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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 09.01.2002
Aktenzeichen: 6 Sa 96/01
Rechtsgebiete: BAT, BBesG


Vorschriften:

BAT § 29
BAT § 34
BBesG § 40
Zur Höhe des Ortszuschlags eines teilzeitbeschäftigten Kirchenangestellten mit anfänglich vollbeschäftigter, dann ebenfalls teilzeitbeschäftigter Ehefrau als Landesbeamtin.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen

6 Sa 96/01

Verkündet am: 9.1.2002

URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Becker und die ehrenamtlichen Richter Mayk und Böhmer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 29.11.2000 - 6 Ca 277/00 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

DM 645,03 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich errechnenden Nettobetrag von jeweils DM 3,51 brutto ab 1.9., 1.10., 1.11.1998 sowie aus jeweils DM 42,30 brutto ab 1.12.1998, 1.1., 1.2., 1.3., 1.4., 1.5., 1.6., 1.7., 1.8., 1.9., 1.10., 1.11. und 1.12.1999 sowie ab 1.2.2000 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe des dem Kläger als teilzeitbeschäftigtem Kirchenmusiker zu zahlenden Ortszuschlags für die Zeit ab 1.8.1998 bis Januar 2000.

Der Kläger ist bei der beklagten Kirchengemeinde als Organist mit wöchentlich 15,625 Arbeitsstunden beschäftigt. Seine Ehefrau war in der Zeit vom 1.8. bis 31.10.1998 beim Land Niedersachsen als Beamtin vollbeschäftigt (40 wöchentliche Arbeitsstunden) und ab 1.11.1998 teilzeitbeschäftigt mit 34 wöchentlichen Arbeitsstunden.

Die Parteien vereinbarten einzelvertraglich die Geltung der Dienstvertragsordnung (DienstVO), die ihrerseits auf § 29 BAT verweist und damit auf § 40 Abs. 6 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG).

Die Ehefrau des Klägers erhielt in der Zeit vom 1.8. bis 31.10.1998 den ungekürzten Familienzuschlag der Stufe 1 (Ehegattenanteil) von DM 184,08, weil aus Sicht des Landes Niedersachsen der Kirchendienst des Klägers nicht als öffentlicher Dienst gilt. Der arbeitszeitanteilige Ortszuschlag des Klägers hätte, wäre seine Ehefrau von der Kirche beschäftigt worden, in der Differenzstufe 1/2 von DM 71,86 bestanden.

Die Beklagte sah sich gemäß § 14 DienstVO veranlasst, den Kläger und seine Ehefrau gleich zu behandeln im Verhältnis zu Eheleuten, die beide im kirchlichen bzw. öffentlichen Dienst beschäftigt sind und bei denen auf die Ehefrau ein Familien- bzw. Ortszuschlag von DM 92,04 und auf den Ehemann ein Ortszuschlag in Höhe der Differenzstufe 1/2 von DM 88,53 und damit ein Gesamtbetrag von DM 81,57 (Höchstgrenze nach § 29 Abs. 5 BAT) entfallen wäre. Weil bereits der Ehegattenanteil der Ehefrau des Klägers diesen Gesamtbetrag um DM 3,51 überschritt, wurde diese "Zuvielzahlung" vom Ortszuschlag des Klägers abgezogen.

Wegen der Teilzeitbeschäftigung der Ehefrau des Klägers ab 1.11.1998 mit wöchentlich 34 Arbeitsstunden ergab sich nach den Berechnungen der Beklagten eine monatliche "Zuvielzahlung" beim Familienzuschlag der Ehefrau des Klägers von DM 42,30, die sie wiederum vom Ortszuschlag des Klägers abzog.

Für die Zeit vom 1.8. bis 31.10.1998 führte diese Berechnungsweise zu einer Kürzung von DM 10,53 und für den nachfolgenden Zeitraum von DM 634,50.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 645,03 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich errechnenden Nettobetrag von jeweils DM 3,51 brutto ab 1.9., 1.10., 1.11.1998 sowie aus jeweils DM 42,30 brutto ab 1.12.1998, 1.1., 1.2., 1.3., 1.4., 1.5., 1.6., 1.7., 1.8., 1.9., 1.10., 1.11., 1.12.1999 bis 1.2.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 29.11.2000 die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand dieses Urteils und wegen der Würdigung dieses Vorbringens auf dessen Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen dieses ihm am 27.12.2000 zugestellte Urteil am 18. Januar 2001 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.3.2001 am 7.3.2001 begründet. Der Kläger räumt ein, dass sein Familieneinkommen so hoch ist, wie es wäre, wenn er und seine Ehefrau entweder beide im Landesdienst oder im Kirchendienst stünden. Ihre Entscheidung, dass seine Ehefrau als Beamtin und er als angestellter Kirchenmusiker beschäftigt ist, lasse es nicht zu, sie so zu behandeln, als seien sie beide im Kirchendienst bzw. Staatsdienst beschäftigt. So stehe er sich schlechter als andere Arbeitnehmer der Beklagten, deren Ehepartner auch nicht im Kirchendienst stehen. Ihm müsse mindestens der hälftige Ortszuschlag verbleiben. Die Kürzung über die Hälfte hinaus lasse sich weder aus dem BAT noch aus Bundesbesoldungsgesetz ableiten. Bei Mitarbeitern der Beklagten, deren Ehepartner weder im öffentlichen Dienst noch in Kirchendiensten stehen, werde auch eine Besserstellung hingenommen. Wegen der unterschiedlichen Arbeitgeber ergebe sich für ihn und seine Ehefrau ein unausgewogenes Verhältnis der Vergütungszahlung. Sein Minderbezug beim Ortszuschlag werde nur rechnerisch durch den Familienzuschlag seiner Ehefrau ausgeglichen. Im Falle eines Arbeitslosengeldbezugs sei Berechnungsgrundlage sein tatsächliches Einkommen und nicht der Familienzuschlag seiner Ehefrau. Auch für den Fall des Scheiterns seiner Ehe müsse ihm eine Mindestabsicherung verbleiben. Tatsächlich habe seine Eheschließung zu einer erheblichen Kürzung seiner Bezüge im Vergleich zu denen eines Junggesellen geführt. Im Gegensatz zum BAT handele es sich hier nicht um eine tarifliche Regelung. Sein Ortszuschlag werde im Ergebnis dreifach gekürzt, einmal im Hinblick auf seine im öffentlichen Dienst beschäftigte Ehefrau auf die Hälfte, dann wegen seiner Teilzeitarbeit und zuletzt, weil seine Ehefrau mehr Ortzuschlag erhält, als sie beide erhalten würden, wenn sie im öffentlichen Dienst stünden. Jedenfalls müsse ihm mindestens soviel verbleiben wie einem Ledigen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 29.11.2000 - 6 Ca 277/00 - abzuändern und der Klage stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als der Rechtslage entsprechend und beruft sich auf das verfassungsmäßige Recht der Kirchen, ihre Angelegenheiten selbständig, z. B. durch die DienstVO zu ordnen. In dem zulässigen Rahmen halte sich die besondere Regelung des Ortszuschlags im Verhältnis zu der im öffentlichen Dienst geltenden Regelung. Sie entspreche dem Verständnis der Kirche, öffentlicher Dienst zu sein. Daher sei es gerechtfertigt, dass Ehepartner, von denen einer im Kirchendienst und der andere im Staatsdienst beschäftigt ist, nur einmal den "Ehegattenanteil" im Ortszuschlag erhalten und damit Ehegatten gleichstehen, die entweder beide im Kirchendienst oder im Staatsdienst stehen. Im Übrigen sei die Dienstvertragsordnung, beschlossen von der Arbeite- und Dienstrechtlichen Kommission, als partnerschaftliche Regelung privatrechtlicher Dienstverhältnisse anzusehen. Die Kommissionsmitglieder kommen zu gleichen Teilen aus den Reihen der Mitarbeiter und der Anstellungsträger. Halte der Kläger die staatliche Regelung (BBesG oder BAT) für gerechtfertigt, müsse dies auch für die kirchlichen Vorschriften gelten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die kraft Zulassung statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kläger hat sich ausführlich mit den Entscheidungsgründen des Urteils des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt und ist ihnen entgegengetreten. Damit ist seine Berufung zulässig.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Denn die Klage ist begründet.

1.

Die Beklagte schuldet dem Kläger für die Zeit vom 1.8. bis 31.10.1998 die Zahlung von DM 10,53 brutto. Dies folgt aus § 29 B Abs. 5 BAT. Nach dieser Vorschrift findet § 34 Abs. 1 UA. 1 Satz 1 BAT auf den Unterschiedsbetrag keine Anwendung, wenn einer der Ehegatten vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist, wie dies auf die Ehefrau des Klägers zutrifft. Für diesen Fall haben die Tarifvertragsparteien die Zahlung des ungekürzten Familienzuschlags vorgesehen. Die tarifliche Regelung folgt hier der gesetzlichen (§ 40 Abs. 5 BBesG), durch die sichergestellt werden sollte, dass die Ehegatten bei der Kombination Vollzeit-/Teilzeitbeschäftigung mindestens einen vollen Verheiratetenzuschlag erhalten sollten (BAG Urteil vom 6.8.1998 - 6 AZR 165/97 - AP Nr. 14 zu § 29 BAT, Urteil vom 10.8.00 - 6 AZR 274/99 EzBAT § 29 BAT Nr. 28, Clemens-Scheuring-Steingen-Wiese, BAT § 29 Erl. 8, Kümmel/Pohl, BBesG, Stand August 2001, § 40 Rz. 148). Dagegen schränkt § 14 DienstVO den Anspruch des Klägers auf Ortszuschlag Stufe 1 nicht ein und berechtigt die Beklagte nicht zum Abzug einer vermeintlichen Überzahlung.

2.

Die Beklagte schuldet dem Kläger für die Zeit vom 1.11.1998 bis 31.1.2000 weitere DM 634,50 brutto. Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Beklagten, dass die Ehefrau des Klägers einen ihrer Arbeitszeit entsprechenden anteiligen im Übrigen ungekürzten Familienzuschlag von DM 156,47 erhält. Richtig ist auch, dass der Kläger, wäre er im öffentlichen Dienst beschäftigt, dann ebenso wie seine Ehefrau nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen Stufe 1 und 2 ("Ehegattenanteil") erhielte, bei zusammen insgesamt nur DM 114,16. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte dem Kläger den Ortszuschlag Stufe 1 schuldet und sich dadurch seine bestehende Ehe nicht erhöhend auf den Ortszuschlag auswirkt.

Eine Abzugs- oder Anrechnungsberechtigung der vermeintlichen Überzahlung der Ehefrau des Klägers durch den Familienzuschlag von monatlich DM 156,47 lässt sich aus § 14 DienstVO nicht ableiten, der als Gegenkonkurrenzklausel das Ziel verfolgt, die Eheschließung eines Arbeitnehmers bei der Bemessung des Ortszuschlags nicht doppelt zu berücksichtigen. Dieses Ziel gebietet einerseits aber nur und berechtigt andererseits nicht zu mehr, als den Umstand der Eheschließung des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers unberücksichtigt zu lassen. Wie § 40 BBesG gewährt auch § 29 BAT bei Orts- und Familienzuschlägen Mindestleistungen. Höchstbegrenzungsklauseln sind nur für bestimmte Fälle vorgesehen, so dass sich im Falle von mehr als hälftiger Teilzeitbeschäftigung bei Eheleuten Zuschläge ergeben können, die die Differenz zwischen Stufe 2 und 1 nicht unbeträchtlich übersteigen können. Hätte § 14 DienstVO eine Anrechnung in der Weise erreichen sollen, dass ein Ortszuschlag unterhalb der Stufe 1 zu zahlen sei, hätte dies im Wortlaut klar zum Ausdruck kommen müssen.

3.

Die Zinsforderung rechtfertigt sich aus §§ 284, 288 BGB, wonach die kalendermäßig bestimmten Gehaltsforderungen vom Zeitpunkt der Fälligkeit ab zu verzinsen sind mit 4 von hundert.

III.

Wegen der Vielzahl parallel liegender Streitigkeiten hat die Kammer für diese von den Parteien als Musterprozess angesehene Rechtsstreitigkeit die grundsätzliche Bedeutung bejaht und die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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