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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 15.12.2008
Aktenzeichen: 6 TaBV 51/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 2 Ziff. 10
Die ursprünglich kraft Tarifbindung im Betrieb geltenden Grundsätze der tariflichen Vergütungsordnung bleiben auch nach dem Wegfall der Tarfbindung das für den Betrieb maßgebliche Vergütungsschema, ohne dass es einer Transformation durch die Betriebsparteien oder die Arbeitsvertragsparteien bedarf (Bestätigung BAG, 15.4.2008 - 1 AZR 65/07).

Entscheidet sich der Arbeitgeber im Nachwirkungzeitraum eines Tarifvertrages mit allen neu eingestellten Mitarbeitern frei verhandelte Vergütungesvereinbarungen abzuschließen und den Tarifvertrag nicht mehr anzuwenden, handelt es sich um eine kollektive Maßnahme und eine Änderung der betrieblichen Vergütungsordnung, die der Beteiligung des Betriebsrates bedarf.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS

6 TaBV 51/08

In dem Beschlussverfahren

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 15. Dezember 2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Klausmeyer und die ehrenamtlichen Richter Baldenhofer und Tegtmeier beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Bet. zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stade vom 10.04.2008 - 1 BV 2/08 - abgeändert und der Bet. zu 2) aufgegeben, die Mitarbeiterin S. T. nach dem TV-Entgelt zum BMT-AW II einzugruppieren, die Zustimmung des Bet. zu 1) zur Eingruppierung einzuholen und im Fall der fristgerechten und beachtlichen Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten zuletzt noch um die Eingruppierung einer Arbeitnehmerin der Beteiligten zu 2).

Die Beteiligte zu 2) betreibt im Weser-Ems-Gebiet zahlreiche gemeinnützige Einrichtungen, u. a. Sprachheilkindergärten in H. und C-Stadt. Die Zuständigkeit der Betriebsräte für die einzelnen Einrichtungen ist bei der Beteiligten zu 2) in einem Tarifvertrag nach § 3 BetrVG festgelegt. Der Beteiligte zu 1) ist der von den Mitarbeitern gewählte Betriebsrat.

Für die Beschäftigten des Beteiligten zu 2) galten bis 2006 die Regelungen des Bundesmanteltarifvertrages - AW II (BMT AW II) nebst Eingruppierungstabellen. Die Vergütung setzte sich danach aus einem Grundgehalt und Zuschlägen zusammen.

Seit dem 01.07.2006 ist der den alten BMT AW II ablösende Tarifvertrag vom 11.09.2006 in Kraft. In dessen Abschnitt II (Eingruppierung und Entgelt) sind die §§ 12, 13 (Eingruppierung und Eingruppierung in besonderen Fällen) sowie die §§ 15 und 16 (Tabellenentgelt und Stufen der Entgelttabelle) derzeit noch nicht belegt.

§ 34 Abs. 2 dieses Tarifvertrages hat folgenden Wortlaut:

"Vergütungszahlungen":

a) Für den Zeitraum 01.07.2006 bis 31.12.2006 werden auf der Basis der Regelungen der Eingruppierungen und der Vergütungs- und Lohntabellen des BMT AW II die Gehalts- und Lohnzahlungen ausgeführt. Im Rahmen dieser Regelung wird der Arbeitnehmer auf der Basis der für ihn am 01.07.2006 geltenden Tarifbestimmungen der jeweils einschlägigen Eingruppierungs- und Vergütungstarifverträge für Angestellte und Arbeiter des BMT-AW II vergütet.

b) Bis zum 31.12.2006 werden die Regelungen der Eingruppierung und der Vergütungs- und Lohntabellen des BMT-AW II auf der Basis der für den Arbeitnehmer am 30.06.2006 geltenden Tarifbestimmungen unbeschadet der zum 01.07.2006 in Kraft tretenden Tarifverträge der Gesellschaft in analoger Weise angewendet.

c) Sofern zu einem früheren Zeitpunkt als der 31.12.2006 die Vereinbarung zur Regelung der Eingruppierungen verabschiedet wird, erfolgt zum nächsten 1. des Folgemonats die Anwendung der neuen Tariftabellen. Die Anwendung des BMT-AW II entfällt ab diesem Zeitpunkt."

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Tarifvertrages wird auf Bl. 31 - 45 d. A. verwiesen.

Nachdem die Tarifvertragsparteien bis zum 31.12.2006 noch keine neuen Regelungen zum Entgelt und zur Eingruppierung getroffen hatten, wandte die Beteiligte zu 2) zunächst im Jahre 2007 für neu eingestellte Mitarbeiter weiterhin die Bestimmungen des BMT-AW II nebst Eingruppierungsregelungen an.

Ab dem 01.07.2007 nahm die Beteiligte zu 2) die Eingruppierung der neu eingestellten Mitarbeiter dann auf Grundlage eines von ihr selbst - ohne Beteiligung des Beteiligten zu 1) oder des Gesamtbetriebsrates - verfassten Systems vor, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 42 und 43 der beigezogenen Akte Bezug genommen wird.

Seit September 2007 handelt die Beteiligte zu 2) nach ihrer Behauptung die Vergütung mit neu eingestellten Arbeitnehmern individuell aus und nimmt keine Eingruppierung mehr vor.

Für ab dem 01.08.2008 neu eingestellte Arbeitnehmer haben sich die Betriebspartner zwischenzeitlich auf informeller Basis über deren Einstufung in ein Vergütungssystem verständigt, welches im wesentlichen den Vergütungsbestimmungen des TVöD entspricht.

Bis zum 31.12.2007 beschäftigte die Beteiligte zu 2) Frau S. T. als Mitarbeiterin im Wirtschaftsdienst auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages mit einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 3 Stufe 1.

Mit Schreiben vom 03.12.2002 unterrichtete die Beteiligte zu 2) den Beteiligten zu 1) über die beabsichtigte Verlängerung dieses Vertrages bis zum 31.08.2008 (Bl. 5 d. A.). In diesem Schreiben heißt es u. a.: "Eingruppierung: gem. freier Vereinb. 600,00 €".

Mit Schreiben vom 07.12.2007 (Bl. 6 d. A.) stimmte der Beteiligte zu 1) der Vertragsverlängerung zu und forderte die Beteiligte zu 2) zugleich auf, Frau T. einzugruppieren sowie die Zustimmung des Beteiligten zu 1) hierzu einzuholen.

Dem entsprach die Beteiligte zu 2) nicht.

Mit am 28.01.2008 beim Arbeitsgericht Stade eingegangenen Schriftsatz beantragte der Beteiligte zu 1), der Beteiligten zu 2) die Eingruppierung der Mitarbeiterin sowie aller neu einzustellenden Mitarbeiter und die Einholung der Zustimmung aufzugeben.

Der Beteiligte zu 1) hat die Auffassung vertreten, dass in Ermangelung einer neuen tariflichen Vergütungsordnung weiterhin die Eingruppierungsregelungen des BMT-AW II für die Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) maßgeblich seien. Davon könne die Beteiligte zu 2) nicht einseitig abweichen und zwar weder im Wege einer selbst geschaffenen Vergütungsordnung noch durch so genannte frei verhandelte Vergütungen. Dieses Vorgehen der Beteiligten zu 1) verstoße gegen § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG. Da eine neue tarifliche Regelung nicht bestehe, sei dieses Mitbestimmungsrecht nicht nach §§ 87 Abs. 1, 77 Abs. 3 BetrVG gesperrt. Ohnehin sei § 34 MTV im Wege der ergänzenden Auslegung dahingehend zu verstehen, dass die Tarifvertragsparteien eine dynamische, nahtlose Ablösung der alten Entgelttarifbestimmungen durch eine neue Regelung gewollt hätten. Solange insoweit eine Übereinkunft zwischen den Tarifvertragsparteien nicht hergestellt worden sei, müssten die alten Regelungen des BMT-AW II weiter angewandt werden.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

1. der Antragsgegnerin aufzugeben, die Mitarbeiterin S. T. nach dem TV-Entgelt zum BMT-AW II einzugruppieren, seine Zustimmung einzuholen und im Verweigerugnsfall durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen;

2. der Antragsgegnerin aufzugeben, neu einzustellende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach dem TV-Entgelt zum BMT-AW II einzugruppieren, solange nicht seine Zustimmung zu einer anderen diese personellen Maßnahmen erfassenden Vergütungsordnung erteilt oder ersetzt worden ist, soweit es sich nicht um außertarifliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass ihr die individuellen Vergütungsvereinbarungen mit den betroffenen Mitarbeitern möglich gewesen seien. Die alten Eingruppierungsregelungen des BMT-AW II hätten nach § 34 Abs. 2 des neuen Tarifvertrages zum 31.12.2006 ihre Verbindlichkeit verloren. Spätestens sei September 2007 könne die Beteiligte zu 2) deshalb mit den neu eingestellten Arbeitnehmern individuelle Vergütungsvereinbarungen treffen. Eine Eingruppierung müsse nicht stattfinden. Diese Verpflichtung ergebe sich auch nicht aus § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG. Dem stehe die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen. Die Tarifvertragsparteien hätten in §§ 12, 13 i. V. m. § 34 Abs. 2 des neuen Tarifvertrages eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie sich die Regelungen des Entgeltes und der Eingruppierung vorbehalten würden. Allein der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien vorübergehend noch keine Einigung erzielt hätten, eröffne nicht die Regelungskompetenz der Betriebsparteien. Wegen der grundsätzlichen Allzuständigkeit der Einzelbetriebsräte würde eine andere Sichtweise angesichts der Vielzahl der Einrichtungen der Beteiligten zu 2) zu einem nicht haltbaren Durcheinander verschiedener betrieblicher Entgeltgrundsätze führen.

Mit Beschluss vom 10.04.2008 hat das Arbeitsgericht Stade den Antrag des Beteiligten zu 1) insgesamt abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, dass es seit dem 01.01.2007 keine für die Beteiligte zu 2) verbindlichen Eingruppierungsbestimmungen mehr gebe. Die Wirkungen des BMT-AW II seien nach der ausdrücklichen Regelung in § 34 Abs. 2 des neuen Tarifvertrages zum 31.12.2006 ersatzlos entfallen. Zwar stelle das einseitige Abgehen von der bestehenden Vergütungsordnung durch die Beteiligte zu 2) einen Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dar, daraus folge aber nicht zwingend die Weitergeltung der Eingruppierungsregelungen nach dem BMT-AW II, vielmehr sei es daraufhin an den Betriebsparteien, gemeinsam eine Vergütungsordnung festzulegen und ggf. den Weg des § 87 Abs. 2 BetrVG zu beschreiten.

Gegen den ihm am 25.04.2008 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) mit am 19.05.2008 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese unter dem 18.06.2008 begründet.

Im Termin zur mündlichen Anhörung der Beteiligten vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen am 15.12.2008 haben die Beteiligten übereinstimmend den erstinstanzlichen Antrag zu 2) für erledigt erklärt. Daraufhin hat das Gericht das Beschlussverfahren insoweit eingestellt.

Der Beteiligte zu 1) vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Eingruppierungsregelungen auf Grundlage des Entgelttarifvertrages zum BMT-AW II maßgeblich für die neu eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) seien. Das ergebe sich zum einen aus der Auslegung des § 34 Abs. 2 des neuen Tarifvertrages. Zum anderen habe das BAG entschieden, dass dann, wenn die Tarifbindung des Arbeitgebers entfalle, das tarifliche Vergütungssystem gleichwohl weiterhin die verbindliche betriebliche Vergütungsordnung darstelle; Abweichungen seien nur mit Zustimmung der Betriebsvertretungen möglich. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG komme nicht zum Tragen, weil die Tarifvertragsparteien die von ihnen selbst geschaffene Lücke bislang noch nicht geschlossen hätten. Ohnehin habe die Beteiligte zu 2) die Arbeitnehmerin Frau T. sehr wohl eingruppiert und zwar auf Grundlage des von ihr selbst geschaffenen Vergütungssystems.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Stade vom 10.04.2008 - 1 BV 2 /08 - abzuändern und der Bet. zu 2) aufzugeben, die Mitarbeiterin S. T. nach dem TV-Entgelt zum BMT-AW II einzugruppieren, die Zustimmung des Bet. zu 1) einzuholen und im Fall der fristgerechten und beachtlichen Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten.

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass sich der Beteiligte zu 1) nicht auf die Rechtsprechung des BAG stützen könne, da diese die Fälle betreffe, in denen der Arbeitgeber die Tarifbindung ohne jede Perspektive aufgegeben habe. Die Beteiligte zu 2) sei jedoch weiterhin grundsätzlich tarifgebunden. Die Tarifvertragsparteien hätten ihren Regelungswillen bezüglich der Eingruppierungsvorschriften zum Ausdruck gebracht und insoweit lediglich bislang noch keine Übereinkunft erzielt. Schließlich komme ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nur in Betracht, wenn eine neue Vergütungsordnung angewandt oder die bestehende modifiziert werden solle; individuelle Vereinbarungen seien jedoch mitbestimmungsfrei möglich. Dementsprechend habe die Beteiligte 2) mit neu eingestellten Mitarbeitern mitbestimmungsfrei individuelle Vergütungsvereinbarung treffen können. Eine Eingruppierung sei insoweit weder erforderlich gewesen noch vorgenommen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, soweit diese Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, auf die in der mündlichen Anhörung abgegebenen wechselseitigen Erklärungen und den Inhalt der beigezogenen Akte 6 TabV 97/08.

II.

Die Beschwerde hat in dem noch im Streit befindlichen Umfang Erfolg.

A

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG i. V. m. § 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG vorgesehenen Fristen eingelegt und begründet.

B

Die Beschwerde ist auch begründet.

Die Beteiligte zu 2) ist dazu verpflichtet, die Mitarbeiterin S. T. in das Entgeltsystem des BMT-AW II einzugruppieren, insoweit die Zustimmung des Beteiligten zu 1) einzuholen und im Fall der fristgerechten und beachtlichen Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuholen.

1. Der hierauf gerichtete Antrag des Beteiligten zu 1) ist zulässig.

a) Er ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die betroffene Arbeitnehmerin ist konkret bezeichnet ebenso die für sie geltende maßgebliche Vergütungsordnung. Unschädlich ist, dass der Beteiligte zu 1) nicht die spezielle Vergütungsgruppe angegeben hat, da das Beteiligungsrecht des Betriebsrates bei der Eingruppierung nur in einer Richtigkeitskontrolle besteht. Der Arbeitgeber hat zunächst die Entscheidung zu treffen, ob und auf Grundlage welcher Vergütungsordnung er in welche Vergütungsgruppen eingruppieren will. Dies ist dem Betriebsrat mitzuteilen. Die so kundgetane Rechtsansicht hat der Betriebsrat mitzubeurteilen. Dabei bezieht sich sein Mitbestimmungsrecht auch auf die Richtigkeit der Feststellung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer falle nicht mehr unter die bisherige Vergütungsordnung (vgl. BAG, 17.06.2008 - 1 ABR 37/07 - ArbuR 2008 362; BAG, 26.10.2004 - 1 ABR 37/03 AP Nr. 29 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung).

Die Beteiligte zu 2) hat ausdrücklich erklärt, im Bezug auf die Mitarbeiterin T. nicht mehr an das Vergütungssystem des BMT-AW II gebunden zu sein und deshalb mit dieser eine individuelle Vergütungsvereinbarung außerhalb der tariflichen Regelungen getroffen zu haben.

b) Neben dem Betriebsrat und der Beteiligten zu 2) als Arbeitgeberin sind keine weiteren Personen am vorliegenden Beschlussverfahren zu beteiligen und zwar insbesondere nicht die betroffene Arbeitnehmerin. Diese hat keine betriebsverfassungsrechtliche Position, die durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren berührt werden könnte, sondern die Möglichkeit, die Richtigkeit der Eingruppierung im Urteilsverfahren überprüfen zu lassen (BAG, 26.10.2004 - 1 ABR 37/03 - a. a. O.).

