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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 06.10.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 1075/07
Rechtsgebiete: BGB, InsO


Vorschriften:

BGB § 613 a
InsO § 21 Abs. 2 Ziff. 2
1. Ein Verfügungsverbot gem. § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO hindert den Übergang sächlicher Betriebsmittel. Ob das einem Betriebsübergang generell entgegensteht, blieb unentschieden. Für die Annahme eines Betriebsübergangs ist jedenfalls in Anwendung der ständigen Rspr.d. BAG (vgl. zuletzt 31.1.08 - 8 AZR 2/07 -) erforderlich, dass der Übernehmer den Betrieb tatsächlich fortführt. Das war im Fall zu verneinen,weil nicht erkennbar war, dass der behauptete Übernehmer gegenüber der Belegschaft als weisungsberechtigte Person aufgetreten ist und eine Fortführung des Betriebs auch nicht nach außen erkennbar war (gegenüber Dritten).

2. Damit kann letztendlich dahinstehen, ob bei Auseinanderfallen der Verfügungsmöglichkeit über die sächlichen Betriebsmittel und der tatsächlichen Leitungsmacht über die Mitarbeiter im betriebsmittelarmen Betrieb ein Betriebsübergang möglich ist.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 1075/07

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2008 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Hartwig, den ehrenamtlichen Richter Herrn Dr. Kuzaj, den ehrenamtlichen Richter Herrn Krych für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 22.05.2007 - 4 Ca 118/07 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers für den Zeitraum 01.12.2006 bis 28.02.2007 und in diesem Zusammenhang über das Vorliegen eines Betriebsübergangs.

Der am 00.00.1963 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger stand ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01. November 2006, welcher zu Blatt 4 bis 7 d. A. gereicht wurde, mit der Firma c.h., Inhaberin Frau E. W. in einem Arbeitsverhältnis. Der Kläger war dort als kaufmännischer Assistent mit einem Bruttogehalt von monatlich 1.800,-- € beschäftigt. Die Firma c.h. betrieb einen Pflegedienst, wobei die Patienten außerhäuslich gepflegt wurden.

Im November 2006 vereinbarte die Inhaberin des Pflegedienstes Frau W. mit dem Beklagten die Übernahme des Pflegedienstes per 01. Dezember 2006 durch diesen. Dementsprechend schrieben sie an die AOK und teilten mit, dass per 01.12.2006 ein Trägerwechsel beabsichtigt sei und beantragten die Zulassung des Beklagten als neuen Träger. Am 30.11.2006, 10:38 Uhr, ordnete das Amtsgericht Lüneburg zu Geschäftsnummer 46 IN 372/06 die vorläufige Verwaltung des Vermögens von Frau W. gemäß § 21 Abs. 2 Ziff. 1 InsO an und auferlegte der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO. Für den Inhalt des Beschlusses wird auf Blatt 32 d. A. Bezug genommen. Ausweislich des Eingangsstempels auf diesem Beschluss ging der Beschluss beim Insolvenzverwalter am 01. Dezember 2006 ein.

Am Freitag, den 01.12.2006 fand im Betrieb der Schuldnerin eine Betriebsversammlung statt. Die Rolle des Beklagten in der Betriebsversammlung ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe den Mitarbeitern zugesagt, dass im Zuge der angestrebten Betriebsübernahme sämtliche Mitarbeiter übernommen würden. Der Beklagte habe sich als "neuer Chef" vorgestellt. Nach Darstellung des Beklagten habe er lediglich bekundet, sich zu bemühen, das Unternehmen fortzuführen und die Zulassung zu erhalten.

