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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: 1 Sa 855/01
Rechtsgebiete: BetrVG, TVG


Vorschriften:

BetrVG § 77 Abs. 3
BetrVG § 87 Abs. 1
TVG § 3
TVG § 4 Abs. 5
Ob eine Betriebsvereinbarung den Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 BetrVG beachtet, ist nach dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens zu beurteilen.
1 Sa 855/01

Die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat unter Mitwirkung des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Nürnberg Heider als Vorsitzender und der ehrenamtlichen Richter Noack und Eberwein aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 20.09.2000, Az. 4 Ca 10648/99 wird auf Kosten des Berufungsklägers zurückgewiesen.

II.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, sogenannte Vorholschichten Samstags nach 23.00 Uhr zu leisten, bzw. ob er Samstagsvorholschichten generell ablehnen kann.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Druckindustrie. Sie arbeitet grundsätzlich im Drei-Schichtbetrieb (Früh-, Spät-, u. Nachtschicht). Der Kläger ist dort seit 1973 als Drucker beschäftigt. In der damaligen Einstellungsvereinbarung (Bl. 72/73 d.A.) haben die Parteien "den jeweils geltenden Manteltarifvertrag für das grafische (Druck-) Gewerbe als verbindlichen Vertragsbestandteil" vereinbart. Zum 31.12.1996 trat die Beklagte aus dem Arbeitgeberverband Druck aus. Zum selben Zeitpunkt endete auch der Manteltarifvertrag (MTV) 1989 für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie. Er wurde mit Wirkung vom 01.01.1997 durch den MTV 1997 ersetzt. Zu den einschlägigen Inhalten der vorgenannten Manteltarifverträge wird auf den Tatbestand des Ersturteils verwiesen. Unter dem Datum vom 20.11.1996 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung (Bl. 5 ff. d.A.), die zum 01.01.1997 in Kraft trat.

In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer ergab sich, dass der Kläger seit ca. 4 Jahren einem Schwerbehinderten durch Bescheid des Arbeitsamtes gleichgestellt ist und nach einer generellen Übung bei der Beklagten Schwerbehinderte und Gleichgestellte gegen ihren Willen nicht zu Nachtschichten (22.00 bis 6.00 Uhr) als Vorholschichten an den Samstagen herangezogen werden.

In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger im Hauptantrag geltend gemacht, dass er nicht zu den Vorholschichten an Samstagen nach 23.00 Uhr herangezogen werden dürfe. Dazu hat er weitere Hilfsanträge gestellt.

Im Endurteil vom 20.09.2000 hat das Arbeitsgericht die Klage im vollen Umfang abgewiesen und dies damit begründet, dass der MTV 1997 zwar als Vertragsrecht Anwendung finde, aber eine wirksame Betriebsvereinbarung vorliege, die nach ihrem Inhalt auch die Vorholschicht als Samstagsnachtschicht zulasse. Die Betriebsvereinbarung greife nicht in etwaige vertragliche Rechtspositionen des Klägers ein, weil es sich bei der Vorholschicht am Samstag nicht um regelmäßige Samstagsarbeit im Sinne des MTV 1997 handele.

Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Verfahrens, der Antragstellung und der Entscheidungsbegründung wird auf das dortige Urteil verwiesen.

Gegen dieses am 12.01.2001 zugestellte Ersturteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er hat dazu ausgeführt, auf das Arbeitsverhältnis finde der MTV 1997 mindestens kraft betrieblicher Übung Anwendung. Das Arbeitsgericht habe den Begriff der regelmäßigen wöchentlichen/samstäglichen Arbeitszeit unrichtig ausgelegt.

