Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 04.05.2009
Aktenzeichen: 9 Sa 1100/08
Rechtsgebiete: ZPO, BetrVG


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
BetrVG § 77 Abs. 3
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
1) Zu den Anforderungen an einen Feststellugnsantrag und das erforderliche Feststellungsinteresse.

2) Ausnahmsweise ist auch bei unzulässigem Feststellungsantrag eine Sachentscheidung zu treffen. Das ist u. a. dann der Fall, wenn die Klage mangels Begründetheit abweisungsreif ist.

3) Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird nicht ausgelöst, wenn über eine Betriebsvereinbarung - mittelbar - die Höhe des Entgelts für das einzelne Arbeitsverhältnis bestimmt wird.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 1100/08

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2009 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Hartwig, den ehrenamtlichen Richter Herr Preun, den ehrenamtlichen Richter Herr Nettelroth für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 01.07.2008, 1 Ca 1/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Vergütung des Arbeitsverhältnisses nach TVöD im Wege der Feststellungsklage. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. In dem Arbeitsvertrag der Klägerin wird in § 3 auf die seit 01.07.2004 geltende Betriebsvereinbarung Bezug genommen, die u. a. in § 7 Eingruppierungsgrundsätze sowie in § 8 Berechungsgrundsätze für die Entgelthöhe regelt. § 4 des Arbeitsvertrages wiederum bestimmt, dass die Klägerin ein Entgelt nach Entgeltgruppe 6 der Entgelttabelle erhält. Die Entgelttabelle ist einseitig vom Arbeitgeber erstellt.

Von der Darstellung des weiteren Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Es wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 01.07.2008 nebst Anträgen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage einschließlich Hilfsantrag abgewiesen. Dabei hat es offen gelassen, ob die Betriebsvereinbarung, auf die in § 3 des Arbeitsvertrages Bezug genommen wird, wirksam ist. Selbst im Falle der Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung stelle die Regelung der Vergütung im Arbeitsvertrag eine eigenständige Regelung dar, die nicht von der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung abhänge. Im Übrigen könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass bei Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Entgeltregelung die übliche Bezahlung die Vergütung nach TVöD sei.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 07.07.2008 zugestellt. Hiergegen wendet sie sich mit am 24.07.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangener Berufung nebst Begründung.

Die Klägerin stützt ihre Berufung maßgeblich darauf, dass § 4 des Arbeitsvertrages ohne Heranziehung der Regelungen in der Betriebsvereinbarung vom 01.04.2007 nicht "lebensfähig sei". Der Arbeitsvertrag nenne keine konkrete Summe für die vereinbarte Vergütung. Die für die Klägerin maßgebliche Stufe und als Teilzeitbeschäftigte anteilige Quote des vom Arbeitgeber bestimmten Entgelts könne nur mit Hilfe der Betriebsvereinbarung ermittelt werden. Da diese nach ihrer Auffassung unwirksam sei, sei an die Stelle der unklaren Vergütungsvereinbarung die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zu setzen. Das sei der TVöD, wie die Klägerin näher ausführt. Anderenfalls müsse man nach § 305 c Abs. 2 BGB die günstigste Auslegung für die Klägerin annehmen, das wäre eine volle Vergütung der höchsten Entgeltstufe innerhalb der Entgeltgruppe trotz Teilzeitbeschäftigung und geringerer Betriebszugehörigkeit der Klägerin. Die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung folge aus § 77 Abs. 3 BetrVG, da es einen einschlägigen Tarifvertrag, nämlich den TVöD gebe.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 01.07.2008 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Vergütung nach den Regelungen des TVöD ab dem 01.10.2006 zu zahlen,

hilfsweise festzustellen, dass die Bezahlung von Schichtzulagen, Überstunden, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft nach den Regelungen des TVöD zu erfolgen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt zunächst die Auffassung, dass die Berufung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO genüge. Im Übrigen fehle, wie schon erstinstanzlich geltend gemacht, das Feststellungsinteresse. Schließlich sei die Betriebsvereinbarung wirksam, wie in der Berufungserwiderung vertieft wird und erst recht folge selbst bei Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung nicht eine Vergütung nach TVöD als übliche Vergütung. Gerade bei privatrechtlich betriebenen Krankenhäusern sei eher der Abschluss von Haustarifverträgen üblich.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft und fristgerecht eingelegt worden (§§ 64, 66 ArbGG, 519 ZPO). Die Berufung genügt auch den Anforderungen, die § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO an eine formgerechte Berufungsbegründung stellt

Nach dieser Norm muss die Berufungsbegründung, soweit hier von Interesse, die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Erleichterungen für den Berufungsführer gegenüber § 519 Abs. 3 Ziff. 2 ZPO a. F. sind damit nicht verbunden (BAG vom 06.03.2003 - 2 AZR 596/02 - AP Nr. 32 zu § 64 ArbGG 1979 unter II 2 a der Gründe; Zöller-Gummer, 26. Aufl. 2006 § 520 Rz. 33). Der Berufungsführer ist gehalten, die Beurteilung des Streitfalles durch den Erstrichter zu prüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Rein formale, nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen sollen ausgeschlossen werden, um dadurch auf die Zusammenfassung und Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtzug hinzuwirken. Allein schon aus der Berufungsbegründung sollen Gericht und Gegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu Grunde legen will (vgl. die Begründung zur Neufassung des § 519 ZPO durch das Gesetz vom 27.10.1933 zitiert bei Körting in ACP 142 (936) Seite 104; BAG vom 14.12.2004, 1 AZR 504/03, NZA 2005, 818 und BAG vom 17.01.2007 - 7 AZR 20/06, AP Nr. 30 zu § 14 TzBfG Rn. 11; BAG vom 8.10.2008, 5 AZR 526/07, NZA 2008, 1429 Rn. 15; vgl. zum Revisionsrecht BAG vom 06.01.2004 - 9 AZR 680/02 - NZA 2004, 449 unter II 2 a der Gründe). Demnach muss die Berufungsbegründung auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelfall erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Es kann zwar keine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung verlangt werden, doch muss die Berufungsschrift sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese bekämpfen will. Die bloße Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen reicht auch dann nicht aus, wenn der Streit nur eine einzelne Rechtsfrage betrifft (BAG vom 15.08.2002 - 2 AZR 473/01 - AP Nr. 55 zu § 519 ZPO unter II der Gründe). Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (vgl. BAG vom 11.03.1998 - 2 AZR 497/07 - AP Nr. 49 zu § 519 ZPO unter I der Gründe).

Bei der Rüge eines Rechtsverstoßes ist die ausdrückliche Benennung der Norm nicht erforderlich (BGH vom 26.06.2003 - III ZB 71/02, NJW 2003, S. 2532 Zi. II 1 d.Gr.). Auch ist zur ordnungsgemäßen Begründung nicht erforderlich, dass der Berufungsführer die übergangenen Tatsachen oder Beweisangebote unter Angabe der genauen Fundstelle in den bisherigen Schriftsätzen genau bezeichen muss. § 559 Abs. 1 ZPO findet im Berufungsverfahren keine Anwendung, das auch keine dieser Bestimmung vergleichbare Norm kennt ( BGH vom 12.04.2004 - V ZR 257/03, NJW 2004, S. 1876 Zi. II 2 b aa (3) d.Gr.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Berufung der Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten noch zulässig. Die Klägerin wendet sich gegen das arbeitsgerichtliche Urteil maßgeblich mit dem Argument, § 4 des Arbeitsvertrages stelle eine eigenständige Vergütungsregelung dar, die aus sich heraus aber nicht verständlich sei, weil eine konkrete Vergütungshöhe nicht genannt werde. Eine Auslegung der Entgeltregelung über die Heranziehung der in der Betriebsvereinbarung aufgestellten Grundsätze sei nicht zulässig, da die Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam sei. In diesem Sinne ist der klägerische Vortrag in der Berufung zu verstehen, wenn die Klägerin ausführt, § 4 des Arbeitsvertrages sei "nicht lebensfähig", weil andere notwendige Bezugspunkte fehlen. Die Klägerin hat sich auch mit der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt, wonach die Vergütung nach TVöD nicht die übliche im Sinne des § 612 BGB sei. Sie hat darauf verwiesen, dass 4/5 der Belegschaft im C. nach dem TVöD bezahlt werden und die Beklagte als kommunales Krankenhaus den TVöD anwenden könne. Ob dieses Vorbringen schlüssig ist, ist für § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht maßgeblich. Es stellt jedenfalls die Richtigkeit der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils in Frage. Da das Arbeitsgericht offen gelassen hat, ob eine unwirksame Betriebsvereinbarung Inhalt des Arbeitsvertrages werden kann, hatte die Klägerin keine Veranlassung, sich hiermit in der Berufung auseinanderzusetzen.

Auch die gesonderte Auseinandersetzung mit der Ablehnung des Hilfsantrages durch das arbeitsgerichtliche Urteil war nicht erforderlich. Das arbeitsgerichtliche Urteil trägt die Begründung hierzu selbst nicht. Die wesentlichen Entscheidungsgründe tragen sowohl die Ablehnung des Haupt- als auch des Hilfsantrages. Dementsprechend kann auch die Klägerin sich mit der Berufung darauf beschränken, sich einheitlich gegen die Klageabweisung zu wehren.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klage ist schon unzulässig.

