Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 1890/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 307
ZPO § 533
Wird in Kenntnis der Aufrechnungsmöglichkeit ein Teilanerkenntnis erklärt, um gegen den anderen (nicht anerkannten) Teil des Anspruchs aufzurechnen, dann ist Aufrechnung gegen das Teilanerkenntnisurteil in der Berufung unzulässig.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 1890/07

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2008 durch

den Richter am Arbeitsgericht Kubicki, den ehrenamtlichen Richter Herrn Strehlow, den ehrenamtlichen Richter Herrn Bernt für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilanerkenntnisurteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 20.11.2007 - Az.: 4 Ca 417/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers, wobei als Vorfrage problematisch ist, ob die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz gegenüber einem Teilanerkenntnisurteil die Aufrechnung erklären darf.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.03.2004 bis zum 31.07.2006 als Arbeitnehmer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines undatierten Aufhebungsvertrages. Darin legten die Parteien einen Restanspruch in Höhe von 18 Werktagen zu Gunsten des Klägers fest, der ausgezahlt werden sollte und regelten die Zahlung eventuell noch ausstehender Zahlungen spätestens bis zum 31.07.2006. Wegen weiterer Einzelheiten des Vertragstextes wird auf den Aufhebungsvertrag, Anlage zur Klageschrift, Bl. 4 und 5 der Gerichtsakte, verwiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Zahlung der Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.612,80 € brutto geltend gemacht sowie die Arbeitsvergütung für die Monate Juni und Juli 2006 in Höhe von 1.512,09 € netto bzw. 1.453,93 € netto. Diese Beträge sind in der von der Beklagten für die beiden Monate erteilten Vergütungsabrechnungen ausgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 18.10.2007 hat der Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt, einen Strafantrag gegen den Kläger gestellt zu haben und darum gebeten, den Gütetermin bis zum Abschluss des Strafverfahrens zu verschieben. Wegen des Inhaltes des Strafantrages wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 18.10.2007, Bl. 15 - 19 der Gerichtsakte, verwiesen.

Zu Protokoll der Güteverhandlung vom 20.11.2007 hat der Geschäftsführer der Beklagten wörtlich erklärt, die Vergütungsansprüche des Klägers seien erfüllt, da der Kläger sich insoweit selbst bedient habe. Es laufe ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Richtig sei, dass er dem Kläger in dem Aufhebungsvertrag die Auszahlung von 18 Urlaubstagen zugesagt habe. Dazu stehe er, diesen Anspruch erkenne er an.

Der Kläger hat daraufhin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.612,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2006 zu zahlen und den Erlass eines Teilanerkenntnisurteils.

Sodann hat das Arbeitsgericht Oldenburg ein Teilanerkenntnisurteil zu Lasten der Beklagten in Höhe von 1.612,80 € nebst Zinsen verkündet. Dieses Teilanerkenntnisurteil ist der Beklagten am 26.11.2007 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 21.12.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 28.02.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor das Landesarbeitsgericht auf einen am 28.01.2008 eingegangenen Antrag (Montag) die Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.02.2008 verlängert hatte. Die Beklagte begehrt die Abänderung des Teilanerkenntnisurteils und die Klageabweisung. Sie stützt ihre Berufung auf Gegenforderungen in Höhe von 1.210,50 € und in Höhe von weiteren 402,30 € aufgrund von behaupteten Unterschlagungen, Veruntreuungen bzw. deliktischer Schädigungen. Mit Schriftsatz vom 28.05.2008 stellt sie weitere bereichungsrechtliche Ansprüche in Höhe von 2.862,19 € zur Aufrechnungen.

Sie hält die Aufrechnung für sachgerecht, insbesondere sei die Höhe des Schadensersatzes am 20.11.2007, als der Geschäftsführer das Anerkenntnis abgegeben hat, noch unbekannt gewesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Teilanerkenntnisurteils des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 20.11.2007 (4 Ca 417/07) die Klage teilweise abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Aufrechnung im Berufungsrechtszug für unzulässig. Die Schadensersatzforderungen rügt er erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 29.05.2008 pauschal - ohne auf den Sachvortrag der Beklagten diesbezüglich im Einzelnen einzugehen - als unzutreffend.

