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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 11.02.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 1368/07
Rechtsgebiete: HRG
Vorschriften:
HRG § 57b Abs. 1 Nr. 5 |
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2008 durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stöcke-Muhlack, den ehrenamtlichen Richter Herrn Steinmann, die ehrenamtliche Richterin Frau Dettmann
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18.07.2007 - 12 Ca 64/07 Ö - wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18.07.2007 - 12 Ca 64/07 Ö - teilweise abgeändert:
Das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits um die Befristung des Arbeitsverhältnisses (Antrag aus der Klageschrift) mit Tätigkeiten entsprechend der Vergütungsgruppe I b der Vergütungsordnung zum BAT fortzubeschäftigen.
3. Das beklagte Land trägt die Kosten der Berufung.
4. Die Revision wird hinsichtlich der Entscheidung zu Ziffer 1) zugelassen.
Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung zum 31. Dezember 2007 geendet hat und um Weiterbeschäftigung.
Der Kläger, der Diplombiologe mit dem Ausbildungsschwerpunkt Biochemie ist, war bei dem beklagten Land nach Abschluss seiner Ausbildung und Beendigung der Promotion vom 1. Mai 2001 unter Hinweis auf § 57 b Abs. 1 Nr. 5 HRG befristet bis zum 31. Dezember 2003 und nachfolgend mit Vertrag vom 21. Oktober 2003 erneut befristet bis zum 31. Dezember 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt.
§§ 1 und 2 des Arbeitsvertrages vom 21. Oktober 2003 lauten auszugsweise:
"Herr Dr. K. wird ab 01.01.2004 als wissenschaftlicher Angestellter nach §§ 57 a ff Hochschulrahmengesetz (HRG) für die Zeit bis zum 31.12.2007 beschäftigt. Die Befristung des Arbeitsvertrages gründet sich auf § 57 b Abs. 1 Satz 2 HRG (in der ab 23.02.2002 geltenden Fassung).
§ 2
Das Arbeitsverhältnis richtet sich im Übrigen nach den §§ 57 a ff HRG und den Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 in der jeweils geltenden Fassung und den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie nach der SR 2y BAT, mit Ausnahme der Nr. 1 und 2 der SR 2y BAT. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Der gekündigte Beihilfetarifvertrag findet keine Anwendung. Ein Beihilfeanspruch ist somit ausgeschlossen.
Der Angestellte ist demnach in Vergütungsgruppe I b BAT eingruppiert.
..."
Der Kläger ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) im Zentrum K1 und dort in der Abteilung P. H. und O. beschäftigt. Ihm oblag im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit die Aufgabe, innerhalb des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten "Sonderforschungsbereichs 566" im Rahmen eines Teilprojekts die Ursachen sogenannter angeborener Neutropenien zu erforschen. Die vom Kläger durchgeführten Forschungsarbeiten befassten sich mit der Phosphorylierung eines im Zellzyklus wichtigen Proteins. Die Methoden beinhalteten im Wesentlichen biochemische Arbeiten und Zellkulturarbeiten. Im Einzelnen hat er die Phosporylierung dieses Proteins in Leukämiezelllinien untersucht. Die Leukämiezellen kommen aus einem Pariser Labor. Sie werden weltweit als zellulares Modellsystem verwendet. Es handelt sich nicht um Spendermaterial von Patienten der MHH.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei nicht gem. § 57 b Abs. 1 HRG gerechtfertigt, weil die Befristungshöchstdauer von neun Jahren für den Bereich der Medizin vorliegend nicht einschlägig sei. Sie gelte nur für Ärzte, nicht indessen für sonstige wissenschaftliche Mitarbeiter der MHH, insbesondere nicht für ihn als Diplombiologen. Seine Arbeit fließe nicht direkt in den klinischen Bereich ein. Sie sei nicht für die Diagnose bzw. Therapie von Patienten relevant, wie es beispielsweise bei der Untersuchung von Patienten-Erbmaterial (DNS) für die Diagnose oder Charakterisierung von Krankheitsbildern oder der Herstellung bzw. Aufreinigung von Wirkstoffen, die im Rahmen einer präklinischen (Tierversuche) bzw. (seltener) klinischen Studie (sog. Phasen I, II, III am Menschen) eingesetzt werden, der Fall sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht am 31.12.2007 auf Grund der Befristung vom 21.10.2003 endet;
2. das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits um die Befristung des Arbeitsverhältnisses als wissenschaftlicher Angestellter mit Tätigkeit entsprechend der Vergütungsgruppe I b der Vergütungsordnung zum BAT fortzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat gemeint, dem Bereich der Medizin i. S. d. § 57 b HRG seien auch wissenschaftliche Mitarbeiter anderer Fachrichtungen, wie z. B. Physiker, Biologen und Chemiker, zuzuordnen. Betrachte man das Gesetzgebungsverfahren zum 5. HR-Änderungsgesetz, zeige sich, dass in der privilegierenden Regelung des § 57 b Abs. 1 Satz 2 2. Alt. HRG nicht der erhöhte Zeitaufwand für die Fachausbildung aufgefangen werden sollte. Die Einführung der Privilegierung für den Bereich der Medizin habe nach der Begründung des Ausschusses bewirken sollen, dass der nach § 47 S. 4 HRG für Juniorprofessoren vorgesehene "... Qualifizierungszeitraum auch nach den Nachwuchswissenschaftlern im Bereich der Medizin zur Verfügung steht, die als wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden und nicht eine Professur an einer Universität, sondern z. B. eine leitende Funktion in einer außeruniversitären Klinik anstreben". Eine enge Auslegung des Begriffes "Bereich der Medizin" in § 57 b Abs. 1 S. 2 2. Alt. HRG sei auch aus der Perspektive des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht geboten. Man würde sie von der Möglichkeit einer verlängerten Ausbildungs- und Qualifizierungsphase (z. B. zur Ruferlangung auf eine Professur) abschneiden, die man gleichzeitig aber den ärztlichen Kollegen gewähren würde, die möglicherweise die selben Aufgaben erfüllen und die möglicherweise gleichfalls nicht (denn dies sei ja nicht zwingend) in eine Facharztweiterbildung eingebunden seien. Da der Bereich Forschung und Lehre und der Bereich der Krankenversorgung an hochschulmedizinischen Einrichtungen untrennbar miteinander verbunden seien, würde eine andere Auslegung zu einem praktisch nicht handhabbaren Befristungstatbestand führen.
Die medizinische Relevanz des Forschungsprojekts ergebe sich aus der Zielrichtung, Eiweiße finden zu wollen, die das Fehlen von neutrophilen Granuloyten korrigieren können und damit den Patienten Infektionen ersparen oder helfen, die Lebensqualität zu verbessern und im Extremfall vor dem Tod zu schützen. Forschungsergebnisse würden ständig in die Optimierung der Patientenversorgung einfließen und die Erfahrungen aus der Patientenversorgung beeinflussen sowie Forschung und Lehre befruchten. Diese Tatsache bilde auch den Hintergrund der gesetzlichen Regelung des § 53 Abs. 1 Satz 2 HRG, der die Krankenversorgung per Definition den wissenschaftlichen Dienstleistungen gleichstelle.
Durch Urteil vom 18. Juli 2007 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits um die Befristung des Arbeitsverhältnisses als wissenschaftlicher Angestellter verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der für die Befristungsdauer anzuwendende § 57 b HRG sei nicht eingehalten. Die längere Befristungsdauer des § 57 b HRG von neun Jahren gelte nur für den Bereich Medizin. Der Kläger sei Biochemiker. Die neunjährige Befristungszeit im Bereich der Medizin gelte nur für Ärzte, nicht für sonstige wissenschaftliche Mitarbeiter, somit nicht für den Kläger als Biochemiker. Folge der Überschreitung der Höchstbefristungsdauer sei die Unwirksamkeit der Befristung gem. § 16 TzBfG. Diese Auslegung entspreche der herrschenden Auffassung.
Gegen dieses den Parteien am 20. August 2007 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 6. September 2007 Berufung eingelegt, die es am 12. Oktober 2007 begründet hat. Der Kläger hat am 13. September 2007 Berufung eingelegt, die er am 10. Oktober 2007 begründet hat.
