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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 12.04.2002
Aktenzeichen: 3 Sa 1638/01
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Die Einschränkung des Prüfungsmaßstabes in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO auf eine grobe Fehlerhaftigkeit bezieht sich nicht nur auf den Abwägungsvorgang im Hinblick auf die Kriterien der Sozialauswahl, nämlich Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten, sondern auf den gesamten Sozialauswahlprozess. Hierzu gehört auch die Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises.

Es ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn Betriebsrat und Insolvenzverwalter bei einem Interessenausgleich, in dem die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnend sind, die Sozialauswahl bei einem Einzelhandelsunternehmen für Arbeitnehmer ohne einschlägige kaufmännische Ausbildung aufgrund einer generalisierenden Betrachtungsweise auf die Beschäftigten in der jeweiligen Abteilung beschränken, während bei Arbeitnehmern mit einschlägiger kaufmännischer Ausbildung alle Arbeitnehmer des Betriebes mit einer vergleichbaren Tätigkeit einbezogen werden.


Landesarbeitsgericht Niedersachsen

3 Sa 1638/01

Verkündet am: 12. April 2002

URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 12.04.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vogelsang und die ehrenamtlichen Richter Waschk und Gleiss

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 10.10.2001 - 4 Ca 297/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Der am geborene, verheiratete Kläger ist gelernter Bäcker.

Ab dem 01.08.1978 war er bei der Gemeinschuldnerin, der Firma B KG in H als Verkäufer beschäftigt. Zunächst arbeitete er in der Staubsaugerabteilung. Ab 1986 war er in der Elektro-Kleingeräte-Abteilung im Bereich Rasiererverkauf tätig.

Durch Beschluss vom 01.04.2001 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter ernannt. Eine vom Beklagten in Auftrag gegebene Rentabilitätsprüfung ergab, dass eine sinnvolle Fortführung des Betriebes der Gemeinschuldnerin in der bisherigen Form nicht möglich sei. Der Beklagte traf im Interesse des Erhalts der Betriebsstätte eine Reihe von Organisationsentscheidungen mit dem Ziel, den Beratungsbedarf in den einzelnen Abteilungen deutlich zu reduzieren. Gleichzeitig entschloss er sich, die in der Nähe des Haupthauses gelegene Verkaufsstätte He zum 23.06.2001 stillzulegen. Außerdem wurde ein neues Personaleinsatzsystem installiert.

Der Beklagte beabsichtigte aufgrund dessen, mehrere Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern des Betriebes zu beenden und führte zu diesem Zweck Gespräche mit dem örtlichen Betriebsrat. Der Beklagte und der Betriebsrat einigten sich auf einen Interessenausgleich mit Namensliste und Sozialplan vom 31.05.2001 wegen dessen Inhalts auf die mit Schriftsatz des Beklagten vom 25.07.2001 überreichte Kopie (Bl. 43 bis 56 d.A.) Bezug genommen wird. Im Rahmen dieser Vereinbarungen erzielte man bei der sozialen Auswahl Einigkeit über eine Gruppenbildung, und zwar in folgenden Altersstufen:

- Arbeitnehmer bis einschließlich des 30. Lebensjahres

- Arbeitnehmer vom 31. bis 40. Lebensjahr

- Arbeitnehmer vom 41. bis 50. Lebensjahr

- Arbeitnehmer vom 51. bis 60. Lebensjahr

- Arbeitnehmer ab dem 61. Lebensjahr

Ferner verständigte sich man darauf, dass die Sozialauswahl bei Arbeitnehmern mit einschlägiger Ausbildung im Einzelhandel oder einer kaufmännischen Ausbildung zwischen sämtlichen Verkäufern im Hause stattfinden sollte. Bei Mitarbeitern ohne kaufmännische Ausbildung sollten lediglich die Mitarbeiter der jeweiligen Abteilung in die Sozialauswahl einbezogen werden. Wegen der Sozialdaten der in der Abteilung Elektro-Kleingeräte beschäftigten Mitarbeiter wird auf die Auflistung auf den Seiten 5 und 6 des Schriftsatzes des Beklagten vom 25.07.2001 (Bl. 33/34 d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 25.05.2001 sprach der Beklagte sodann gegenüber dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2001 aus. Hiergegen setzt sich der Kläger mit seiner am 15.06.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage zur Wehr.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Vermutungsregelung des § 125 Abs. 1 Ziff. 1 InsO könne nicht dazu führen, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei, auf den Arbeitnehmer übergehe. Die soziale Auswahl, die der Beklagte vorgenommen habe, sei als grob fehlerhaft anzusehen. Die Beschränkung der Sozialauswahl auf dem Bereich der Abteilung stehe im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 KSchG. Die hierin enthaltenen Auswahlkriterien würden auch nicht etwa durch die Regelung des § 125 InsO aufgehoben. Außerdem beschreibe der Interessenausgleich die durchzuführenden Rationalisierungsmaßnahmen nicht hinreichend konkret.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die seitens des Beklagten unter dem 25.05.2001 zum 31.08.2001 ausgesprochene Kündigung rechtswidrig ist,

2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Verkäufer in der Elektro-Kleingeräte-Abteilung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, aufgrund der Regelung des § 125 InsO könne die erfolgte Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden. Sie sei jedoch nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen werde.

Durch Urteil vom 11.10.2001 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 12.246,-- DM festgesetzt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 77 bis 80 d.A.) Bezug genommen. Das Urteil ist dem Kläger am 25.10.2001 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 14.11.2001 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, § 1 Abs. 2 KSchG lege die Sozialauswahl betriebsbezogen fest, eine abteilungsbezogene Sozialauswahl sei damit nicht vereinbar. Dies ergebe sich auch nicht etwa aus § 125 InsO. Mit der abteilungsbezogenen Sozialauswahl für Personen ohne einschlägige Berufsausbildung werde darüber hinaus ein tarifrechtlich unzulässiges Differenzierungsmerkmal geschaffen, da sowohl Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung als auch Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung gleichermaßen von Gehaltsgruppe 2 des Gehalts- und Lohntarifvertrages Einzelhandel Niedersachsen erfasst würden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 11.10.2001 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 25.05.2001 nicht zum 31.08.2001 beendet worden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 27.11.2001 (Bl. 90 bis 96 d.A.).

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zutreffend entschieden hat. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene Kündigung wirksam zum 31.08.2001 beendet worden.

1.

Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, denn sie ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Gemeinschuldnerin entgegenstehen, bedingt. Gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ist das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse zu vermuten, weil zwischen Betriebsrat und Insolvenzverwalter ein Interessenausgleich zustande gekommen ist, in dem die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet sind. Die entsprechenden Feststellungen des Arbeitsgerichts greift der Kläger mit seiner Berufung auch nicht an.

2.

Die Kündigung ist ferner nicht gemäß § 1 Abs. 3 KSchG wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl rechtsunwirksam.

a)

Nicht zu beanstanden ist es, wenn der Beklagte bei der Sozialauswahl vorab Altersgruppen gebildet hat, um die Auswahlentscheidung lediglich innerhalb dieser Gruppen vorzunehmen. Die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise folgt aus der Regelung in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, letzter Halbsatz InsO. Auf diese Weise ging es dem Beklagten nämlich darum, eine ausgewogene Personalstruktur zu erhalten bzw. zu schaffen. Anderenfalls hätte bei der vorliegenden Massenentlassung durchaus die Gefahr bestanden, dass es durch eine Auswahl allein nach sozialen Gesichtspunkten zu einer erheblichen Verschiebung in der Altersstruktur des Betriebes kommt, die berechtigten betrieblichen Interessen entgegenstünde. Dabei ist es als zulässig anzusehen, Altersgruppen in Schritten von je 10 Lebensjahren zu bilden (vgl. BAG, Urt. vom 23.11.2000 - 2 AZR 533/99 - AP 114 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zur Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG in der vom 01.07.1996 bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung, die ebenfalls auf den Begriff der "ausgewogenen Personalstruktur" abstellt). Anhaltspunkte dafür, dass die Gruppenbildung gerade dazu diente, bestimmte unliebsame Arbeitnehmer entlassen zu können, bestehen nicht.

b)

Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist es auch nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte bei der Gruppenbildung im Rahmen der sozialen Auswahl nur die Mitarbeiter in der Abteilung des Klägers einbezogen hat, während bei Mitarbeitern mit einschlägiger kaufmännischer Ausbildung eine Sozialauswahl unter Einbeziehung aller Mitarbeiter des Betriebes mit vergleichbarer Tätigkeit vorgenommen wurde. Die soziale Auswahl konnte insoweit gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden.