Vorholschichten, die nicht Mehrarbeit seien, seien Teil der regelmäßigen Arbeitszeit. Falls jedoch der MTV 1989 noch im Wege der Nachwirkung gelte, komme eine Vorholschicht an Samstagen (als Teil der Regelarbeitszeit) überhaupt nicht in Frage, weil eine solche nach § 3 Ziff. 1 dieses Tarifvertrages generell unzulässig sei. Auch verstoße die Betriebsvereinbarung vom 20.11.1996 gegen den Tarifvorbehalt. Maßgeblich sei dabei der Abschlusszeitpunkt. Schließlich sei die BV deshalb unwirksam, weil sie den Mitbestimmungstatbestand nicht hinreichend regele, sondern eine zu weitgehende einseitige Bestimmungsmöglichkeit für den Arbeitgeber vorsehe. Für die Heranziehung des Klägers zu Vorholschichten an Samstagen gebe es deshalb keine wirksame Anspruchsgrundlage.

Der Kläger und Berufungskläger hat deshalb unter Teilrücknahme ursprünglich anderer Anträge vor dem Landesarbeitsgericht nur noch folgendes beantragt:

1.

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 20. November 1996 sogenannte Vorholschichten an Samstagen (Früh- und Spätschicht) unter Anrechnung auf die regelmäßige Wochenarbeitszeit von 35 Stunden abzuleisten,

hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit des Hauptantrages,

der Beklagten wird untersagt, den Kläger auf Grundlage der Betriebsvereinbarung von 20. November 1996 zur Ableistung von Vorholschichten an Samstagen (Früh- und Spätschicht) unter Anrechnung auf die regelmäßige Wochenarbeitszeit des Klägers von 35 Stunden heranzuziehen.

2.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte hat hingegen beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, der MTV 1997 komme keinesfalls kraft betriebliche Übung mit seinem gesamten Inhalt zur Anwendung. Selbst wenn, sei durch die lediglich dispositive Geltung eine Vorholschicht an den Samstagen nicht ausgeschlossen, weil insoweit keine Regelarbeitszeit vorliege. Keinesfalls gelte noch der MTV 1989, seine mögliche Nachwirkung sei jedenfalls durch die BV als andere Abmachung hinsichtlich der Vorholschichten an den Samstagen erledigt. Ob die Betriebsparteien in der Präambel der BV noch auf den MTV 1989 Bezug genommen haben, sei für die Wirksamkeit ohne Belang. Überhaupt sei für die Wirksamkeitsprüfung der BV allein auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens abzustellen. Am 01.01.1997 habe eine Tarifbindung wegen des vorherigen Endes des MTV 1989 nicht mehr bestanden. Die Samstagsvorholschichten würden berechtigt aufgrund der BV seitens der Beklagten gefordert.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien vor dem Landesarbeitsgericht wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übergebenen Schriftstücke verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist bereits nach § 64 Abs. 2a, 4 ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).

Soweit der Kläger den jetzigen Antrag (keine Vorholschichten am Samstag als Früh- oder Spätschichten) im Berufungsverfahren erstmals formuliert hat, mag darin eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO enthalten sein. Eine solche ist im Berufungsrechtszug jedenfalls dann möglich, wenn eine zulässige Berufung vorliegt (Thomas-Putzo, ZPO, 22. Auflage, § 530 Anm. 3). Die nach §§ 523, 263 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners ist durch dessen widerspruchsloses Einlassen auf den geänderten Antrag geschehen (§ 267 ZPO).

In der Sache ist das Rechtsmittel hingegen ohne Erfolg.

Auch mit dem geänderten Antrag kann der Kläger weder im Feststellungs- noch im Leistungs-/Unterlassungswege durchdringen. Die Beklagte verlangt vom Kläger auf der Basis des MTV 1997 und der ausgeübten BR-Mitbestimmung in der BV zu Recht die Ableistung von Vorholschichten an Samstagen (als Früh- oder Spätschichten).