Die Schuldnerin Frau W. war zumindest bis kurz vor Weihnachten 2006 im Betrieb tätig. Ob sie bei der Betriebsversammlung anwesend war, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Mitarbeiter erbrachten weiterhin ihre Arbeitsleistungen. Am Montag, den 04.12.2006, legte der vorläufige Insolvenzverwalter den Betrieb still. Er erklärte, dass keine Geschäfte ohne seine Zustimmung durchgeführt werden dürften. Er verhängte ein Zugangsverbot zu den Betriebsräumen, kündigte die Telekommunikationsmittel und die Kfz.-Leasingverträge und widerrief den Zulassungsantrag gegenüber der AOK. In der Folgezeit kündigten einige Patienten den Betreuungsvertrag, und einige Mitarbeiter kündigten das Arbeitsverhältnis. Unstreitig ist aber auch, dass einige Mitarbeiter für den Beklagten tätig waren. Auf welcher Grundlage und auf Grund welcher Absprachen und in welchen Zeiträumen, ist nicht bekannt. Der Kläger mietete neue Betriebsräume in A-Stadt an, ersetzte die Telekommunikationsmittel, mietete Kfz. für die Mitarbeiter an und stand als Ansprechpartner für das Arbeitsamt insbesondere wegen der Insolvenzgeldansprüche der Mitarbeiter zur Verfügung. Streitig ist zwischen den Parteien, ob der Kläger diese Tätigkeiten auf Weisung des Beklagten ausführte. Der Kläger bereitete auch den erneuten Antrag auf Zulassung des Beklagten als neuen Träger des Pflegedienstes vor.

Zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Beklagten wurde unter dem 20.12.2006 eine Honorarvereinbarung getroffen, nach deren Inhalt der Beklagte sich verpflichtete, die vom Pflegedienst c.h. im November vorgenommenen Pflegeleistungen abzurechnen. Für den gesamten Inhalt der Vereinbarung wird auf Blatt 118/119 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 13.04.2007 lehnten die Verbände der gesetzlichen Pflegekassen in Niedersachsen (VdK) den Antrag des Beklagten auf Zulassung als Träger der Einrichtung ab.

Der Kläger hat behauptet, die Tätigkeiten, die er im Laufe des Dezember 2006 und später erbracht habe, seien auf Weisung und in Absprache mit dem Beklagten erfolgt. Der Beklagte habe in der Betriebsversammlung am 01.12.2006 gegenüber den Mitarbeitern zugesichert, dass alle Arbeitsverhältnisse übernommen würden. Alle Patienten seien ohne Unterbrechung weiterversorgt worden. Bis zur Stilllegung des Betriebes durch den Insolvenzverwalter sei die Betriebsübernahme längst erfolgt.

Er hat u. a. beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.400,-- € brutto sowie 1.530,-- € Fahrtkosten nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.03.2007 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Betriebsübernahme sei an den sozialrechtlichen Vorschriften gescheitert. Er habe die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt und sei daher zu keiner Zeit in der Lage gewesen, den Betrieb zu führen. Der vorläufige Insolvenzverwalter hätte einer geplanten Übernahme nicht zugestimmt. Auf Grund des allgemeinen Verfügungsverbotes sei Frau W. auch nicht berechtigt gewesen, Verfügungen über ihr Unternehmen vorzunehmen.

Das Arbeitsgericht hat mit Teil-Urteil vom 22.05.2007 die Beklagte verurteilt, an den Kläger Arbeitsvergütung in Höhe von 5.400,-- € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Für die Entscheidungsgründe wird auf das Urteil verwiesen (Bl. 43 bis 50 d. A.). Über den Antrag des Klägers auf Erstattung von Fahrtkosten und sonstigen Aufwendungen ist bislang nicht entschieden. Das Teil-Urteil wurde dem Beklagten am 25.06.2007 zugestellt. Hiergegen hat er mit am 16.07.2007 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, welche am Montag, den 27.08.2007 begründet wurde.

