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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 17.06.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 1204/04
Rechtsgebiete: BMTV Bundesverband Deutsche Privatkrankenanstalten
Vorschriften:
BMTV Bundesverband Deutsche Privatkrankenanstalten |
2. Der tarifliche Betriff "Arbeiten mit infektiösem Material" beinhaltet, dass mit Material gearbeitet wird, dass bereits infiziert, d. h. ansteckend ist. Eine potentielle Gefahr der Ansteckung reicht nicht aus.
LANDESARBEITSGERICHT Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2005 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes, den ehrenamtlichen Richter Herrn Strehlow, den ehrenamtlichen Richter Herrn von der Dovenmühle
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 19.05.2004, Az. 4 Ca 746/03, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf tariflichen Zusatzurlaub.
Der 1952 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit Mai 1976 als Krankenpfleger in Vollzeit beschäftigt. Er ist in den Kliniken der Beklagten in O... auf der Station Urologie beschäftigt.
Grundlage der arbeitsvertraglichen Beziehungen ist der Arbeitsvertrag vom 21.06.1978 nebst Nachträgen. Wegen des Inhalts wird auf diese (Blatt 111 bis 116 d. A.) verwiesen.
Hierin ist u. a. vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden:
a) der Bundesmanteltarifvertrag zwischen dem Bundesverband Deutscher Privatkrankenanstalten i. V. (BDPK) einerseits und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft andererseits,
b) der Vergütungs- und Lohntarifvertrag zwischen dem Verband der Privaten Krankenanstalten Niedersachsen e. V. (Landesverband des BDPK) einerseits und der Bezirksverwaltung von Niedersachsen und Weser-Ems der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie dem Landesverband Niedersachsen-Bremen der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft andererseits.
Seit vielen Jahren erhielten die ca. 300 Mitarbeiter der Beklagten, die überwiegend dem Bereich Pflege zuzuordnen sind, fünf Tage zusätzlichen Urlaub im Jahr, wobei eine Teilzeitbeschäftigung anteilig berücksichtigt wurde.
Mit Schreiben vom 07.04.2003 wandte sich die Beklagte an die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihres Betriebes und teilte hierin mit, dass ein Zusatzurlaub gewährt werde, nach dem Bundesmanteltarifvertrag jedoch bestimmte Voraussetzungen hierfür vorhanden seien, die bei der Klägerseite nicht vorlägen. Die Beklagte sei gezwungen, im Rahmen der aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen übertarifliche Leistungen stufenweise abzubauen, weshalb eine Reduzierung des Zusatzurlaubs von zwei Tagen im Jahre 2003 und weiteren drei Tagen im Jahre 2004 unausweichlich sei.
Die Beklagte bat darum, das Einverständnis zu dieser Regelung durch Unterschrift zu bestätigen, was durch die Klägerseite jedoch nicht erfolgte.
Mit weiterem Schreiben vom 19.05.2003 an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegebereich teilte die Beklagte sodann mit, dass der angekündigte Abbau von übertariflichem Urlaub wie im Schreiben vom 07.04.2003 angekündigt umgesetzt werde. Daraufhin erfolgte eine Reduzierung des Zusatzurlaubs bei Vollzeitkräften von zwei Tagen im Jahre 2003 und drei Tagen im Jahre 2004 sowie bei den Teilzeitbeschäftigten anteilig.
Die Klägerseite machte daraufhin den Anspruch auf Gewährung des Zusatzurlaubs im bisherigen Umfange geltend und erhob noch im Jahre 2003 Klage auf Gewährung des Gesamtzusatzurlaubs von fünf Tagen.
Die Klägerseite hat die Auffassung vertreten, es handele sich bei dem gewährten Zusatzurlaub um eine tarifliche Leistung gemäß § 15 Abs. 1 des Bundesmanteltarifvertrags Nr. 10 (TV Nr. 10), da damit besondere Erschwernisse abgegolten werden sollten. Dem Aufgabenbereich der Klägerseite unterliege auch die Pflege und Versorgung von Patienten, die an ansteckenden Krankheiten leiden, wie z. B. Hepatitis A, B oder HIV-Infizierte. Die Pflege erstrecke sich dabei auch auf Kranke bzw. Patienten, die dem Einfluss ionisierender Strahlen oder von Neutronen ausgesetzt seien. Dieses sei insbesondere der Fall bei Patienten, die in der Strahlenklinik behandelt worden seien. Hauptanwendungsgebiet sei dort die Tumorbehandlung mittels ionisierender Strahlung, sowohl als Perkutanbestrahlung als auch als Kontaktbestrahlung.
