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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 17.06.2005
Aktenzeichen: 3 TaBV 19/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
Voraussetzung für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates nach § 99 BetrVG ist die Anwendbarkeit einer Vergütungsordnung auf das Arbeitsverhältnis des betroffenen Arbeitnehmers (BAG, Beschluss vom 23.09.2003 - 1 ABR 35/02 - AP 28 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung = EzA § 99 BetrVG 2001 Nr. 3). Das gilt auch bei einem von mehreren Arbeitgebern gebildeten Gemeinschaftsbetrieb. Hier kommt es ausschließlich darauf an, ob die Vergütungsordnung für den jeweils einstellenden Arbeitgeber gilt.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

3 TaBV 19/05

In dem Beschlussverfahren

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 17. Juni 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vogelsang, die ehrenamtliche Richterin Frau von Minden, den ehrenamtlichen Richter Herrn Dommel-Rustenbach

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Bet. zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 10.11.2004 - 9 BV 4/04 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren nunmehr noch über die Frage, ob die Bet. zu 1) verpflichtet ist, den Arbeitnehmer L... in eine tarifliche Vergütungsgruppe des Gehaltstarifvertrages für die Firma "D..." einzugruppieren.

Die Bet. zu 1) ist eine Tochtergesellschaft der Firma "D..." Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG (im folgenden: "D..."). Bet. zu 2) ist der bei der Firma "D..." gebildete Betriebsrat.

Die Bet. zu 1) beabsichtigte, Herrn L... als (bisher) einzigen Arbeitnehmer zu beschäftigen. Dies teilte sie dem Bet. zu 2) am 04.05.2004 mit. In der Anhörung heißt es, die Vergütung "die Vergütung ist frei vereinbart". Der Bet. zu 2) widersprach der beabsichtigten Einstellung unter dem 10.05.2004. Im Verlaufe der erstinstanzlichen Verfahrens erklärte der Bet. zu 2) dann seine Zustimmung zur Einstellung von Herrn L....

Der Bet. zu 2) hat die Ansicht vertreten, die Firma "D..." sowie die Bet. zu 1) führten einen einheitlichen Betrieb. Deshalb sei er für die Einstellung des Mitarbeiters L... zuständig. Dieser sei auch in den für die Firma "D..." geltenden Gehaltstarifvertrag vom 11.06.2002 einzugruppieren. Auch wenn die Bet. zu 1) nicht unmittelbar daran gebunden sei, stelle der Tarifvertrag doch die betriebliche Vergütungsordnung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dar.

Der Bet. zu 2) hat in 1. Instanz zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung von Herrn L... - als Vertriebsmitarbeiter für Audiotex-Dienste - erforderlich war.

2. die Antragstellerin zu verpflichten, den Arbeitnehmer L... in eine Vergütungsgruppe des Gehaltstarifvertrages - geschlossen zwischen D... Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG sowie der ver.di einzugruppieren.

Die Bet. zu 1) hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Die Bet. zu 1) hat die Ansicht vertreten, ein Eingruppierungsanspruch wegen des Mitarbeiters L... bestehe nicht, weil weder sie noch Herr L... tarifgebunden seien. Zudem habe sie mit der Einstellung des Mitarbeiters keinen kollektiv-rechtlichen Tatbestand verwirklicht.

Durch Beschluss vom 10.11.2004 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass eine Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung von Herrn L... erforderlich war und den Antrag des Bet. zu 2) im übrigen zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen unter II. des angefochtenen Beschlusses (Bl. 82 bis 88 d.A.) verwiesen. Der Beschluss ist dem Bet. zu 2) am 11.02.2005 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 07.03.2005 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Bet. zu 2) ist der Ansicht, da die Bet. zu 1) und die Firma "D..." einen einheitlichen Betrieb führten, gelte in diesem Betrieb die betriebliche Vergütungsordnung des entsprechenden Gehaltstarifvertrages. Die entsprechenden Vergütungsregelungen seien daher als maßgebliche Entlohnungsgrundsätze anzusehen, nach denen gemäß § 99 BetrVG eine Eingruppierung erfolgen müsse.

Der Bet. zu 2) beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Antragstellerin zu verpflichten, den Arbeitnehmer L... in eine Vergütungsgruppe des Gehaltstarifvertrages - geschlossen zwischen D... Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG einerseits und der Gewerkschaft ver.di andererseits - einzugruppieren.

Die Bet. zu 1) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Bet. zu 1) ist der Ansicht, im vorliegenden Fall handele es sich um zwei Arbeitgeber. Der in Bezug genommene Gehaltstarifvertrag gelte jedoch nur für die Firma "D..." und nicht für sie als Arbeitgeberin des Herrn L....

II.

Die Beschwerde des Bet. zu 2) ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 87, 89, 66 ArbGG).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zutreffend entschieden hat.

Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antragsteller war nicht verpflichtet, eine bestimmte Vergütungsgruppe zu nennen, in die Herr L... eingruppiert werden soll. Die Angabe der vom Betriebsrat für richtig gehaltenen Vergütungsgruppe ist weder erforderlich noch sachdienlich (vgl. BAG, Beschluss vom 12.12.2000 - 1 ABR 23/00 - EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20). Der Bet. zu 2) verfolgt vielmehr das Ziel, dass die Bet. zu 1) den Mitarbeiter L... in ein bestehendes Tarifsystem einordnet und die hierfür erforderliche Beurteilung vornimmt, um sodann das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG einzuleiten

Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Eine Verpflichtung der Bet. zu 1), den Mitarbeiter L... in ein bestehendes Tarifsystem gemäß Gehaltstarifvertrag für die Firma "D..." einzugruppieren, besteht nicht. Deshalb ist auch ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG nicht betroffen. Zwar kann dem Arbeitgeber auf Verlangen des Betriebsrates aufgegeben werden, einen Arbeitnehmer in eine bestehende Entgeltgruppenordnung einzureihen und das Anhörungsverfahren nach § 99 BetrVG zu betreiben. Voraussetzung hierfür ist aber, dass für den Arbeitnehmer die Vergütungsgruppenordnung überhaupt gilt. Dabei ist es unerheblich, woraus die Geltung der Vergütungsordnung folgt. Sie kann in einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Geltung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein. Das Arbeitsverhältnis des von der personellen Einzelmaßnahme betroffenen Arbeitnehmers muss aber, um die betriebsverfassungsrechtliche Pflicht des Arbeitgebers zur Eingruppierung und das damit verbundene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auszulösen, der Vergütungsordnung unterfallen (BAG, Beschluss vom 12.12.2000 - 1 ABR 23/00 - EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20, BAG, Beschluss vom 23.09.2003 - 1 ABR 35/02 - AP 28 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung) = EzA § 99 BetrVG 2001 Nr. 3). Der von der Bet. zu 1) eingestellte Mitarbeiter L... unterfällt jedoch nicht der Vergütungsordnung gemäß Gehaltstarifvertrag zwischen "D..."-Verlagsgesellschaft und der Gewerkschaft ver.di. Die Bet. zu 1) ist nämlich nicht tarifschließende Partei. Insoweit handelt es sich um einen Haustarifvertrag, der von einer anderen juristischen Person geschlossen worden ist. Die Anwendbarkeit des Tarifvertrages folgt auch nicht etwa aufgrund einer einzelvertraglichen Vereinbarung, einer Betriebsvereinbarung oder etwa aufgrund bei der Bet. zu 1) allgemein geltender einzelvertraglicher Vereinbarungen.

Das gilt auch dann, wenn man mit dem Bet. zu 2) und mit dem Arbeitsgericht davon ausgeht, dass die Firma "D..." und die Bet. zu 1) einen einheitlichen Betrieb bilden. Zwar dürfte in diesem Fall für diesen Gemeinschaftsbetrieb eine tarifliche Vergütungsordnung bestehen, die auch tatsächlich in dem Betrieb allgemein angewandt wird. Anknüpfungspunkt für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind aber die Rechtsbeziehungen zwischen dem einzustellenden Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber, der die Einstellung vornimmt. Im Verhältnis dieser Arbeitsvertragsparteien entscheidet sich, ob eine anwendbare Vergütungsordnung besteht oder nicht. Damit korrespondiert auch der Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Ein Verstoß gegen einen Tarifvertrag kommt nur dann in Betracht, wenn ein solcher Tarifvertrag auch tatsächlich für das konkrete Rechtsverhältnis Geltung beansprucht. Anderenfalls würde ein Arbeitgeber entgegen den Regelungen in den §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG gezwungen, Tarifverträge generell und nicht nur für Tarifunterworfene anzuwenden.

Etwas Abweichendes ergibt sich entgegen der Ansicht des Bet. zu 2) auch nicht aus der Regelung in § 87 Abs. 1 Nr. 10. BetrVG. Zutreffend weist der Bet. zu 2) in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass diese Bestimmung nicht etwa darauf abstellt, welche Entlohnungsgrundsätze für den Arbeitgeber als Rechtspersönlichkeit bestehen, sondern darauf, welche Regelungen betrieblich gelten. Ein Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kann dazu führen, dass bisher im Betrieb aufgrund eines Tarifvertrages anzuwendenden Entlohnungsgrundsätze auch nach Wegfall des Tarifvertrages weiterhin die im Betrieb geltende Vergütungsordnung darstellen mit der Folge, dass hiergegen verstoßende Vergütungsvereinbarungen gegenüber dem betreffenden Mitarbeiter rechtsunwirksam sein können (BAG, Urt. vom 02.03. 2004 - 1 AZR 271/03 - AP 31 zu § 3 TVG = EzA § 87 BetrVG 2001 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 4). Im vorliegenden Fall war aber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht betroffen. Es geht nicht um Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Die Bet. zu 1) hat nicht etwa eine - betriebliche - Vergütungsordnung modifiziert. Sie hat lediglich eine in einem einheitlichen Betrieb für einen anderen Arbeitgeber geltende Vergütungsordnung nicht angewandt. Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist jedoch jeweils eine kollektive Maßnahme. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist nicht die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts eines Mitarbeiters. Mitbestimmungspflichtig sind vielmehr lediglich die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen (BAG, Urt. vom 02.03.2004 - 1 AZR 271/03 - a.a.O.).

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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