Das beklagte Land ist weiterhin der Auffassung, die in § 57 b Abs. 1 Satz 2 HRG genannte neunjährige Befristungshöchstdauer sei nicht ausschließlich für Arbeitsverhältnisse von Ärzten anzuwenden, weil sich eine entsprechende Einschränkung im Gesetzestext nicht finde. Die Biologie sei als naturwissenschaftliche Disziplin in diverse Anwendungsbereiche zu unterteilen. In dem Bereich biologischer Forschung würden Erkenntnisse über den Aufbau des menschlichen Körpers und die funktionellen Zusammenhänge gewonnen; sie bilde die Grundlage, auf der die Medizin Ursachen und Auswirkungen von Krankheiten bei Menschen untersuche; in diesem Bereich (der Medizin) sei der Kläger tätig. Er habe seine biologische Forschung immer und ausschließlich im Bereich der Medizin gesucht und gefunden. Entsprechendes ergebe sich aus seinen vorgetragenen Veröffentlichungen und der Bewerbung bei der Beklagten vom 28. Dezember 2000. Der Gesetzestext sehe in § 57 b HRG eine Befristungsdauer von neun Jahren für den Bereich der Medizin vor. Der Kläger arbeite in einem solchen Bereich. Der für diesen Rechtsstreit anzuwendende § 57 b HRG in der Fassung vom Februar 2002 finde auch in seiner Entstehungsgeschichte zu der Abänderung keinen Hinweis darauf, dass eine neunjährige Befristung allein auf Ärzte beschränkt und die Verlängerung auf neun Jahre aus der dreijährigen Facharztausbildung herzuleiten sei. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger habe daher wirksam bis zum 31. Dezember 2007 erfolgen können. Das Arbeitsverhältnis ende zu diesem Termin.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18.07.2007 - 12 Ca 64/07 Ö -abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Gleichzeitig beantragt er,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18.07.2007 teilweise abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits um die Befristung des Arbeitsverhältnisses (Antrag aus der Klagschrift) mit Tätigkeiten entsprechend der Vergütungsgruppe I b der Vergütungsordnung zum BAT fortzubeschäftigen.
Er begründet seine Berufung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 10. Oktober 2007 und verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 20. November 2007, auf die jeweils Bezug genommen wird (Bl. 115 bis 117; 131 bis 136 d. A.).
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zu den weiteren Ausführungen der Parteien zur Sach- und Rechtslage wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der Befristung am 31. Dezember 2007 geendet. Der vom Kläger geltend gemachte Beschäftigungsanspruch ist gegeben.
I.
Die Berufungen der Parteien sind statthaft; auch sind sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung des beklagten Landes ist unbegründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung vom 21. Oktober 2003 endet. Die Befristung des Arbeitsvertrages zum 31. Dezember 2007, die das beklagte Land mit §§ 57 a ff. HRG begründet hat, ist sachlich nicht gerechtfertigt. Sie übersteigt die Befristungshöchstgrenze von sechs Jahren. Der Verlängerungstatbestand ist nicht gegeben.
1.
Das beklagte Land kann die Befristung nicht darauf stützen, dass für den medizinischen Bereich eine Verlängerung auf neun Jahre möglich ist, denn der Kläger gehört nicht zu dem Personenkreis, den das Gesetz mit dem Ausnahmetatbestand "im Bereich der Medizin" erfasst.
2.
Die Prüfung, ob die Befristung des Arbeitsvertrages wirksam ist, richtet sich nach dem HRG in der Fassung vom 31. Dezember 2004.
Zwar ist das Hochschulrahmengesetz durch das Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft vom 12. April 2007 (WZVG) ersetzt worden. Gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 WZVG gelten aber die §§ 57 a bis 57 e des HRG in der ab dem 31. Dezember 2004 geltenden Fassung für die seit dem 23. Februar 2002 bis zum 17. April 2007 an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen sowie an Forschungseinrichtungen im Sinne des § 5 WZVG abgeschlossenen Arbeitsverträge fort.
Unerheblich ist, dass der Arbeitsvertrag am 21. Oktober 2003 abgeschlossen wurde. Das zu dieser Zeit geltende Hochschulrahmengesetz in der Fassung vom 23. Februar 2002 ist verfassungswidrig und nichtig (BVerfG vom 27. Juli 2004 - 2 BvF 2/02 - NJW 2004, 2803). Durch die Neuregelung im Jahre 2004 ist nachträglich die hochschulrahmenrechtliche Rechtsgrundlage geschaffen worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die Befristung tragenden Norm bestehen nicht. Die zeitliche Rückerstreckung der §§ 57 a ff. HRG vom 31. Dezember 2004 auf die in der Zeit zwischen dem 23. Februar 2002 und dem 27. Juli 2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen verstößt nicht gegen das aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Verbot des Vertrauensschutzes. Das Gesetz stellt nur die Rechtslage wieder her, von der beide Parteien beim Abschluss des Arbeitsvertrages im Oktober 2003 ausgehen mussten (ErfK/Müller-Glöge § 57 f HRG Rn. 10 ff. ; KR-Lipke 8. Aufl. § 57 b HRG Rn. 20a).