Der Beklagte und Berufungskläger bleibt bei seiner Auffassung, dass ein Betriebsübergang am 01.12.2007 nicht stattgefunden habe und auch nicht habe stattfinden können, weil er weder die sozialrechtlichen Voraussetzungen für die Übernahme der Trägerschaft erfüllt habe, noch Frau W. befugt gewesen sei, ihren Betrieb tatsächlich an ihn zu übergeben. Eine Genehmigung des Insolvenzverwalters von Verfügungsmaßnahmen liege auch nicht vor. Die Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter vom 20.12.2006 beschränke sich auf eine Honorarvereinbarung. Er habe später (nach Stilllegung des Betriebes durch den Insolvenzverwalter) einige Mitarbeiter neu eingestellt und auch den Kläger gebeten, zum Aufbau eines entsprechenden Unternehmens in seine Dienste zu treten. Die von dem Kläger aufgeführten Tätigkeiten, insbesondere den Abschluss eines Mietvertrages über neue Betriebsräume habe dieser jedoch in eigener Regie und ohne Absprache vorgenommen. Er selbst habe sich in B-Stadt aufgehalten. Am 01.12.2006 sei auch nicht gearbeitet worden. Es habe alles "stillgestanden". Der Beschluss des Amtsgerichts vom 30.11.2006 sei ihm im Zeitpunkt der Betriebsversammlung auch bekannt gewesen. Er selbst habe keine Geschäfte für den Betrieb am 01.12. und in den Folgetagen abgewickelt. Es habe mit ihm auch kein Versorgungsvertrag mit der VdK bestanden. Außerdem habe Frau W. dem Kläger am 30.11.2006 morgens (noch vor 10:38 Uhr) die zu Blatt 85 d. A. gereichte Kündigung übergeben. Auch im Falle eines Betriebsüberganges endet das Arbeitsverhältnis daher mit Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit von 14 Tagen (der Kläger bestreitet, überhaupt eine Kündigung erhalten zu haben). In diesem Zusammenhang habe Frau W. dem Kläger auch sämtliche anderen Kündigungsschreiben übergeben, die dieser an die Mitarbeiter geben sollte.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 22.05.2007 AZ. 4 Ca 118/07 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger bestreitet, von Frau W. eine Kündigung erhalten zu haben. Im übrigen wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen zum Vorliegen eines Betriebsüberganges am 1.12.2006 und den von ihm für den Beklagten erbrachten Leistungen, die auch auf dessen Weisung erfolgt seien.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht und statthaft (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Arbeitsvergütung ab 01.12.2006 von dem Beklagten, da ein Betriebsübergang am 01.12.2006 nach dem festgestellten Sachverhalt nicht vorliegt und auch zu einem späteren Zeitpunkt kein Arbeitsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem begründet wurde.

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 611 BGB, § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. mit seinem Arbeitsvertrag auf Zahlung der beantragten Arbeitsvergütung, da ein Betriebsübergang am 01.12.2006 nicht erfolgt ist und der Beklagte nicht am 01.12.2006 in ein bestehendes Arbeitsverhältnis eingetreten ist.

a)

Erforderlich für den Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Anschluss an EuGH vom 11.03.1997-RsC-13/95 [Ayse Süzen] , AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EZA BGB § 613 a Nr. 145 - BAG vom 18.03.1999 - 8 AZR 159/98 AP BGB § 613 a Nr. 189 = EZA BGB § 613 Nr. 177 RdNr. 17; BAG vom 29.06.2000 - 8 ABR 44/99, AP § 126 InsO Nr. 2 = EzA § 126 InsO Nr. 2 RdNr. 39).

In Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist dann anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung einer Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer keinen Betriebsübergang dar (BAG v. 11.12.1997 8 AZR 729/96 AP BGB § 613 a = EzA § 613 a BGB Nr. 159 Rd-Nr. 20; BAG v. 18.03.1999 - 8 AZR 196/98, a.a.O. RdNr. 18; BAG v. 29.06.2000 a.a.O. RdNr. 40; BAG vom 22.07.2004 - Az.: 8 AZR 350/03, AP § 613 a BGB Nr. 274 = EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 27 RdNr. 22).

b)

Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebes ein. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen; der Übernehmer muss die Geschäftstätigkeit tatsächlich weiterführen oder wieder aufnehmen. Der Wechsel der Inhaberschaft tritt nicht ein, wenn der neue "Inhaber" den Betrieb nicht führt. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebes nicht. Ein Betriebsübergang liegt nur vor, wenn der Inhaber des Betriebes wechselt, indem der Erwerber unter Wahrung der Betriebsidentität an die Stelle des Veräußerers tritt. Maßgeblich ist dabei die Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die nunmehr für den Betrieb als "Inhaber verantwortlich" ist. Das ist wiederum die Person, die den Betrieb in eigenem Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt. Es kommt nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt, sondern auf die umfassende Nutzung des Betriebes nach außen (BAG vom 31.01.2008 - 8 AZR 2/07 -, zitiert nach Juris Rn. 28, BAG vom 25.10.2007 - 8 AZR 917/06 - Rn. 29, Der Betrieb 2008, Seite 989 und BAG vom 13.12.2007 - 8 AZR 1107/06 - Rn. 35 im Anschluss an EuGH vom 26. Mai 2005 - C 4 478/03 - Rn. 44, AP Richtlinie 77/187/EWG Nr. 1 Rn. 44).

c)

Gemessen an diesen Grundsätzen lag am 01.12.2006 kein Betriebsübergang vor. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Übernahme des Betriebes im November zwischen der Schuldnerin Frau W. und dem Beklagten per 01.12.2006 vereinbart war und möglicherweise - das unterstellt die Kammer - eine Nutzungsüberlassungserklärung seitens der Beklagten hinsichtlich der Betriebsräume und sächlichen Betriebsmitteln von Frau W. mit Wirkung zum 01.12.2006 abgegeben wurde.

Der Überlassung der Nutzung der sächlichen Betriebsmittel steht jedoch am 01.12.2006 das Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Ziff. 2, § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO entgegen. Auf eine Kenntnis dieses Verfügungsverbotes am 01.12.2006 kommt es nicht an. Die Anordnungen des Insolvenzbeschlusses wirken sofort mit ihrem Erlass (Münchener Kommentar, InsO § 21 Rn. 56) und nicht erst mit Zustellung des Beschlusses gemäß § 23 InsO. Das Verfügungsverbot erfasst sämtliche Rechtsgeschäfte, durch die auf ein Recht unmittelbar eingewirkt wird, indem dieses übertragen oder sonst in seinem Bestand verändert wird. Unwirksam sind also Eigentumsübertragungen, aber auch Nutzungsüberlassungen. Ob dieses Verfügungsverbot hinsichtlich der sächlichen Betriebsmittel einem Betriebsübergang in einer betriebsmittelarmen Einheit, die maßgeblich vom Personalbestand geprägt wird, bereits entgegensteht, kann jedoch dahinstehen.

d)

Erforderlich für den Betriebsübergang ist nach obengenannten Grundsätzen nicht nur die Übernahme der sächlichen Betriebsmittel, sondern auch die Übernahme der Leitungsmacht. Dem kommt insbesondere bei betriebsmittelarmen Betrieben, wie das bei einem Pflegedienst der Fall ist, besondere Bedeutung hinzu. Hier ist entscheidend, ob der Betriebsinhaber die Mitarbeiterschaft am 01.12.2006 tatsächlich geführt hat, d. h. arbeitsrechtliche Weisungen erteilt hat und dies auch Wirkungen nach außen hatte. Das war trotz Nachfrage an die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung und durch Auflagenbeschluss vom 14.07.2008 nicht feststellbar. Es kann dabei dahinstehen, ob der Beklagte sich in der Betriebsversammlung bereits als "Chef" vorgestellt hat. Der Kläger hat nicht im Einzelnen dargelegt, dass die Mitarbeiter ohne Unterbrechung weitergearbeitet haben. Der Beklagte hat zumindest für den 01.12. unwidersprochen behauptet, dass im Betrieb alles stillgestanden habe. Im Übrigen wäre auch das Weiterarbeiten der Mitarbeiter nicht notwendig auf die Anwesenheit des Beklagten im Betrieb zurückzuführen. Die Mitarbeiter standen auch ohne Betriebsübergang in einem Arbeitsverhältnis, nämlich mit der Schuldnerin Frau W. und waren verpflichtet, ihre arbeitsvertraglichen Leistungen zu erbringen. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht diese Verpflichtung gegenüber dem Insolvenzverwalter. Ob die Dienstpläne für die Mitarbeiter bereits geschrieben waren und die Einsätze bereits von Frau W. vorgegeben waren oder ob der Beklagte weitere Details am Freitag veranlasst hat, hat der Kläger nicht angegeben. Ebenso wenig fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte auch nach außen hin den Betrieb umfassend genutzt hat. Der Kläger bezieht sich zwar darauf, der Beklagte habe sich an die Patienten gewandt, lässt aber offen, wie und wann das geschehen ist. Erforderlich ist die Übernahme der Leitungsmacht am 01.12.2006, da zu einem späteren Zeitpunkt der Betrieb durch den Insolvenzverwalter stillgelegt wurde und ein Betriebsübergang von Frau W. auf den Beklagten nicht mehr in Betracht kommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Beklagte vor Ort oder in B-Stadt war. Auch von B-Stadt aus kann er entsprechende Weisungen und Aufträge erteilen. Aber auch dafür wäre der Kläger darlegungspflichtig gewesen.