1.

Das gilt zunächst für den Hauptantrag. Es fehlt das für das Feststellungsbegehren der Klägerin vorausgesetzte Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die Klägerin ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse nach dieser Vorschrift ist von Amts wegen zu prüfen. Soweit die Klage auf die Feststellung einzelner Vorfragen für einen Zahlungsanspruch gerichtet ist, ist sie in der Regel unzulässig. Grundsätzlich ist einer Leistungsklage Vorrang vor einer Feststellungsklage eingeräumt, wenn der Anspruch beziffert werden kann. Für eine Feststellungsklage kann allerdings trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage ein Feststellungsinteresse bestehen, wenn durch sie der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Das gilt besonders für eine Klage auf künftige Leistungen. Das Feststellungsinteresse fehlt jedoch, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses, abstrakte Rechtsfragen oder rechtliche Vorfragen zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Das ist bei einer Eingruppierungsfeststellungsklage nur der Fall, wenn z. B. weitere Faktoren, die die Vergütungshöhe bestimmen, wie etwa die Einstufung in einer Vergütungstabelle des öffentlichen Dienstes nach Lebensalterstufen oder Stufen, die sich an der Beschäftigungszeit orientieren, kein Streit besteht. Dann ist die konkrete Bezifferung nur noch eine einfache Rechenaufgabe, die von den Parteien nach einem unstreitigen Verfahren selbst umgesetzt werden kann (BAG, vom 17.10.2007, 4 AZR 1005/06, AP Nr. 40 zu § 1 TVG = NZA 2008, 713, jeweils Rn. 14 und 15 m. w. N., vom 07.06.2006, 4 AZR 272/05, AP Nr. 37 zu § 1 TVG Rn. 13; vom 09.03.2005, 5 AZR 385/05, ZTR 2005, 479 = EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 177, Rn. 24; vom 17.10.2001, 4 AZR 641/00, Zit. n. Juris Rn. 33). Gemessen daran, fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse, da ein Feststellungsurteil nicht erwarten lässt, dass der Rechtsstreit zwischen den Parteien endgültig beigelegt wird. Die Klägerin nennt weder im Antrag noch in der Begründung die Vergütungsgruppe, die sie für die zutreffende hält. Der Arbeitgeber hat auch nicht zugestanden, dass eine bestimmte Vergütungsgruppe einschlägig sei und im Falle eines stattgebenden Feststellungsurteils zu Grunde gelegt werden könne. Die Klägerin hat nicht einmal die für eine Eingruppierung erforderliche Darlegung ihrer Tätigkeit vorgenommen.

2.

Der Feststellungsantrag der Klägerin ist allerdings auch unbegründet.

a)

Im Rahmen einer Feststellungsklage kann die Zulässigkeit gemäß § 256 ZPO offen gelassen und die Klage mangels Begründetheit abgewiesen werden. Das Feststellungsinteresse muss letztendlich nur bei der begründeten Klage gegeben sein (BGH vom 14.3.1978, VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031, BAG vom 12.2.2003, 10 AZR 299/02, NJW 2003, 1755; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 256 Rn. 7). Die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung des Feststellungsinteresses soll lediglich verhindern, dass Rechtsverhältnisse zum Gegenstand einer Klage gemacht werden, obwohl sie entweder der Feststellung überhaupt nicht bedürfen oder auf einfachem Wege geklärt werden können. Dieser Gesichtspunkt ist ohne Bedeutung, wenn die Klage in der Sache keinen Erfolg hat. Da die Sachabweisung auch zur Entscheidung reif war, konnte die Kammer auch ein Sachurteil sprechen.

b)

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nach TVöD gemäß § 612 BGB Abs. 2 zu vergüten ist. Die übliche Vergütung ist nach § 612 Abs. 2 BGB lediglich dann maßgeblich, wenn eine arbeitsvertragliche Regelung nicht vorliegt. Das ist mit § 4 des Arbeitsvertrages jedoch der Fall. Der Arbeitsvertrag bestimmt, dass die Vergütung nach Entgeltgruppe 6 erfolgt, wie auch das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat. Hierauf wird verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch die Betriebsvereinbarung vom 01.07.2007 zur Auslegung und Ermittlung der konkreten Entgelthöhe heranzuziehen. Die Betriebsvereinbarung ist weder nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG noch § 87 Abs. 1 Satz BetrVG unwirksam.

aa)

Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte oder Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Eine gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßene Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist (BAG vom 22.03.2005, 1 ABR 64/03, BAGE 114, 162). Da die Höhe des Entgeltes nicht durch die Betriebsvereinbarung geregelt ist, sondern vom Arbeitgeber einseitig über die Entgelttabelle vorgegeben ist, greift die Sperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht ein, auch wenn die Höhe des Entgeltes tarifüblich im Sinne dieser Norm durch TVöD und damit durch Tarifvertrag geregelt ist. Die Entgelthöhe wird durch die Betriebsvereinbarung gerade nicht geregelt.

bb)

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung mitzubestimmen. Eine tarifliche Regelung steht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates und damit dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung nur entgegen, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, kann er das gesamte Volumen der von ihm für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellten Mittel mitbestimmungsfrei festlegen und für die Zukunft ändern. In diesen Fällen leistet der Arbeitgeber sämtliche Vergütungsbestandteile "freiwillig", weil er hierzu normativ nicht verpflichtet ist. Die Festlegung der einzelnen Entlohnungsgrundsätze wiederum ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig (vgl. BAG vom 26.08.2008, 1 AZR 354/07, AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Rn. 21). Die mitbestimmten Entlohnungsgrundsätze sind dabei die übergeordneten allgemeinen Regelungen, nach denen das Entgelt für den Betrieb, bestimmte Betriebsabteilungen oder Gruppen von Arbeitnehmern ermittelt werden soll. Es geht um die Aufstellung von Vergütungssystemen (vgl. Erfurter Kommentar/Kania, 9. Aufl., § 87 BetrVG, Rn. 100). Die Festlegung der Eingruppierung und der Bemessungsgrundlagen für das Entgelt in §§ 7 und 8 der Betriebsvereinbarung vom 01.07.2004 stellen solche Entlohnungsgrundsätze dar. Die Festlegung dieser Entlohnungsgrundsätze, die sich zumindest in § 7 der Betriebsvereinbarung vom 01.04.2007 an den Regelung des TVöD orientieren, ist auch nicht wiederum nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wegen Bestehen einer tarifüblichen Regelung (TVöD) unwirksam. Seit der Entscheidung des großen Senates des Bundesarbeitsgerichts vom 03.12.1991, GS 1/90, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung die so genannte Vorrangtheorie vertreten. Danach werden die in § 87 BetrVG aufgeführten mitbestimmungspflichtigen Tatbestände nur durch den Eingangssatz des § 87 und damit nur durch Gesetz oder Tarifvertrag gesperrt, die im Betrieb des Arbeitgebers auch tatsächlich per Tarifbindung und einschlägigen Geltungsbereich angewendet werden. Die Tarifüblichkeit im Sinne des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entfaltet insoweit keine Sperrwirkung (vgl. Fitting, BetrVG, 23. Aufl. § 87 Rn. 58 m. w. N.). In diesen Fällen ist der Arbeitnehmer durch die Mitbestimmung des Betriebrates hinreichend geschützt.

Eine Unwirksamkeit der § 7 und 8 der Betriebsvereinbarung folgt auch nicht daraus, dass über die Festlegung der Eingruppierungs- und Bemessungsgrundsätze die Höhe des Entgeltes mittelbar beeinflusst wird. Zutreffend ist die Auffassung der Klägerin, dass ein Mitbestimmungsrecht über die Festlegung der Lohnhöhe nicht besteht (vgl. Erfurter/Kommentar/Kania a. a. O. § 87 Rn. 108 m. w. N. und BAG vom 30.10.2001, 1 ABR 8/01, NZA 2002, 920). Es entspricht aber der Natur der Sache, dass über die Festlegung der Entlohnungsgrundsätze die individuelle Vergütungshöhe - ausgehend von der vorgegebenen Lohnhöhe durch den Arbeitgeber - mitbestimmt wird. Das führt jedoch nicht dazu, dass die Betriebsvereinbarung die Vergütungshöhe selbst festlegt. Die Eingruppierungsgrundsätze nach § 7 BetrVG bestimmen nur, wann ein Arbeitnehmer (also nach welcher Betriebszugehörigkeit) welche Stufe in der vom Arbeitgeber vorgegebenen Entgelttabelle erreicht. § 8 der Betriebsvereinbarung regelt, wie - das vom Arbeitgeber vorgegebene -Gehalt auf eine Teilzeitbeschäftigung umzurechnen ist.

Auf die Frage, ob - selbst bei einer Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung - die Vergütung nach TVöD die tarifübliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB darstellt, kommt es nicht mehr an.

3.

Aus denselben Gründen wie zu 1. und 2. ausgeführt, ist auch der Hilfsantrag der Klägerin unzulässig und unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt für die unterliegende Klägerin aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe, für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück