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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 14.11.2008
Aktenzeichen: 16 TaBV 26/08
Rechtsgebiete: BetrVG, BETV


Vorschriften:

BetrVG § 76
BetrVG § 99 Abs. 4
BETV § 3 Abs. 2
BETV § 3 Abs. 4
Zu den Voraussetzungen der Entgeltgruppe E 10 des BETV eines Gebietsleiters.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

16 TaBV 26/08

In dem Beschlussverfahren

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 14. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes und die ehrenamtlichen Richter Maul und Beich beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 23.11.2007, Az. 13 BV 9/07, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung zur Zustimmung der Eingruppierung des Arbeitnehmers G.H.

Die Beteiligte zu 1) und Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen der Mineralölraffinerie. Der Betrieb unterliegt dem Geltungsbereich des Manteltariftarifvertrages der Chemischen Industrie (MTV). Die Beklagte ist tarifgebunden und wendet auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer die Tarifverträge der Chemischen Industrie an. Die Vergütung richtet sich nach dem Bundesentgelttarifvertrag vom 18.07.1987 in der Fassung vom 30.09.2004 (BETV).

Der Beteiligte zu 2) ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin hat eine interne Stellenausschreibung vorgenommen, mit der sie einen Gebietsleiter (m/w) für das Verkaufsgebiet Ost sucht. Die Stellenausschreibung lautet wie folgt:

Die C. sucht einen Gebietsleiter (m/w) für das Verkaufsgebiet Ost

Aufgaben:

- Vertrieb der MRD-Schmierstoff-Produktpalette

- anwendungstechnische Beratung und Betreuung der Kunden im Verkaufsaußendienst/und in angrenzenden Exportländern (Osteuropa)

- Führen von Verkaufsgesprächen

- Akquisition von Neukunden

- Abgabe und Kalkulation von Angeboten

- Annahme und Überprüfung von Bestellungen

- Erstellen von Wettbewerbsanalysen

- Reklamationsbearbeitung

Anforderungen:

- branchenbezogene kaufmännische und/oder technische Ausbildung

- Außendiensterfahrung

- Detaillierte Branchenkenntnisse

- EDV-Kenntnisse

- Sichere Englischkenntnisse in Wort und Schrift

- Russischkenntnisse sehr wünschenswert

- Wohnsitz in den neuen Bundesländern

Eigenschaften:

- Kompetenz und Durchsetzungsvermögen

- Hohe Leistungsmotivation

- Teamfähigkeit, Flexibilität und Belastbarkeit

Vergütung:

- E 10 des BETV der chemischen Industrie

- Firmen-PKW

Die Arbeitgeberin entschied sich zur Besetzung der Stelle für den externen Bewerber G.H., der über einen Mitarbeiter der Arbeitgeberin von der vakanten Stelle erfahren hatte.

Mit Anschreiben vom 27.12.2006 an den Betriebsrat sowie Einstellungsbogen zur Einstellung und Eingruppierung hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat entsprechend an. Wegen des Inhalts dieser Anhörung wird auf die Mitteilung vom 27.12.2006 (Bl. 9/10 d.A.) verwiesen.

Der Betriebsrat erhob Bedenken und verwies auf ein gesondertes Schreiben vom 04.01.2007. Hierin stimmte der Betriebsrat der Einstellung des Herrn G.H. als Gebietsleiter zu, widersprach jedoch der Eingruppierung nach E 10 K BETV. Das Schreiben lautet wie folgt:

Der Betriebsrat stimmt der Einstellung des Herrn G.H. als Gebietsleiter Ost Vertrieb zu.

Das Entgelt bei den anderen Gebietsleitern bei der MRD liegt bei E 12 K plus Individuelle Zulagen. Herr H. und sein Aufgabengebiet erfüllen mindestens die Eingruppierungsmerkmale der Entgeltgruppe E 12 K BETV.

Er hat in den letzten 16 Jahren ca. 15 Jahre im Schmierstoffvertrieb gearbeitet, zuletzt bei der D. C. GmbH/D. AG H. als Gebietsleiter Schmierstoffvertrieb. Für den genannten Betrieb gilt auch der BETV der IGBCE und daher ist der Herr H. nicht als Berufsanfänger zu behandeln. Er hat Ansprüche aus diesem Tarifvertrag auf Grund seiner Berufserfahrung.