Damit kann letztendlich dahinstehen, ob bei vorliegender Konstellation, nämlich Auseinanderfallen der Verfügungsmöglichkeiten über die sächlichen Betriebsmittel und Übernahme der tatsächlichen Leitungsmacht über die Mitarbeiter im betriebsmittelarmen Betrieb ein Betriebsübergang möglich ist. Die Voraussetzungen dafür sind für den 01.12.2006 nicht dargelegt. Der Umstand, dass einige Mitarbeiter im Laufe des Dezember 2006 für den Beklagten tätig waren, lässt einen Rückschluss auf einen Betriebsübergang per 01.12.2006 nicht zu.

2.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus einem später mit dem Beklagten vereinbarten Arbeitsverhältnis i. S. des § 611 BGB. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses setzt voraus, dass zwischen den Parteien - ausdrücklich oder konkludent - verabredet war, der Kläger soll als Arbeitnehmer für den Beklagten tätig werden. Das wiederum setzt voraus, dass der Kläger abhängig von den Weisungen des Beklagten und in seinen Betrieb eingeliedert war. Der Kläger hat nicht dargelegt, wann eine solche Absprache - gerade auch im Hinblick auf das Tätigwerden des Insolvenzverwalters am 04.12.2006 - getroffen wurde oder ab wann konkludent von der Begründung eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden kann, weil z. B. der Beklagte Weisungen erteilt hat (wann, welche?), die der Kläger dann ausgeführt hat. Auch ist unklar, ob zwischen den Parteien gerade ein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Auch hierfür ist der Kläger darlegungspflichtig. Allein der Umstand, dass der Kläger für den Beklagten einzelne Tätigkeiten ausgeführt hat, reicht nicht für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses aus. Im Übrigen hat der Beklagte auch bestritten, dass er entsprechende Weisungen erteilt hat. Der Kläger wäre darlegungspflichtig dafür gewesen, wann konkret welche Weisung erteilt wurde, damit auf den Abschluss eines konkludenten Arbeitsvertrages hätte geschlossen werden können. Auch wenn aus dem Beklagtenvortrag selbst folgt, dass der Kläger für den Beklagten tätig werden sollte, entbindet das den Kläger nicht von der Pflicht anzugeben, ab wann und mit welchem Inhalt dies erfolgte.

3.

Nach alledem war das Teil-Urteil auf die Berufung des Beklagten abzuändern.

Die Kostenentscheidung beschränkt sich auf die Kosten der Berufung, da im Hinblick auf das Teil-Urteil noch eine Gesamtkostenentscheidung zu treffen ist.

Die Revision war nicht zuzulassen, da eine grundsätzliche Bedeutung nicht vorliegt.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß nachfolgender Rechtsmittelbelehrung wird verwiesen.

Ende der Entscheidung

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