. mit der befristeten Beschäftigung der Klägerin vom 1. Januar - 30. September 2006.

Mit ihrer am 13. Oktober 2006 eingereichten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags vom 23. Dezember 2005 geltend gemacht. Sie hat bestritten, dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Haushaltsmittel bereits bewilligt worden waren und behauptet, dass mehr befristete Verträge abgeschlossen worden seien, als später Haushaltsmittel zugewiesen worden seien.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30. September 2006 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und hat sich auf den Stellenplan für das Haushaltsjahr 2006 für die Agentur für Arbeit H. (Anlage 1 zum Schreiben vom 13. März 2006, Bl. 37 ff. d. A.) berufen.

Mit Urteil vom 1. März 2007 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben, weil die Beklagte nicht dargelegt habe, dass bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags vom 23. Dezember 2005 Haushaltsmittel für die befristete Beschäftigung der Klägerin vorhanden gewesen seien, da der Anlage 1 zum Schreiben vom 13. März 2006 solches nicht zu entnehmen sei.

Gegen das ihr am 9. März 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. April 2007 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet, indem sie die Mails vom 15. und 22. Dezember 2005 sowie zur Genehmigung des Haushaltsplanes für 2006 vorgetragen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsschrift vom 4. April 2007 nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Befristung des Arbeitsvertrags vom 23. Dezember 2005 unwirksam ist.

Auf ihre Berufungserwiderung vom 28. Juni 2007 wird gleichfalls Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Die innerhalb der Frist des § 17 S. 1 TzBfG eingereichte Entfristungsklage ist begründet.

Die Befristung vom 23. Dezember 2005 entbehrt des geltend gemachten Sachgrundes des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG.

Dieser Sachgrund erfordert die Vergütung des Arbeitnehmers aus Haushaltsmitteln, die mit einer konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung versehen sind. Die Haushaltsmittel müssen für eine Aufgabe von vorübergehender Dauer vorgesehen sein. Erforderlich ist der überwiegende Einsatz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers entsprechend der Zwecksetzung der ausgebrachten Haushaltsmittel. Dabei sind die Umstände bei Vertragsschluss maßgeblich. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG liegen nicht vor, wenn die Haushaltsmittel lediglich allgemein für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Rahmen von befristeten Arbeitsverhältnissen bereitgestellt werden oder dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer überwiegend Daueraufgaben des Arbeitgebers übertragen werden (BAG, Urteil vom 18.10.2006 - 7 AZR 419/05, AP Nr. 1 zu § 14 TzBfG Haushalt = EzA § 14 TzBfG Nr. 34).

Vorliegend kann dahinstehen, ob ein untergesetzlicher Haushaltsplan den Anforderungen genügt (dafür: KR-Lipke, 8. Auflage, § 14 TzBfG, Rn. 229; ErfK/Müller-Glöge 7. Auflage, § 14 TzBfG, Rn. 96; kritisch: Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Seite 78, Rn. 219; APS-Backhaus, 3. Auflage, § 14 TzBfG, Rn. 103). Jedenfalls ergibt sich aus der Sachregelung des Haushaltsplans in Kap. 5 Titel 425 07 keine nachvollziehbare Zwecksetzung für eine Aufgabe von vorübergehender Dauer. Auch wenn die aus dem verfassungsrechtlichen Untermaßverbot abgeleiteten Anforderungen nicht denen des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG entsprechen müssen (BAG, Urteil vom 14.02.2007 - 7 AZR 193/06, AP Nr. 2 zu § 14 TzBfG Haushalt = EzA § 14 TzBfG Nr. 38), wobei die Grenze zur Verletzung des Untermaßverbots noch zu klären bleibt, muss sich nach Auffassung der Berufungskammer der vorübergehende Charakter der Aufgabe zumindest aus dem Text der im Haushaltsplan niedergelegten Sachregelung erschließen.

Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Die Sachregelung spricht von der weiteren Verbesserung des Verteilungsschlüssels bzw. des Betreuungsschlüssels zwischen Arbeitsvermittler und Kunden. Das spricht für ein dauerhaftes Geschäftsziel und nicht für eine vorübergehende Maßnahme. Dafür streiten auch der Vortrag der Beklagten, dass mit der Vermittlungsoffensive eine nachhaltige, also eine dauerhafte Intensivierung der Arbeitsvermittlung angestrebt werde, sowie ihre Ausführung in der Mail vom 15. Dezember 2005 unter Nr. 2, dass geschäftspolitisch die Verbesserung der Betreuungsquote und eine Kontinuität bei der Beschäftigung von Arbeitsvermittlern angestrebt werde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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