Der Arbeitnehmer H. hat von September 1970 bis August 1974 an der Technischen Universität D. den Abschluss als Diplomingenieur für Kraftfahrzeugtechnik erworben. Zuvor hatte er eine Ausbildung als Betriebsschlosser abgelegt. Zuletzt war Herr H. als Gebietsleiter im Schmierstoffvertrieb bei der D. C. GmbH/D.B. AG H. tätig. Wegen der Bewerbungsunterlagen des Herrn H. wird auf diese (Bl. 251 bis 261 d.A.) verwiesen.

Neben der Stellenausschreibung hat die Arbeitgeberin im vorliegenden Verfahren das Aufgabengebiet des Arbeitnehmers H. wie folgt dargestellt:

- Produkttechnische und kaufmännische Betreuung und Beratung der Kunden im Verkaufsaußendienst in Ostdeutschland und angrenzenden Exportländern

- Marktinformationen an und von den Kunden

- Beratung bei der Erstellung von Schmierstoffplänen

- Produktempfehlungen

- Lagerung /Organisation

- Finanzierungen

- Führen von Verkaufsgesprächen

- Akquisition neuer Kunden mit den Schwerpunkten Handelsgeschäft, große Endverbraucher und Großindustrie

- Abgabe von qualifizierten Angeboten auch zu Ausschreibungen

- Preisvorkalkulation

- Marge in Abhängigkeit vom Kundenverkaufspotential

- Frachtermittlung und -optimierung (Straße/Schiene)

- Annahme und Überprüfung von Bestellungen/Aufträgen

- Erstellen von Wettbewerbsanalysen für das Verkaufsgebiet

- Analyse des Kundenstammes und der Interessenten

- Mitwirkung und Einflussnahme auf Produktentwicklungen und -pflege

- Klärung von Zahlungsdifferenzen und Mahnungen mit dem Kunden

- Beantragung von Kreditlinien unter Berücksichtigung von eingeholten Kreditauskünften und persönlichen Einschätzungen

- Vertretung des Unternehmensbereiches bei Verkaufs- und Informationsmessen

- Entgegennahme, Bearbeitung und Abwicklung von Reklamationen beim Kunden

- Erstellen von Berichten zu der Verkaufstätigkeit und -erfolg

- Informieren des Vorgesetzten über die Marktlage und Markttendenzen

- Selbstständige Planung und Optimierung der Besuchstätigkeit sowie Erstellung und Überarbeitung der Tourenplanung

- Abstimmen von gemeinsamen Besuchen mit dem Vertriebsleiter bei großen Kunden

- Mitwirkung bei den Planungsarbeiten und -analysen zu Mengen und Erlösen im Soll/Ist Vergleich

- Erledigung des anfallenden Schriftverkehrs

- Selbstständiges Führen von Fachkorrespondenz

- Vorbereitung von Rahmenabschlüssen

- Kontrolle über die ordnungsgemäße Abwicklung von Aufträgen

- Vertrauensvolle und zielgerichtete Zusammenarbeit, insbesondere mit dem jeweiligen Verkaufssachbearbeiter

- Analyse der aktuellen Auftragslage

- Auswertung der Telefonkontakte für die Tourenplanung

Der Arbeitnehmer H. erhält ab 01.03.2008 eine sogenannte Marktzulage in Höhe von 415,00 €, worüber der Betriebsrat am 07.02.2008 unterrichtet wurde (Bl. 217).

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dass die Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers H. in die Entgeltgruppe E 10 durch den Betriebsrat als erteilt gilt, da bei der Zustimmungsverweigerung ein ordnungsgemäßer Beschluss nicht zugrunde gelegen habe.