An dem Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) für das jetzige Klägerbegehren gibt es keinen Zweifel. Die Beklagte berühmt sich einer entsprechenden Berechtigung gegenüber dem Kläger. Auch ein einzelner Anspruch eines Rechtsverhältnisses kann Gegenstand der Feststellungsklage sein. Sie ist hier geeignet, den Streit zwischen den Parteien zu klären. Die Prozessökonomie erfordert deshalb nicht eine andere Klageart.

Der klägerische Antrag ist jedoch unbegründet, weil die Beklagte berechtigt vom Kläger Vorholschichten am Samstag (als Früh- oder Spätschichten) verlangt. Für die vom Kläger begehrte Feststellung auf Anspruchsleugnung ist deshalb kein Raum.

Mit dem Arbeitsgericht geht auch die Berufungskammer davon aus, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der MTV 1997 anzuwenden ist. Dabei kann die vom Kläger herangezogenen Betriebsübung dahinstehen. Maßgeblich ist hingegen die Abrede in Ziff. 9 der Einstellungsvereinbarung vom 18.07.1973. Dort haben die Parteien ausdrücklich den jeweiligen MTV des Druckgewerbes zum verbindlichen Vertragsinhalt erklärt. Darin liegt ohne weiteres die vertragliche Vereinbarung des einschlägigen MTV in Form der sogenannten dynamischen Verweisung. Diese unterscheidet sich von einer bloßen Gleichstellungsabrede durch die Reichweite. Letztere hat nämlich im Fall des Verbandsaustritts nur statischen Charakter. Allerdings ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass der Tarifinhalt nur mit der Qualität des dispositiven Vertragsrechts gilt, also nicht mit der zwingenden Wirkung nach § 4 Abs. 1 TVG. Eine solche war nach dem Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband Druck nicht mehr möglich.

Entgegen der (hilfsweisen) Auffassung des Klägers galt der MTV 1989 für das Arbeitsverhältnis nicht mehr. Richtig ist, dass dieser Tarifvertrag bis zum 31.12.1996 - und zwar mit bindender Wirkung - galt, weil jedenfalls die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt dem tarifschließenden Verband angehörte. Da es sich bei den einschlägigen Arbeitszeitnormen des MTV 1989 um Betriebsnormen Im Sinne des § 3 Abs. 2 TVG handelte, genügte die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers. Da dieser Tarifvertrag jedoch zum 31.12.1996 endete, reichte auch die Nachbindung der ausgetretenen Beklagten nicht weiter (§ 3 Abs. 3 TVG). Grundsätzlich schließt sich allerdings an die Nachbindung die Nachwirkung des § 4 Abs. 5 TVG an. Die Nachwirkung ihrerseits besitzt aber wiederum nur dispositiven Charakter, d.h. sie kann durch eine andere Regelung ersetzt werden. Die nun bestehende Konkurrenzsituation zwischen den jeweils nur dispositiv geltenden MTV 1989 und dem MTV 1997 ist eindeutig zugunsten des Letztgenannten zu lösen.

Zum einen lebt die ursprünglich durch den zwingend geltenden MTV 1989 verdrängte vertragliche Inbezugnahme des jeweiligen Manteltarifvertrages mit Wegfall der zwingenden Wirkung wieder auf (vgl. BAG vom 28.03.2000, DB 2001, 47). Der jeweilige Manteltarifvertrag ist aber ab 01.01.1997 der MTV 1997. Weiter gebührt auch nach dem allgemeinen Ordnungsprinzip bei Konkurrenzen auf derselben Normebene der zeitlich jüngsten Rechtsquelle der Vorrang. Schließlich kann auch der als Vertragsrecht geltende MTV 1997 als andere Abmachung in Bezug auf die bloße Nachwirkung des MTV 1989 bezeichnet werden (§ 4 Abs. 5 TVG).

Wie aus § 3 Ziff. 1, 5. Absatz des MTV 1997 unschwer ersichtlich ist, verstoßen die jetzt nur noch streitigen Früh- und Spätschichten an den Samstagen nicht gegen das zwischen den Parteien geltende Vertragsrecht.

Allerdings muss die von der Beklagten beanspruchte Arbeitszeitverteilung auch kollektivrechtlich wirksam geregelt sein, weil sie ansonsten nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung gegenüber dem dadurch belasteten Arbeitnehmer nicht rechtsverbindlich ist (vgl. BAG vom 03.05.1994, AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 m. w. Nachweisen). Vorliegend ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG einschlägig.

Durch die zum 01.01.1997 in Kraft gesetzte Betriebsvereinbarung (BV) ist dieses Mitbestimmungsrecht rechtswirksam vollzogen worden.

Die klägerischen Einwendungen gegen die Wirksamkeit der BV greifen nicht durch. Der Tarifvorrang aus § 77 Abs. 3 BetrVG ist nicht verletzt. Eine zwingende tarifliche Regelung besteht - wie oben gezeigt - nicht mehr. Dabei ist für die Beurteilung dieser Frage nach der Überzeugung der Berufungskammer der Zeitpunkt des Inkrafttretens der BV maßgeblich (so wohl auch BAG vom 21.09.1989, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG). Erst ab dem von den betrieblichen Normgebern gewählten Datum tritt die Norm in das Rechtsgeschehen der Normunterworfenen ein. Die BV wird zwar als privatrechtlicher Normenvertrag bezeichnet, in der Rechtswirkung steht jedoch der normative Charakter im Vordergrund. Der rechtsgeschäftliche Bezug ist hier nachrangig. Die Wirksamkeitsregeln über Rechtsgeschäfte oder Willenserklärungen passen deshalb hier nicht. Die Wirksamkeit der BV muss deshalb vom Zeitpunkt des Geltungsanspruchs im Rechtsverkehr her beantwortet werden. Dies ist jedoch eindeutig der 01.01.1997. Hier bestand keine zwingende tarifliche Regelung mehr.

Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch verdunkelt, dass die Betriebsparteien in der Präambel der BV noch § 3 Durchführungsbestimmung (4) MTV 1989 als Kompetenznorm aufgeführt haben. Diese Norm hat nach dem Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband zum 31.12. 1996 keine Wirkung mehr entfaltet. Ihre Nennung ist lediglich deklaratorischer Natur. Bestimmend ist allein, dass die Betriebspartner mit § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG eine hinreichende Ermächtigungsnorm für den Abschluss der BV bezeichnet haben.

Allerdings blockiert auch eine bloße Tarifüblichkeit die Betriebsvereinbarung. Dabei ist aber im Bereich der notwendigen Mitbestimmung der Spezialcharakter der Norm des § 87 Abs. 1 BetrVG zu beachten (vgl. BAG vom 03.12.1991, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Das kollektive Schutzinstrument der BV muss nur dort zurücktreten werden, wo eine zwingende tarifliche Regelung gilt. Die nicht ausgeübte Tarifautonomie bedarf hingegen keines vorauseilenden Schutzes.

Weiter ist die Ausübung des Mitbestimmungsrechtes des BR nicht durch § 87 Abs. 1, Eingangssatz BetrVG gehindert. Tarifliche Regelung bedeutet nämlich auch hier zwingende Wirkung, also mindestens Tarifbindung des Arbeitgebers, eine bloße Nachwirkung würde nicht genügen(BAG vom 24.02.1987, AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG).