Die Einschränkung des Prüfungsmaßstabes in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO bezieht sich nicht nur auf den Abwägungsvorgang im Hinblick auf die drei Kriterien der Sozialauswahl, nämlich Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten, sondern auf den gesamten Sozialauswahlprozess (Wimmer/Eisenbeis, § 125 InsO Rn. 11; Kiel/Koch Rn. 509; wohl auch Kübler/Prütting/Moll § 125 InsO Rn. 64; vgl. auch Löwisch, RdA 97, 80 (82)). Wegen der weitgehenden Inhaltsgleichheit des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO mit § 1 Abs. 5 KSchG in der vom 01.07.1996 bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung kann auf die hierzu entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts bezog sich die Beschränkung der Prüfungsmöglichkeiten im Rahmen des § 5 Abs. 1 KSchG a.F. u.a. auch auf die Bildung der auswahlrelevanten Gruppe (BAG, Urt. vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - AP 94 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung mit insoweit zustimmender Anmerkung von Schiefer; BAG, Urt. vom 02.12.1999 - 2 AZR 757/98 - AP 55 zu § 1 KSchG 1969 soziale Auswahl; ebenso: LAG Köln, Urt. vom 01.08.1997 - 11 Sa 355/97 - DB 97, 2181; Löwisch, RdA 97, 80 (81); Schiefer DB 97, 2176 (2178); a.A. LAG Düsseldorf, Urt. vom 24.03.1998 - 3 Sa 1926/97 - LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 6; Zwanziger, DB 97, 2174 (2176)). Das ist auch für den Anwendungsbereich des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO anzunehmen. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Bestimmung, wonach "auch insoweit" eine Nachprüfung auf grobe Fehlerhaftigkeit möglich sein soll. Die Einschränkung der Prüfungsmöglichkeit muss daher auch für andere Elemente der Sozialauswahl gelten und nicht lediglich für die Abwägung bezüglich der drei Kriterien für die Sozialauswahl (Löwisch, RdA 97, 80 (82); abweichend Kübler/Prütting/Moll § 125 InsO Rn. 64). Auch der Gesetzeszweck spricht für eine Einbeziehung aller Schritte der Sozialauswahl. Zweck des § 125 InsO ist es nämlich, Kündigungen zu erleichtern und die Überlebensfähigkeit und die Erhaltung der verbleibenden Arbeitsplätze zu ermöglichen (vgl. Schrader, NZA 97, 70 (74)). Die Festlegung des auswahlrelevanten Personenkreises gehört begriffsnotwendig als erster Akt zur Sozialauswahl. Hierdurch wird bereits eine Vorauswahl durchgeführt und damit die Auswahl schon teilweise verwirklicht (vgl. LAG Köln, Urt. vom 01.08.1997 - 11 Sa 355/97 - DB 97, 2181). Wäre die Festlegung des Auswahlbereichs uneingeschränkt überprüfbar, hätte die Kündigungserleichterung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO gerade in einem Kernbereich keine praktische Bedeutung. Gerade die Festlegung des auswahlrelevanten Personenkreises ist erfahrungsgemäß häufig der schwierigste Bestandteil der Sozialauswahl. Besonders in diesem Bereich erscheint die Einschränkung des Prüfungsmaßstabes sinnvoll. Insolvenzverwalter und Betriebsrat verfügen über genauere Kenntnisse der einzelnen Arbeitsplätze und darüber, welche Arbeitnehmer unter Umständen austauschbar sind und welche nicht. Vor allem diese Sachkunde rechtfertigt es jedoch, die Prüfungsmöglichkeit durch die Gerichte für Arbeitssachen auf den Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit einzuschränken. Demgegenüber bereitet erfahrungsgemäß die Gewichtung der Kriterien die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten weniger praktische Schwierigkeiten und erfordert weniger Kenntnisse der betrieblichen (Besonderheiten. Darüber hinaus waren wegen des Gesetzgebers, für die Einschränkungen des Prüfungsmaßstabs das Interesse der Beteiligten an einer größeren Rechtssicherheit. Im Interesse einer größeren Rechtssicherheit erscheint es aber wenig sinnvoll, die Sozialauswahlkriterien und ihre Gewichtung nur einer eingeschränkten Prüfung auf grobe Fehlerhaftigkeit zu unterwerfen, die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer als solche hiervon aber auszuklammern (vgl. BAG, Urt. vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - AP 94 zu § 1 KSchG 1959 betriebsbedingte Kündigung, zu § 1 Abs. 5 KSchG a.F.).

