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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 23.06.2003
Aktenzeichen: 5 Sa 1938/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a
Scheitern die Verhandlungen zwischen dem Insolvenzverwalter und einem neuen Auftraggeber über die dauerhafte Nutzung der Anlagen und Räumlichkeiten eines Call-Centers, liegt selbst dann kein Betriebsübergang nach § 613 a BGB vor, wenn der Auftrageber den Insolvenzverwalter vorübergehend ein bestimmtes Telefonvolumen übertragen hat, das etwas mit einem Viertel der bisherigen Belegschaft bewältigt wurde, sowie - im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter - auftragsspezifische Software installieren und den Betrieb vorübergehend durch eigene Mitarbeiter führen ließ. In diesem Fall ist von dem Insolvenzverwalter keine wirtschaftliche Einheit auf den neuen Auftraggeber übergegangen.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 1938/02

Verkündet am: 23. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kiel und die ehrenamtlichen Richter Schomäker und Schlarbaum

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgericht Lüneburg vom 06.11.2002 - 3 Ca 235/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 2) und 3) sowie um Weiterbeschäftigung im Verhältnis dieser Parteien.

Der Beklagte zu 1) ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der C. GmbH, einem Unternehmen, das Telefondienstleistungen erbrachte und dazu 160 Angestellte beschäftigte.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg vom 01.06.2002 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Zuvor war der Beklagte zu 1) bereits vorläufig zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin bestellt worden.

Die Klägerin war bei der Gemeinschuldnerin seit dem 20.10.1997 als Projektleiterin zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.000,00 € beschäftigt.

Bei der Gemeinschuldnerin existierte aufgrund einer mit der Geschäftsleitung geschlossenen Vereinbarung seit dem 15.11.2000 eine sog. Arbeitnehmervertretung. Rechte und Pflichten regelte die "Satzung für die Arbeitnehmervertretung bei C.", die in § 13 Abs. 1 folgenden Passus enthält:

Die "Arbeitnehmervertretung bei C." ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihr die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung der "Arbeitnehmervertretung bei C." ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Die Beklagte zu 2) erbringt Serviceleistungen für Versicherungsgesellschaften, die zur H.Versicherungsgruppe gehören. Diese Serviceleistungen wurden zum Teil mit eigenem Personal erbracht und zum Teil an ein externes "Call-Center" vergeben. Da die Beklagte zu 2) über einen großen Kundenstamm verfügte, die Kapazitäten an ihrem Stammsitz in H. jedoch nicht ausreichten, um das Kundenvolumen zu bewältigen, interessierte sie sich für den Erwerb des Betriebes der Gemeinschuldnerin.

Am 18.04.2002 nahm der Beklagte zu 1) mit den Eheleuten K. und B. N., die die Beklagten zu 2) und 3) vertraten, Verhandlungen auf. Frau N. stellte das Konzept der Beklagten zu 2) vor, welches langfristig eine Verlagerung der Aktivitäten dieses Unternehmens nach L. unter Leitung von Frau N. vorsah. Im Anschluss an das Gespräch bereitete Frau N. die Übernahme von Personal der Gemeinschuldnerin vor. Sie führte dazu Mitarbeitergespräche, u. a. mit der Klägerin, an die sie am 19. 04.2002 unter Bezugnahme auf das am Vortag geführte Personalgespräch einen "Mustervertrag von HB." und eine Arbeitsplatzbeschreibung ("Stellenprofil") übermittelte.

Mit Schreiben vom 22.04.2002 sowie mit weiterem Schreiben vom 25.04.2002 kündigte der Beklagte zu 1) als vorläufiger Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 30.06.2002 mit der Begründung, die einzige Auftraggeberin, die P... GmbH & Co. KG, habe mitgeteilt, sie werde ab dem 29.04.2002 an die Gemeinschuldnerin keine Aufträge mehr erteilen.

Am 24.04.2002 setzte der Beklagte zu 1) das Gespräch mit den Eheleuten N. fort, an dem als weiterer potentieller Kunde für die Wohnungsbaugesellschaft L. AG, Herr S., teilnahm. Herr S. zog sein Interesse im Hinblick auf angesprochene Risiken eines Betriebsübergangs später zurück.