3.
Nach § 57 b Abs. 1 Satz 2 HRG in der Fassung vom 31. Dezember 2004 (im Folgenden nur noch: HRG) ist nach abgeschlossener Promotion eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von 9 Jahren, zulässig. Streitentscheidend für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens ist, ob der Kläger dem Ausnahmetatbestand des § 57 b Abs. 1 Satz 2 HRG unterfällt, denn in der Summe der Vertragslaufzeiten dürfen keine länger gewährten Anstellungsverhältnisse vereinbart werden, als es § 57 b HRG zulässt. Die Befristungszeiten aus den mit dem Kläger nach Abschluss seiner Promotion abgeschlossenen Arbeitsverträgen sind zusammenzurechnen (§ 57 b Abs. 3 Satz 2 HRG). Sie übersteigen den Zeitraum von sechs Jahren. Verlängerungsmöglichkeiten aus anderen Gründen (etwa Promotionszeiten ohne Beschäftigung, § 57 b Abs. 1 Satz 3, 4 HRG) bestehen nicht.
Der Inhalt des gesetzlichen Ausnahmetatbestandes ist nicht eindeutig. Er ist auszulegen.
a)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Gesetze zunächst von ihrem Wortlaut her auszulegen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille, und damit der von dem Gesetzgeber beabsichtigte Sinn und Zweck der Norm, ist nur zu berücksichtigen, soweit er in der Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Auch auf den Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Geschichte, praktische Übung und Entstehungsgeschichte berücksichtigt werden ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge. Im Zweifel ist die Auslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG vom 22. Oktober 2003 - 10 AZR 152/03 - AP Nr. 21 zu § 1 Tarifvertragsgesetz Rückwirkung; vom 31. Juli 2002 - 10 AZR 578/01 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft Nr. 3; BAG vom 6. Juli 2000 - 2 AZR 695/99 - BAGE 95, 216 = AP Nr. 6 zu § 113 InsO = EzA § 113 InsO Nr. 11; vom 29. September 1983 - 2 AZR 179/82 - AP BPersVG § 79 Nr. 1; vom 3. Dezember 1998 - 2 AZR 425/98 - BAGE 90, 246; vom 27. Oktober 2005 - 6 AZR 27/05 - AP Nr. 151 zu § 102 BetrVG 1972 = EzA § 53 BAT Beteiligung des Personalrats Nr. 29).
b)
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass nur der Berufsgruppe der Ärzte in der Zeit nach abgeschlossener Promotion eine entsprechend länger befristete Beschäftigung ermöglicht werden sollte. Hierfür spricht der Wortlaut des Gesetzes sowie sein Sinn und Zweck. Die Verlängerung der Befristungszeit sollte den Erfordernissen der Facharztausbildung von mehreren Jahren Rechnung tragen. Die Auslegung führt zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung.
aa)
Der Wortlaut der Vorschrift "Medizinischer Bereich" lässt mehrere Auslegungen zu.
Zwar deutet der Begriff "medizinisch" abgeleitet von Medizin und Mediziner zunächst auf den Studiengang der Medizin und damit die aus ihm hervorgehenden Ärzte hin. Der Duden (Deutsche Rechtschreibung) erklärt den Begriff "Medizin" mit "Arznei- und Heilkunde" und den Begriff "Mediziner" mit "Arzt", umgangssprachlich auch "Medizinstudent". Die Medizin (vom lateinischen medicina; auch Heilkunde) ist die Lehre von der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen von Menschen und Tieren mit der Wiederherstellung der bestmöglichen Gesundheit. Umgangssprachlich werden auch Arzneimittel "Medizin" genannt.