Weiter folgt die Berufungskammer nicht dem Einwand des Klägers, wonach das Mitbestimmungsrecht des BR in der streitigen BV nicht hinreichend ausgeschöpft sei. Eine BV wäre sicher unwirksam, wenn sie sich darin erschöpfte, den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand ganz oder im wesentlichen der einseitigen Gestaltung durch den Arbeitgeber zuzuweisen (BAG v. 17.11.1998, AP Nr. 79 zu § 87 BetrVG Arbeitszeit). So liegen die Dinge hier aber nicht: Zwar gibt Ziff. 3. 3 der BV wegen der Vorholschichten für den Arbeitgeber einen relativ weiten Rahmen vor ("vorrangig in der Katalogsaison"), aber damit begnügt sich die Regelung nicht. Vielmehr wird sie in Ziff. 3. 4 weiter verfeinert und schreibt für feste Zeitabschnitte sogen. Arbeitseinsatzpläne vor, die ihrerseits mit dem BR zu vereinbaren sind. Eine besondere Form ist für diese Vereinbarungen nicht vorgesehen. Die Beklagte hat dazu ausgeführt, dass sie die Einsatzpläne ausnahmslos dem BR vorlegt und dieser sie entweder ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt. Darin wird zumindest eine auch formlos mögliche Regelungsabrede gesehen werden können, die zur Ausübung des Mitbestimmungsrechtes genügt (BAG vom 20.11.1990, AP Nr. 48 zu § 77 BetrVG 1972). Der zwischen den Betriebsparteien vereinbarte Rahmen ist also so hinreichend präzisiert, dass eine durchaus qualifizierte, inhaltlich gestaltete Mitbestimmung des BR zu konstatieren ist. Die vom Kläger behauptete einseitige Bestimmung durch den Arbeitgeber liegt nicht vor.

Für die Wirksamkeit der BV wäre es im Übrigen unbeachtlich, wenn die Beklagte - wie vom Kläger behauptet - im Einzelfall die Verpflichtung aus Ziff. 3.4 der BV missachten würde. Gegen einen solchen Verstoß im Einzelfall muss sich der jeweilige Betroffene kollektivrechtlich (BR) oder individualrechtlich (Arbeitnehmer) entsprechend wehren. Für die grundsätzliche Wirksamkeit der BV sind Vollzugsdefizite ohne Belang.

Schließlich ergibt die inhaltliche Bewertung der Ziff. 3.3. der BV, dass mit der Beschreibung "an sonst arbeitsfreien Werktagen" zweifelsfrei Samstage gemeint sind. Diese Auslegung erschließt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung in Verbindung mit der Teleologie. Sowohl der MTV 1989 wie auch der MTV 1997 schreiben den Grundsatz fest, dass die wöchentliche Arbeitszeit von Montag bis Freitag zu verteilen ist. Es ist davon auszugehen, dass sich die Betriebsparteien bei Abschluss der BV im weitesten Sinn im Kontext des einschlägigen Tarifwerkes bewegen wollten. Deshalb kann mit der Bezeichnung "sonst arbeitsfreier Werktag" nur der Samstag gemeint sein kann. Eine andere Auslegung, wonach die Regelarbeitszeit auf Montag bis Donnerstag zusammengedrängt sei, und deshalb auch der Freitag (als sonst arbeitsfrei) gemeint sein könne, erscheint künstlich und ist mit den tariflichen und betrieblichen Realitäten bei der Beklagten nicht in Übereinstimmung zu bringen. Es ergäbe sich also bei einer solchen Auslegung praktisch kein Anwendungsbereich für die Vorholschichten. Dies können die Betriebsparteien nicht gewollt haben.

Nach alledem zieht die Beklagte den Kläger berechtigt zu den Vorholschichten (als Früh- oder Spätschicht ohne Nachtschicht) an Samstagen heran. Der dies leugnende Klageanspruch besteht nicht. Das Rechtsmittel war auch mit dem geänderten Inhalt unbegründet.

Auf den Hilfsantrag (Unterlassung) war nicht einzugehen, weil die Berufungskammer die Zulässigkeit des Hauptantrages festgestellt hatte.

Der Kläger trägt die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels (§ 97 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO).

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht war für den Kläger wegen grundsätzlicher Bedeutung und möglicher Divergenz zu dem Urteil vom 06.11.2001 (6 Sa 592/00 LAG Nürnberg) zuzulassen (§ 72 Abs. 1 u. 2 Nr. 1 u. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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