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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 10.09.2004
Aktenzeichen: 16 Sa 142/04
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 2
BetrVG § 37 Abs. 6
Zur Erforderlichkeit einer Schulung von örtlichen Betriebsratsmitgliedern bei einer bevorstehenden unternehmensweiten Betriebsänderung.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 Sa 142/04

Verkündet am: 10. September 2004

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 10.09.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes und die ehrenamtlichen Richter Franitzek und Bente

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 26.11.2003, Az.: 4 Ca 396/03, teilweise abgeändert, soweit die Klagen gegen die Kläger C. T. und W. Sch. abgewiesen worden sind.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger C. T. 441,23 € brutto sowie 61,-- € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 24.06.2003 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger W. Sch. 293,40 € brutto und 12,05 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 23.09.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten, die durch die Berufungsrücknahme der Klägerin M. H. entstanden sind.

Die Kosten 1. Instanz trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren mit der Klage Zahlung von Arbeitsentgelt für einen Zeitraum, in dem sie als Betriebsratsmitglieder an einer Schulung teilgenommen haben.

Die Kläger sind bei der Beklagten in deren Vertriebsdirektion O. beschäftigt und Mitglieder des örtlichen Personalrats. Der Kläger zu 2) gehört dem Betriebsrat seit 1984, der Kläger zu 3) seit etwa 1990 an.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Lebensversicherungsbranche und hat eine Vielzahl von Betriebsdirektionen, die jeweils örtliche Betriebsräte haben. Ein Gesamtbetriebsrat ist gebildet.

Die Beklagte plante die Neustrukturierung des Außendienstes. Hierbei war ein Personalabbau in 35 von 95 Betriebsdirektionen vorgesehen. Hierbei ging es um den Abbau von Personal, das zur Unterstützung des Außendienstes eingesetzt ist, um die Auflösung von fünf Organisationsdirektionen und Vertriebsservicecentern, die übergreifend für den Außendienst tätig waren sowie eine Personalanpassung in allen Betriebsdirektionen auf max. 5 Innendienstmitarbeiter. Die Maßnahmen sollten zum 01.01.2004 beginnen. Zum 30.06.2005 sollte die Anpassung der Personalstärke in den verbleibenden 60 Vertriebsdirektionen erfolgen.

Im Unternehmen der Beklagten wurden im Hinblick auf die Umstrukturierungsmaßnahmen im Außendienst Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat über einen Interessenausgleich versucht. Das Interessenausgleichsverfahren entschied sich in der Einigungsstelle nach mehreren Verhandlungen. Im weiteren Verlauf wurden sodann zwischen dem Unternehmen und dem Gesamtbetriebsrat Sozialplanverhandlungen über die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung geführt. Diese konnten im August 2003 einvernehmlich abgeschlossen werden, ohne dass es eines Einigungsstellenverfahrens bedurfte. Insoweit wird auf den Sozialplan vom 16.09.2003 (Blatt 61 bis 69 d. A.) verwiesen.

Auf Grund einer Seminareinladung von Arbeit und Leben Detmold e. V. zum Thema "Der Betriebsrat erstellt einen Sozialplan" beschloss der Betriebsrat am 06.02.2003, dass vier von fünf Mitgliedern des Betriebsrats dieses Seminar besuchen sollen. Wegen des Inhalts des Beschlusses vom 06.02.2003 wird auf diesen (Blatt 4 d. A.) Bezug genommen. Daraufhin nahmen diese vier Mitglieder, darunter die beiden verbliebenen Kläger, am 26.02. und 27.02.2003 an diesem Seminar teil. Wegen des Inhalts des Seminars wird auf die Einladung vom 30.01.2003 (Blatt 10 d. A.) verwiesen.

Auf die Mitteilung des Betriebsrats, dass diese vier Mitglieder das Seminar besuchen sollen, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 12.02.2003 und 14.02.2003 mit, dass sie die Teilnahme von Mitgliedern des Betriebsrats nicht für erforderlich halte und deshalb die Zustimmung nicht erteilt werde.

Daraufhin zahlte sie das Arbeitsentgelt für die Kläger für die Tage vom 26.02. und 27.02.2003 nicht.

Die Beklagte vertrat insoweit die Auffassung, dass wegen der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats sowohl für Einigungsstelle wie auch für Sozialplan eine Schulung von örtlichen Betriebsratsmitgliedern nicht erforderlich sei.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, das Seminar habe erforderliche Kenntnisse für die Betriebsratsarbeit vermittelt. Es handele sich bei der Schulung um eine solche, die Grundlagen des Betriebsverfassungsgesetzes beinhalteten gemäß den §§ 111 bis 113 BetrVG.

Die Schulung sei auch erforderlich gewesen auf Grund der beabsichtigten Umstrukturierungsmaßnahmen im Unternehmen, infolgedessen bei der Beklagten mit einem größeren Verlust von Arbeitsplätzen zu rechnen gewesen sei.

Der örtliche Betriebsrat müsse die Verhandlungen des Gesamtbetriebsrats auf örtlicher Ebene begleiten und die Ergebnisse kontrollieren können.

Es sei auch nicht so, dass automatisch in allen Fällen der Betriebsänderung auf Unternehmensebene der Gesamtbetriebsrat zuständig sei, vielmehr je nach Inhalt der Umstrukturierungs- bzw. Rationalisierungsmaßnahme die vorrangige Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats begründet sein könne. Insoweit hätten auch andere örtliche Betriebsräte ihr Mitbestimmungsrecht beansprucht.

Zudem habe die Beklagte ständige Veränderungen der Maßnahmen in Aussicht gestellt, sodass nicht klar gewesen sei, welche endgültige Maßnahme beschlossen werde.

Schließlich sei auch der örtliche Betriebsrat in die Sozialauswahl eingebunden und müsse erheblichen Einfluss auf den Sozialplanabschluss haben. Daneben habe es eine Fülle von Anfragen bezüglich der Maßnahmen von Mitarbeitern gegeben, die der Betriebsrat nur habe beantworten können, wenn er entsprechend geschult gewesen sei.

Auf Grund einer Verbindung dreier Verfahren war zunächst die Mitarbeiterin und Mitglied des Betriebsrats M. H. ebenfalls Klägerin in diesem Prozess und ist dort als Klägerin zu 1) geführt worden.

Die Kläger haben beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 357,96 € brutto und 7,50 € netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 24.06.2003 zu zahlen,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2) 441,23 € brutto und 61,-- € netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 24.06.2003 zu zahlen,

3.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 3) 293,40 € brutto und 12,05 € netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 23.09.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, eine Teilnahme an dem Seminar sei nicht erforderlich gewesen. Es sei nicht um die Vermittlung von Grundlagenwissen gegangen. Zudem habe ein konkreter aktueller betriebsbezogener Anlass für die Schulung nicht bestanden. Die Zuständigkeit für die beabsichtigten Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen habe beim Gesamtbetriebsrat gelegen, sodass gegenwärtig oder demnächst auf den Betriebsrat zukommende Aufgaben nicht vorhanden gewesen seien. Die Verhandlungen seien auch ausschließlich mit dem Gesamtbetriebsrat geführt worden.

Es handele sich um ein Gesamtkonzept auf Unternehmensebene. Die Vertriebsdirektion O. sei von einer Schließung nicht betroffen gewesen.

Der Inhalt des Seminars sei auch nicht geeignet gewesen, den Betriebsrat für seine Aufgaben zu schulen, da im Wesentlichen Gesichtspunkte der Verhandlungen innerhalb einer Einigungsstelle über den Sozialplan Inhalt des Seminars gewesen sei.

Nicht ersichtlich sei auch, weshalb vier Mitglieder des Betriebsrats an dieser Schulung hätten teilnehmen müssen.

Schließlich sei der Betriebsrat auch nicht die Beratungsstelle für die Mitarbeiter zur Wahrung von deren Rechten.

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 26.11.2003 wurden die Klagen abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 1) zu 31 %, dem Kläger zu 2) zu 43 % und dem Kläger zu 3) zu 26 % auferlegt und der Streitwert auf 1.172,87 € festgesetzt.

Zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses (Blatt 75 bis 84 d. A.) verwiesen.

Dieses Urteil wurde den Klägern am 14.01.2004 zugestellt. Hiergegen legten diese am 02.02.2004 Berufung ein und begründeten diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15.04.2004 am 15.04.2004.

Zur Begründung der Berufung tragen die Kläger vor, bei der Schulung habe es sich vorrangig um die Vermittlung von Grundkenntnissen für den Betriebsrat gehandelt. Die Vermittlung von Grundkenntnissen beschränke sich dabei nicht auf Einführungslehrgänge, sondern erfasse auch spezielle, abgeschlossene Teilgebiete des Gesetzes. Hierzu gehörten auch die Regelungen der §§ 111 ff. BetrVG.

Selbst wenn man unterstelle, dass es nicht um die Vermittlung von Grundkenntnissen gegangen sei, sei die Schulung erforderlich gewesen. Der Betriebsrat habe bei dem Entsendungsbeschluss davon ausgehen dürfen, dass er mit den dort anstehenden Problemen konfrontiert werde. Der Betriebsrat habe davon ausgehen können, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Interessenausgleichs- bzw.. Sozialplanverhandlungen und -abschlüssen kommen werde, mit denen er in der einen oder anderen Weise befasst werden könne. Entscheidend sei, ob der Betriebsrat im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Entsendung habe davon ausgehen dürfen, dass die Schulung für die Kläger erforderlich gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt hätten auch andere örtliche Betriebsräte die Zuständigkeit für sich reklamiert.

Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung vom 15.04.2004 (Blatt 117 bis 121 d. A.) verwiesen.

Nachdem die Klägerin zu 1) die Berufung zurückgenommen hat, beantragen die Kläger zu 2) und 3) unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 26.11.2003, Az. 4 Ca 396/03, die Beklagte zu verurteilen,

1.

an den Kläger zu 2) 441,23 € brutto und 61,-- € netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 24.06.2003 zu zahlen,

2.

an den Kläger zu 3) 293,40 € brutto und 12,05 € netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 23.09.2003 zu zahlen. Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 17.06.2004 und 21.06.2004. Hierauf wird verwiesen (Blatt 133 bis 134, Blatt 145 bis 154 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger ist begründet.

Den Klägern stehen die geltend gemachten Vergütungsfortzahlungsansprüche zu, weil sie auf Grund der Teilnahme an der Schulungsveranstaltung, zu der sie vom Betriebsrat gesandt worden sind, ihre Vergütung gemäß dem § 37 Abs. 6 i. V. m. Abs. 2 BetrVG beanspruchen können.

Nach § 37 Abs. 6 BetrVG i. V. m. § 37 Abs. 2 BetrVG sind Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zu befreien, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.

Vorliegend sind die gesetzlichen Voraussetzungen der Erforderlichkeit im Entscheidungsfalle erfüllt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Kenntnisse, die für die Betriebsratsarbeit nur verwertbar und nützlich sind, erfüllen diese Voraussetzungen grundsätzlich nicht.

Für die Frage, ob eine sachgerechte Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben die Schulung gerade der zu der Schulungsveranstaltung entsandten Betriebsratsmitglieder erforderlich macht, ist darauf abzustellen, ob nach den aktuellen Verhältnissen des einzelnen Betriebs Fragen anstehen oder in absehbarer Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrats unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissenstand des Betriebsrats und unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat eine Schulung gerade dieser Betriebsratsmitglieder geboten erscheint. Dabei hat der Betriebsrat die Frage der Erforderlichkeit nicht nach seinem subjektiven Ermessen zu beantworten. Vielmehr muss er sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten stellen, der die Interessen des Betriebs einerseits, des Betriebsrats und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abwägt. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats. Unerheblich ist, ob aus späterer Sicht rückblickend betrachtet die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung im streng objektiven Sinne erforderlich war. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob ein vernünftiger Dritter unter den im Zeitpunkt der Beschlussfassung gegebenen Umständen ebenfalls eine derartige Entscheidung getroffen hätte (vgl. hierzu BAG, Beschluss vom 20.10.1993, Az. 7 ABR 14/93, in AP Nr. 91 zu § 37 BetrVG 1972, Beschluss des BAG vom 04.06.2003, Az. 7 ABR 42/02, in AP Nr. 136 zu § 37 BetrVG 1972, jeweils m. w. N.).

Nach diesen Kriterien durfte der Betriebsrat bei der Beschlussfassung am 06.02.2003 davon ausgehen, dass das angebotene Seminar erforderlich gewesen ist.

Das Gericht hat vorliegend nicht zu überprüfen, ob letztlich tatsächlich eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bzw. des Betriebsrats für den Abschluss des Sozialplans gegeben gewesen ist. Vielmehr kann unterstellt werden, dass dieses entsprechend den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts in der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gelegen hat (vgl. hierzu Urteil des BAG vom 11.12.2001, Az. 1 AZR 193/01, in AP Nr. 22 zu § 50 BetrVG 1972 sowie Beschluss des BAG vom 23.10.2002, Az. 7 ABR 55/01, in AP Nr. 26 zu § 50 BetrVG 1972).

Entscheidend ist vorliegend, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats weder der Interessenausgleich noch der Sozialplan abgeschlossen gewesen ist, sondern umfangreiche Verhandlungen zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat stattgefunden haben.

Wenn auch die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits ein konkretes Ziel bezüglich der Neustrukturierung des Außendienstes verfolgt hat, so konnte letztlich erst mit Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen feststehen, welche Maßnahmen konkret durchgeführt werden.

Während für die Interessenausgleichsverhandlungen einer unternehmerischen Neustrukturierung jedenfalls der Gesamtbetriebsrat zuständig sein dürfte, so ist dieses nicht ohne weiteres für den Abschluss des Sozialplans gegeben. Aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Vereinbarung über den Interessenausgleich folgt nicht automatisch die Zuständigkeit für den Abschluss des Sozialplans. Hierfür muss insoweit ein zwingendes Bedürfnis nach einer betriebsübergreifenden Regelung bestehen, da vorrangig der örtliche Betriebsrat zuständig ist und eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nur ausnahmsweise gemäß § 50 BetrVG gegeben ist, wenn die Angelegenheit nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.

Ein Sozialplan soll die sozialen Belange der von einer wirtschaftlichen Entscheidung des Unternehmens betroffenen Arbeitnehmer wahren. Ob die mit dieser Entscheidung verbundenen Nachteile unternehmenseinheitlich oder betriebsbezogen auszugleichen sind, bestimmt sich insbesondere nach Gegenstand und Ausgestaltung der Betriebsänderung im Interessenausgleich sowie nach den im Einzelfall den Arbeitnehmern hierdurch entstehenden Nachteilen (so BAG, Beschluss vom 23.10.2002, a. a. O.).

Welche Art der Betriebsänderung vorgenommen werden soll, entscheidet sich deshalb letztlich erst im Interessenausgleich, in dessen Folge zu überprüfen ist, ob nunmehr die Sozialplanverhandlungen gemäß der zu treffenden Maßnahmen auf Betriebsebene oder auf Unternehmensebene und damit auf der Ebene des Gesamtbetriebsrats stattfinden. Regelt ein mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarter Interessenausgleich eine Betriebsänderung, die einzelne Betriebe unabhängig voneinander betrifft, oder eine solche, die sich auf einen Betrieb beschränkt, ist ein unternehmensweit zu findender Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile im Sozialplan nicht zwingend. Erfassen die im Interessenausgleich vereinbarten Betriebsänderungen hingegen mehrere oder sogar sämtliche Betriebe des Unternehmens und ist die Durchführung des Interessenausgleichs abhängig von betriebsübergreifend einheitlichen Kompensationsregelungen in dem noch abzuschließenden Sozialplan, so kann diese Aufgabe von den Betriebsräten der einzelnen Betriebe nicht mehr wahrgenommen werden; sie ist dem Gesamtbetriebsrat zuzuweisen (so BAG, Urteil vom 11.12.2001, Az. 1 AZR 193/01 a. a. O.).

Da zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats nicht feststand, wie der Interessenausgleich im Einzelnen aussah, musste sich der Betriebsrat darauf vorbereiten, dass auch eine Sozialplanregelung auf örtlicher Ebene möglich gewesen ist. Da beim Betriebsrat die vorrangige Zuständigkeit liegt, war der Betriebsrat auch aus der Sicht eines vernünftigen Dritten berechtigt, sich auf Sozialplanverhandlungen vorzubereiten, ggf. unverzüglich nach Abschluss des Interessenausgleichs Verhandlungen aufzunehmen. Für den Betriebsrat gab es deshalb vorliegend einen konkreten betrieblichen Anlass, Informationen fachlicher Art einzuholen, um demnächst anfallende Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Der Betriebsrat musste sich Kenntnisse darüber verschaffen, ob er einerseits überhaupt berechtigt war, Sozialplanverhandlungen aus seiner Sicht zu fordern und ggf. dieses auch durchzusetzen und wie dieses zu geschehen hat.

Hierfür war das angebotene Seminar geeignet. Hierbei wurden nicht nur die Definition der Betriebsänderungen und damit zusammenhängende Rechtsfragen behandelt, vielmehr auch das Verhältnis zwischen Sozialplan und Interessenausgleich wie auch insbesondere die Stellung des Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats. Gerade hieraus konnte der Betriebsrat Informationen für sich herleiten, inwieweit er selbst oder der Gesamtbetriebsrat auf Grund der konkreten Betriebsänderung Sozialplanverhandlungen fordern konnte. Insoweit waren die Vermittlungen dieser speziellen Kenntnisse für den Betriebsrat insgesamt erforderlich.

Das Seminar hat darüber hinaus zum Gegenstand das Recht auf einen Sachverständigen beinhaltet, was für den Betriebsrat ebenfalls erforderlich war, um ggf. prüfen zu können, welche Möglichkeiten der Informationseinholung er hatte, um sein möglicherweise gegebenes Recht auf Führung von Sozialplanverhandlungen durchsetzen zu können.

Da bereits auch in diesem Zeitpunkt ein Einigungsstellenverfahren lief, durfte der Betriebsrat auch damit rechnen, dass auch bei einem Sozialplan auf örtlicher Ebene ein Einigungsstellenverfahren erforderlich wurde, sodass er auch insoweit über Art und Inhalt des Einigungsstellenverfahrens und Inhalt eines Sozialplans sich informieren durfte.

Wenn sich auch rückblickend nach Abschluss des Interessenausgleichs ergeben hat, dass die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung im objektiven Sinne letztlich nicht erforderlich gewesen ist, so spielt das für die vorliegende Frage der Erforderlichkeit der Schulung keine entscheidende Rolle, da es auf den Zeitpunkt der Fassung des Betriebsratsbeschlusses ankam. Wenn die Beklagte im vorliegenden Verfahren auch vielfach darauf hinweist, dass der Gesamtbetriebsrat zuständig gewesen ist, so mag dieses letztlich zutreffen, ist für die Prüfung, ob zum damaligen Zeitpunkt die Erforderlichkeit der Schulung gegeben war, aber nicht von entscheidender Bedeutung. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach Auffassung der Beklagten Auswirkungen auf die Vertriebsdirektion O. nicht gegeben gewesen sind. Es war gerade Inhalt der Interessenausgleichsverhandlungen, die Rationalisierungsmaßnahme und die sich daraus ergebenden Auswirkungen festzulegen, sodass auch letztlich nicht deutlich sein konnte, ob nicht auch für die Vertriebsdirektion O. eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung zu erwarten gewesen ist.

Die Höhe der eingeklagten Vergütung ist auch nach den Erklärungen der Parteien im Termin zur letzten mündlichen Verhandlung nicht im Streit, sodass die Beklagte insoweit antragsgemäß zu verurteilen gewesen ist.

Zur Überzeugung der Kammer war es auch erforderlich, zumindest zwei Betriebsratsmitglieder zu dieser Schulung zu schicken.

Der Beklagten ist zuzugestehen, dass jedenfalls nicht vier oder sogar alle Betriebsratsmitglieder zu dieser Schulung hätten entsandt werden können. Der Besuch von mehr als zwei Betriebsratsmitgliedern wäre unverhältnismäßig gewesen, da es insoweit zumutbar gewesen wäre, dass zwei Betriebsratsmitglieder an dieser Schulung teilnahmen und ihre Kenntnisse sodann bei der Prüfung, ob eine Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats reklamiert wird, hätten einbringen können.

Andererseits war es aber erforderlich, auch zwei Betriebsratsmitglieder zur Schulung zu entsenden, damit ausreichend Sachverstand im Betriebsrat vorhanden gewesen ist, um die Entscheidung letztlich treffen zu können.

Wenn nunmehr nur noch zwei Betriebsratsmitglieder ihre Vergütung für sich reklamieren, so ist die Beklagte verpflichtet, an diese beiden Betriebsratsmitglieder die entsprechende Vergütung zu zahlen.

Nach alledem ist auf die Berufung der Kläger das Urteil erster Instanz abzuändern und die Beklagte entsprechend zu verurteilen .

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gegen dieses Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach Maßgabe des § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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