Die Kombination mit dem Wort "Bereich" lässt jedoch auch eine andere Auslegung zu, die die Ausrichtung auf den Arbeitsbereich zulässt. In diesem Sinne versteht Lipke (KR-Lipke, § 57 b HRG, Rn 29) die Worte "im Bereich der Medizin". Er vertritt, dass dem Kreis der hierunter fallenden Mitarbeiter zunächst ärztliche, zahnärztliche und tierärztliche Aufgabenstellungen zuzurechnen seien (ebenso Hailbronner/Geis/Waldeyer § 57 b HRG, Rn. 12), hierbei aber ebenso andere akademische Mitarbeiter mit wissenschaftlichen Zielsetzungen Berücksichtigung finden dürften, die z. B. im Bereich der klinischen Forschung als Biologen oder Chemiker der Medizin zuarbeiten, weil hier Vernetzungen mit der Medizin bestehen und die dort Beschäftigten nicht selten über eine Doppelqualifikation als Arzt/Biologe/Chemiker verfügten. Außerdem sei auf Parallelen zu § 57 d HRG hinzuweisen. Was in Forschungsinstitutionen entsprechend zulässig wäre, könne in § 57 b HRG nicht verboten sein.
bb)
Zu folgen ist der engeren Auffassung. Die Auslegung nach den Inhalten des Arbeitsbereichs beachtet nicht genügend den Sinn und Zweck des Gesetzes und seine Entwicklung, wie sie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt.
(1)
Die in § 59 b Abs. 1 Satz 2 HRG festgelegte Dauer für eine zweite Qualifikationsphase entspricht den bisherigen Befristungsvolumen für wissenschaftliche Assistenten und den Befristungshöchstgrenzen für Juniorprofessoren in § 48 HRG. Diese Befristungsmöglichkeit betrifft ausschließlich promovierte wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter. Die Privilegierung für den Bereich der Medizin, in der zweiten Phase Verträge mit einer Laufzeit von insgesamt neun Jahren zu ermöglichen, beruht auf der Erkenntnis, den Erfordernissen der Facharztausbildung Rechnung tragen zu müssen. Daraus folgt, dass diese Hilfsfrist ausschließlich auf Ärzte Anwendung findet, nicht aber auf Wissenschaftler anderer Fachbereiche, die in der klinischen Forschung tätig sind (ErfK/Müller-Glöge, § 59 b HRG, Rn. 5 - 9; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rn. 675; Hailbronner/Geis/Waldeyer, § 57 b HRG, Rn 13; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 57 HRG, Rn 13). "Im Bereich der Medizin" ist umfassend zu verstehen; es sind neben der ärztlichen auch die zahnärztlichen und tierärztlichen Ausbildungsdinge gemeint (ErfK/Müller-Glöge, aaO; Dörner, aaO; HG/Waldeyer, aaO; Kittner/Däubler/Zwanziger, aaO).
(2)
Die Gesetzesmaterialien zur Begründung der Befristungsmöglichkeiten im Hochschulrahmengesetz vom 23. Februar 2002, auf die der Wortlaut der hier streitigen Norm zurückzuführen ist und der vollständig in die gültigen Gesetze übernommen wurde, bestätigen diese Sichtweise. Zunächst war die Verlängerung der Befristungszeit für den medizinischen Bereich lediglich in § 47 (Juniorprofessur) im Zuge einer Neuordnung des Qualifikationswegs für Hochschullehrer eingeführt worden. Der alte § 54 HRG sah bereits Sonderbefristungsregelungen für Personal mit ärztlichen Aufgaben vor. Die Begründung gemäß Bundestagsdrucksache 14/6853 S. 28 führt hierzu aus: "Für den Bereich der Medizin ist eine Höchstfrist von neun Jahren erforderlich, da ein zeitlicher Rahmen von sechs Jahren für die Promotion- und Postdoktorandenphase hier nicht ausreichend ist: Eine selbstständige Vertretung des Faches Medizin in der Lehre erfordert - wie in Zusatz 2 ausgeführt wurde - eine abgeschlossene Facharztausbildung, die nach den geltenden landesrechtlichen Weiterbildungsregelungen je nach Fachrichtung zur Zeit etwa fünf bis sechs Jahre dauert. Hinzu kommt, dass der Professorennachwuchs auch im Bereich der Medizin in Zukunft erst nach Abschluss des Studiums, und auf einem anderen Fachrichtungen vergleichbaren Niveau, promovieren soll." Diese Erklärung, die auf das Fach Medizin in der Lehre, also das Medizinstudium, hinweist, zeigt, dass der Verlängerungstatbestand nur für Ärzte gelten kann. Der Gesetzgeber wählte bereits hier die Worte "für den Bereich der Medizin" synonym für das Berufsbild der Ärzte.
Die weiteren Ausführungen und die hierbei verwendeten Begriffe erhärten das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, der langen Facharztausbildung Rechnung zu tragen und nur die Ärzte zu privilegieren. So wird im Folgenden von "Studierenden (insbesondere in medizinischen Studiengängen)" gesprochen (BT-Drs. 14/6853 S. 28 l. Sp.). Studierende in medizinischen Studiengängen sind die zukünftigen Ärzte. Auf Seite 30/31 wird weiter auf das "Personal mit ärztlichen Aufgaben" Bezug genommen und hierzu ausgeführt, "auch diese könnten innerhalb der in § 57 b geregelten Grenzen durchaus die Facharztqualifikation erreichen; es bestehe die Möglichkeit zur tarifvertraglichen Modifizierung der Befristungshöchstdauer, deshalb sollten für Ärztinnen und Ärzte andere Befristungsgrenzen opportun erscheinen". Dies alles zeigt, dass die Verlängerung der Befristungszeit für den medizinischen Bereich den Erfordernissen der Facharztausbildung Rechnung tragen und nur Ärzte hierunter fallen sollen. Nach vielen weiteren Verhandlungen und Empfehlungen mit weiteren Änderungen des Gesetzestextes wurde die längere Befristungshöchstgrenze "für den medizinischen Bereich" ohne weitere Diskussion auch in § 57 b HRG eingefügt. Der Gesetzgeber glich damit Brüche in der Gesetzessystematik aus. Es ist nicht erkennbar, dass den Begriffen "medizinischer Bereich" in § 47 und § 57 b Abs. 2 HRG unterschiedliche Bedeutungen zukommen sollte.
(3)
Auch die Systematik des Gesetzes spricht somit für das gewonnene Auslegungsergebnis. Darüber hinaus dient es einer praktikablen Lösung. Gerade in der Medizin sind die Grenzen zwischen Forschungsvorhaben und Therapie fließend. Forschungsergebnisse müssen in der tatsächlichen Praxis überprüft werden. Insbesondere an Universitätskliniken sind Forschung und Therapie stets miteinander verbunden. Es ist eine Besonderheit der medizinischen Fachbereiche der Universitäten in Deutschland, dass sie gleichzeitig forschen, lehren und heilen. Hier eine Abgrenzung nach dem Inhalt der Forschungsergebnisse oder ihrer Ziele und nach einzelnen, wissenschaftlichen Bereichen zu finden, ist oft schwer möglich. Die Begrenzung auf Ärzte dient einer praktikablen Anwendung.
4.
Da das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem beklagten Land in der Postdoktorandenphase insgesamt länger als sechs Jahre befristet war, der Kläger kein Arzt ist, Verlängerungstatbestände nicht vorliegen (s.o.) und auch keine anderen Befristungsgründe bestehen, ist die Befristung unwirksam.
III.
Die Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits um die Befristung seines Arbeitsverhältnisses mit Tätigkeiten entsprechend der Vergütungsgruppe I b der Vergütungsordnung zum BAT.
Die Nennung der Vergütungsgruppe dient der Klarstellung. Sie definiert, mit welchen Tätigkeiten das beklagte Land den Kläger beschäftigen muss. Da der Kläger Probleme bei seiner Weiterbeschäftigung nach Ablauf der arbeitsvertraglich vereinbarten Befristungszeit, dem 31. Dezember 2007, vorgetragen und das beklagte Land in der mündlichen Verhandlung eine Klarstellung zu diesem Punkt durch vergleichsweise Regelung abgelehnt hat, war zur Vermeidung einer fehlenden Vollstreckbarkeit der Tenor genauer zu fassen und die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütungsgruppe in den Tenor aufzunehmen. Sie dient der Bestimmung des vertraglich geschuldeten Arbeitsinhaltes.
IV.
Das beklagte Land hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 4 ArbGG).
V.
Wegen besonderer Bedeutung war zu Ziffer 1) des Tenors die Revision zuzulassen. Die entscheidende Rechtsfrage betrifft die Auslegung eines bundeseinheitlich geltenden Gesetzes. Der Gesetzeswortlaut des § 57 b HRG entspricht zudem vollständig dem neugefassten § 2 WZVG, der den § 57 b HRG ersetzt hat.
Gegen die Entscheidung zu Ziffer 2) ist mangels Zulassung ein Rechtsmittel nicht gegeben. Gründe, die Revision zuzulassen, lagen hier nicht vor.
Ende der Entscheidung
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