Wegen der genauen Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtzug, insbesondere wegen der Darstellung der Einzelheiten der zur Aufrechnung gestellten Forderungen, wird auf die Schriftsätze der Parteien vom 28.02., 16.04., 22.04., 21.05. und 28.05.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, sowie form- und fristgerecht gemäß §§ 64, 66 ArbGG, 511, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. Insbesondere hat das Landesarbeitsgericht die Berufungsbegründungsfrist auf einen am letzten Tag dieser Frist eingegangenen Antrag (Montag, rechtzeitig gemäß §§ 193 BGB, 222 ZPO) verlängert. Hierbei ist es für die Zulässigkeit der Berufung unerheblich, dass die Verlängerung außerhalb der Berufungsbegründungsfrist beschieden worden ist, weil der Fristverlängerungsantrag innerhalb dieser Frist bei Gericht eingegangen ist (ErfK-Koch, 8. Aufl., § 66 ArbGG, RdNr. 19 m.w.N.).

Die Berufung ist auch zulässig, obwohl der Geschäftsführer der Beklagten wirksam zu Lasten der Berufungsführerin erstinstanzlich den streitgegenständlichen Klaganspruch anerkannt hat. Insbesondere ist die erforderliche Beschwer, die Voraussetzung eines jeden Rechtsmittels ist, gegeben. Entscheidend ist diesbezüglich die sogenannte materielle Beschwer, auf eine formelle Beschwer kommt es nicht an. Diese materielle Beschwer ist für den Beklagten schon deswegen zu bejahen, weil die ergangene Entscheidung für ihn nachteilig ist, auch wenn sie - darauf stellt die formelle Beschwer ab - dem erstinstanzlichen Prozessverhalten entspricht (BGH, Urteil vom 05.01.1955, Az.: IV ZR 238/54 - NJW 1955, 555; OLG Koblenz, Urteil vom 11.12.1992, Az.: 2 U 911/92 - NJW - RR 1993, 462; GK - ArbGG/Vossen, 2. Aufl., § 64 RdNr. 15).

B.

Die Berufung ist unbegründet. Aufgrund sämtlicher Umstände des Einzelfalles, insbesondere aufgrund des eigenen erstinstanzlichen Prozessverhaltens, kann die Beklagte das erstinstanzlich erklärte Anerkenntnis, welches wirksam ist und gemäß § 307 ZPO zu einem Anerkenntnisurteil geführt hat, nicht durch die erstmalig im Berufungsrechtszug erklärte Aufrechnung beseitigen. Die Aufrechnung ist unzulässig, sodass es nicht mehr auf ihre inhaltliche Berechtigung und den Bestand der Gegenforderungen ankommt.

1.

Maßstab für die Zulässigkeit einer erstmals zweitinstanzlich erklärten Aufrechnung ist im vorliegenden Streitfall nicht lediglich der § 533 ZPO, welcher auf die Sachdienlichkeit der Aufrechnung abstellt, wenn eine Prozesspartei - wie vorliegend der Kläger - sich nicht rügelos einlässt und der Zulässigkeit dieses Verteidigungsmittels widerspricht. Speziell im Falle eines Anerkenntnisses müssen die allgemeinen Grundsätze, die zur Beseitigung eines solchen Anerkenntnisses ergangen sind und welche diese Beseitigungsmöglichkeit einschränken, berücksichtigt werden. Aus diesem Grunde kann die Aufrechnung nicht schon als zulässig erachtet werden, weil die Gegenforderung unstreitig bzw. nicht ausreichend bestritten worden ist, worauf der allgemeine Maßstab der Sachdienlichkeit des § 533 ZPO abstellt (OLG Brandenburg, Urteil vom 25.10.2007, Az.: 12 O 61/07 - juris; OLG Rostock, Urteil vom 11.07.2006, Az.: 4 U 128/04 - juris; Zöller-Gummer/Heßler, 26. Aufl., § 533 RdNr. 26/28).

2.

Die Möglichkeit, ein wirksam abgegebenes Anerkenntnis zu beseitigen, unterliegt zahlreichen allgemein anerkannten Einschränkungen. So gibt es nach herrschender Auffassung keine Anfechtung eines Anerkenntnisses als Prozesshandlung, ein Widerruf eines Anerkenntnisses analog gemäß § 290 ZPO ist ausgeschlossen und grundsätzlich kann ein Anerkenntnis nicht widerrufen werden, es sei denn, wenn es durch ein Verhalten veranlasst worden ist, dass sich nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens einen Restitutionsfund gemäß § 580 Nr. 2 - 4 und 7 b ZPO ergäbe oder wenn ein Abänderungsgrund im Sinne von § 323 ZPO vorliegt. Dieser Widerrufsgrund, der nur eingeschränkt möglich ist, kann auch mit der Berufung geltend gemacht werden (Zöller-Vollkommer, 26. Aufl., vor § 306, 307 RdNr. 6, m.w.Nachw.).

Bei sinnentsprechender Anwendung der vorstehend dargestellten Grundsätze über die eingeschränkte Beseitigungsmöglichkeit eines Anerkenntnisses unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles ist im vorliegenden Streitfall die Aufrechnung unzulässig: Maßgebendes Anknüpfungskriterium hierfür ist einzelfallbezogen die besondere Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten, welche dem Anerkenntnis zugrunde gelegen hat. Durch diese Erklärung hat der Geschäftsführer den bis dahin erstinstanzlich geführten einheitlichen Rechtsstreit in zwei Teile aufgespalten. Er hat unter Hinweis auf Gegenforderungen vor behauptetem kriminellem und deliktischem Hintergrund (der Kläger habe sich selbst bedient) die Vergütungsansprüche für die Monate Juli und Juni 2006 negiert und in Kenntnis der kriminell-deliktischen Handlung die streitgegenständlich dem Anerkenntnis zugrunde liegenden Zahlungsansprüche uneingeschränkt und vorbehaltlos bejaht.

Durch dieses Prozessverhalten hat er zulasten der Beklagten zu erkennen gegeben, gegen diese Urlaubsabgeltungsansprüche die Aufrechnung gerade nicht zu erklären, dieses besondere Verteidigungsmittel vielmehr gegen die Vergütungsansprüche erheben zu wollen. Aus diesem Grund ist er durch eigenes Verhalten, welches gemäß § 242 BGB als widersprüchlich und mithin treuwidrig erscheint, im Berufungsrechtszug mit der Geltendmachung der Aufrechnung ausgeschlossen. Dieser Gesichtspunkt entspricht den bereits dargestellten Grundsätzen der eingeschränkten Beseitigungsmöglichkeit eines Teilanerkenntnisurteils. Denn diese Grundsätze zeigen, dass sich eine Prozesspartei nicht besonders leicht und schnell von einem Anerkenntnis lösen kann. Lediglich in begründeten Ausnahmefällen bei schwerwiegenden unerträglichen Ergebnissen wird diese Möglichkeit zugelassen. Ein solcher Ausnahmefall ist angesichts der klaren und eindeutigen Erklärung, die auf das Bewusstsein von Gegenforderungen schließen lässt, nicht gegeben. Die von der Beklagten behauptete Unkenntnis über die Höhe der Forderung rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Der vorstehende Gesichtspunkt entspricht auch dem Rechtsgedanken der vom BGH (Urteil vom 09.10.2002, Az.: VIII ZR 188/01 - BGH Report 2003, 263-264) aufgestellten Rechtssätze, wonach für eine Aufrechnung in einem Rechtsstreit über einen Teilanspruch dann kein Raum mehr ist, wenn eine Partei diese Aufrechnung bereits zuvor gegen eine andere Forderung oder einen anderen Teil des Anspruches erklärt hat. Dieser Entscheidung lässt sich der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass der Aufrechnende es in der Hand hat, gegen welche Gegenforderung er sich mit diesem Gestaltungsrecht verteidigt. Hat er sich entschieden, dann ist er hieran gebunden.

C.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Eines Schriftsatznachlasses gem. § 283 ZPO bedurfte es nicht, weil auf die Problematik der Zulässigkeit der Aufrechnung bereits mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom 21.04.2008 hingewiesen worden war und dieser Problembereich Gegenstand der Erörterungen in der Kammerverhandlung vom 29.05.2008 gewesen ist. Gründe, gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen, sind nicht gegeben. Die Beklagte wird auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 92 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück