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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 28.03.2008
Aktenzeichen: 16 Sa 729/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 307 | |
BGB § 309 | |
BGB § 310 |
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2008 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes, den ehrenamtlichen Richter Herrn Stark, den ehrenamtlichen Richter Herrn Lüs für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 30.01.2007, Az. 1 Ca 382/06, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt mit der Klage die Zahlung von einbehaltenem Arbeitsentgelt auf Grund der Geltendmachung einer Vertragsstrafe durch den Beklagten. Der Beklagte begehrt im Wege der Widerklage die Zahlung dieser Vertragsstrafe für den Fall, dass die Einbehaltung gegen die Pfändungsfreigrenzen verstößt.
Der Kläger war bei dem Beklagten seit dem 17.05.2004 als Kraftfahrer zu einer Bruttovergütung von 1.500,00 € beschäftigt. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen. Grundlage der arbeitsvertraglichen Beziehungen ist ein zwischen den Parteien geschlossener Arbeitsvertrag. Wegen des Inhalts des Vertrages wird auf diesen (Bl. 38 - 41 d. A.) verwiesen. Dieser Arbeitsvertrag wird generell im Betrieb des Beklagten verwandt. In Ziffer 12 des Arbeitsvertrages befindet sich folgende Regelung:
Vertragsstrafe
Löst ein Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis fristlos, ohne wichtigen Grund oder ohne Einbehaltung der tariflichen Kündigungsfrist auf, so gilt eine Vertragsstrafe in Höhe eines halben Bruttomonatslohns als vereinbart. Die Vertragsstrafe in Höhe eines halben Monatslohns ist auch bei Nichtantritt der Arbeit zu entrichten. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt.
Mit der Abrechnung für den Monat Mai 2006 behielt der Beklagte einen halben Bruttomonatslohn von der Vergütung des Klägers ein.
Der Kläger hat für den Beklagten die sogenannte Schenker-Tour gefahren. Hierbei handelt es sich um eine Nachttour (BMW-Ersatzteile).
Ab 06.06.2006 ist der Kläger für den Beklagten nicht mehr tätig, sondern fährt diese sogenannte Schenker-Tour für eine Dritte, die Firma D.. Auf Grund der Niederlegung der Tätigkeit bei dem Beklagten hat dieser die Vertragsstrafe gegenüber dem Kläger geltend gemacht.
Der Beklagte machte mit Schreiben vom 08.06.2006 seine Forderung gegenüber dem Kläger geltend.
Der Kläger hat vorgetragen, ihm sei Ende Februar 2006 durch die Ehefrau mitgeteilt worden, dass der Beklagte die Schenker-Tour an die Firma W. abgeben werde. Der Kläger sowie seine Kollegen würden von der Firma W. mit allen Rechten und Pflichten übernommen. Die Firma W. bekam jedoch den Auftrag zur Durchführung der Schenker-Tour nicht.
Circa zwei Wochen vor dem 06.06.2006 teilte die Ehefrau, die im Betrieb des Beklagten tätig ist, dem Kläger mit, dass nunmehr die Firma R. D. den Auftrag bekommen würde. Auch diese Firma sei bereit, den Kläger zu übernehmen. Dem Kläger wurde ein Aufhebungsvertrag, datiert auf den 08.05.2006, zur Unterzeichnung vorgelegt, wonach das Ende der Beschäftigung bei dem Beklagten der 03.06.2006 sein sollte. Der Kläger unterschrieb diesen Aufhebungsvertrag nicht. Auch am 06.06.2006, eine Stunde vor Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma D., habe der Beklagte versucht, die Unterschrift des Klägers zu einem Auflösungsvertrag zum 05.06.2006 zu erhalten. Weil der Kläger davon ausgegangen sei, dass es sich um einen Teilbetriebsübergang handelte, hat der Kläger auch diesen Vertrag nicht unterschrieben.
Der Kläger habe damit die Vertragsstrafe nicht verwirkt.
Im Übrigen habe der Beklagte die Pfändungsfreigrenzen nicht berücksichtigt. Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 750,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.06.2006 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. im Wege der Widerklage den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 338,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.06.2006 zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, er sei zur Einbehaltung der Vertragsstrafe berechtigt gewesen. Der Kläger habe seine Arbeitsleistung eingestellt, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein. Der Beklagte habe sich bemüht, mit dem Kläger einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Da er das Angebot nicht angenommen habe, sei der Beklagte davon ausgegangen, der Kläger habe das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten fortsetzen wollen. Als man auseinander gegangen sei, sei für den Beklagten klar gewesen, dass der Kläger für den Beklagten als Fahrer weiter tätig sein werde. Dem Kläger sei auch klar gewesen, dass er ab 06.06.2006 bei dem Beklagten zur Arbeit eingeteilt gewesen sei. Tatsächlich sei dieses auch der Fall gewesen.