Hilfsweise begehrt sie die Ersetzung der verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung und vertritt die Auffassung, dass die Vergütungsgruppe nach dem Aufgabenfeld richtig gewählt sei. Soweit andere bei der Arbeitgeberin beschäftigten Gebietsleiter in eine höhere Entgeltgruppe eingruppiert seien, so seien diese mit dem Arbeitnehmer H. nicht vergleichbar. Ein entsprechendes Eingruppierungssystem sei im Betrieb nicht vorhanden. Auch eine falsche höhere Eingruppierung eines anderen Arbeitnehmers würde keinen Zustimmungsverweigerungsgrund darstellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers G.H. zu ersetzen. 2. Es wird festgestellt, dass die Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers G.H. in die Entgeltgruppe E 10 durch den Betriebsrat als erteilt gilt.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. die Anträge zurückzuweisen,

2. der Arbeitgeberin aufzugeben, den Betriebsrat zur Eingruppierung von Herrn G.H. anzuhören und um Zustimmung zur Eingruppierung zu ersuchen, die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, mit dem Arbeitnehmer G.H. einen Arbeitsvertrag mit dem Inhalt abzuschließen bzw. aufrechtzuerhalten, der eine geringere Vergütung als die Vergütung in Höhe des Wertes entsprechend der Entgeltgruppe E 12 K des jeweiligen geltenden Bundesentgelttarifvertrages der Chemischen Industrie es vorsieht, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung durch einen Spruch der Einigungsstelle nach § 76 BetrVG eingeholt zu haben.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge des Betriebsrates zurückzuweisen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass er nicht ordnungsgemäß zur Eingruppierung des Mitarbeiters H. angehört worden sei, da er nur um Zustimmung zur geplanten Einstellung gebeten worden sei.

Im Übrigen sei die Eingruppierung des Mitarbeiters H. aufgrund der zugewiesenen Tätigkeiten unrichtig. Es gebe zudem bei der Arbeitgeberin Vergütungsgrundsätze in einer einvernehmlichen langen Praxis, dass entsprechende Gebietsleiter nach der Vergütungsgruppe E 12 bezahlt würden. Vergleichbare Mitarbeiter erhielten auch diese Vergütungsgruppe, so dass auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliege.

Durch Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 23.11.2007 wurden die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Beschlusses wird auf diesen (Bl. 158 bis 168 d.A.) verwiesen.

Dieser Beschluss wurde der Arbeitgeberin am 27.02.2008 zugestellt. Hiergegen legte diese am 10.03.2008 Beschwerde ein und begründete diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 27.05.2008 mit einem am 27.05.2008 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.

Zur Begründung der Beschwerde trägt die Arbeitgeberin vor, sie halte nach wie vor die Entgeltgruppe E 10 für zutreffend. Die Vergütungsgruppe E 11 erfordere bereits ein Studium oder gleichwertige Kenntnisse, die der Mitarbeiter H. nicht besitze.

Aufgrund der zu erledigenden Aufgaben ergebe sich, dass die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe E 10 durch die Aufgabenstellung erfüllt würden. Es handele sich bei den Tätigkeiten allenfalls um schwierige kaufmännische Sachbearbeitung komplexer Vorgänge, was auch einem der Richtbeispiele des Tarifvertrages entspreche. Hinweise darauf, dass die zu verrichtenden Arbeiten ein Fachhochschulstudium oder gleichwertige Kenntnisse erforderten, seien nicht gegeben.

Es sei nicht erforderlich, Zeitanteile für die einzelnen Tätigkeiten des Mitarbeiters anzugeben. Nach § 3 Abs. 4 des BETV werde der Arbeitnehmer in die Entgeltgruppe einzugruppieren, deren Anforderungen den Charakter seines Arbeitsbereiches im Wesentlichen bestimmen.

Ein eigenes vom einschlägigen Tarifvertrag abweichendes Vergütungssystem sei bei der Arbeitgeberin nicht vorhanden. Die Arbeitgeberin habe sich niemals ausdrücklich vom einschlägigen Tarifvertrag gelöst. Soweit andere Eingruppierungen erfolgt seien, seien diese unrichtig. Der Betriebsrat könne sich auf diese Eingruppierungen nicht berufen.

Nach wie vor werde bestritten, dass ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrates bezüglich des Widerspruches vorliege.

Ergänzend wird auf die Beschwerdebegründung vom 27.05.2008 (Bl. 212 bis 216 d.A.) sowie vom 13.11.2008 (Bl. 235 bis 240 d.A.) verwiesen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 23.11.2007, Az. 13 BV 9/07, abzuändern und die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Herrn G.H. in die Entgeltgruppe E 10 zu ersetzen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

Der Betriebsrat verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 05.11.2008. Hierauf wird verwiesen (Bl. 227 d.A.).

II.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zur Eingruppierung des Arbeitnehmers H. in die Entgeltgruppe E 10 des BETV nicht ersetzt.

1.

Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat vor Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrenes ordnungsgemäß beteiligt. Dieses ergibt sich aus dem Antrag an den Betriebsrat vom 27.12.2006 nebst Anhörungsformular. Deutlich erkennbar ist, dass sowohl eine Anhörung zur Einstellung wie auch zur Eingruppierung erfolgen sollte, was der Betriebsrat auch so verstanden hat, wie sich aus seinem Widerspruch vom 04.01.2007 ergibt.

2.

Der Widerspruch des Betriebsrates ist ordnungsgemäß. Der Betriebsrat hat zur Betriebsratssitzung am 04.01.2007 unter Mitteilung der Tagesordnung geladen. An der Sitzung haben die Betriebsratsmitglieder im Betriebsrat teilgenommen. Die ordnungsgemäße Ladung und Beschlussfähigkeit ist gemäß dem Betriebsratsprotokoll festgestellt. Zu dem Tagesordnungspunkt 5, der Anhörung zur Einstellung des Herrn H. als Vertriebsleiter Ost, liegt ausweislich des Protokolles ein Beschluss vor.

Wenn auch als Tagesordnungspunkt nur die Einstellung bezüglich des Herrn H. aufgeführt ist, so beruht dieses auf der insoweit nicht ganz vollständigen Anhörung der Arbeitgeberseite. Da sowohl die Arbeitgeberin wie auch der Betriebsrat unter Einstellung sowohl die Einstellung selbst wie auch die Umstände der Einstellung, also auch die Eingruppierung, verstehen, ist die Ladung ordnungsgemäß erfolgt.

3.

Der Betriebsrat hat unter anderem mit der Begründung widersprochen, dass die Eingruppierung unrichtig sei und Herr H. die Eingruppierungsmerkmale der Entgeltgruppe E 12 K BETV erfülle, weil er in der Vergangenheit im Schmierstoffvertrieb gearbeitet habe als Gebietsleiter und er aufgrund seiner Berufserfahrung Ansprüche aus dem Tarifvertrag habe.

Diese stellt zwar eine knappe aber ausreichend konkrete Begründung des Betriebsrates für den Widerspruch dar, der ausreichend deutlich macht, mit welcher Begründung der Betriebsrat die Eingruppierung für unrichtig hält.

4.

Es kann dahingestellt bleiben, ob im Betrieb der Arbeitgeberin ein kollektives Entgeltschema für Gebietsleiter vorhanden ist und ob es sich um eine Benachteiligung des Herrn H. oder anderen Arbeitnehmern handelt und damit ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellt, denn jedenfalls ist die beantragte Entgeltgruppe E 10 K BETV unrichtig.

Gemäß § 3 Abs. 2 BETV werden die Arbeitnehmer entsprechend der von ihnen ausgeübten Tätigkeit in die Entgeltgruppen eingruppiert. Für eine Eingruppierung in eine Entgeltgruppe ist nicht die berufliche Bezeichnung, sondern allein die Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgebend. Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Oberbegriffe; hierzu sind als Erläuterung die bei den Entgeltgruppen aufgeführten Richtbeispiele heranzuziehen. Passen die Oberbegriffe nicht auf eine ausgeübte Tätigkeit, so ist der Arbeitnehmer in diejenige Entgeltgruppe einzugruppieren, die seiner Tätigkeit am nächsten kommt.

Die Entgeltgruppe 10 lautet wie folgt:

E 10

Arbeitnehmer, die im Rahmen allgemeiner Anweisungen auf Teilgebieten oder in begrenztem Umfang selbständig hochwertige kaufmännische oder technische Tätigkeiten verrichten, für die eine planmäßige Berufsausbildung vorausgesetzt wird. Das Merkmal der planmäßigen Berufsausbildung in dieser Gruppe wird erfüllt durch den erfolgreichen Abschluss einer Zusatzausbildung zum Chemotechniker, vergleichbaren Techniker oder einer mit dem staatlich anerkannten Techniker vergleichbaren kaufmännischen Zusatzausbildung. Die Berufsausbildung kann durch entsprechende durch Berufserfahrung erworbene gleichwertige Kenntnisse ersetzt werden.

Meister mit einem nicht einfachen Arbeitsgebiet, für das erweiterte Kenntnisse und Fertigkeiten vorausgesetzt werden, die durch eine abgeschlossene anerkannte Meisterfortbildung oder durch umfangreiche Erfahrungen in einem Aufsichtsbereich der Gruppe E 9 erworben worden sind.

Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen können folgende Tätigkeiten als Richtbeispiele gelten:

Erledigen von Aufgaben in großen Lagern oder Speditionen Assistenz- und Sekretariatstätigkeiten, die wesentlich durch die

Verwendung zweier Fremdsprachen geprägt sind

Schwierige kaufmännische Sachbearbeitung komplexer Vorgänge

Kaufmännische Sachbearbeitung, die wesentlich durch die Verwendung zweier Fremdsprachen geprägt ist

Konstruieren und Berechnen von Maschinen- und Apparateeinzelteilen

Durchführen von technischen Kalkulationen zur Ermittlung des Maschinenbedarfs und des Arbeitsganges

Ausarbeiten von Fertigungsplänen unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Fertigungsmethoden nach Anweisung

Überwachen von Arbeitsabläufen im Technikum mit besonderem Analyse- oder Synthesewissen

Fachliche Mitarbeit bei der Entwicklung oder Optimierung neuer Prüfverfahren oder Methoden

Auswerten, Darstellen und Präsentieren von Versuchsergebnissen

Die Entgeltgruppe E 11 hingegen beinhaltet folgende Voraussetzungen für die Eingruppierung:

E 11

Arbeitnehmer, die im Rahmen allgemeiner Richtlinien selbständig kaufmännische oder technische Tätigkeiten verrichten, für die eine Ausbildung an einer Fachhochschule zum Betriebswirt, zum Ingenieur oder ein gleichwertiger Abschluss vorausgesetzt werden. Die Berufsausbildung kann durch aufgrund einer entsprechenden Berufserfahrung auf einem Arbeitsplatz der Gruppe E 10 erworbene gleichwertige Kenntnisse ersetzt werden.

Meister mit einem nicht einfachen Arbeitsgebiet, die für den ihnen zugewiesenen Aufsichtsbereich die Verantwortung tragen, wenn in ihm überwiegend Arbeitnehmer der Gruppe E 6 tätig sind, oder die umfangreiche Kenntnisse im Umgang mit Material und Maschinen benötigen, die in der Regel eine abgeschlossene anerkannte Meisterfortbildung voraussetzen, oder wenn es sich um einen nach Umfang und Verantwortung vielseitigen Aufsichtsbereich handelt. Ein vielseitiger Aufsichtsbereich liegt insbesondere vor, wenn er verschiedene Verfahren oder Techniken umfasst.

Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen können folgende Tätigkeiten als Richtbeispiele gelten:

Qualifizierte kaufmännische Tätigkeiten mit Personal- und/oder übertragener Budgetverantwortung

Qualifizierte kaufmännische Tätigkeiten, die besondere Fachkenntnisse z.B. auf den Gebieten der Logistik, des Finanz- und Rechnungswesens oder in Fremdsprachen voraussetzen

Entwickeln von IT-Konzepten

Konstruktives und kalkulatorisches Durcharbeiten von Apparaturen, von Anlageteilen und Anlagen

Bearbeitung von naturwissenschaftlichen oder technischen Aufgabenstellungen auch unter Einsatz komplizierter Technik wie beispielsweise:

- Durchführung von Entwicklungsarbeiten - Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden

- Durchführen, Überwachen und Auswerten von experimentellen Aufgaben - Planen von komplizierten Apparaturen

- Bearbeiten und Beantworten anwendungstechnischer Kundenanfragen

- Hauptberufliche Ausbilder im Sinne des Berufsbildungsgesetzes, die selbständig Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, mit entsprechender Berufserfahrung als Ausbilder

Bei einer Eingruppierung nach dem BETV ist deshalb zunächst zu prüfen, ob der Kläger im Rahmen allgemeiner Anweisungen auf Teilgebieten oder in begrenztem Umfange selbständig hochwertige kaufmännische oder technische Tätigkeiten zu verrichten hat, für die eine planmäßige Berufsausbildung vorausgesetzt wird. Im Bereich der kaufmännischen Angestellten ist in Vergütungsgruppe E 11 demzufolge zu fragen, ob er im Rahmen allgemeiner Richtlinien selbständig kaufmännische oder technische Tätigkeiten zu verrichten hat, für die eine Ausbildung an einer Fachhochschule zum Betriebswirt, zum Ingenieur oder ein gleichwertiger Abschluss vorausgesetzt werden, wobei allerdings diese Berufsausbildung durch aufgrund einer entsprechenden Berufserfahrung auf einem Arbeitsplatz der Gruppe E 10 erworbene gleichwertige Kenntnisse ersetzt werden kann. Bezüglich der Richtbeispiele ist einerseits zu fragen, ob schwierige kaufmännische Sachbearbeitung komplexer Vorgänge vorliegt oder qualifizierte kaufmännische Tätigkeiten, die besondere Fachkenntnisse z.B. auf dem Gebiet der Logistik, des Finanz- und Rechnungswesens oder in Fremdsprachen voraussetzen.

Nach dem Aufgabengebiet des Mitarbeiters H., wie sie die Arbeitgeberin über die interne Stellenausschreibung im Verfahren hinaus geschildert hat, hat der Mitarbeiter aber nicht nur auf Teilgebieten und in begrenztem Umfange selbständig zu arbeiten, vielmehr selbständig kaufmännische Tätigkeiten zu verrichten. Zwischen der Entgeltgruppe E 10 und E 11 besteht deshalb ein Qualitätssprung dergestalt, dass geprüft werden muss, ob nur auf Teilgebieten oder in beschränktem Umfange selbständig kaufmännische Tätigkeiten zu verrichten sind oder ob diese generell selbständig erbracht werden müssen, wobei in der Entgeltgruppe E 10 hochwertige kaufmännische Tätigkeit gefordert wird, in der Entgeltgruppe E 11 ein Fachhochschulabschluss. Des Weiteren jedoch ist ein Fachhochschulabschluss nicht erforderlich, wenn durch hochwertige kaufmännische Tätigkeiten gemäß der Entgeltgruppe E 10 eine entsprechende Berufserfahrung gleichwertige Kenntnisse ersetzt.

Nach der Systematik dieses Tarifvertrages ist deshalb nicht davon auszugehen, dass eine Fachhochschulausbildung in der Weise erfolgen muss, dass sämtliche Tätigkeiten eines Diplombetriebswirtes oder Diplomkaufmanns auf allen Gebieten dieser Berufsbilder erbracht werden müssen, vielmehr ist es ausreichend, dass für die Tätigkeit selbst entsprechende Tätigkeiten vorhanden sind, da in der Entgeltgruppe E 10 unter keinen Umständen so umfangreiche Kenntnisse erworben werden können, dass eine vollständige Kenntniserlangung, die einem Fachhochschulabschluss gleichkommt, erreicht wird.

Damit ist nach dem Tarifvertrag eine Durchstufung von der Entgeltgruppe E 10 zur Entgeltgruppe E 11 möglich in der Weise, dass in der Entgeltgruppe E 11 höherwertige Tätigkeiten verrichtet werden können nur aufgrund erworbener Kenntnisse in der Entgeltgruppe E 10.

Aus den Richtbeispielen kann zusätzlich entnommen werden, dass in der Entgeltgruppe E 10 eine Sachbearbeitung komplexer Vorgänge im kaufmännischen Bereich, die schwierig sind, die Eingruppierung rechtfertigen, die Entgeltgruppe E 11 dagegen qualifizierte kaufmännische Tätigkeiten mit besonderen Fachkenntnissen fordert.

Letztere benötigt jedoch der Mitarbeiter H. für die seitens der Arbeitgeberin übertragene Tätigkeit. Aus dem umfangreichen Aufgabengebiet für den Arbeitnehmer H., wie sie die Arbeitgeberin geschildert hat, ergibt sich, dass ein besonderes breites Aufgabenfeld vorhanden ist und diese Tätigkeiten im Rahmen allgemeiner Richtlinien selbständig zu verrichten sind. Insbesondere bei den Aufgaben der Lagerung/Organisation, der Finanzierungen, der Abgabe von qualifizierten Angeboten auch zu Ausschreibungen, im Erstellen von Wettbewerbsanalysen für das Verkaufsgebiet, der Mitwirkung und Einflussnahme auf Produktentwicklungen und -pflege, der Beantragung von Krediten unter Berücksichtigung von eingeholten Kreditauskünften und persönlichen Einschätzungen und der Vorbereitung von Rahmenabschlüssen ergeben sich kaufmännische Tätigkeiten, die besondere Fachkenntnisse auf den Gebieten der Betriebsorganisation, des Finanzwesens, des Wirtschaftswesens im Verkaufsgebiet, der technischen Möglichkeiten von Produktentwicklungen erfordern und übergeordnete wirtschaftliche Kenntnissen bei der Vorbereitung von Rahmenabschlüssen vorhanden sein müssen. Diese Tätigkeiten können erworben sein durch eine schwierige kaufmännische Sachbearbeitung komplexer Vorgänge, wobei eine Sachbearbeitung komplexer Vorgänge sich auf ein einziges Sachgebiet beschränkt, auch wenn dieses komplex ist, jedoch nach der Entgeltgruppe E 11 qualifiziertere Tätigkeiten auf mehreren Sachgebieten gefordert werden mit entsprechenden Fachkenntnissen.

Hinzu kommen auch die Fremdsprachenkenntnisse, die ausdrücklich in der Stellenausschreibung gefordert waren mit sicheren Englischkenntnissen und Russischkenntnissen und deshalb auch fachspezifische Kenntnisse in diesem Fremdsprachenbereich für das vorhandene Gebiet vorausgesetzt werden.

Das Zusammenspiel von den Tätigkeitsmerkmalen der Oberbegriffe sowie der vorhandenen Richtbeispiele und der entsprechenden Festlegung durch die Tarifvertragsparteien ergibt, dass vorliegend die Entgeltgruppe E 10 nicht zutreffend ist, vielmehr mindestens die Entgeltgruppe E 11.

Die Kammer hat nicht zu überprüfen, ob noch eine höhere Eingruppierung gerechtfertigt ist, da die Arbeitgeberin den Antrag auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 10 gestellt hat und es nur darauf ankommt, ob diese zutreffend ist. Dieses ist zur Überzeugung der Kammer nicht der Fall.

Bereits aus diesen Gründen kann die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Eingruppierung nicht erfolgen.

Der Arbeitgeberin war auch nicht nachzulassen, zu den Voraussetzungen der Eingruppierung weiter vorzutragen. Sie hat bereits erstinstanzlich im Einzelnen die Anforderungen an den Arbeitsplatz beschrieben in Konkretisierung der Stellenausschreibung. Der Umfang und die Art der Tätigkeiten führen zur Überzeugung der Kammer bereits dazu, dass von einer qualifizierten kaufmännischen Tätigkeit mit besonderen Fachkenntnissen auszugehen ist. Hat die Arbeitgeberin in dieser Weise vorgetragen, so ist einem Antrag auf Konkretisierung dieser Tätigkeiten, die diese nunmehr wieder zurücknehmen sollen, nicht stattzugeben, da die Arbeitgeberin an ihrem ursprünglichen Konzept dieses Arbeitsplatzes festzuhalten ist, wie er bei Anhörung des Betriebsrates bestanden hat.

Nach alledem ist die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den erstinstanzlichen Beschluss zurückzuweisen.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung zur Eingruppierung eines Mitarbeiters bei der Arbeitgeberin. Gegen diese Entscheidung ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach Maßgabe des § 92 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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