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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 25.10.2004
Aktenzeichen: 5 TaBV 96/03
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 2
BetrVG § 23 Abs. 1
BetrVG § 78 Abs. 2
BetrVG § 103 Abs. 1
1. Die Beleidigung von Vorgesetzten als "Arschlöcher" stellt eine schwere verbale Entgleisung dar, durch die ein Betriebsratsvorsitzender sowohl das Arbeitsverhältnis als auch seine Amtspflicht verletzt. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung aufgrund einer solchen Verbalinjurie zu ersetzen bez. ob der Betriebsratsvorsitzende aus dem Betriebsrat auszuschließen ist.

2. Der Ausschluss aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung der gesetzlichen Pflichten kann ferner dann begründet sein, wenn der Vorsitzende des Betriebsrats im Zusammenhang mit einer seine Arbeitsleitung betreffenden Abmahnung (hier: aufgrund einer Kundenbeschwerde) eine schärfere, formalistischere Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber ankkündigt ("Schluss mit dem Gentlemens Agreement") und später betriebsöffentlich äußert, nach einer obsiegendem Entscheidung beim Arbeitsgericht werde er "so richtig auf den Putz hauen" und "der Firma zeigen, wo es langgeht."


Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

5 TaBV 96/03

Verkündet am: 25. Oktober 2004

In dem Beschlussverfahren

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 23.08.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kiel, den ehrenamtlichen Richter Wichmann und die ehrenamtliche Richterin Spielmeyer

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. (Arbeitgeberin) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 28.10.2003 - 4 BV 4/03 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung ihres Vorsitzenden sowie um dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat. Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt in L. einen Baumarkt, der Beteiligte zu 2) ist der dort gebildete Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat).

Der Beteiligte zu 3) gehört seit dem 21.09.1999 dem Betriebsrat an und ist dessen Vorsitzender (im Folgenden: Betriebsratsvorsitzender). Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist seit dem 01.04.1995 bei der Arbeitgeberin als Verkäufer beschäftigt.

Die Arbeitgeberin ersuchte den Betriebsrat am 02.09.2003 um Zustimmung zur fristlosen Kündigung ihres Vorsitzenden, die am selben Tage verweigert wurde. Mit am 08.09.2003 beim Arbeitsgericht Lüneburg eingegangener Antragsschrift begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung sowie dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat. Sie stützt ihre Anträge auf einen Vorfall am 26.08.2003, dessen Einzelheiten zwischen den Beteiligten streitig sind. An diesem Tag fand eine Unterredung statt, an der einerseits der Marktleiter N. sowie dessen Stellvertreter, die Herren Ne. Und L. teilnahmen und andererseits der Betriebsratsvorsitzende sowie dessen Stellvertreter. Gegenstand dieses Gesprächs war eine den Betriebsratsvorsitzenden betreffende schriftliche Kundenbeschwerde, die ihm eröffnet wurde, sowie eine daraufhin vorbereitete Abmahnung. Das Abmahnungsschreiben, wegen dessen Inhalt auf die Anlage A 3 zur Klagschrift Bezug genommen wird, wurde vom Betriebsratsvorsitzenden nicht entgegengenommen.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 23.08.2004 hielt sich der Betriebsratsvorsitzende am 25.08.2004 im Bereich des Wareneingangs auf und begegnete dort verschiedenen Kollegen, mit denen er sich unterhielt. Über dieses Gespräch berichtete der Praktikant G. der Arbeitgeberin und fasste den Inhalt unter Datum vom 08.09.2004 in folgender "Erklärung" zusammen, deren Richtigkeit er später in dem Verfahren beim Arbeitsgericht Lüneburg unter dem Aktenzeichen 3 BV 5/04 an Eides statt versicherte:

"Ich, B. Gr. habe am 25.08.2004 gegen ca. 14.00 Uhr im Wareneingang folgendes Gespräch mitbekommen. Anwesend waren die Betriebsratsmitglieder Herr H., Herr K., der Wareneingangsmitarbeiter Herr M. und meine Person. Wir waren damit beschäftigt, Holzlatten auf eine E-Ameise aufzuladen. Herr Me. kam in den Wareneingang und begann mit Herrn H. und Herrn K. ein Gespräch. Sie unterhielten sich über allgemeine Dinge und kamen dann auf eine Gerichtsverhandlung in Hannover zu sprechen. Herr Me. äußerte, dass er während der Gerichtsverhandlung "viel Spaß und viel zu Lachen hatte". Anschließend äußerte er, dass er mit dem Betriebsrat nach einem positiven Urteil für ihn im Markt "so richtig auf den Putz hauen" werde. Er wird der Firma "dann zeigen, wo es langgeht".

Anschließend wurden Terminvorschläge für eine Betriebsratssitzung diskutiert. Ich habe dem Gespräch dann nicht mehr zugehört und mich um meine Arbeit gekümmert. Ob der Wareneingangsmitarbeiter Herr M. dem Gespräch zuhören konnte, kann ich nicht mehr sagen, da dieser mit verschiedenen Arbeiten im Lager beschäftigt war."

Der Inhalt dieses Gespräches ist zwischen den Beteiligten streitig.

Die Beteiligte zu 1) hat den Verlauf des Gesprächs vom 26.08.2003 wie folgt dargestellt: Der Betriebsratsvorsitzende habe geäußert, dass der Kunde, welcher sich bei der Marktleitung beschwert habe, gelogen habe und sich "warm anziehen" müsse. Auf den Vorhalt, dass das Verhalten durch zwei Mitarbeiter bezeugt werden könne, habe er sinngemäß gesagt, diese würden auch lügen, er wolle sofort die Namen der Mitarbeiter haben. Ferner habe er angekündigt, nunmehr nur noch "Dienst nach Vorschrift" zu machen. Zudem gehe es "jetzt richtig zur Sache", Absprachen zwischen der Marktleitung und dem Betriebsrat würden künftig nicht mehr erfolgen. Nach Beendigung des Gesprächs habe der Vorsitzende des Betriebsrats zu seinem Stellvertreter sinngemäß geäußert: "Wir haben Besseres zu tun, diese Arschlöcher".

Die Arbeitgeberin hat gemeint, auf Grund der im Gespräch vom 26.08.2003 geäußerten Beleidigung sei es ihr nicht mehr zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsratsvorsitzenden fortzusetzen. Da er sein Amt für eigene Interessen ausgenutzt habe, sei eine ordnungsgemäße Amtsausübung zukünftig nicht zu erwarten.

Die Beteiligte zu 1) (Arbeitgeberin) hat beantragt,

1. die Zustimmung des Beteiligten zu 2. (Betriebsrat) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. auf Grund seiner am 26.08.2003 gegenüber seinen Vorgesetzten gemachten grob beleidigenden Äußerung zu ersetzen,

2. Herrn D. Me. aus dem Betriebsrat der P. GmbH, .... 10, L., auszuschließen.

Der Beteiligte zu 2) (Betriebsrat) und der Beteiligte zu 3) (Betriebsratsvorsitzende) haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen

und den Gesprächsverlauf, insbesondere die am Ende angeblich geäußerte Beschimpfung bestritten. Sie haben behauptet, der Betriebsratsvorsitzende habe im Gehen zu seinem Stellvertreter H. leise geäußert: "Das glaub ich doch alles nicht, was hier abgeht". Daraufhin habe Herr N. hinter beiden hergerufen: "Was Arschloch? Du hast Arschloch zu mir gesagt? Ich geb Dir gleich Arschloch!" bzw.: "Was war das hier mit Arschlöchern?". Der Beteiligte zu 3) hat zudem behauptet, nachdem die Formalie der auszuhändigenden Abmahnung erledigt gewesen sei, habe er Herrn N. lediglich darauf verwiesen, dass es einem konstruktiven Zusammenwirken nicht dienlich sei, wenn jeder nur Dienst nach Vorschrift erledige.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge durch Beschluss vom 28.10.2003, auf den ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen zurückgewiesen:

Die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung ihres Vorsitzenden sei bereits deshalb nicht nach § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen, weil sich aus dem Sachvortrag der Arbeitgeberin nicht hinreichend deutlich ergebe, dass der Betriebsratsvorsitzende die angebliche Äußerung "Wir haben Besseres zu tun, diese Arschlöcher" in der Erwartung getätigt habe, sie werde von den Gesprächsteilnehmern N., Ne. und L. wahrgenommen. Ehr-verletzende Äußerungen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen rechtfertigten eine Kündigung nur dann, wenn diese nicht in der sicheren Erwartung erfolgt seien, nicht über den Kreis des Adressaten hinauszudringen. Könne hingegen die Wahrnehmung durch Vorgesetzte nicht völlig ausgeschlossen werden, sei eine solche ehrverletzende Äußerung zwar als wichtiger Grund zur Kündigung geeignet. Der Umstand, dass die Wahrnehmung durch den Vorgesetzten nicht dem Willen des Arbeitnehmers entspreche, führe aber dazu, dass sich das Gewicht der insoweit vorliegen - den Vertragsverletzung abschwäche. Hinzukomme, dass diese - angebliche - Äußerung im unmittelbaren Anschluss an ein für den Betriebsratsvorsitzenden unerfreuliches Gespräch gefallen sei.

Der Antrag auf Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat sei ebenfalls nicht begründet. Nach § 23 Abs. 1 BetrVG könne der Arbeitgeber den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflfichten beantragen. Die angebliche Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden, es würden "künftig keine Absprachen mehr zwischen der Marktleitung und dem Betriebsrat erfolgen", stelle zwar eine Pflichtverletzung dar, weil der Betriebsratsvorsitzende damit sein Interesse, in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht mit einer Abmahnung konfrontiert zu werden, mit der Ausübung seines Betriebsratsamtes in unzulässiger Weise verknüpft habe. Ein grober Missbrauch des Betriebsratsamtes zur Durchsetzung eigener Interessen entgegen dem Begünstigungsverbot nach § 78 Satz 2 BetrVG könne zugleich einen groben Pflichtverstoß nach § 23 Abs. 1 BetrVG darstellen. Auch verstoße eine solche Äußerung gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG. Solange sich diese Ankündigung allerdings nicht durch die konkrete Einflussnahme des Betriebsratsvorsitzenden auf andere Betriebsratsmitglieder oder in konkreten Maßnahmen auswirke, rechtfertige ein einmaliger Verstoß nicht den Ausschluss aus dem Betriebsrat.

Der Beschluss ist der Arbeitgeberin am 06.11.2003 zugestellt worden. Mit der am 02.12.2003 eingelegten und am 22.12.2003 begründeten Beschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihre Anträge nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 19.12.2003 sowie vom 17.09.2004 weiter, auf deren vollständigen Inhalt Bezug genommen wird.

Die Arbeitgeberin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag zu der beleidigenden Äußerung am Schluss des Gesprächs vom 28.08.2003 und vertritt dazu die Auffassung, eine solche Formalbeleidigung verletze die persönliche Ehre des Angesprochenen und sei deshalb nicht mehr durch das Grundrecht auf freie Meinungungsäußerung geschützt. Der Betriebsratsvorsitzende könne sich auch nicht auf eine Vertraulichkeit der Äußerung berufen, weil diese bewusst in Hörweite seines Disziplinarvorgesetzten abgegeben worden sei, und zwar im Anschluss an ein dienstliches Gespräch. Da der Betriebsratsvorsitzende zuvor außerdem angekündigt habe, seine privaten Interessen mit den Aufgaben des Betriebsrats zu verquicken, bestehe nicht nur ein Anspruch auf Zustimmung zur Ersetzung nach § 103 BetrVG, sondern zudem ein Grund zum Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin bezieht sich ferner auf die Erklärung des Praktikanten G., deren inhaltliche Richtigkeit sie behauptet und meint, durch diese Äußerungen sei belegt, dass der Betriebsratsvorsitzende individualrechtliche Angelegenheiten mit denen des Betriebsrats auch zukünftig verquicken werde. Dies werde schließlich dadurch unterlegt, dass auf Veranlassung des Betriebsratsvorsitzenden für den 14.09.2004 um 9.00 Uhr eine Betriebsversammlung der gesamten Belegschaft des in L. betriebenen Marktes einberufen worden sei. Bemühungen, mit dem Betriebsrat lediglich eine Teilversammlung abzuhalten, die es ermöglicht hätten, den Markt zumindest mit halber Belegschaft zu öffnen, seien ohne weitere Begründung abgelehnt worden.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 28.10.2003 - 4 BV 4/03 - abzuändern und nach ihren Schlussanträgen der ersten Instanz zu erkennen.

Der Betriebsrat sowie der Betriebsratsvorsitzende beantragen, die Beschwerde gegen den Beschluss des ArbeitsgerichtsLüneburg vom 28.10.2003 zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe der Schriftsätze vom 28.01.2004, vom 30.01.2004 sowie vom 24.09.2004 und vom 29.09.2004, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Der Betriebsratsvorsitzende hält die Anträge für unschlüssig. Zu dem Zustimmungsersetzungsantrag trägt er vor, es habe sich um keine unmittelbar an den Vorgesetzten gerichtete Äußerung gehandelt; auch hätten weder Lautstärke noch die räumlichen Umstände Anlass zur Annahme gegeben, dass der Vorgesetzte diese habe vernehmen können. Jedenfalls sei eine darauf gestützte Kündigung aus den im Urteil zutreffend angestellten Erwägungen unverhältnismäßig. Ungeachtet dieser rechtlichen Gesichtspunkte bleibe die angebliche Äußerung bestritten.

Bestritten hat der Betriebsratsvorsitzende den Vorwurf des Positionsmissbrauchs bzw. einer entsprechenden Drohung. Weder habe er zum Ausdruck gebracht, er werde dafür Sorge tragen, dass Verhandlungen mit dem Betriebsrat künftig unter besonderen Schwierigkeiten zu führen seien. Auch treffe der Vorwurf nicht zu, er habe sich persönlich konstruktiver Kritik anlässlich der Kundenbeschwerde nicht stellen wollen. Vielmehr sei es der Arbeitgeberin schlichtweg darum gegangen, eine Abmahnung "loszuwerden". Er sei aber nicht bereit gewesen, diese Abmahnung kommentarlos hinzunehmen.

Diesen Vortrag unterstützt der Betriebsrat, welcher weiterhin behauptet, sein Vorsitzender habe gegenüber dessen Stellvertreter beim Verlassen des Marktleiterbüros nur geäußert: "Das glaube ich jetzt wohl nicht, was hier abgeht". In dem vorherigen Gespräch habe der Betriebsratsvorsitzende lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es einer gedeihlichen Zusammenarbeit nicht zuträglich sei, wenn sich jede Betriebspartei nur auf Formalien zurückziehe. Seine eigenen Interessen habe der Betriebsratsvorsitzende damit nicht über die des Betriebsrats stellen wollen. Von einem groben Pflichtverstoß kann nach Meinung des Betriebsrats nicht die Rede sein, der den Antrag auf Ausschluss aus dem Gremium deshalb als unbegründet betrachtet.

Das Beschwerdegericht hat auf Grund Beschlusses vom 03.05.2004 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen N., Ne. und L. sowie gegenbeweislich durch Vernehmung des Zeugen H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23.08.2004 Bezug genommen.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat das Beschwerdegericht zunächst einen Verkündungstermin anberaumt, diesen auf Grund des Vortrags der Arbeitgeberin vom 17.09.2004 aber aufgehoben und am 07.10.2004 die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und Durchführung einer ergänzenden Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen G. sowie gegenbeweislich der Zeugen H., K. und M. beschlossen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25.10.2004 Bezug genommen.

II.

1.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist insgesamt zulässig. Die Beschwerdebegründung entspricht (soeben noch) den Anforderungen der §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG, § 520 Abs. 3 ZPO. Die Arbeitgeberin hat sich mit der angefochtenen Entscheidung insoweit auseinandergesetzt, als sie vorgetragen hat, die Unmutsäußerung des Betriebsratsvorsitzenden sei entgegen der Annahme im Beschluss bewusst so lautstark erfolgt, dass die anwesenden Disziplinarvorgesetzten davon hätten Kenntnis nehmen müssen. Da die Äußerung als solche eine vom Grundrecht auf Meinungsäußerung nicht gedeckte Formalbeleidigung darstelle, habe das Arbeitsgericht über die unterschiedlichen Sachverhaltsdarstellungen der Parteien Beweis erheben müssen. Denn der Vorfall rechtfertige sowohl eine fristlose Kündigung wie auch den Ausschluss aus dem Betriebsrat. Ob diese Auffassung zutrifft, ist für die Frage der Zulässigkeit der Berufung nicht entscheidungsrelevant.

2.

Die Anträge sind jedoch unbegründet.

a)

Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ihres Vorsitzenden war nicht zu ersetzen.

aa)

Nach § 103 Abs. 1 BetrVG muss der Betriebsrat einer außerordentlichen Kündigung ihrer Mitglieder zustimmen, und zwar vor Ausspruch der Kündigung (GK-BetrVG/Raab, 7. Auflage, § 103 Rn. 45). Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht diese auf Antrag ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Das Mitbestimmungsrecht verstärkt damit den in § 15 KSchG geregelten individuellen Kündigungsschutz und sichert zusätzlich die Unabhängigkeit der Amtsausübung.

Die verhaltensbedingte Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats setzt einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten voraus. Verstößt das Verhalten lediglich gegen Amtspflichten des Betriebsratsmitglieds, kommt ausschließlich § 23 BetrVG mit der Möglichkeit des Ausschlusses aus dem Betriebsrat zur Anwendung (BAG 16.10.1986 - 2 ABR 71/85 - AP Nr. 95 zu § 626 BGB). Liegt hingegen eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten vor, so kann eine außerordentliche Kündigung unter den gleichen Voraussetzungen ausgesprochen werden, unter denen gegenüber anderen Arbeitnehmern eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB möglich ist (BAG ebenda sowie GK-BetrVG/Raab § 103 Rn. 62 m. w. N.). Sofern eine Handlung gleichzeitig eine Amtspflichtverletzung und eine Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt, ist eine außerordentliche Kündigung möglich, wenn die Vertragsverletzung für sich betrachtet einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darstellt ("Simultantheorie"). Sie rechtfertigt die außerordentliche Kündigung jedoch nur dann, wenn unter Anlegeung eines besonders strengen Maßstabes das pflichtwidrige Verhalten als schwerer Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu werten ist (BAG GK- BetrVG/Oetker § 23 Rn. 22 ff mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und Schrifttum).

bb)

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist die Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden nicht zu ersetzen, selbst wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts (286 ZPO) zwei Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Gespräch vom 26.08.2003 feststehen.

(1)

Der erste Vorwurf einer Pflichtverletzung betrifft ausschließlich die Amtspflicht des Betriebsratsvorsitzenden und ist deshalb für die beantragte Zustimmungsersetzung zur Kündigung nicht relevant. Sie liegt darin, dass der Betriebsratsvorsitzende im Zusammenhang mit der ihm persönlich eröffneten Kundenbeschwerde und der daraufhin vorbereiteten schriftlichen Abmahnung eine formalistischere, schärfere Auseinandersetzung zwischen Marktleitung und Betriebsrat angekündigt hat. Allein die Ankündigung verstößt gegen die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG sowie gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 Satz 2 BetrVG. Amt und arbeitsrechtliches Grundverhältnis dürfen weder von Arbeitgeberseite noch aus Sicht des Betriebsrats miteinander vermengt werden, oder anders gewendet: Ein Mitglied des Betriebsrats darf nicht einmal den Versuch unternehmen, sich in seinem arbeitsvertraglichen Grundverhältnisses Vorteile zu verschaffen, indem es ankündigt, davon hänge die Art und Weise seiner zukünftigen Mandatsausübung ab. Verquickt ein Betriebsrat auf diese Weise Amt und Grundverhältnis, verletzt er jedoch nur seine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht, die nicht Anlass zur Kündigung sein, sondern nur zum Ausschluss aus dem Betriebsrat führen kann. Dies ist Ausdruck des ultima- ratio-Grundsatzes, der das gesamte Kündigungsrecht prägt (zum Amtsenthebungsverfahren als mildere Maßnahme GK-BetrVG/Oetker § 23 Rn. 28). Nach einem Ausscheiden aus dem Betriebsrat und Wegfall der damit verbundenen Interessenkollision bestünde kein Grund anzunehmen, dass das Betriebsratsmitglied seine Grundpflichten aus dem Arbeitsverhältnis zukünftig nicht ordnungsgemäß erfüllen würde. Ob die Pflichtverletzung des Betriebsratsvorsitzenden hier einen Ausschluss aus dem Betriebsrat rechtfertigt, kann im Zusammenhang mit dem Zustimmungsersetzungsantrag dahinstehen.

(2)

Anders verhält es sich mit der weiteren Pflichtverletzung des Betriebsratsvorsitzenden, die darin besteht, dass er sich über die Marktleitung abfällig und beleidigend geäußert hat. Darin liegt sowohl eine Verletzung der Amtspflicht wie auch der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zu Zurückhaltung und Mäßigung. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Betriebsratsvorsitzende die anwesenden Mitglieder der Marktleitung als "Arschlöcher" tituliert hat. Bei der Würdigung der Zeugenaussagen nach § 286 ZPO hat sich das Gericht eine Überzeugung zu bilden, die begründeten Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Eine absolute Gewissheit zu fordern, überstiege die Möglichkeiten natürlicher Erkenntnis (BGH Z 53, 245, 256; Zöller, 24. Aufl. § 286 ZPO Nr. 19).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes erscheinen die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen N., Ne. und L., an deren Glaubwürdigkeit das Gericht nicht zweifelt, glaubhaft. Sie haben die Verbalinjurie gehört, waren sich sicher, dass diese von dem Betriebsratsvorsitzenden geäußert wurde und fühlten sich persönlich angesprochen. Die drei Zeugen waren sich auch sicher, dass die Äußerung bewusst in der Lautstärke gefallen ist, dass sie nicht nur für den stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsrats, sondern für alle im Raum Anwesenden wahrgenommen werden konnte. Dass die Satzwahl den Zeugen unterschiedlich in Erinnerung war, spricht nicht unbedingt gegen die Richtig-keit der Aussage, sondern zeigt eher, dass die Zeugen sich vor dem Termin nicht abgesprochen haben. Nur wenn die beleidigende Äußerung tatsächlich gefallen ist, erklärt sich auch, dass der Zeuge Ne. hinter dem Betriebsrats-vorsitzenden hergeeilt und ihm die vernommene Äußerung vorgehalten hat. Selbst der Zeuge H., nach dessen Erinnerung das Wort "Arschlöcher" nicht gefallen ist, hat bestätigt, Herr N. habe aufgebracht gefragt: "Was war das hier eben mit Arschlöcher?" Diese Gesamtumstände lassen die gegenteilige Aussage des Zeugen H. als unglaubhaft erscheinen, zumal er auch bekundet hat, Herr N. und nicht Herr Ne. hätten ihn und den Betriebsratsvorsitzenden zur Rede gestellt. Nach übereinstimmender Aussage der übrigen Zeugen ist aber Herr N. auf seinem Stuhl sitzengeblieben und Herr Ne. hat beide angesprochenen.

Die Beleidigung als "Arschlöcher" stellt eine schwere verbale Entgleisung dar, die auch nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass der Betriebsratsvorsitzende zuvor mit einer Kundenbeschwerde und vorbereiteten Abmahnung konfrontiert worden ist. Denn die ihm in dem Zusammenhang vorgehaltene Pflichtverletzung gegenüber dem Kunden hätte eine sachliche Stellungnahme erfordert. Es stellt eine Verkehrung der Gegebenheiten dar, wenn sich der Betriebsrats-vorsitzende mit diesem Vorwurf nicht in sachlicher Form auseinandersetzt, sondern die Kundenbeschwerde als Anmaßung abtut und die Marktleitung beschimpft, weil sie diese für eine Abmahnung zum Anlass genommen hat.

Ist danach die Verbalinjurie eine schwere verbale Entgleisung, hängt deren kündigungsrechtliche Bewertung von den gesamten Umständen des Einzelfalls ab. Hierbei ist zu Gunsten des Betriebsratsvorsitzenden zum einen anzuführen, dass er sich in dem seit dem 01.04.1995 bestehenden Arbeitsverhältnis erstmals in dieser Weise despektierlich im Betrieb geäußert hat, und zwar auf Grund einer situativen Verärgerung. Diese Reaktion war unbeherrscht, unangemessen und emotional, erlaubt aber nicht die Prognose, dass sich gleichartige Entgleisungen im weiteren Verlaufe des Arbeitsverhältnisses wiederholen und eine einschlägige Abmahnung von vornherein wirkungslos ist. Bei der Abwägung zu berücksichtigen ist auch der Grund der Verärgerung, welcher sich zum einen daraus erklärt, dass dem Betriebsratsvorsitzenden der Grund für das Gespräch im Voraus nicht mitgeteilt worden ist und zum anderen auf dem Umstand beruht, dass die Abmahnung bereits schriftlich abgefasst war, weshalb die Anhörung aus seiner Sicht eine Formalie ohne Bedeutung war und die Marktleitung seiner Einlassung auf den Vorwurf von vornherein nicht offen gegenüberstand. Nimmt man schließlich den bereits vom Arbeitsgericht gewürdigten Umstand hinzu, dass die Aussage -zumindest nicht in erster Linie - für die Ohren der anwesenden Mitglieder der Marktleitung, sondern für die des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden gedacht war, ergibt eine Interessenabwägung, dass es der Arbeitgeberin zumutbar ist, den Vorsitzenden des Betriebsrats auf Dauer, zumindest aber bis zum Ende seiner Amtszeit und des nachwirkenden Kündigungsschutzes weiterzubeschäftigen. Der Vorfall vom 26.08.2003 rechtfertigt lediglich eine Abmahnung.

(3)

Entsprechendes gilt für die - im Übrigen nicht bewiesene, siehe unten unter II. 2. b) cc) der Gründe - Behauptung, der Betriebsratsvorsitzende habe sich in dem Gespräch vom 25.08.2004 gegenüber Kollegen damit gebrüstet, er werde mit dem Betriebsrat nach einem positiven Urteil für ihn im Markt "so richtig auf den Putz hauen" und der Firma zeigen, wo es langgehe. Bei einem Ausschluss aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG wäre dem Vorsitzenden die Möglichkeit verwehrt, in dieser Funktion der Ankündigung "mit dem Betriebsrat" entsprechende Taten folgen zu lassen. Es fehlt also auch insoweit an einem wichtigen Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, so dass die Zustimmung nicht zu ersetzen ist.

b)

Die Arbeitgeberin kann auch nicht den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat beanspruchen.

aa)

Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen.

Eine grobe Pflichtverletzung liegt vor, wenn sie objektiv erheblich, also besonders schwerwiegend gegen den Zweck des Gesetzes verstößt. Entscheidend ist, dass die konkrete Pflichtverletzung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten, des Anlasses und der Persönlichkeit des Betriebsratsmitglieds, so erheblich ist, dass es für die weitere Amtsausübung untragbar erscheint (ebenso BAG 22.6.1993 - 1 ABR 62/92 -AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972). Denkbar ist, dass der Betriebsfrieden ohne Amtsenthebung nachhaltig gestört oder auch nur ernstlich gefährdet bliebe oder dass das Vertrauensverhältnis zum Betriebsrat, der Belegschaft oder dem Arbeitgeber zerstört oder aus anderen Gründen eine gesetzmäßige Arbeit des Betriebsratsmitglieds nicht mehr zu erwarten ist. Es kommt folglich auf eine Zukunftsprognose an (GK-BetrVG/Oetker - § 23 Rn. 35). Eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten kann bereits bei einem einmaligen schwerwiegenden Verstoß gegeben sein (GK-BetrVG/Oetker § 23 Rn. 36). Sie wird in der Regel offensichtlich sein, wenn sie fortgesetzt oder wiederholt erfolgt. Auch kann die einmalige Pflichtverletzung für sich allein betrachtet noch nicht schwerwiegend sein, es aber durch deren Wiederholung werden. Wegen des Normzweckes unterliegt das Amtsenthebungsverfahren dagegen nicht dem Ultima-ratio-Grundsatz. Der Ausspruch einer vorherigen Abmahnung wegen des amtspflichtwidrigen Verhaltens ist deshalb nicht für dessen Durchführung erforderlich (vgl. LAG Düsseldorf 26.4.1993 - 7 TA 316/92 - LAGE § 23 BetrVG 1972 Nr. 31; GK - BetrVG/Oetker § 23 Rn. 36; a. A. Koch, Die Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds wegen Amtspflichtverletzung, S. 110 ff und DKK/Trittin § 23 Anmerkung 12: In der Regel geboten).

Wie unter 2. a) bb) (1) der Gründe ausgeführt, stellt die Verquickung von Amtspflicht und arbeitsvertraglicher Grundpflicht eine Amtspflichtverletzung dar. Die im Zuge der Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds von diesem angekündigte schärfere und formalistischere Handhabung von Mitbestimmungsrechten kann sich als rechtsmissbräuchliche Ausübung von Befugnissen darstellen und im Ausnahmefall grob pflichtwidrig sein. Das folgt aus § 242 BGB und seiner betriebsverfassungsrechtlichen Konkretisierung durch § 2 Abs. 1 BetrVG. Allerdings lässt sich die Amtsenthebung durch ein solches Verhalten nur rechtfertigen, wenn nach den dargestellten Grundsätzen die weitere Mitgliedschaft im Betriebsrat untragbar erscheint.

Dies gilt auch für grobe Beschimpfungen, Verunglimpfungen oder Beleidigungen des Arbeitgebers, die - wie unter 2. a) bb) (2) ausgeführt - nicht nur eine Vertragsverletzung darstellen, sondern zugleich mit dem Gebot zu vertrauensvoller Zusammenarbeit unvereinbar sind (Bundesverwaltungsgericht 22.08.1991 - BVerwG 6 P 10.90 - EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 30; Arbeitsgericht Marburg 28.05.1999 - 2 BV 3/99 - NZA - RR 2001, 91, 92 f.).

bb)

Danach sind im vorliegenden Fall zwar zwei Amtspflichtverletzungen des Betriebsratsvorsitzenden festzustellen. Sie besteht vor allem in dessen Ankündigung im Zusammenhang mit der ihm persönlich vorgehaltenen Pflichtverletzung (Kundenbeschwerde), Gentlemens Agreement werde es zukünftig nicht mehr geben. Diese Aussage haben die Zeugen N., Ne. und L. übereinstimmend und glaubhaft wiedergegeben, während der stellvertretende Betriebsratsvor-sitzende H., welcher erst später zu dem Gespräch hinzugezogen wurde, sich nicht daran erinnern konnte. Der Betriebsratsvorsitzende hat nach Aussage des Marktleiters N. "sofort zugemacht" und ist nur als Betriebsrat aufgetreten. Glaubhaft erscheint dem Gericht in diesem Zusammenhang vor allem die Aussage von Herrn L., dem sich die Situation besonders deshalb einprägte, weil er derartige Differenzen zwischen Betriebsrat und Marktleitung aus seinen vorherigen Markt in B. nicht kannte. Herr L. hat bekundet, der Betriebsratsvorsitzende habe "schnell darauf umgeschaltet ..., dass es zukünftig mit dem Betriebsrat keine Absprachen mehr gebe" und "erwähnt, dass die Öffnungszeiten am Samstag nicht geklärt seien." Gerade bei diesem Punkt handelt es sich um ein für die Arbeitgeberin wichtiges und für den Einzelhandel bekanntermaßen generell sehr sensibles Thema. Hier einen Zu-sammenhang zu dem Abmahnungsvorwurf herzustellen, stellt zweifellos eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Dass der Betriebsratsvorsitzende über die vorbereitete Abmahnung spontan verägert war, ist als Reaktion menschlich nachvollziehbar, was an der Pflichtwidrigkeit als solcher aber nichts ändert. Die Mitglieder der Betriebsparteien müssen Sachverhalte trennen und sachlich miteinander umgehen können.

Bei der Beurteilung der Pflichtwidrigkeit kommt die ausfällige, für die weiteren Mitglieder wahrnehmbare und im Zusammehang mit der Abmahnung geäußerte Beleidigung beim Verlassen des Büros hinzu. Darin liegt eine weitere Amtspflichtverletzung.

Indes lassen diese einmaligen Entgleisungen nicht den Schluss zu, dass der Betriebsratsvorsitzende für die weitere Amtsausübung untragbar geworden ist. Der Ankündigung in dem Gespräch vom 26.08.2003 sind keine entsprechenden "Taten" (Beschlüsse, Verhaltensweisen oder Versuche einer Einflussnahme) durch den Betriebsrat bzw. dessen Vorsitzenden gefolgt, und zwar weder vor noch nach dessen Freistellung. Weitere verbale Attacken sind unterblieben. Insbesondere hat der Betriebsratsvorsitzende Ankündigungen und Beleidigungen nicht bestätigt, wiederholt bzw. aufrechterhalten. Er hat die ihm vorgeworfenen und nach Überzeugung des Gerichts feststehenden Sachverhalte vielmehr (als Schutzbehauptung) in Abrede genommen und in der letzten mündlichen Verhandllung zum Ausdruck gebracht, dass er sein Arbeits- und Amtsverhältnis nicht durch derlei unbedachte Äußerungen gefährden würde. Dies zeigt, dass ihm die Konsequenzen eines entsprechenden Fehlverhaltens klar sind. Im Fall einer erneuten Verquickung von Amt und Grundverhältnis bzw. einer erneuten beleidigenden Äußerung muss er mindestens mit einem Ausschluss aus dem Betriebsrat rechnen.

Dass der Betriebsrat unter dem Vorsitz des Beteiligten zu 3) für den 14.09.2004 um 9.00 Uhr eine Versammlung der gesamten Belegschaft und entgegen bisheriger Handhabung nicht zwei Teilversammlungen einberufen hat, stellt keine Pflichtverletzung dar. Die Entscheidung darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung von Teilversammlungen vorliegen, trifft der Betriebsrat durch Beschluss nach § 33 BetrVG. Teilversammlungen nach § 42 Abs. 1 BetrVG sind nur dann durchzuführen, wenn wegen der Eigenart des Betriebes eine Versammlung aller Arbeitnehmer zum gleichen Zeitpunkt nicht stattfinden kann. Dazu steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Ausnahmen von dem Gebot, Betriebsversammlungen als Vollversammlungen durchzuführen, sind in erster Linie auf Grund organisatorisch-technischer Besonderheiten des konkreten Einzelfalls und daneben nur dann zuzulassen, wenn die Durchführung von Teilversammlungen zwingend geboten ist, weil die Durchführung einer Betriebsvollversammlung zu unverhältnismäßig hohen Nachteilen für den Betrieb im Vergleich zum Zweck der Betriebsvollversammlung führen würde (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vgl. GK-BetrVG/Fabricius/Weber § 42 Rn. 58 ff., 61). Selbst wenn die Arbeitgeberin den Betrieb ab 9.00 Uhr für die Dauer der Betriebsvollversammlung schließen musste, liegt darin kein unverhältnismäßig hoher Nachteil. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es zweckmäßig und geboten erscheint, die gesamte Belegschaft über die weitere Zusammensetzung des Betriebsrats und den Inhalt dieses Rechtsstreits in einer einheitlichen Versammlung zu informieren, auch damit ein einheitliches Stimmungsbild erzielt und der Bildung von Gerüchten vorgebeugt werden kann. Die Durchführung einer Betriebsversammlung lässt folglich nicht den Schluss zu, dass der Betriebsratsvorsitzende sein Amt für eigene, nicht mit der Amtsführung in Zusammenhang stehende Interessen missbraucht.

cc)

Eine andere Prognose rechtfertigt sich schließlich nicht auf Grund von Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden in dem Gespräch vom 25.08.2004. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Betriebsratsvorsitzende gegenüber den Kollegen angekündigt hat, er werde mit dem Betriebsrat, also in seiner Funktion als deren Vorsitzender, so richtig auf den Putz hauen und der Firma zeigen, wo es langgeht. Zwar kann eine solche Äußerung, wenn sie in dieser Weise gefallen wäre, nur als "Kampfansage" verstanden werden und würde deshalb nach der vorherigen Ansage des Betriebsratsvorsitzenden in dem Gespräch vom 26.08.2003, es sei Schluss mit dem Gentlemens Agreement, dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG rechtfertigen.

Indes lässt das Ergebnis der Beweisaufnahme die Annahme einer solchen Äußerung und damit einhergehenden Pflichtverletzung nicht zu, auch wenn der Zeuge G. zunächst den exakten Vortrag der Arbeitgeberin und damit seine Erklärung vom 08.09.2004 bestätigt hat. Der Zeuge G. hat die Gesprächssituation am 25.08.2004 im Wareneingangsbereich im Wesentlichen so geschildert, wie sie auch der Erinnerung der anderen Zeugen entsprach: Gemeinsam mit Herrn K. habe er Holz von dem großen auf einen kleinen Stapler umgeladen, um es später im Markt einzusortieren. Diese Tätigkeit sei unterbrochen worden, als der Betriebsratsvoritzende mit dem Zeugen H. hinzugekommen sei. Im Unter-schied zu den Aussagen der anderen Zeugen hat der Zeuge G. bekundet, der Betriebsratsvorsitzende hab seinen Betriebsratskollegen M. und K. Einladungen zur Betriebsversammlung überreicht. Dabei habe dieser geäußert, er habe bei der Gerichtsverhandlung viel Spaß gehabt und wenn er das Verfahren gewänne, werde er "auf den Putz hauen". Der Zeuge, der auf Nachfrage ausgeschlossen hat, etwas falsch verstanden zu haben, hat auf konkreten Vorhalt seine Erklärung vom 08.09.2004 ferner bestätigt, der Betriebsratsvorsitzende habe auch geäußert, er werde der Firma zeigen, wo es langgeht.

Die Aussage des Zeugen G., dessen Praktikantenverhältnis Ende Oktober 2004 ausläuft, ist nicht uneingeschränkt glaubhaft. Zumindest ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Äußerungen in der bekundeten Form tatsächlich so gefallen und vom Zeugen G. richtig verstanden worden sind. Zunächst hat er nicht unmittelbar neben Herrn Me., Herrn H. und Herrn K. gestanden, die sich über die Gerichtsverhandlung beim Beschwerdegericht in Hannover unterhalten haben, so dass nicht sicher ist, dass er die Äußerungen zutreffend wahrgenommen hat. Es ergeben sich aber auch in der Aussage selbst starke Ungereimtheiten, die an der Glaubhaftigkeit insgesamt zweifeln lassen. Zum einen hat der Betriebsratsvorsitzende entgegen der Bekundung des Zeugen G. in diesem Gespräch im Wareneingangsbereich keine Einladung zur Betriebsversammlung übergeben, wie sich im Laufe der späteren Beweisaufnahme herausgestellt hat. Der Zeuge G. hat seine Aussage später dahin korrigiert, dass der Betriebsratsvorsitzende Herrn K. und Herrn H. ein Papier übergeben habe, dessen Inhalt er nicht kenne.

Desweiteren musste der Zeuge seine Aussage in einem weiteren, für die Glaubhaftigkeit der Ausssage wichtigen Punkt korrigieren. Zunächst hat er, auch auf eindringliche Nachfrage des Gerichts und der Beteiligten an der Behauptung festgehalten, er habe die Erklärung vom 08.09.2004 selbst auf dem PC im Büro von Herrn Sch., dem stellvertretenden Marktleiter, verfasst. Daran hat der Zeuge zunächst beharrlich festgehalten, obwohl ihm vorgehalten wurde, es sei höchst unwahrscheinlich, dass er ausgerechnet seinen eigenen Namen (Gr. statt G.) in der im Übrigen nahezu fehlerlosen Erklärung zweimal falsch geschrieben hat, bevor er nach Vernehmung der übrigen Zeugen auf nochmaligen Vorhalt hat einräumen müssen, dass ihm nicht mehr sicher erinnerlich sei, den Text selbst in den PC eingegeben zu haben. Er habe den Sachverhalt handschriftlich aufgezeichnet. In diesem Punkt hat der Zeuge, also zunächst die Unwahrheit gesagt. Da die Arbeitgeberin das handschriftlich gefertigte Schreiben des Zeugen im Original nicht vorgelegt hat, ist es zweifelhaft, ob die Formulierungen wörtlich übertragen worden sind und mit den von Herrn Sch. bzw. vom Personalreferenten Hi. Geschriebenen Erklärungen identisch sind.

Der Aussage des Zeugen G. stehen aber vor allem die Bekundungen des Zeugen K. gegenüber, der offen und unbefangen und insgesamt glaubhaft den Gesprächsinhalt wiedergegeben hat und an dessen Glaubwürdigkeit das Gericht nicht zweifelt. Seine Arbeit, die er gemeinsam mit dem Zeugen G. ausgeführt hat, sei unterbrochen worden, als er den Betriebsratsvorsitzenden, Herrn H. und Herrn M. im Wareneingangsbüro gesehen habe. Er sei hinzugekommen, einfach um "Guten Tag" zu sagen. In dieser Runde sei kurz über das Landesarbeitsgericht gesprochen worden, welches sich angeblich in einem alten, dunklen Gemäuer befände. Darüber sei gelacht worden, auch sei es um die Verhandlung gegangen, in der sich ein Vertreter der Firma angeblich die Schuhe ausgezogen habe, was der Zeuge mit den - gut nachvollziehbaren -Worten "sehr kurios das Ganze" bewertete. Der einzige Widerspruch dieser Aussage ergibt sich daraus, dass der weitere Zeuge M. sich zwar ebenfalls daran erinnern konnte, dass sich der Betriebsratsvorsitzende und Herr H. über das Verhalten eines "Firmenvertreters" im Termin amüsiert hätten, weil der immer seine Schuhe aus- und angezogen habe, dabei aber seiner Aussage nach Herrn K. nicht wahrgenommen hat, der "irgendwo rumgetobt" sei. Allerdings ist das Gericht anhand der Art und Weise, wie der Zeuge K. den Gesprächsverlauf geschildert hat, davon überzeugt, dass dieser in diesem Moment an dem Gespräch teilgenommen hat. Die Abweichung der Aussagen zeigt zumindst, dass die Zeugen sich vor dem Termin nicht abgesprochen haben.

Auch der Zeuge H. konnte sich daran erinnern, dass er gegenüber dem Betriebs-ratsvorsitzenden und Herrn K., der um den Holzstapel herumgegangen und zu dem Gespräch hinzugekommen sei, von der Gerichtsverhandlung in Hannover erzählt habe, wobei man darüber gelacht habe, dass sich der Firmenvertreter die Schuhe ausgezogen habe. Allerdings ist die Aussage des Zeugen H., wie schon auf Grund der ersten Beweisaufnahme, von großen Erinnerungslücken geprägt, die sich als um so stärker erweisen, je näher das Gericht nachgefragt hat. Ob dieses Aussage-verhalten strategisch begründet ist, oder ob es an einem "kurzen" Gedächtnis des Zeugen liegt, wie er selbst es erklärt hat, ist dem Gericht nicht ganz klar ge-worden. Auch wenn die Glaubhaftigkeit seiner Aussage besonders kritischer Würdigung unterliegt, ergibt sich zumindest kein Widerspruch zu den anderen Aussagen in diesem Punkt.

Können sich aber die Zeugen K., M. und letztlich auch H. daran erinnern, worüber man sich amüsiert habe, spricht dies dafür, dass es sich um ein eher belangloses Gespräch gehandelt hat, welches die von der Arbeitgeberin behaupteten Äußerungen des Zeugen G. nicht, jedenfalls nicht in dieser Form zum Gegenstand hatte. Auch der Zeuge G.hat berichtet, die Unterhaltung habe nur etwa 2 Minuten gedauert. Die Aussage des Zeugen G. im Termin wirkte für das Gericht vor diesem Hinter-grund insgesamt "aufgesagt". Das Gericht möchte nicht ausschließen, dass der Zeuge G., der nicht unmittelbar an dem Gespräch teilgenommen, sondern aus einer Entfernung von zwei bis vier Metern das Gespräch mitgehört hat, Einzelheiten verzerrt wiedergenommen oder falsch verstanden hat. Jedenfalls kann die Behaup-tung der Arbeitgeberin nicht als bewiesen angesehen werden.

III.

Da es sich aber um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt, besteht kein Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Ende der Entscheidung

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