Der Kläger habe von einem Tag auf den anderen seinen Arbeitsplatz gewechselt, ohne dieses zuvor abgesprochen zu haben.
Die Widerklage werde erhoben, soweit der Betrag von 750,00 € nicht über der Pfändungsfreigrenze liege.
Durch Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 30.01.2007 wurde der Beklagte verurteilt, an den Kläger 750,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2006 zu zahlen. Die Widerklage wurde abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt und der Streitwert auf 750,00 € festgesetzt. Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses, (Bl. 43 - 47 d. A.) verwiesen.
Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 18.04.2007 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 16.05.2007 Berufung ein und begründete diese mit einem am 18.06.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.
Zur Begründung der Berufung trägt der Beklagte vor, er habe dem Kläger mehrfach deutlich gemacht, dass dieser sich entscheiden müsse, ob er weiter bei ihm oder künftig bei einem Mitbewerber fahren wolle. Er müsse Gewissheit haben. Die Entscheidung liege beim Kläger. Der Beklagte von sich aus wolle das Arbeitsverhältnis nicht beenden. Der Kläger habe sich jedoch nicht entschieden, sodass der Beklagte den Kläger auch am 06.06.2006 zur Arbeit eingeteilt habe. Der Kläger habe nicht zu erkennen gegeben, dass er am nächsten Tag bei dem Beklagten nicht erscheinen werde, sodass er sich vertragswidrig verhalten habe.
Es gebe zwar keine ausdrückliche Beendigungserklärung durch den Kläger oder den Beklagten. Durch die tatsächliche Aufnahme der Tätigkeit für den Mitbewerber sei aber eine stillschweigende Beendigung eingetreten.
Nach Hinweis des Landesarbeitsgerichts in Bezug auf die Höhe der Pfändungsfreigrenzen beantragt der Beklagte
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 30.01.2007 - 1 Ca 382/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen
2. im Wege der Widerklage den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 676,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.06.2006 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 14.08.2007. Hierauf wird verwiesen (Bl. 83 - 88 d. A.).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Dem Beklagten steht ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe durch den Kläger nicht zu.
Zwar sind Vertragsstrafenabreden in Formularverträgen nach § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig. In formularmäßigen Arbeitsverträgen folgt aus der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 1. Halbsatz BGB jedoch die grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden. Die Unwirksamkeit einer solchen Vereinbarung kann sich jedoch auf Grund einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB ergeben (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 04.03.2004, Az. 8 AZR 196/03 in NZA 2004, 727 - 734, BAG, Urteil vom 21.04.2005, Az. 8 AZR 425/04 in NZA 2005, 1053 - 1056 sowie Urteil des BAG vom 18.08.2005, Az. 8 AZR 65/05 in NZA 2006, 34 - 37.
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Vertragsstrafenregelung des Arbeitsvertrages vorliegend wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Der Kläger hat jedenfalls die Vertragsstrafe, wie sie in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages vereinbart ist, nicht verwirkt.
Bereits nach dem Wortlaut hat der Kläger die Vertragsstrafe nicht verwirkt, weil er das Arbeitsverhältnis nicht fristlos ohne wichtigen Grund oder Einbehaltung einer tariflichen Kündigungsfrist aufgelöst hat, da eine Kündigungserklärung nicht vorliegt.
Allerdings hat der Kläger tatsächlich das Arbeitsverhältnis zum Beklagten beendet, sodass nach dem Sinn und Zweck der Vertragsstrafenregelung grundsätzlich die Vertragsstrafe verwirkt sein kann.
Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich der Kläger überhaupt schuldhaft verhalten hat, als er die Arbeit bei der Firma G. aufgenommen und die Tätigkeit für den Beklagten am 06.06.2006 beendet hat. Da es sich um eine Strafregelung handelt, ist immer ein Verschulden erforderlich, um tatsächlich die Vertragsstrafe zu verwirken.
Vorliegend konnte aber der Kläger davon ausgehen, dass der Beklagte jedenfalls mit der faktischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 06.06.2006 einverstanden war und er mit Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma D. dem Willen des Beklagten entsprochen hat.
Unstreitig hat der Beklagte selbst bzw. seine Ehefrau dem Kläger mehrfach Aufhebungsverträge angeboten. Dies geschah auch im Bezug auf die Firma D. ca. zwei Wochen vor dem 06.06.2006 und auch noch unverzüglich vor der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit des Klägers bei der Firma D., nach dem Vortrag des Klägers noch am 06.06.2006 eine Stunde zuvor. Auf Grund dieses Verhaltens des Beklagten konnte der Kläger davon ausgehen, dass auf Grund der Tatsache, dass der Beklagte die sogenannte Schenker-Tour an einen Mitbewerber verloren hatte, ein Einsatz des Klägers als Fahrer in der bisherigen Form nicht mehr möglich gewesen ist. Der Kläger konnte weiter davon ausgehen, dass der Beklagte ein großes Interesse daran hatte, Arbeitnehmer, die zuvor auf dieser Tour gefahren sind, nicht mehr beschäftigen zu müssen, was sich vor allem für den Kläger daraus ergeben musste, dass ihm noch kurz vor Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma D. ein Angebot zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemacht worden ist. Hieraus ist der Schluss berechtigt, der Arbeitgeber sei einerseits damit einverstanden, dass das Arbeitsverhältnis beendet werde, andererseits der Schluss, dass der Arbeitgeber tatsächlich dem Kläger keine Arbeitsleistung anbieten könne, da im Rahmen der Personalplanung der Arbeitgeber damit rechnen musste, dass der Arbeitnehmer tatsächlich das Arbeitsverhältnis beendet und damit ein Einsatz nicht möglich ist. Insoweit ist der Vortrag des Beklagten nicht verständlich, dass der Kläger ab 06.06.2006 zur Arbeit eingeteilt war, wenn am selben Tag dem Kläger ein Angebot zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemacht wird.
Diese Tatsachen durften deshalb für den Kläger dafür sprechen, dass wegen des Verlustes der Schenker-Tour für den Beklagten und einer nicht mehr vorhandenen Einsatzmöglichkeit des Klägers ein Einverständnis des Beklagten damit bestand, dass er zur Firma D. überwechselte.
Soweit der Beklagte vorträgt, er habe den Kläger unmissverständlich darauf hingewiesen, dass er am nächsten Arbeitstag zum Fahren eingeplant sei, steht im Gegensatz zu der unbestrittenen Behauptung des Klägers, an diesem nächsten Arbeitstag sei ihm erneut ein Auflösungsvertrag angeboten worden.
Schließlich durfte der Kläger auch davon ausgehen, dass sich der Beklagte und die Firma D. über den Wechsel des Klägers abgesprochen hatten. Ebenso unbestritten ist auch vom Kläger vorgetragen, dass die Ehefrau des Beklagten dem Kläger mitgeteilt hat, dass die Firma D. den Kläger zum 06.06.2006 übernehmen werde. Wenn im Vorfeld derartige Gespräche zwischen dem Beklagten und der Firma D. geführt worden sind, so durfte der Kläger erst Recht im Zusammenhang mit dem Angebot des Auflösungsvertrages durch den Beklagten davon ausgehen, dass der Übergang des Arbeitsverhältnisses vom Beklagten zur Firma D. geregelt ist. Es erscheint deshalb auch nur allzu verständlich, dass der Kläger, der den neuen Vertrag bei der Firma D. noch nicht kannte, sodann nicht den alten Arbeitsvertrag aufheben wollte, da er von einer Übernahme mit allen Rechten und Pflichten ausgehen konnte, was nur möglich war, wenn der bisherige Vertrag weiterhin existierte. Ansonsten hätte die Firma D. einen vollständig neuen Vertrag mit dem Kläger abschließen können. Zur Wahrung seiner Rechte konnte der Kläger jedenfalls davon ausgehen, dass er sachgerecht handelte, wenn er auf den Aufhebungsvertrag des Beklagten nicht einging.
Es wäre vielmehr Sache des Beklagten gewesen, einen solchen Übergang ordnungsgemäß vorzubereiten und den Kläger nicht im Ungewissen darüber zu belassen, wie sich das Vertragsverhältnis der Firma D. künftig gestalten werde, oder andererseits dem Kläger, sofern eine Aufhebung des Arbeitsvertrages nicht in Betracht kam, ihn bezüglich der künftig zu fahrenden Touren zu unterrichten.
Nach alledem ist ein Verschulden des Klägers, das zur Verpflichtung der Zahlung einer Vertragsstrafe führen kann, nicht gegeben.
Der Beklagte war deshalb antragsgemäß zu verurteilen.
Die Widerklage bleibt erfolglos, da, wie im Einzelnen ausgeführt, ein Anspruch auf Vertragsstrafe nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen diese Entscheidung ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach Maßgabe des § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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