Damit kann im vorliegenden Fall die Festlegung des auswahlrelevanten Personenkreises nur daraufhin untersucht werden, ob sie als grob fehlerhaft anzusehen ist. Diesem Prüfungsmaßstab hält die getroffene Sozialauswahl jedoch stand. Allerdings ist bei der Prüfung, welche Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, grundsätzlich zu untersuchen, welche Mitarbeiter miteinander vergleichbar, d.h. austauschbar sind. Diese Bestimmung hat arbeitsplatzbezogen zu erfolgen. Arbeitsplätze sind dann vergleichbar im Sinne des § 3 Abs. 3 KSchG, wenn der Arbeitnehmer dort aufgrund des Weisungsrechts ohne Änderung des Arbeitsvertrages weiterbeschäftigt werden könnte (BAG, Urt. vom 15.06.1989 - 2 AZR 580/98 - AP 18 zu § 1 KSchG 1969 soziale Auswahl). Es spricht einiges dafür, dass der Kläger aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung in der Lage wäre, auch an anderen Arbeitsplätzen in anderen Abteilungen der Gemeinschuldnerin im Bereich des Verkaufs tätig zu werden, jedenfalls nach einer kurzen Einarbeitungszeit. Darüber hinaus deutet auch die Entgeltregelung in dem einschlägigen Tarifvertrag für den niedersächsischen Einzelhandel darauf hin, dass die Tarifvertragsparteien ausgebildete und nicht ausgebildete Arbeitskräfte zumindest nach einer bestimmten Beschäftigungszeit als ähnlich qualifiziert ansehen. Es ist aber nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn die Betriebspartner im Rahmen der Sozialplanverhandlungen eine Einschränkung der Sozialauswahl bei nicht einschlägig ausgebildeten Mitarbeitern vorgenommen haben, um sicherzustellen, dass in allen Abteilungen nach der Personalreduzierung zumindest in einem gewissen Umfang Verkaufsmitarbeiter mit einschlägiger kaufmännischer Ausbildung beschäftigt sind. Dabei gehen sie offenbar davon aus, dass die kaufmännische Ausbildung eine höhere Gewähr dafür bietet, einen flexibleren Einsatz zu ermöglichen, d.h. in unterschiedlichen Abteilungen des Kaufhauses tätig zu werden. Nach Durchführung der Personalreduzierung sollte für den Betrieb der Beklagten keine Personalreserve mehr vorgehalten werden. Bei einem unvorhergesehenen Personalausfall in einzelnen Abteilungen wird damit sofort ausgebildetes Fachpersonal benötigt, das auch ohne längere Einarbeitungszeit in einer anderen Abteilung aushelfen kann. Die Betriebspartner gingen hierbei erkennbar davon aus, dass dies bei Mitarbeitern mit einschlägiger Ausbildung im Einzelhandel eher gewährleistet sein würde. Diese Einschätzung kann vom Gericht aufgrund der Einschränkung des Prüfungsmaßstabes nicht auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Grob fehlerhaft sind derartige Erwägungen jedenfalls nicht. Die von den Betriebspartnern angestellte generalisierende Betrachtungsweise beruht vielmehr auf nachvollziehbaren, sachbezogenen Überlegungen. Eine grobe Fehlerhaftigkeit ist aber nur dann anzunehmen, wenn ein ins Auge springender, schwerer Fehler bzw. ein offenkundiger Verstoß vorliegt (vgl. Kübler/Prütting/Moll § 125 InsO Rn. 62 m.w.N.).

c)

Die von dem Beklagten innerhalb der Altersgruppe des Klägers in der Abteilung Elektro-Kleingeräte durchgeführte Sozialauswahl ist nicht zu beanstanden. Die im Betrieb verbliebene Mitarbeiterin W ist zwar zwei Jahre jünger als der Kläger, aber für ein Kind unterhaltsverpfichtet. Die Mitarbeiterin S ist geringfügig jünger als der Kläger und knapp zwei Monate nach ihm eingestellt worden. Es liegen also im Hinblick auf Kriterien der Sozialauswahl marginale Abweichungen vor. Die Mitarbeiterin B ist einige Jahre älter als der Kläger und schon ca. fünf Jahre länger im Betrieb der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Die Mitarbeiterin V ist ebenfalls um einige Jahre älter als der Kläger, allerdings etwa 3 1/2 Jahre nach diesem eingestellt worden. Es gibt jedoch keinen allgemeinverbindlichen Bewertungsmaßstab dafür, wie die einzelnen Sozialdaten zueinander ins Verhältnis zu setzen sind. Der Arbeitgeber hat nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die sozialen Gesichtspunkte "ausreichend" zu berücksichtigen. Mit dieser Formulierung eröffnet das Gesetz dem Arbeitgeber einen gewissen Bewertungsspielraum. In Grenzfällen können daher mehrere Entscheidungen rechtmäßig sein (vgl. Kiel/Koch Rn. 349 m.w.N.). Wenn der Beklagte im vorliegenden Fall dem höheren Lebensalter etwa mehr Bedeutung beigemessen hat als der Dauer der Betriebszugehörigkeit, ist dies nicht zu bestanden, ganz sicher liegt jedoch keine grob fehlerhafte Auswahlentscheidung vor. Es kann nicht davon gesprochen werden, dass die Gewichtung der sozialen Kriterien im vorliegenden Fall jede Ausgewogenheit vermissen lässt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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