Es sei zu berücksichtigen, dass bestrahlte Patienten auch noch mehrere Tage nach einer Bestrahlung diese Strahlungen an ihre Außenwelt abgäben. Somit bestehe auch im Bereich der Krankenpflege ein ständiger Kontakt zu Patienten, die ansteckende Krankheiten haben oder selbst noch ionisierende Strahlung an das Pflege- oder Krankenpersonal abgäben. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass auch das Kranken- und Pflegepersonal besonders mit Bluttransfusionen und Thrombozytenkonzentraten im Rahmen der Nachbereitung in Kontakt trete. Es werde sich dabei grundsätzlich auch vom Pflegepersonal entsprechend den Hygiene- und Sicherheitsvorschriften so verhalten, als sei das Material infektiös.
Der Begriff des infektiösen Materials gemäß dem Tarifvertrag sei z. B. jegliches Körpersekret oder Substanzen, denen die Gefahr immanent sei, dass eine Infektion durch diese ausgelöst oder übertragen werden könne, ohne dass dieses im Vorfeld auszuschließen sei.
Unabhängig vom Eingreifen tariflicher Regelungen sei im Übrigen von einer betrieblichen Übung auszugehen, da der Zusatzurlaub regelmäßig vorbehaltlos gewährt worden sei. Die Beklagte könne sich nun nicht mehr darauf berufen, den TV Nr. 10 falsch zur Anwendung gebracht zu haben und die konkreten Arbeitsbedingungen einzelner Arbeitnehmer sowie die tarifvertraglichen Leistungsmerkmale verkannt zu haben.
Darüber hinaus sei der gewährte Zusatzurlaub vielfach in den einschlägigen Einstellungsgesprächen ausdrücklich angesprochen worden. Da es darauf ankomme, wie der Arbeitnehmer die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben verstehen dürfe, hätte die Beklagte nur dann ein Recht, den Zusatzurlaub künftig zu verweigern, wenn sie einen Vorbehalt erklärt hätte.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass ihm für das Jahr 2003 noch ein restlicher Urlaubsanspruch in Höhe von zwei Tagen zusteht,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen Zusatzurlaub von fünf Tagen pro Kalenderjahr zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, sie habe in der Vergangenheit den TV Nr. 10 falsch angewendet, weil sie die konkreten Arbeitsbedingungen einzelner Arbeitnehmer sowie tarifvertragliche Leistungsmerkmale verkannt habe. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Zusatzurlaub lägen auf Klägerseite nicht vor. Wegen des Vortrags der Beklagten zu den Tätigkeiten eines Krankenpflegers wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.04.2004 unter Ziffer 4) verwiesen. Zwar komme die Klägerseite auch mit Patienten zusammen, die unter ansteckenden Krankheiten leiden. Vereinzelt werde auch die Pflege von Patienten durchgeführt, die zuvor dem Einfluss ionisierender Strahlen oder Neutronen ausgesetzt worden seien, insbesondere bei strahlenbehandelten Patienten, dieses erfolge aber nicht ständig im Sinne des Tarifmerkmals.
Darüber hinaus sei infektiöses Material im Sinne des Tarifvertrags nur dasjenige, in dem auch Erreger nachgewiesen worden seien. Eine bloße Vermutung hierfür oder eine potentielle Gefahr, dass die Klägerseite mit infektiösem Material in Berührung komme, reiche nicht aus.
Der Klägerseite sei nicht im Einstellungsgespräch zugesagt worden, dass im Betrieb im Pflegebereich über den Tarifvertrag hinaus ein Zusatzurlaub gewährt werde. Auch habe es gegenüber anderen Mitarbeitern ein solches Zugeständnis nicht gegeben. Nicht richtig sei, dass die Beklagte Zusatzurlaub gewährt habe, um Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden.
Durch Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 19.05.2004 wurde die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerseite auferlegt und der Streitwert auf 2.291,60 € festgesetzt.
Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses (Blatt 37 bis 47 d. A.) verwiesen.
Dieses Urteil wurde der Klägerseite am 09.07.2004 zugestellt. Hiergegen legte diese am 02.08.2004 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 11.10.2004 mit einem am 06.10.2004 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.
Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerseite vor, sie sei weiterhin der Auffassung, dass sie Anspruch auf weitere Gewährung des Zusatzurlaubs nach der tariflichen Regelung habe.
Der Kläger sei bei seiner Tätigkeit ständig mit infektiösem Material konfrontiert, er betreue darüber hinaus ansteckend Kranke pflegerisch und sei auch dem Einfluss ionisierender Strahlen oder von Neutronen ausgesetzt. Die urologische Abteilung habe in der laufenden Woche jeweils dienstags und donnerstags, seit 2003 jeden zweiten Freitag im Monat reguläre OP-Tage. Einige an diesen Tagen operierte Patienten, wöchentlich durchschnittlich fünf bis sechs Fälle, bekämen routinemäßig Dauerspülungen. Kochsalzlösung werde in diesen Fällen permanent in die Harnblase eingebracht und vermische sich dort mit Blut, Urin und anderen Körpersekreten und werde dann in einen Urinbeutel am Bett des Patienten abgeleitet. Diese Spülflüssigkeit werde von der Pflegekraft in einen offenen Eimer abgelassen und über einen Ausguss entsorgt. Die Spülung erfolge meistens zwei bis drei Tage lang, auch danach sei der Urin in den Urinbeuteln durchaus noch mit Blut kontaminiert. Blut oder Blutbestandteile seien als infektiös anzusehen.
Auf der Station würden die gesamten Urinproben der dort befindlichen Patienten bearbeitet. Untersuchungsmaterial für das Labor, d.h. Blut, Serum, Urin, Kot, Sputum müsse auf der Station in entsprechende Transportbehälter umgefüllt werden. Ein erheblicher Teil des Untersuchungsmaterials sei keimbelastet.
Seit 2003 fänden auch Implantationen von schwach strahlenden Implantaten "Sice" bei Patienten statt. Diese würden ein bis zwei Tage vom Stationspersonal betreut.
Infektiöse Patienten würden direkt auf der Station isoliert und entsprechend versorgt, was auch die weiter oben angegebenen Punkte einschließe.
Die Klägerseite sei folglich bei der Tätigkeit ständig mit infektiösem Material konfrontiert und habe infektiöse Patienten pflegerisch zu versorgen.
Wegen des weiteren Vortrags des Klägers zu seinen Tätigkeiten wird darüber hinaus auf den Schriftsatz des Klägers vom 18.01.2005 (Blatt 97 bis 102 d. A.) verwiesen.
Darüber hinaus ergebe sich ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Zusatzurlaub aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung.
Die Klägerseite habe seit Beginn der Tätigkeit den Zusatzurlaub jährlich gewährt bekommen. Die Beklagte gewähre diesen Urlaub über die Jahre ganz bewusst. So sei auch mehrfach gegenüber neu einzustellenden Beschäftigten geäußert worden, dieser Urlaub solle ihnen in jedem Fall gewährt werden, er werde als übertarifliche Leistung erbracht.
Die Klägerseite beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 19.05.2004, Az. 4 Ca 746/03, abzuändern und
1. festzustellen, dass dem Kläger für das Jahr 2003 noch ein restlicher Urlaubsanspruch in Höhe von zwei Tagen zusteht,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen Zusatzurlaub von fünf Tagen pro Kalenderjahr zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerseite zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 22.11.2004 (Blatt 91 bis 96 d. A.) sowie ergänzend mit Schriftsatz vom 02.06.2005 (Blatt 123 bis 128 d. A.). Hierauf wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerseite ist zulässig.
Gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG ist § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO auch im Arbeitsgerichtsverfahren anwendbar. Nach dieser Bestimmung hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese bekämpfen will. Hierfür reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen, lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen.
Hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung zudem auf mehrere voneinander unabhängige selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie unzutreffend sein soll, anderenfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (vgl. Urteil des BAG vom 10.02.2005, Az. 6 AZR 183/04, m. w. N.).
Diesen Anforderungen genügt jedoch die Berufungsbegründung des Klägers.
Diese setzt sich auseinander mit dem Urteil erster Instanz, indem es die Tätigkeiten der Klägerseite konkretisiert und hierbei unter Vertretung der Auffassung, dass der Kläger ständig mit infektiösem Material konfrontiert sei und infektiöse Patienten pflegerisch zu versorgen hat, begründet, weshalb die Anspruchsvoraussetzungen des Tarifvertrags erfüllt sind.
Dieses alleine könnte bereits zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils führen, sodass die Berufung sich als zulässig darstellt.
Die Berufung der Klägerseite ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerseite hat weder einen Anspruch aus betrieblicher Übung noch aus dem Tarifvertrag noch auf Grund einer einzelvertraglichen Zusage.
1.
Ein Anspruch der Klägerseite aus betrieblicher Übung besteht nicht.
Um eine betriebliche Übung handelt es sich, wenn der Arbeitgeber bestimmte Verhaltensweisen regelmäßig wiederholt, aus denen Arbeitnehmer schließen können, dass ihnen eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll. Dieses bedeutet, dass die Arbeitgeberseite den objektiven Tatbestand einer betrieblichen Übung, d. h. der regelmäßigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen gesetzt haben muss, den die begünstigten Arbeitnehmer als Zusage einer dauernden, auch künftig zu gewährenden Leistung verstehen durften. Für die Bindungswirkung der betrieblichen Übung entscheidend ist die Frage, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten der Arbeitgeberseite nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen musste. Folge der betrieblichen Übung ist, dass die insoweit zugesagte Leistung zum Gegenstand der arbeitsvertraglichen Beziehungen wird und damit ein arbeitsvertraglicher Anspruch entsteht.
Vorliegend hat die Beklagte die Gewährung von Zusatzurlaub über Jahre hinaus und generell im Bereich der Pflege gewährt, was die Arbeitnehmerseite regelmäßig entgegengenommen hat, indem sie den gewährten Zusatzurlaub auch angetreten hat.
Gleichwohl ist eine betriebliche Übung vorliegend nicht vorhanden, da diese nur entstehen kann, wenn es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage für die Gewährung fehlt. Die betriebliche Übung ergänzt oder ändert die vertraglichen Bestimmungen.
§ 15 Abs. 1 TV Nr. 10 hat folgenden Wortlaut:
Der Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Zahlung der Urlaubsvergütung/des Urlaubslohnes.
Einen Zusatzurlaub erhalten Mitarbeiter unbeschadet der Regelungen für den Zusatzurlaub zwischen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr (§ 16 Abs. 1 ), die ständig
1. in der Tuberkulosefürsorge tätig sind oder
2. mit infektiösem Material arbeiten oder
3. ansteckend Kranke ärztlich oder pflegerisch betreuen oder
4. dem Einfluss ionisierender Strahlen oder von Neutronen ausgesetzt sind.
Der Zusatzurlaub wird, wenn auch mehrere unter den Ziffern 1) bis 4) genannten Gründe zusammentreffen, nur einmal gewährt.
Damit regelt der TV Nr. 10 die Frage des Zusatzurlaubs. Unterstellt, die Klägerseite erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung des Zusatzurlaubs nach § 15 Abs. 1 TV Nr. 10 nicht, so könnte zwar eine betriebliche Übung entstehen, da eine übertarifliche Leistung gewährt werden soll. Eine betriebliche Übung würde aber voraussetzen, dass die Beklagte in der Vergangenheit diesen Zusatzurlaub über die Vereinbarungen im Arbeitsvertrag hinaus, nach dem für den Kläger die jeweils gültigen Tarifverträge gelten, zahlen wollten und bei der Klägerseite und den übrigen Arbeitskollegen ein entsprechendes Vertrauen erweckt hätte.
Hierfür sind jedoch ausreichende Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Die Beklagte wollte in der Vergangenheit sich nach dem Tarifvertrag, und zwar in der jeweils gültigen Fassung, richten, wie im Arbeitsvertrag mit der Klägerseite ausdrücklich vereinbart. Sie wollte nach diesem Tarifvertrag verfahren und hat den Zusatzurlaub aus Gründen der irrtümlichen Annahme der tariflichen Verpflichtung gezahlt. Hiervon konnte die Beklagtenseite jederzeit wieder abrücken, wie sie dieses in ihren Rundschreiben vom 07.04.2003 und 19.05.2003 getan hat.
Die von der Klägerseite erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Die betriebliche Übung entsteht nicht alleine schon durch die faktische Leistungsgewährung ohne Rücksicht auf deren Begründung und Anlass. Anhaltspunkt dafür, dass sich die Beklagte ausschließlich nach dem Tarifvertrag richten wollte, ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag. Nach ihm gelten sowohl die einschlägigen Tarifverträge wie auch die Vergütungs- und Lohntarifverträge in der jeweils gültigen Fassung. Hieraus ergibt sich, dass die Beklagte nur die für sie geltenden Tarifverträge einhalten wollte, sodass die Klägerseite nicht davon ausgehen konnte, dass über die Tarifverträge hinaus eine weitere Leistung erfolgen sollte. Die Klägerseite wie auch die übrigen Mitarbeiter konnten aus diesen Umständen erkennen, dass die Gewährung von Zusatzurlaub nicht verpflichtend ohne Rücksicht auf den Tarifvertrag gewährt werden sollte, sondern dass insoweit eine irrtümliche Zahlung erfolgte (vgl. hierzu Urteil des BAG vom 24.11.2004, Az. 10 AZR 202/04, in NZA 2005, 349 bis 352, vom 16.04.2003, Az. 4 AZR 373/02, in EzA, § 242 BGB, 2002, Betriebliche Übung Nr. 1, vom 25.10.2000, Az. 4 AZR 574/99, nicht amtlich veröffentlicht, vom 25.07.2001, Az. 10 AZR 758/00, in EzA, § 611 BGB, Schichtarbeit Nr. 2, vom 26.05.1993, Az. 4 AZR 130/93, in NZA 1994, 88 bis 90, jeweils m. w. N.).
Weitere Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht daraus, dass der Klägerseite bei Vertragsbeginn oder im Laufe des Arbeitsverhältnisses gesagt worden sei, dass eine solche Leistung nach dem Tarifvertrag gewährt werde. Gerade dieses deutet darauf hin, dass eben nur die tarifliche Leistung gewährt werden sollte.
Soweit vorgetragen wird, dass in Einstellungsgesprächen zusätzliche Aussagen gemacht worden seien über die Gewährung von Zusatzurlaub als übertarifliche Leistung, so ist dieses von der Beklagten bestritten worden, ohne dass die Klägerseite im Einzelnen angeben konnte, wann und durch wen und wem gegenüber derartige Zusagen gemacht worden sind.
Soweit auf die Zusage gegenüber der Mitarbeiterin L... verwiesen worden ist, so ist darauf hinzuweisen, dass diese zu einem Zeitpunkt eingestellt worden ist, als ein Tarifvertrag noch nicht galt und mit dieser zu einem späteren Zeitpunkt sodann eine Vereinbarung über die Anwendbarkeit des Tarifvertrages geschlossen worden ist, sodass zumindest nachträglich auch bei einer vorherigen Zusage der Tarifvertrag doch in Bezug genommen wurde, sodass auch insoweit nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieser gegenüber eine wirksame arbeitsvertragliche Zusage auf übertarifliche Leistung bei Geltung des TV Nr. 10 vorliegt.
2.
Die Klägerseite erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 2 des TV Nr. 10.
Dabei kann als richtig unterstellt werden, dass die Klägerseite auch mit infektiösem Material arbeitet oder auch dem Einfluss ionisierender Strahlen oder von Neutronen ausgesetzt ist.
a) Dieses ist jedoch nicht ständig der Fall. Der Begriff "ständig" ist abzugrenzen von den Begriffen "regelmäßig" und "überwiegend", wie er sich in Tarifverträgen ansonsten wieder findet. Ständig bedeutet in diesem Sinne, dass die erforderlichen zusätzlichen Belastungen fast immer auftreten müssen und nicht nur regelmäßig wiederkehrend sein müssen, wie bei dem Begriff "regelmäßig", und nicht nur zu einem zeitlich überwiegenden Anteil der Tätigkeit, also zu mehr als der Hälfte, wie bei dem Begriff "überwiegend". Es ist vielmehr erforderlich, dass die belastende Tätigkeit insoweit mit Ausnahme von Vor- und Nachbereitungsarbeiten oder erforderlichen Kurzpausen, Zeiten von Dokumentationen der Tätigkeit oder sonstigen mit der eigentlichen Arbeit zusammenhängenden Tätigkeiten fortlaufend ausgeführt wird.
Dieses ergibt sich aus dem Begriff selbst wie auch aus dem Sinn und Zweck der Gewährung des Zusatzurlaubs. Die in § 15 Abs. 1 S. 2 aufgeführten Arbeiten werden als die Gesundheit stärker gefährdend angesehen als die Arbeit der sonstigen Krankenhausbeschäftigten, die lediglich mit Infektionskrankheiten in Verbindung kommen, sei dieses regelmäßig oder überwiegend. Diese sollen zur besseren Abwehr gegen die Gefährdungen, denen sie ständig ausgesetzt sind, zusätzliche Freizeit gewährt erhalten durch den Zusatzurlaub, um sie vor gesundheitlichen Schäden zusätzlich zu bewahren (vgl. hierzu Urteile des BAG vom 19.03.2002, Az. 9 AZR 109/01, in EzA, Art. 141 EG-Vertrag 1999 Nr. 9 sowie vom 21.03.1995, Az. 9 AZR 596/93, in NZA 1995, 1109 bis 1111).
b) Bereits nach eigenem Vortrag arbeitet die Klägerseite nicht ständig mit infektiösem Material oder betreut ansteckend Kranke ärztlich oder pflegerisch oder ist dem Einfluss ionisierender Strahlen oder von Neutronen ausgesetzt.
Soweit es infektiöses Material betrifft, so bedeutet dieses, dass insoweit eine Tätigkeit erfolgen muss mit bereits infiziertem Material, denn der Begriff "infektiös" bedeutet bereits "ansteckend, mit Krankheitserregern behaftet" (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl., Pschyrembel, 257. Aufl.). Es kann deshalb nicht der Auffassung der Klägerseite gefolgt werden, mit dem Begriff "infektiöses Material" sei bereits Material gemeint, das potentiell ansteckend sei. Vielmehr bedeutet "infektiös" bereits, dass dieses Material ansteckend ist.
Es kann auch kein Gegensatz zu dem Begriff "infiziert" aufgebaut werden, da ein Unterschied nur insoweit besteht, als der Begriff "infizieren" bedeutet, dass jemand jemanden ansteckt und in einem anderen eine Infektion hervorruft, der Begriff "infiziert" deshalb nur bedeutet, dass jemand angesteckt worden ist und damit als infektiös zu bezeichnen ist.
c) Unter Berücksichtigung dieser tariflichen Begriffe kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerseite ständig mit infektiösem Material arbeitet, ansteckend Kranke ärztlich oder pflegerisch betreut oder dem Einfluss ionisierender Strahlen oder von Neutronen ausgesetzt ist. Nach eigenem Vortrag der Klägerseite ist dieses zwar auch der Fall, ohne dass diese Voraussetzungen ständig vorliegen.
d) Der Bestimmung dieser Begriffe steht nicht entgegen, dass diese Vorschrift sodann ohne Anwendungsbereich wäre. In Krankenhäusern sind Stationen vorhanden, wo ausschließlich ansteckend Kranke betreut werden müssen, es sind Räume vorhanden, in denen Personen ionisierender Strahlen oder von Neutronen ständig ausgesetzt sein können oder in denen mit infektiösem Material gearbeitet werden muss, insbesondere dann, wenn es um ansteckend Kranke geht. Diese Vorschrift kann deshalb durchaus ihren Anwendungsbereich haben. Auf den Arbeitsbereich der Klägerseite ist dieses jedoch nicht anzuwenden.
3.
Eine vertragliche Zusage ist dem Kläger nicht gemacht worden, dass er unabhängig vom Anwendungsbereich des TV Nr. 10 oder verändernder Tarifverträge einen Zusatzurlaub erhält. Insbesondere hat der Kläger nicht dargelegt, wann, in welcher Form und durch welche berechtigte Person ihm derartige Zusagen gemacht sein sollen. Insoweit kann auf das Obengesagte verwiesen werden.
4.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. Soweit in dem Schreiben an die Mitarbeiter vom 07.04.2003 formuliert worden ist, dass zu bedenken gegeben wird, dass nicht alle Mitarbeiter in der Vergangenheit diesen Zusatzurlaub erhalten haben, so hat die Beklagte klargestellt, dass im gesamten Bereich der Pflege dieser Zusatzurlaub tatsächlich gewährt worden ist und nur Mitarbeiter keinen Zusatzurlaub erhalten haben, die außerhalb des pflegerischen Bereiches tätig waren. Eine Behauptung des Klägers, dass vergleichbare Mitarbeiter übertariflichen Zusatzurlaub bekommen haben oder weiterhin bekommen, ist auch insoweit nicht vorhanden.
Nach alledem ist die Berufung der Klägerseite zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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