Im Anschluss an das Gespräch vom 24.04.2002 erhielt Frau N. einen Ordner zur Sichtung des Anlagevermögens der Gemeinschuldnerin und am 25.04.2002 die Unterlagen über Fluchtwegpläne in dem Betriebsgebäude der Gemeinschuldnerin.

Auf Weisung von Frau N. erläuterte der Mitarbeiter der technischen Abteilung der Beklagten zu 2), Herr P.., dem technischen Leiter der Gemeinschuldnerin die zukünftig im Hinblick auf die HB.-Kunden erforderlichen Softwareprogramme und leitete den Installationsablauf.

Am 29.04.2002 endeten sämtliche Aufträge der früheren Kundin der Gemeinschuldnerin. Gleichzeitig bestätigte Frau N. für die Beklagte zu 2) die Durchführung von Dienstleistungen, über die der Beklagte zu 1) am 16.05.2002 eine Rechnung erstellte.

Ebenfalls am 29.04.2002 wies Frau N. Herrn S. in seiner Eigenschaft als Betriebsleiter der Gemeinschuldnerin an, in die technischen Spezifikationen der Telefonanlage einzugreifen und dort die Leitungsanzahl, Aufgaben und Servicezeiten auf die Bedürfnisse der H. abzustimmen.

Am Folgetag, dem 30.04.2002, übernahm Frau D. die Leitung für Arbeitnehmer, die in den Projekten der Beklagten zu 2) und 3) eingesetzt wurden. Ferner ermöglichte Herr S. Frau N. den Zugriff auf die Telefonanlage, indem er ihr das Passwort und die Bedienungsanleitung der Telekommunikationsanlage zugänglich machte.

In den folgenden Tagen planten der Beklagte zu 1) und die Eheleute N., dass weitere Mitarbeiter für die Bereiche Outbound und Inbound eingesetzt werden müssten, um das Arbeitsvolumen der Beklagten zu 2) zu bewältigen. Die bereits eingesetzten Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin wurden von Mitarbeitern der Beklagten zu 2) geschult. Frau N. nahm des Weiteren die Kundenakquisition auf. Sie führte dazu diverse Gespräche und zeigte Interessenten, beispielsweise Vertretern der Technikerkrankenkasse, die betrieblichen Räumlichkeiten.

Mit ihrer am 17.05.2002 beim Arbeitsgericht Lüneburg eingegangenen Klage wehrt sich die Klägerin u. a. gegen die ausgesprochenen Kündigungen, wie etliche andere Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin auch. Nachdem die Kündigungsschutzklagen dem Beklagten zu 1) zugestellt wurden, wurde der Betrieb auf Anweisung von Frau N. am 23.05.2002 um 12.00 Uhr eingestellt. Der Beklagte zu 1) teilte der Klägerin wie den übrigen Arbeitnehmern daraufhin mit Schreiben vom 24.05.2002 mit:

... nachdem nunmehr die H. als einzige Auftraggeberin von einigen Mitarbeitern in der Verwaltung ... vor dem Arbeitsgericht in Lüneburg verklagt worden ist, hat die H. verständlicherweise nach Kenntnis am 23.05.2002 vormittags sofort ihre Aufträge zurückgezogen bzw. den Vertrag mit mir fristlos gekündigt.

Damit gibt es für die Firma C. endgültig keine Arbeit mehr, so daß ich Sie hiermit ab sofort von der Arbeit freistelle. ...

Der Mietvertrag über die Betriebsräume wurden nach fristloser Kündigung der Vermieterin wegen Mietrückständen beendet. Der Beklagte zu 1) gab die Mieträume am 31.05.2002 zurück. Mit seiner Zustimmung verwertete die Vermieterin das Anlagevermögen in Abstimmung mit der Sicherungseigentümerin im Rahmen ihre Vermieterpfandrechts.

Das Arbeitsamt schrieb am 26.09.2002 Stellen für die Telefonberatung zu den Themen Versicherungs- und Finanzdienstleistungen für die Firma U. GmbH aus, die in den Betriebsräumen der Gemeinschuldnerin ein Call-Center betreibt. Diese Gesellschaft wird von Frau N. geleitet, wie sich aus der Stellenausschreibung ergibt.

Mit Schriftsatz vom 28.10.2002 hat die Klägerin die Klage mit der Behauptung erweitert, die Beklagten zu 2) und 3) hätten die Räume der Gemeinschuldnerin weiterhin im Besitz und führten, vertreten durch die Eheleute N., den Betrieb unter der Firma der Beklagten zu 4) fort. Mit Schriftsatz vom 06.11.2002 hat die Klägerin erklärt, sie verfolge die Anträge gegen die Beklagte zu 4) nicht weiter, weil die Eheleute N. bei den Beklagten zu 2) und 3) ausgeschieden seien und die Beklagte zu 4) wohl in eigener Regie in den Räumen der Gemeinschuldnerin betrieben.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Betrieb sei spätestens mit dem 29.04.2002 auf die Beklagte zu 2) und 3) übergegangen und somit folglich nicht vom Beklagten zu 1) stillgelegt worden. Dies folge daraus, dass der Beklagte zu 1) die Tätigkeiten der Gemeinschuldnerin am 28.04.2002 eingestellt habe und der Betrieb seit dem 29.04.2002 allein durch die Beklagten zu 2) und 3) geführt worden sei. Ab diesem Zeitpunkt habe Frau N. für die Beklagten zu 2) und 3) die Leitung des Betriebes übernommen, nachdem ihr zuvor die für die Betriebsführung notwendigen Unterlagen schrittweise übergeben worden seien. Ab dem 29.04.2002 hätten die Mitarbeiter nur für die Beklagten zu 2) und 3) telefoniert, und zwar auf Anweisung von Frau N. hin telefoniert.

Soweit die Klägerin mit ihrer Klage im Übrigen die Erteilung eines Zwischenzeugnisses durch den Beklagten zu 1) begehrt hat, hat der Beklagte zu 1) diesen Anspruch anerkannt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 22.04.2002, zugegangen am 26.04.2002, unwirksam ist;

2. festzustellen, dass die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 25.04.2002, zugegangen am 26.04.2020, unwirksam ist;

3. die Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen als Projektleiterin weiterzubeschäftigen;

4. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr ein berufsförderndes wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) hat behauptet, am 16.04.2002 habe er beschlossen, den Betrieb stillzulegen, weil ab dem 27.04.2002 keine Aufträge mehr vorhanden gewesen seien. Darüber habe er die Arbeitnehmerberatung unter Vorlage einer Liste der zu kündigenden Mitarbeiter informiert. Ein Betriebsübergang auf die Beklagten zu 2) und 3) habe nicht stattgefunden. Die Beklagten zu 2) und 3) haben sich ebenfalls auf den Standpunkt gestellt, dass kein Betriebsübergang stattgefunden habe. Die Beklagte zu 2) habe keine sachlichen oder immateriellen Werte der Gemeinschuldnerin übernommen. Diese Gesellschaft habe zur Bewältigung ihrer Auftragslage mit dem Beklagten zu 1) lediglich vereinbart, einen Teil der Aufträge über die freien Kapazitäten der Gemeinschuldnerin abzuwickeln.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 04.11.2002 stattgegeben, soweit die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 22.04. und 25.04. 2002 geltend gemacht und soweit sie die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses beantragt hat. Letzteren Anspruch habe der Beklagte zu 1) anerkannt. Beide Kündigungen seien unwirksam, weil der Beklagte zu 1) die bei der Gemeinschuldnerin nach § 13 der Satzung gebildete Arbeitnehmervertretung nicht ordnungsgemäß angehört habe. Er habe nicht vorgetragen, mit welchem konkreten Inhalt die Arbeitnehmervertretung über die geplante Maßnahme informiert worden sei.

Immerhin existiere ein Auftrag der Beklagten zu 2) über bestimmte Dienstleistungen.

Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten zu 1) auf tatsächliche Weiterbeschäftigung sei unschlüssig. Die Klägerin selbst habe behauptet, das Arbeitsverhältnis sei auf die Beklagten zu 2) und 3) bzw. nunmehr auf die auf die Beklagte zu 4) übergegangen, womit eine Pflicht des Beklagten zu 1) zur Weiterbeschäftigung der Klägerin ausscheide.

Unbegründet sei die Klage auch, soweit die Klägerin ihre tatsächliche Weiterbeschäftigung durch die Beklagten 2) und 3) begehre. Das Arbeitsgericht hat es als zweifelhaft angesehen, ob die Klägerin die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagten zu 2) und 3) substantiiert dargelegt habe. Nach ihrem eigenen, inhaltlich nicht widerrufenen Sachvortrag führe nunmehr die Beklagte zu 4) den Betrieb weiter. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts seien die Beklagten zu 2) und 3) damit jedenfalls nicht mehr Arbeitgeber der Klägerin gewesen.

Das Urteil ist der Klägerin am 12.11.2002 zugestellt worden. Mit ihrer am 12.12.2002 eingelegten und am 13.01.2003 begründeten Berufung verfolgt sie den Weiterbeschäftigungsantrag gegen die Beklagten zu 2) und 3) mit folgendem Vortrag weiter: Die Beklagte zu 4) habe den Betrieb der Gemeinschuldnerin nicht übernommen, und zwar insbesondere nicht von den Beklagten zu 2) und 3). Dies stehe fest, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2) und 3) im Termin vor dem Arbeitsgericht erklärt habe, die unternehmerischen und betrieblichen Aktivitäten dieser heute in den betrieblichen Räumlichkeiten tätigen Gesellschaft habe mit denjenigen der Beklagten zu 2) und 3) nichts zu tun. Es handele sich um ein eigenes Vorhaben der Eheleute N.. Dieser Vortrag sei zutreffend. Ihre erstinstanzliche Behauptung sei somit widerlegt, woraus sich weiter ergebe, dass der Betrieb der Gemeinschuldnerin durch die Beklagten zu 2) und 3) weitergeführt werde. Dass diese den Betrieb von dem Beklagten zu 1) übernommen hätten, sei erstinstanzlich schlüssig vorgetragen worden. Die Beklagten zu 2) und 3) hätten kollusiv zusammengewirkt, um einen Betriebsübergang zu verdecken.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 06.11.2002 - 3 Ca 236/02 - im Umfang der Klageabweisung abzuändern und die Beklagten zu 2) und 3) zu verurteilen, sie - die Klägerin - zu unveränderten Bedingungen als Projektleiterin weiterzubeschäftigen.

Die Beklagten zu 2) und 3) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigen die angefochtene Entscheidung. Die Tatsachenbehauptungen der Klägerin zu dem vorinstanzlich behaupteten Übergang des Betriebes auf die Beklagte zu 4) stünde dem Klageanspruch weiterhin entgegen. Diese Gesellschaft sei mit den Betriebsmitteln der Gemeinschuldnerin in den Geschäftsräumen tätig, so dass ein direkter Betriebsübergang von der Gemeinschuldnerin in Betracht komme. Auszuschließen sei dagegen ein Betriebsübergang von dem Beklagten zu 1) auf die Beklagten zu 2) und 3) und damit ein Betriebsübergang von den Beklagten zu 2) und 3) auf die Beklagte zu 4). Sämtliche Aktivitäten der Eheleute N., soweit diese nicht möglicherweise auf einen zukünftigen Betrieb einer eigenen Firma gerichtet gewesen seien, wären ausschließlich im Rahmen der vereinbarten Auftragsabwicklung erfolgt, wozu die Eheleute N. vom Beklagten zu 1) ausdrücklich befugt gewesen seien. Sie hätten zu diesem Zweck die Geschäftsräume betreten und dort Hilfestellungen und Anleitungen zur Durchführung der Aufträge geben dürfen. Dies sei erforderlich gewesen, weil das Call-Center einen solchen Auftrag zuvor noch nicht abgewickelt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand im Berufungsverfahren wird auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die frist- und formgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bei den Beklagten zu 2) und 3). Die Vorinstanz hat die Klage daher insoweit zu Recht abgewiesen.

Der auf (Weiter-) Beschäftigung bei den Beklagten zu 2) und 3) gerichtete Antrag der Klägerin kann nach §§ 611, 613 i. V. m. § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG über den Persönlichkeitsschutz begründet sein, der den Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers zu fördern, soweit nicht schutzwerte eigene Interessen entgegenstehen (vgl. BAG 10.11.1955, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2 für den Beschäftigungsanspruch und BAG 27.02.1985, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14 für den sog. allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch).

Da die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis mit der Gemeinschuldnerin begründet hat, setzt ein (Weiter-) Beschäftigungsanspruch bei den Beklagten zu 2) und 3) voraus, dass das Arbeitsverhältnis auf diese Gesellschaft im Wege des Betriebsübergangs übergeleitet worden ist, § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB.

1.

§ 613 a Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, dass ein neuer Inhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt, wenn ein Betrieb bzw. Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf ihn übergeht. Diese Vorschrift ist unter Berücksichtigung der Richtlinie 77/187 EWG und ihr nachfolgend der Richtlinie 2001/23/EG europarechtskonform auszulegen und anzuwenden. Danach setzt ein Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf die organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Eine Einheit darf allerdings nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus den anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (ständige Rechtsprechung des BAG im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 11.03.1997 - RsC- 13/95 - AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187 <Ayse Süzen>, vgl. etwa BAG 11.12.1997 - 8 AZR 426/94 - AP Nr. 171 zu § 613 a BGB zu B I der Gründe; 18.03.1999 - 8 AZR 159/98 und 8 AZR 196/98 - AP Nr. 189 und 190 zu § 613 a BGB; 24.02.2000 - 8 AZR 162/99 - RzK I 5e Nr. 129).

Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Indentität ist dann anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, welches sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt das bloße Fortführen der Tätigkeit durch einen neuen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) noch keinen Betriebsübergang dar. Es hängt von der Struktur eines Betriebes oder Betriebsteils ab, welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden muss, um von der Übernahme einer bestehenden Arbeitsorganisation ausgehen zu können. Haben die Arbeitnehmer einen geringeren Qualifikationsgrad, muss eine hohe Anzahl von ihnen beschäftigt werden, um auf einen Fortbestand der vom Konkurrenten geschaffenen Arbeitsorganisation schließen zu können. Ist ein Betrieb stärker durch das Spezialwissen und die Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt, kann es neben anderen Kriterien ausreichen, dass wegen ihrer Sachkunde wesentliche Teile der Belegschaft übernommen werden (vgl. BAG 11.12.1997 - 8 AZR 729/96 - AP Nr. 172 zu § 613 a BGB unter B I 2 b der Gründe sowie 18.03.1999 - 8 AZR 196/98 - a.a.O. unter B I der Gründe und 10.12.1998 - 8 AZR 676/97 - unter II 1 a der Gründe).

Ob die Identität der Einheit gewahrt worden ist, hängt auch bei einem Call-Center von einer Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller bezeichneten Umstände ab. Im Vordergrund stehen die materiellen, immateriellen und personellen Mittel sowie die organisatorischen Konzepte, die der Durchführung der Dienstleistungen dienen und für deren Fortführung von wesentlicher Bedeutung sind. Ohne eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung der wirtschaftlichen Betätigung im Betrieb kann von einem Erhalt der wirtschaftlichen Einheit regelmäßig keine Rede sein. Führt ein anderer Unternehmer einen erheblich eingeschränkten und grundlegend anders organisierten Betrieb mit den sächlichen Betriebsmitteln eines früheren Betriebsinhabers, so liegt nicht ohne weiteres ein Betriebsübergang in Verbindung mit einer Änderung des Betriebes durch den zweiten Unternehmer vor(vgl. BAG 24.02.2000 - 8 AZR 162/99 - unter II 2 c aa der Gründe). Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebes ein. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es daneben nicht (vgl. BAG 18.03.1999 - 8 AZR 159/98 - a.a.O. unter II 1 der Gründe entgegen der früheren Rechtsprechung des BAG vom 26.03.1996 - 3 AZR 965/94 - EzA § 613 a BGB Nr. 143). Mit einer Vereinbarung über die gemeinsame Betriebsführung wird regelmäßig nicht die Befugnis, das Direktionsrecht auszuüben, auf eine andere Gesellschaft (z. B. eine Betriebsführungsgesellschaft) übertragen, sondern nur das weiterhin bei dem ursprünglichen Unternehmen liegende Direktionsrecht in seiner faktischen Ausübung koordiniert. Auf die Betriebsführungsgesellschaft wird nichts, was die Identität der wirtschaftlichen Einheit ausmacht, übertragen. Das schließt einen Betriebsübergang aus (vgl. BAG 24.02.2000 a.a.O. unter II 2 a der Gründe).

2.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat der Beklagte zu 1) den Betrieb nicht auf die Beklagten zu 2) und 3) übertragen.

a)

Eine Übertragung auf die Beklagte zu 3) scheidet schon deshalb von vornherein aus, weil diese Gesellschaft allenfalls als potentielle Auftraggeberin für die Beklagte zu 2) in Erscheinung getreten ist. Von dem Beklagten zu 1) hat sie weder materielle oder immaterielle Betriebsmittel noch Personal übernommen und nicht mal zeitweise mit dem Beklagten zu 1) zusammengearbeitet. Für die Erledigung von Call-Center-Aufgaben ist innerhalb der H. Versicherungsgruppe die Beklagte zu 2) zuständig, die folglich mit dem Beklagten zu 1) Verhandlungen über die Nutzung der Räumlichkeiten sowie Anlagen der Gemeinschuldnerin geführt und den Auftrag vom 29.04.2002 vereinbart hat.

b)

Der Beklagte zu 1) hat aber die wirtschaftliche Einheit auch nicht im Sinne der dargestellten Rechtssätze zu § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf die Beklagte zu 2) übertragen.

aa)

Die wirtschaftliche Einheit eines Call-Centers kann sowohl durch die Anlagen, insbesondere durch die Telefonanlage, sowie durch die für bestimmte Aufträge notwendige Software bestimmt werden. Relevant ist die Übertragung bestimmter Kunden bzw. Aufträge. Sie kann aber auch durch das geschulte und eingearbeitete Personal geprägt sein, was vor allem von einem Auftragsübernehmer (Funktionsnachfolge) von großem Wert sein kann. Die betrieblichen Räumlichkeiten sind bei einem Call-Center dagegen naturgemäß nur dann von größerem Stellenwert, wenn keine Software, keine "Know-how-Träger", oder wenn kein eingearbeitetes Personal übernommen wird.

Die Beklagte zu 2) hat von dem Beklagten zu 1) keine Aufträge übernommen. Sie hat im Gegenteil am 29.04.2002 einen Auftrag erteilt und für die Leistungen unter dem 16.05.2002 eine Rechnung erstellt. Dieser Auftrag erforderte die Installation einer neuen Software und eine Schulung der Mitarbeiter, und zwar nicht durch Angestellte der Gemeinschuldnerin, sondern durch eigene Arbeitskräfte der Beklagten zu 2), insbesondere durch Frau N., Frau D. und Herrn P...

Die Beklagte zu 2) hat keine leitenden Mitarbeiter oder "Know-how-Träger" der Gemeinschuldnerin eingestellt. Auch mit sonstigen Angestellten im Telefondienst sind keine Arbeitsverträge abgeschlossen worden; es ist nicht einmal zu einer rechtsgeschäftlichen Überlassung von Arbeitnehmern gekommen. Frau N. ist lediglich an Beschäftigte der Gemeinschuldnerin herangetreten und hat Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet. Selbst wenn man auf die im Zuge des Auftrags vom 29.04.2002 eingesetzten Arbeitnehmer abstellten würde, handelte es sich um keinen nach Zahl wesentlichen Teil der 160 Arbeitnehmer. Nicht einmal ein Viertel davon ist zur Bewältigung der vorhandenen Aufträge angesprochen worden.

Auch hätte die Sachkunde dieser Mitarbeiter zumindest überwiegend eine Schulung für die neue Software und angebotenen Leistungen erfordert. So hat die Beklagte zu 2) 22 Arbeitnehmer für das Projekt "Reise-Hotline" geschult. Die Arbeit in dem Call-Center sollte von einer Ausrichtigung auf Dienstleistungen für eine Mediengesellschaft u. a. auf die Bereiche Reise sowie Versicherung und Finanzierung verlegt werden.

bb)

Die Beklagte zu 2) hat weder die Räumlichkeiten noch die Telefonanlage übernommen. Die Parteien haben vielmehr seit Beantragung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin intensive und zwischenzeitlich aussichtsreiche Verhandlungen bezüglich einer dauerhaften Nutzung von Räumlichkeiten, der Telefonanlage sowie der sonstigen Betriebsmittel geführt. Zu diesem Zweck hat der Beklagte zu 1) Frau N. einen Ordner zur Sichtung des Anlagevermögens der Gemeinschuldnerin sowie Unterlagen über das Gebäude (Fluchtwegpläne) übergeben. Letztlich sind die Verhandlungen aber gescheitert. Es kann daher dahinstehen, ob ein Betriebsübergang im Rechtssinne anzunehmen wäre, wenn bestimmte Rechtsgeschäfte zu Stande gekommen wären.

Im Zuge der Verhandlungen hat die Beklagte zu 2) den Beklagten zu 1) am 29.04.2002 im Bereich Inbound den Schulungsauftrag für die Reise-Hotline übertragen und ab dem 07.05.2002 einen entsprechenden Call-Auftrag erteilt. Im Bereich Outbound sollte ab diesem Zeitpunkt eine Terminakquise für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung aufgenommen werden. Beide Telefon-Aufträge wurden "bis auf weiteres" erteilt. Mit diesen Aufträgen hat die Beklagte zu 2) dem Beklagten zu 1) eine nahtlose Betriebsfortführung ermöglicht, wenn auch nur in einem erheblich reduzierten Umfang. Hätte die Beklagte zu 2) diesen Auftrag nicht vergeben, hätte der Beklagte zu 1) den Betrieb zu diesem Zeitpunkt vollständig einstellen müssen, weil die P... GmbH & Co. KG ihren Auftrag mit Ablauf des 28.04.2002 gekündigt hat und weitere Arbeiten nicht zu erledigen waren. Die Ausführung von Aufträgen während einer Verhandlungsphase für den zukünftigen Interessenten stellt aber noch keine auch nur teilweise Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit dar.

cc)

Die Beklagte zu 2) hat den Betrieb der Gemeinschuldnerin, also die bei ihr bis zum 28.04.2002 gebildete wirtschaftliche Einheit, nicht geleitet. Sie hat lediglich zur Realisierung des von ihr erteilten Auftrags im Einverständnis des Beklagten zu 1) die Anlagen und Software unter Einsatz eigenen Personals und eigener Software koordiniert, um die veränderten Dienstleistungen ab dem 07.05.2002 anbieten zu können. Dazu benötigte Frau N. den vollen Zugriff auf die Telefonanlage, das "Herzstück jeden Call-Centers". Deshalb erhielt sie am 30.04.2002 notwendigerweise auf Anforderung das Passwort und die Bedienungsanleitung der Telekommunikationsanlage.

Dass der Beklagte zu 1) als Insolvenzverwalter mit etwaigen Interessenten an Räumlichkeiten, Anlagen oder Personal der Gemeinschuldnerin die Problematik eines Betriebsübergangs erörtert, stellt bei Überlegungen zu weiteren Nutzungsmöglichkeiten der Anlagen und der wirtschaftlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten noch kein "kollusives Zusammenwirken" zum Nachteil der Klägerin dar.

dd)

Schließlich ergibt sich keine andere Bewertung dadurch, dass die Beklagte zu 2) während dieser Phase weitere Vorbereitungen getroffen hat, um ein Call-Center nach Übernahme der Räumlichkeiten von dem Insolvenzverwalter in L. erfolgreich führen zu können. Dazu gehören vor allem die Kundengespräche, die sie im Einverständnis mit dem Beklagten zu 1) mit verschiedenen Interessenten geführt hat. Diese im Verlaufe der Verhandlungsphase geführten Akquisitionsversuche verdeutlichen vielmehr nochmals, dass die Beklagte zu 2) gerade nicht die vorhandene wirtschaftliche Einheit weitergeführt hat.

3.

Liegt hiernach kein Betriebsübergang auf die Beklagten zu 2) und 3) vor, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob der Betrieb im Sinne des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB entweder direkt von dem Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 4) übertragen worden ist, oder ob ein Übergang über die Beklagten zu 2) und 3) stattgefunden hat, wie dies vom Arbeitsgericht angenommen worden ist. In beiden Fällen wäre die Klage unschlüssig. Selbst wenn die Beklagte zu 4) unter Leitung der Eheleute N. in den Räumlichkeiten und mit den Anlagen der Gemeinschuldnerin ein Call-Center betreibt, indiziert dies noch keinen Betriebsübergang. Hierzu bedarf es weiterer Tatsachenfeststellungen (z. B. zu weitergeführten Aufträgen und übernommenem Personal).

II.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es bestehen keine Gründe zur Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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