2. Der Antrag ist begründet.

Die Beteiligte zu 2) ist dazu verpflichtet, die Mitarbeiterin S. T. in das Vergütungssystem zum BMT-AW II einzugruppieren, die Zustimmung des Beteiligten zu 1) hierzu einzuholen und ggf. das gerichtliche Zustimmungserstzungsverfahren einzuleiten.

a) Eingruppierungen, die der Arbeitgeber vornimmt, bedürfen nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG grundsätzlich der Zustimmung des Betriebsrates. Nimmt der Arbeitgeber entgegen einer bestehenden Verpflichtung keine Eingruppierung vor, so kann der Betriebsrat in entsprechender Anwendung des § 101 BetrVG zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechtes beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Eingruppierungsentscheidung vorzunehmen und ihn um Zustimmung zu ersuchen (BAG, 12.12.2006 - 1 ABR 38/05 - AP Nr. 27 zu § 1 BetrVG 1972 gemeinsamer Betrieb). Voraussetzung für die Eingruppierungsverpflichtung des Arbeitgebers ist das Bestehen eines kollektiven, mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltenen Entgeltschemas, das eine Zuordnung der Arbeitnehmer nach bestimmtem generell beschriebenen Merkmalen vornimmt. Dieses Entgeltschema mit der daran anknüpfenden Eingruppierungsverpflichtung des Arbeitgebers kann sich aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder aus einem anderen einseitig vom Arbeitgeber gesetzten Lohn- oder Gehaltsschema ergeben (BAG, 26.10.2004 - 1 ABR 37/03 - a. a. O.).

b) Die Eingruppierungsmerkmale und Vergütungs- sowie Lohntabellen zum BMT-AW II stellen eine kollektive Ordnung dar, die eine Eingruppierung durch die Beteiligte zu 2) notwendig macht. Dieses Eingruppierungssystem ist unstreitig bis 31.12.2006 und einige Monate darüber hinaus im Jahr 2007 von der Beteiligten zu 2) in ihrem Betrieb auf alle Beschäftigten angewandt worden. Es ist nachfolgend von der Beteiligten zu 2) weder einseitig durch ein neues System abgelöst, geändert oder insgesamt aufgehoben worden. Die von der Beteiligten zu 2) behauptete Entscheidung, ab September 2007 neu eingestellte Mitarbeiter grundsätzlich nicht mehr nach den Vergütungsvorschriften des BMT-AW II zu vergüten, sondern insoweit im Einzelnen der Höhe nach individuell ausgehandelte Vereinbarungen abzuschließen, führt nicht zum Wegfall der Geltung der Vergütungsordnung nach dem BMT-AW II. Die Beteiligte zu 2) hat insoweit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht beachtet.

aa) Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen, bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Änderung und Anwendung neuer Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Zweck des Mitbestimmungsrechtes ist die angemessene und durchsichtige Gestaltung des Lohngefüges und die Wahrung der Lohn- und Vergütungsgerechtigkeit innerhalb des Betriebes. Gegenstand sind die Strukturformen des Entgeltes einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen, das heißt die abstrakt generellen Grundsätze der Entgeltfindung (BAG, 15.04.2008 - 1 AZR 65/07 - siehe Juris). Mitbestimmungspflichtig ist auch die Änderung bestehender Grundsätze durch den Arbeitgeber.

bb) Die Beteiligte zu 2) hat in ihrem Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze weder durch die Aufstellung eines eigenen Vergütungssystems Mitte 2007 noch durch die Entscheidung, mit ab September 2007 eingestellten Arbeitnehmern freie Vergütungsvereinbarungen zu treffen, wirksam geändert. Bis zum 31.12.2006 und einige Monate darüber hinaus hat die Beteiligte zu 2) für alle Arbeitnehmer ihres Betriebes unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit die Eingruppierungsvorschriften und die Vergütungssystematik des BMT-AW II angewandt. Diese sind charakterisiert durch die monatliche Zahlung einer bestimmten, nach Gruppen differenzierten regelmäßigen Vergütung einschließlich Zuschlägen.

cc) Diese Vergütungsgrundsätze hat die Beteiligte zu 2) geändert, indem sie seit September 2007 mit allen neu eingestellten Mitarbeitern auf der Basis freier Verhandlung feste Monatsgehälter vereinbart. Auch das kollektive ersatzlose Aufheben einer bestimmten Vergütungsordnung ist eine Veränderung des bisherigen Systems, sogar mit weitergehenden Konsequenzen als bei eine bloßen Modifikation des bestehenden Systems. In beiden Fällen sind die Durchsichtigkeit und die Gewährleistung des innerbetrieblichen Lohngefüges gefährdet und deshalb ist nach dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 10 BetrVG der Betriebsrat zu beteiligen. Es handelt sich dabei auch offensichtlich nicht um eine mitbestimmungsfreie Änderung der absoluten Höhe der Vergütung für die ab September 2007 neu eingestellten Mitarbeiter unter Beibehaltung des bisherigen Vergütungsschemas. Da die Beteiligte zu 2) sich zudem nicht entschlossen hat, lediglich in Einzelfällen, sondern grundsätzlich für alle neu eingestellten Arbeitnehmer die Vergütung im Rahmen von freien Verhandlungen zu bestimmen und nicht auf die tariflichen Bestimmungen zurückzugreifen, ist der erforderliche kollektive Bezug gegeben.

dd) Diese Änderung der bis dahin bestehenden Entlohnungsgrundsätze unterfiel als kollektive Maßnahme dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Dem steht der Tarifvorrang gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ebenso wenig entgegen wie derjenige aus § 77 Abs. 3 BetrVG. Zwar hatte der Betriebsrat während der Geltungsdauer des einschlägigen Tarifvertrages bis zum 31.12.2006 nicht über die Vergütungsgrundsätze mitzubestimmen. Seit dem 01.01.2007 bestehen jedoch keine das Mitbestimmungsrecht ausschließenden zwingenden tariflichen Regelungen mehr. Zwar sind die Regelung von Eingruppierungsgrundsätzen und die absolute Höhe der Vergütung ohne Frage "üblicherweise" Gegenstand von tariflichen Regelungen, woraufhin bloße zeitliche Geltungslücken zwischen einem ablaufenden und einem zu erwartenden Tarifvertrag die Sperrwirkung nicht hindern können (vgl. BAG, 22.03.2005 - 1 ABR 64/03 - AP Nr. 26 zu § 4 TVG Geltungsbereich). Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG tritt aber nur insoweit ein, wie der betreffende Regelungsgegenstand nicht der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG unterliegt. Der zwingenden Mitbestimmung zuzuordnen ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG jedoch gerade die Aufstellung abstrakter Entlohnungsgrundsätze. Dazu gehören die Grundstrukturen einer Vergütungsordnung einschließlich ihrer Anwendung als solcher.

ee) Die zunächst bis zum 31.12.2006 kraft Tarifbindung anzuwendenden Eingruppierungsregelungen des BMT-AW II stellten auch nach dem Wegfall der Tarifbindung die im Betrieb der Beteiligten zu 2) maßgebliche Vergütungsordnung dar. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen keine Anlass besteht, bleiben die ursprünglich kraft Tarifbindung des Arbeitgebers im Betrieb geltenden Grundsätze der tariflichen Vergütungsordnung auch nach dem Wegfall der Bindung das für den Betrieb maßgebliche Vergütungsschema. Dazu ist es nicht erforderlich, dass sie zuvor kollektivrechtlich durch eine Betriebsvereinbarung oder individualrechtlich auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt worden sind. Sie bleiben ohne Transformation weiter als solche gültig. Der Wegfall der Tarifbindung hat lediglich zur Folge, dass dieses Schema und die darin zum Ausdruck kommenden Vergütungsgrundsätze nicht mehr zwingend gelten. Das ändert aber nichts daran, dass diese Grundsätze im Betrieb angewendet wurden, deshalb die dort geltenden Entgeltgrundsätze und betriebsverfassungsrechtlich nach wie vor verbindlich sind (BAG, 15.04.2008 - 1 AZR 65/07 - a. a. O.). Der von der Beteiligten zu 2) nach ihrer eigenen Behauptung in die Praxis umgesetzte Entschluss, diese bisherigen Grundsätze für neu eingestellte Arbeitnehmer ab September 2007 nicht mehr anzuwenden, ist als eine Änderung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu qualifizieren. Anderenfalls wäre das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei dem Wegfall der Bindung an eine tarifliche Vergütungsordnung geringer als bei der Änderung eines vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Entgeltsystems (vgl. BAG, 15.04.2008 - 1 AZR 65/07 - a. a. O.). Die Beteiligte zu 2) hat jedoch weder den Beteiligten zu 1) noch den Gesamtbetriebsrat insoweit beteiligt, woraufhin weiterhin die Eingruppierungsmerkmale einschließlich Vergütungs- und Lohntabellen zum BMT-AW II die für den Betrieb der Beteiligten zu 2) maßgebliche Vergütungsordnung sind. Diese bildet die Grundlage für die Eingruppierungsverpflichtung der Beteiligten zu 2) im Hinblick auf die Mitarbeiterin S. T. sowie das diesbezügliche Zustimmungserfordernis von Seiten des Beteiligten zu 1). Daraus folgt keineswegs zwingend, dass die Beteiligte zu 2) bei Neueinstellungen trotz des Wegfalls der Tarifbindung die Höhe der tariflichen Vergütung beibehalten musste, solange nicht der Betriebsrat einer Änderung der Entlohnungsgrundsätze zugestimmt hatte. Sowohl betriebsverfassungsrechtlich als auch individualrechtlich wäre es für die Beteiligte zu 2) möglich gewesen, das Gehaltsniveau unter Beibehaltung der bisherigen Eingruppierungssystematik auch ohne Zustimmung des Betriebsrates um bestimmte Prozentsätze insgesamt abzusenken. Darauf hat sich die Beteiligte zu 2) jedoch nicht beschränkt, sondern das Vergütungssystem überhaupt nicht mehr angewandt.

ff) Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die Eingruppierungsmerkmale einschließlich Vergütungs- und Lohntabellen zum BMT-AW II die maßgebliche betriebliche Vergütungsordnung im Hinblick auf die von der Beteiligten zu 2) im September 2007 eingestellten Mitarbeiter sind. Eine wirksame Ablösung oder Änderung dieser Grundsätze hat nicht stattgefunden. Soweit die Beteiligten ab dem 01.08.2008 eine informelle Übereinkunft getroffen haben, bezieht sich diese nicht auf die hier allein relevanten Einstellungen, welche die Beklagte im Jahre 2007 vorgenommen hat. Da die Beteiligte zu 2) in dem Anhörungsschreiben gegenüber dem Beteiligten zu 1) unter der Rubrik "Eingruppierung" die neu eingestellte Mitarbeiterin S. T. keiner bestimmten Vergütungsgruppe zugeordnet, sondern freie Vereinbarungen eingetragen hat, ist davon auszugehen, dass die Beklagte eine Eingruppierung nicht vorgenommen hat. Auf den Antrag des Beteiligten zu 1) hin ist sie deshalb dazu anzuhalten, diese bisher unterlassenen Eingruppierungsentscheidung zu treffen, hierzu die Zustimmung des Beteiligten zu 1) einzuholen und im Fall der fristgerechten und beachtlichen Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hatte insoweit Erfolg. Der arbeitsgerichtliche Beschluss war abzuändern.

C

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestanden nicht. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 92 a ArbGG wird verwiesen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde findet die Beschwerde statt.



Ende der Entscheidung

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