Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 29.10.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 828/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 313 n.F.
1. Unterhält ein Unternehmen über Jahrzehnte hinweg für Arbeitnehmer aus einem bestimmten Gebiet einen kostenlosen Werksbusverkehr, so entsteht für die Arbeitnehmer aus betrieblicher Übung ein vertraglicher Anspruch.

2. Der so entstandene Anspruch auf kostenlosen Transport durch Werksbusse ist jedenfalls nicht betriebsvereinbarungsoffen geworden, wenn eine erst nach langen Jahren erstmals abgeschlossene Betriebsvereinbarung bei kollektiver Betrachtung nicht günstiger ist. Dabei kann offen bleiben, ob die Entscheidung des Großen Senats des BAG im Beschluss vom 16.09.1986 (Az. GS 1/82 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972), die sich auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage bezieht, auch auf Ansprüche aus einer betrieblichen Übung übertragen werden kann. Weiter kann dahinstehen, ob den erhobenen Bedenken gegen einen kollektiven Günstigkeitsvergleich (vgl. z.B. Richardi, BetrVG, 8. Aufl., § 77 Rz. 154 m.w.N.; BAG vom 28.03.2000, Az. 1 AZR 366/99 = AP Nr. 83 zu § 77 BetrVG) zu folgen wäre.

3. Bei einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB i.d.F. ab 01.01.2002 kann eine Vertragspartei grundsätzlich nur solche Vertragsanpassungen verlangen, die sich aus den Änderungen ergeben, wobei in diesen Fällen der Vorrang der Änderungskündigung als lex specialis nur dann nicht besteht, wenn der von der Störung betroffenen Partei das unveränderte Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann, weil das Festhalten an der ursprünglichen Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde.

4. Für die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs aus § 313 BGB n.F. oder eines Schadenersatzanspruchs wegen Unmöglichkeit der nachträglichen Leistung aus §§ 275 Abs. 1, 280, 283 BGB n.F. kann bei der Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO eine abstrakte Schadensberechnung erfolgen und hierbei auf steuerliche Regelungen zurückgegriffen werden.

5. Bei der Anpassung an die veränderten Umstände gem. § 313 BGB n.F. bei Einstellung eines Busverkehrs ist den betroffenen Arbeitnehmern, die einen Anspruch auf Entschädigung in Geld haben, unter Berücksichtigung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Kostenbelastung des Unternehmens grundsätzlich zuzumuten, auch Fahrgemeinschaften zu bilden.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 828/02

Verkündet am 29. Oktober 2004

in dem Rechtsstreit

wegen sonstiges

Die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Werner und die ehrenamtlichen Richter Mrugalla und Naumann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 05.02.2002, Az. 4 Ca 580/01 C, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3.945,57 (in Worten: Euro dreitausendneunhundertfünfundvierzig 57/100) nebst 5 % Punkten über dem Basiszins seit 01.09.2002 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Aufrechterhaltung der kostenlosen Beförderung des Klägers zur und von der Arbeitsstelle durch einen von der Beklagten lange Zeit durchgeführten Werksbusverkehr, der nunmehr eingestellt ist.

Der zum Zeitpunkt der Klageeinreichung am 14.05.2001 57jährige Kläger, wohnhaft in C..., wurde seit 21.12.1970 bei der Firma D... in deren Werk in E... beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging im Jahr 2000 auf die Beklagte über. Die Firma D... unterhielt seit Mitte der 1960er Jahre einen Busfahrdienst über private Busunternehmen, den der Kläger von Beginn des Arbeitsverhältnisses an nutzte. Am 01.07.1994 schlossen die Firma D... und der Betriebsrat folgende Betriebsvereinbarung:

Betriebsvereinbarung Nr. 10/94

Werkbusverkehr Raum F... - E...

1. Die Werkbuslinien, die den Mitarbeitern aus dem Frankenwaldgebiet für Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte zur Verfügung stehen, werden im bisherigen Umfang aufrechterhalten.

2. Die Kostenbelastung für das KLN wird in der gegenwärtigen Höhe eingefroren, d.h. dass die durch die Firma G... am 22.06.1994 bis 30.09.1995 zugesagten Preise von DM 600,--/Tag bzw. DM 217,50/Tag (für den Zubringerbus) auf Dauer durch die Firma bezahlt werden.

3. Kostenerhöhungen gehen zu Lasten der Busbenutzer. Einzelheiten der Kostenbeteiligung, insbesondere Fahrpreise, werden gemeinsam mit dem Betriebsrat gesondert festgelegt und den Mitarbeitern rechtzeitig vorher bekanntgegeben.

4. Vorstehende Regelung wird mit den Mitarbeitern, die den Bus benutzen, einzelvertraglich vereinbart.

Werkleitung Betriebsrat Auch nach der Betriebsvereinbarung vom 01.07.1994 leistete der Kläger keine eigenen Beiträge zum Transport durch den Werksbus.

Diese Betriebsvereinbarung wurde von der Beklagten zum 31.12.2000 gekündigt. Mit Schreiben vom 13.03.2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Betriebsvereinbarung sei zum 31.12.2000 gekündigt, aus rein sozialen Gründen habe sie einer Verlängerung des Busverkehrs bis 31.03.2001 zugestimmt. Während dieser Zeit sei mit dem Betriebsrat über verschiedene Übergangsmodelle verhandelt worden, jedoch ohne Ergebnis. Auf Veranlassung der Beklagten hin werde der Busverkehr noch einmal bis 30.04.2001 verlängert und dann eingestellt. Ab 01.05.2001 müsse der Kläger die Fahrten zur Arbeitsstätte und zurück selbst organisieren.

Seit 01.05.2001 fährt der Kläger mit dem privaten PKW und auf eigene Kosten zur Arbeitsstätte und von dort zurück nach Hause.

Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 30.04.2001 hinaus weiterhin die Benutzung des kostenlosen Werkbusverkehrs zwischen F... und E... zu gewähren.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und ausgeführt, es handle sich beim Werksbusverkehr um eine freiwillige Leistung, die sie in eigener Entscheidung habe einstellen können. Der Kläger sei seinerzeit lediglich über die Tatsache der freiwilligen Leistung "Busverkehr" informiert worden unter Erläuterung des Busfahrplans. Selbst wenn man von einer vertraglichen Bindung ausgehe, könne die Einstellung des Busverkehrs nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage geltend gemacht werden.

Das Arbeitsgericht hat mit dem am 05.02.2002 verkündeten Endurteil wie folgt entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf Euro 5.000,00 festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, die Klage sei unbegründet, da der Kläger sich weder auf eine Individualzusage stützen könne noch auf eine betriebliche Übung und auch nicht auf eine Gesamtzusage. Ein Rechtsbindungswille der Rechtsvorgängerin der Beklagten habe nicht vorgelegen. Dabei werde nicht verkannt, dass in Parallelverfahren von den dortigen Klägern ein vorgelegtes Zeitungsinserat der Firma D... im "H..." vom 22./23.12.1971 ausdrücklich laute: "Wenn Sie im Januar oder Februar 1972 bei uns anfangen wollen, sollten Sie sich schon jetzt bewerben ... Mitarbeiter aus dem Gebiet F... werden mit Werksomnibussen zum Arbeitsplatz gebracht". Anfang der 1970er Jahre hätte die Firma D... ohne den Busfahrdienst kaum Arbeitnehmer aus dem Frankenwald für das Werk E... gewinnen können. Zum damaligen Zeitpunkt habe keineswegs jeder Arbeitnehmer über einen eigenen PKW verfügt. Zudem habe damals noch Hochkonjunktur und damit Arbeitskräftemangel geherrscht und die innerdeutsche Grenze existiert. Die Verhältnisse hätten sich in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich gewandelt. Die Einstellung des Busfahrdienstes sei seit mehreren Jahren in der Diskussion gewesen, nicht zuletzt habe die Beklagte auch Abschlagszahlungen als Entschädigung angeboten. Selbst wenn eine Gesamtzusage vorliegen würde, so sei diese durch die Betriebsvereinbarung von 1994 abgelöst worden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei als betriebsvereinbarungsoffen anzusehen. Auch bei Sozialleistungen könne eine Ablösung der durch betriebliche Übung entstandenen Ansprüche durch eine umstrukturierende Betriebsvereinbarung erfolgen. Es sei maßgeblich, dass sich der vom Kläger in Anspruch genommene Busfahrdienst seit 1994 nach der Betriebsvereinbarung gerichtet habe. Die Beklagte habe deshalb den Busfahrdienst gemäß der Betriebsvereinbarung zum 31.12.2000 kündigen können bzw. einseitig bis 31.03.2001 und dann bis 30.04.2001 verlängern und danach einstellen können. Es sei nicht ersichtlich, dass die Betriebsvereinbarung - von der vertragsimmanenten Kündigungsmöglichkeit abgesehen - ungünstiger als die bis dahin erfolgte Handhabung gewesen sei.

Im Übrigen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

In der Berufung bringt der Kläger vor, das Arbeitsgericht habe eine einzelvertragliche Zusage verneint, ohne dem Beweisangebot des Klägers im Schriftsatz vom 24.08.2001 zu folgen, in dem er dargestellt habe, dass bei der Einstellung seinerzeit durch den Personalchef I... die Nutzung des kostenlosen Werksbusverkehrs zugesichert worden sei.

Das Arbeitsgericht verkenne auch den Rechtsbindungswillen der in den Zeitungsinseraten auf jeden Fall zu sehen sei. Die angesprochenen potentiellen Arbeitskräfte hätten das Inserat so verstehen müssen, dass bei einem Arbeitsantritt im Frühjahr des Jahres 1972 auf jeden Fall die kostenlose Beförderung zum Arbeitsplatz Inhalt des Arbeitsvertrages werden solle. Diese Zusage sei neben den Gehaltsvereinbarungen für den Kläger wesentlicher Inhalt des Arbeitsvertrages gewesen. Es sei unerheblich, wenn der kostenlose Transport sich nur auf eine bestimmte Region beschränkt habe. Arbeitszeit, Lohngruppe und auch der Transport zur Arbeitsstelle seien wesentliche Gesichtspunkte gewesen, die den Kläger bewogen hätten, die Arbeit bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin aufzunehmen. Auch hinsichtlich der Lohngruppe, die dem Kläger in Aussicht gestellt worden sei, hätte die Beklagte in der Folgezeit nicht sagen können, man wolle sich an der einmal gegebenen vertraglichen Zusage nicht mehr halten und kürze deshalb einseitig den Lohnanspruch ohne Zustimmung des Klägers. Auch hierzu hätte es einer Änderungskündigung bedurft. Ein Schriftformzwang für die Abfassung des Arbeitsvertrages habe nicht bestanden. Dem Kläger sei nicht nur einzelvertraglich die Zusage der kostenlosen Beförderung zum Arbeitsplatz gemacht worden, vielmehr ergebe sich der Anspruch auf Beförderung auch aus einer betrieblichen Übung. Ein Bindungswille der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin müsse bejaht werden, wenn zum Anwerben von Arbeitskräften Angebote gemacht würden, die die potentiellen Arbeitskräfte zum Eintritt bewegen sollten.

Eine Änderung der individuellen Zusage durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung sei nicht zulässig. Unterstellt, die Betriebsvereinbarung würde die arbeitsvertragliche Vereinbarung ersetzen, so gelte die Verdrängung nur so lange, wie die Betriebsvereinbarung selbst wirke. Mit der Kündigung der Betriebsvereinbarung durch die Beklagte erwachse der Anspruch auf kostenlose Beförderung wieder aus der vertraglichen Zusicherung, die bei der Einstellung gegeben worden sei. Außerdem könne die Betriebsvereinbarung für das Arbeitsverhältnis des Klägers keine Anwendung finden, da dieses nicht betriebsvereinbarungsoffen gewesen sei. Durch den ungünstigeren Inhalt wäre sie nur zulässig gewesen, wenn sich der Arbeitgeber einen Widerruf vorbehalten hätte oder wenn die Geschäftsgrundlage entfallen sei. Beides sei nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Klägers in der Berufung wird auf die Berufungsbegründung vom 02.09.2002 (Bl. 60 d.A.), die Schriftsätze vom 30.04.2004 (Bl. 130 d.A.), vom 14.07.2004 (Bl. 153 d.A.) sowie auf die Feststellungen in den Sitzungsniederschriften vom 18.11.2003 und vom 29.10.2004 Bezug genommen.

Der Kläger stellt in der Berufung folgende Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg vom 05.02.2002, Az.: 4 Ca 580/01 C, wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 30.04.2001 hinaus weiterhin die Benutzung des kostenlosen Werkbusverkehrs zwischen F... und E... zu gewähren.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 7.891,14 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung bzw. Klageerhöhung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Sie führt aus, die Beklagte bzw. die Firma D... habe zu keiner Zeit die Absicht gehabt, den Busverkehr im Rahmen einer verbindlichen vertraglichen Zusage zu gewähren, sondern als jederzeit widerrufliche freiwillige Infrastrukturleistung. Das Arbeitsgericht vergleiche zu Recht die angebotene Leistung mit sonstigen Infrastrukturleistungen, wie Kantine etc.. Vertragliche Zusagen seien immer direkt gegenüber dem Betroffenen in Schriftform erfolgt. Es habe lediglich eine informatorische Benachrichtigung gegeben, dass ein Bus führe, sowie man neue Mitarbeiter auch über die Kantinenzeiten oder sonstige Infrastruktur informiere. Der vom Kläger benannte Zeuge I... werde dafür benannt, dass eine Zusage auf dauerhafte Beförderung nicht gegeben worden sei. Dieser sei auch gar nicht ermächtigt gewesen, eine vertragliche Zusage zu machen.

Der Busverkehr habe durch die wirtschaftliche und technische Entwicklung jeden Sinn verloren. In den 60er und 70er Jahren habe kaum ein Arbeitnehmer über einen PKW verfügt. Nunmehr verfüge jeder Arbeitnehmer über einen PKW, auch sei der Ausbauzustand der Straßen ungleich besser geworden. Wenn man zugunsten des Klägers von einer vertraglichen Abrede ausginge, so berufe sich nun die Beklagte auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die umwälzende Veränderung durch die Massenmotorisierung mache ein Festhalten an der behaupteten Abrede unzumutbar. Dies auch unter dem Aspekt, dass nur ein verschwindender Bruchteil der Beschäftigten überhaupt den Bus genutzt habe und eine Änderungskündigung nicht möglich wäre. Der Kläger fordere letztlich eine Ewigkeitsgarantie für die Infrastrukturleistung, die sich dann auch noch auf deutlich weniger als 10 % der Belegschaft beziehe. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass die Beklagte aus rein sozialen Gründen den Busverkehr erst zum 30.04.2001 habe auslaufen lassen und den Klägern zudem einen Abfindungstopf von ca. DM 150.000,00 zur Verteilung angeboten habe.

Der Fahrdienst sei auch nicht im Rahmen einer Gesamtzusage oder betrieblichen Übung eingerichtet worden. Selbst wenn man von einer betrieblichen Übung oder Gesamtzusage ausgehen würde, ergäbe sich der Klageanspruch nicht. Die Beklagte habe durch die veröffentlichte und ausgehängte Protokollnotiz vom 06.08.1998 deutlich gemacht, dass der Busverkehr jederzeit nach dem 05.08.1999 widerruflich sein solle. Schließlich ergebe sich ein Widerrufsvorbehalt aus dem Sinn und Zweck der Infrastrukturleistung Busdienst. Sinn und Zweck sei es gewesen, schlechte Wegeverhältnisse und minimale Individualmotorisierung zu kompensieren. Zudem sei beachtlich, dass es bei den wohl vom Kläger angesprochenen Grundsätzen zur ablösenden Betriebsvereinbarung um Entgeltzahlungen gehe. Bei Entgeltleistungen sei rein systembedingt ausgeschlossen, dass schlichte Infrastruktur angeboten werde, weshalb entsprechende Entscheidungen des BAG für diesen Fall mit der entsprechenden Zurückhaltung zu würdigen seien. Wenn man unterstelle, dass von einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung auszugehen sei, so gelte, dass auch derzeit noch durch das BAG vom Grundsatz her betriebsvereinbarungsoffene Zusagen anerkannt würden (Bundesarbeitsgericht, 8 AZR 316/81, AP Nr. 25 zu § 77 BetrVG). Bereits zu Beginn der 1970er Jahre habe das BAG die Ablösungstheorie entwickelt, nach der Gesamtzusagen durch Betriebsvereinbarungen abgelöst werden könnten (BAG AP Nr. 142 zu § 242 BGB). Erst im Jahre 1986 sei die Rechtsprechung durch die Entscheidung des Großen Senats hin zur Theorie vom kollektiven Günstigkeitsprinzip verändert worden (GS, Beschluss vom 16.09.1986). In dieser Entscheidung definiere das BAG den vorliegenden Fall als einen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Auch nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats vom 16.09.1986 sei eine etwaige Gesamtzusage oder betriebliche Übung durch eine Betriebsvereinbarung ablösbar gewesen. In der Entscheidung vom 27.03.2002, Az. 2 AZR 74/02 sehe das BAG ein Berufen des Arbeitgebers auf veränderte Umstände als Berufen auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage an.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beklagten in der Berufung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 14.09.2002 (Bl. 67 d.A.), 27.10.2003 (Bl. 88 d.A.), 02.12.2003 (Bl. 100 d.A.), 21.06.2003 (Bl. 150 d.A.), 26.10.2004 (Bl. 163 d.A.) sowie die Feststellungen in den Sitzungsniederschriften vom 18.11.2003 und 29.10.2004 verwiesen.

Zu Beginn des Berufungsverfahrens waren außer dem streitgegenständlichen Verfahren noch 22 weitere parallel gelagerte Berufungen anhängig. Mit Zustimmung der Prozessbevollmächtigten der jeweiligen Kläger wurden mit Beschluss vom 27.11.2002 alle 23 Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Bl. 73 bis 75 d.A.). Im Termin vom 12.12.2002 wurden die verbundenen Verfahren wieder abgetrennt und einzeln fortgeführt. Auf Anregung des Gerichts hat die Beklagte allen 23 Klägern jeweils einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der von 21 Klägern auch angenommen wurde. Es verblieb das streitgegenständliche Verfahren und das Verfahren J... gegen Firma B..., Az. 2 Sa 819/02. Der Akteninhalt der Parallelverfahren wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Die Beklagte hat zwischenzeitlich vorsorglich eine Änderungskündigung zum 31.12.2003 ausgesprochen. Die dagegen gerichtete Klage ist derzeit beim Arbeitsgericht Bamberg anhängig.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.

A) Die vorsorgliche Änderungskündigung der Beklagten zum 31.12.2003 erforderte keine Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit gemäß § 148 ZPO. Dies gilt für beide in der Berufung gestellten Anträge.

Für den Zahlungsantrag ergibt sich dies bereits daraus, dass dieser auf die Jahre 2001, 2002 und 2003 beschränkt ist, was sich sowohl aus dem Schriftsatz des Klägers vom 30.04.2004 als aus den in der Sitzungsniederschrift vom 29.10.2004 festgestellten ergänzenden Erklärungen der Parteivertreter ergibt. Der Antrag, dem Kläger über den 30.04.2001 hinaus weiterhin die Benutzung des Busverkehrs zu gewähren, ist dahin auszulegen, dass im Hinblick auf die vor dem Arbeitsgericht Bamberg anhängige Änderungskündigungsschutzklage im streitgegenständlichen Verfahren nur für den Zeitraum bis 31.12.2003 entschieden werden soll. Unabhängig von der Entscheidung über die Änderungskündigungsschutzklage, die einen anderen Streitgegenstand hat, ergibt sich, dass der Antrag auf Weitergewährung des kostenlosen Busverkehrs unbegründet ist, wie sich aus den Ausführungen unter B) ergibt.

B) Zum Antrag, dem Kläger über den 30.04.2001 hinaus weiterhin die Benutzung des kostenlosen Werksbusverkehrs zwischen F... und E... zu gewähren:

Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien finden bis 31.12.2002 die Vorschriften des alten Schuldrechts Anwendung und ab 01.01.2003 das neue Recht der Leistungsstörungen, da das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis vor dem 01.01.2002 begründet wurde (vgl. Palandt, BGB, 63. Aufl., Vorbem. vor § 275 Rz. 25).

Für die Zeit ab 30.04.2001 bis 31.12.2003 kann die geforderte Leistung, nämlich die Teilnahme des Klägers am kostenlosen Busverkehr, nicht mehr bewirkt werden. Es liegt objektive Unmöglichkeit vor, so dass insoweit lediglich Schadenersatzansprüche in Betracht kommen, unabhängig davon, dass bis 31.12.2002 altes Schuldrecht und ab 01.01.2003 das neue Recht der Leistungsstörungen zur Anwendung kommt. Für die Zeit bis 31.12.2003 ist somit der Antrag, die Benutzung des kostenlosen Werksbusverkehrs weiterhin zu gewähren, wegen Unmöglichkeit unbegründet.

Nach dem Wortlaut bezieht sich der Antrag auf Weitergewährung des kostenlosen Busverkehrs auf die Zukunft ohne zeitliche Begrenzung. Er ist jedoch nach den Grundsätzen der Auslegung einer Prozesserklärung, die der BGH aufgestellt hat, auch so auszulegen, dass im streitgegenständlichen Verfahren für die Zeit bis 31.12.2003 entschieden werden sollte. Bei der Auslegung von Prozesshandlungen ist im Rahmen des Auslegungsvorgangs zunächst auf den Wortlaut der Erklärungen abzustellen, jedoch darf eine Prozesspartei nicht unter allen Umständen am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden, vielmehr ist zu ihren Gunsten stets davon auszugehen, dass sie im Zweifel mit ihrer Prozesshandlung das bezweckt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BHG vom 13.07.2000, Az. IX ZR 131/99 unter II. der Gründe unter Bezugnahme auf BGH, NJW RR 1995, 1183, NJW 2000, Seite 3216). Dabei ist einzubeziehen, dass das Änderungskündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Bamberg angesprochen wurde und auch die Frage, ob teilweise eine Doppelrechtshängigkeit gegeben sei, erörtert wurde. Weiter haben die Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2004 zu Protokoll unstreitig gestellt, dass die ausgesprochene Änderungskündigung keine Wirkungen vor dem 31.12.2003 zeigt. Nach den dargestellten Auslegungsgrundsätzen ist somit davon auszugehen, dass der Antrag zur Weitergewährung des kostenlosen Busverkehrs im streitgegenständlichen Verfahren auch nur bis zum 31.12.2003 entschieden werden sollte.

Selbst wenn dies nicht so wäre, wäre der geltend gemachte Anspruch als Erfüllungsanspruch unbegründet wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB in der Fassung ab 01.01.2002). Wie sich aus der Betriebsvereinbarung vom 01.07.1994 ergibt, betrugen die täglichen Kosten für den Busverkehr pro Tag auf DM 600,00 für die Hauptlinie und DM 217,50 für den Zubringerbus. Da alle Rechtsstreitigkeiten bis auf 2 erledigt sind und nur noch der Kläger und ein weiterer Arbeitskollege die Weitergewährung des Busverkehrs verlangen, haben sich die Umstände, die zur Grundlage des ursprünglichen Vertragsinhalts geworden sind, zwischenzeitlich so schwerwiegend verändert, dass von der Beklagten eine Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB verlangt werden kann. Die Vertragsanpassung kann nicht dazu führen, dass zur Beförderung von 2 Arbeitnehmern ein Werksbusverkehr aufrechterhalten wird. Hinsichtlich der unverhältnismäßig hohen Aufwendungen ist zu berücksichtigen, dass infolge der allgemeinen Preisentwicklung und der Kostensteigerung für Kraftstoffe die 1994 zugrunde gelegten Tagessätze von DM 600,00 pro Tag für die Hauptlinie und DM 217,50 pro Tag für den Zubringerbus nicht mehr gelten, sondern sich erheblich verteuert haben. Eine Änderung oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage führt allerdings nur dazu, dass eine Vertragspartei solche Vertragsanpassungen verlangen kann, die sich aus den Änderungen ergeben, was nicht nur für die Tatbestands-, sondern auch für die Rechtsfolgeseite Bedeutung hat (BAG vom 18.02.2003, Az. 9 AZR 136/02 unter I. c) bb (2) der Gründe mit Hinweis auf Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 313 Rdnr. 29). Die Anpassung darf in die Vereinbarung der Parteien deshalb nicht mehr eingreifen, als es durch die veränderten Umstände geboten ist. Die Anpassung für den im streitgegenständlichen Verfahren zu entscheidenden Zeitraum bis 31.12.2003 führt dazu, dass die Beklagte dem Kläger eine finanzielle Entschädigung für die Einstellung des Busverkehrs schuldet (hierzu unter C).

C) Zum Zahlungsanspruch:

Der Kläger hat einen Anspruch auf Entschädigung in Geld für die Einstellung des kostenlosen Busverkehrs, da

- ein vertraglicher Anspruch aus betrieblicher Übung entstanden war (I.),

- dieser vertragliche Anspruch nicht durch die Betriebsvereinbarung vom 01.07.1994 abgelöst wurde und nicht durch die nachfolgende Kündigung der Betriebsvereinbarung gänzlich entfiel (II.),

- der vertraglich entstandene Anspruch auch nicht durch den Aushang der Protokollnotiz vom 06.08.1998 beseitigt oder zeitlich begrenzt wurde (III.).

I.

Das Arbeitsgericht hat das Entstehen einer betrieblichen Übung abgelehnt, weil es angenommen hat, der Arbeitgeber habe lediglich auf eine Transportmöglichkeit ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen hingewiesen. Auf einen rechtsgeschäftlichen Bindungswillen des Arbeitgebers kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht an (vgl. BAG vom 28.03.2000, Az. 1 AZR 366/99 = AP Nr. 83 zu § 77 BetrVG; BAG vom 18.09.2002, 1 AZR 477/01; vom 28.07.2004, 10 AZR 19/04). Unter einer betrieblichen Übung wird danach die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitsgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Arbeitnehmer die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Will der Arbeitgeber verhindern, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. In welcher Form dies geschieht, ist nicht entscheidend. Erforderlich ist jedoch, dass der Vorbehalt klar und unmissverständlich kundgetan wird (BAG vom 28.03.2000 unter I. 1. der Gründe). Bereits nach den Umständen, soweit sie unstreitig sind, ergibt sich, dass der Kläger und die übrigen Arbeitnehmer aus dem Raum F... das Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten so verstehen konnten und mussten, dass die kostenlose Beförderung der Arbeitnehmer aus dem Frankenwald auf Dauer durchgeführt werde. Unstreitig hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten und später die Beklagte über viele Jahre hinweg (beim Kläger bereits drei Jahrzehnte) den Busfahrdienst für alle Arbeitnehmer aus dem Raum F... angeboten und durchgeführt und sogar Reisekosten erstattet, wenn die Teilnahme am Busverkehr für Wochenendzeiten nicht möglich war. Die Beklagte will dies auch nicht bestreiten, wie sich aus ihrem Vortrag in einem Parallelverfahren ergibt. Im Parallelverfahren 2 Sa 819/02, das zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde und zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit sämtlichen in der Berufung anhängig gewesenen Verfahren verbunden war, hat die Beklagte im Schriftsatz vom 27.06.2002 (dort Bl. 96, 97 d.A.) vorgetragen, es sei auch völlig irrelevant, ob der Kläger oder Dritte für Wochenendzeiten Fahrgeld bekommen hätten. Zudem sei sofort mit der Einstellung des Busverkehrs auch die Zahlung des Fahrgeldes eingestellt worden. Unstreitig ist weiter, dass die Arbeitnehmer aus dem Raum F... bei der Einstellung auf die Möglichkeit der Teilnahme am Busverkehr hingewiesen wurden und zumindest in der vorgelegten Zeitungsanzeige mit dem kostenlosen Bustransfer geworben wurde. Diese jahrzehntelange Verhaltensweise der Rechtsvorgängerin der Beklagten, allen Arbeitnehmern aus dem Raum F... die kostenlose Beförderung zu gewähren, konnten die Arbeitnehmer aus dem Raum F... gerade im Hinblick auf die jahrzehntelange Übung nur so verstehen, dass diese Leistung auf Dauer gewährt werde. Die betriebliche Übung war damit schon entstanden vor der Betriebsvereinbarung vom 01.07.1994 und vor dem Aushang der Protokollnotiz vom 06.08.1998. Mit diesem Vertragsinhalt ist das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte durch Betriebsübernahme übergegangen.

Einen Vorbehalt hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht erklärt. Es ist zwar unerheblich, in welcher Form ein Vorbehalt erklärt wird, erforderlich ist jedoch, dass der Vorbehalt klar und unmissverständlich kundgetan wird (BAG vom 28.03.2000, a.a.O.). Selbst eine Bezeichnung einer Jubiläumszuwendung als "freiwillige Sozialleistung" lässt in der Regel nicht den Schluss zu, die Zusage stehe unter einem Widerrufsvorbehalt (BAG vom 23.10.2002). Ebenso hat das BAG entschieden, dass ein Arbeitgeber mit der Erklärung, er gewähre "eine freiwillige soziale Leistung, aus der für die Zukunft keine Rechtsansprüche hergeleitet werden können" Ansprüche auf Urlaubsgeld, die bereits anderweitig vertraglich entstanden seien, nicht nachträglich einschränken könne. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat weder auf eine Freiwilligkeit hingewiesen noch irgendeinen Vorbehalt erklärt, vielmehr gleich bleibend über viele Jahre hinweg den kostenlosen Bustransfer gewährt. Der so durch betriebliche Übung entstandene Anspruch des Klägers auf kostenlose Beförderung konnte von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der Firma D... nicht einseitig entzogen werden.

II.

Der durch betriebliche Übung entstandene Anspruch des Klägers auf kostenlose Beförderung wurde nicht durch die Betriebsvereinbarung vom 01.07.1994 abgelöst.

1. Das BAG hat durch den Großen Senat im Beschluss vom 16.09.1986 Az. GS 1/82 (AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972) und den Beschluss vom 21.09.1989, 1 AZR 454/88 (AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972) entschieden, dass vertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer auf Sozialleistungen, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen, durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in den Grenzen von Recht und Billigkeit beschränkt werden können, wenn die Neuregelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger ist.

Ob im Streitfall durch die Gewährung des kostenlosen Transports zur Arbeitsstelle und zurück eine Sozialleistung vorliegt, erscheint zumindest zweifelhaft. Das BAG hat in der Entscheidung vom 27.03.2003, 2 AZR 74/02 in einem Fall der Einstellung eines Busverkehrs entschieden, dass Änderungskündigungen zur Anpassung vertraglicher Nebenabreden (z.B. kostenlose Beförderung zum Betriebssitz, Fahrtkostenzuschuss, Mietzuschuss) nicht den gleichen strengen Maßstäben wie Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung unterliegen. Es hat im angezogenen Fall zunächst ausgeführt, dem Landesarbeitsgericht sei einzuräumen, dass derartige Sonderregelungen aus Sicht des Arbeitnehmers stets einen gewissen Entgeltbezug hätten, dies rechtfertige es jedoch noch nicht, auf Änderungskündigungen, mit denen der Arbeitgeber derartige Nebenabreden zum Arbeitsvertrag geänderten Umständen anpassen wolle, stets die Grundsätze anzuwenden, die zur Entgeltkürzung durch betriebsbedingte Änderungskündigungen aufgestellt worden seien. Im angezogenen Fall stellt das BAG sodann konkret dar, dass nur ein gewisser Entgeltbezug zur Einstellung des Busverkehrs bestanden habe. Die Beklagte habe den Transport der Klägerin zur Betriebsstätte bisher auf ihre Kosten übernommen und wolle nunmehr der Klägerin die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln bezahlen, so dass sich das Entgelt der Klägerin für die geleistete Arbeit zumindest bis zur nächsten Tariflohnerhöhung nicht ändere. Auch die Wegezeit verlängere sich nicht einmal spürbar, wenn man dem Vorbringen der Beklagten folge. Im Streitfall hat die Beklagte den Busverkehr eingestellt, ohne eine Fahrtkostenerstattung oder einen Fahrtkostenzuschuss anzubieten. Im Hinblick auf die Entfernung des Wohnorts des Klägers zum Arbeitsort fallen erhebliche monatliche Kosten an. Es ist nachvollziehbar, dass die Entscheidung des Klägers, bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zu begründen, wesentlich auch von der Gewährung des kostenlosen Bustransports abhing und nicht nur einen Randbereich der vertraglichen Beziehungen darstellte. Abzustellen ist, wie das BAG in der angezogenen Entscheidung weiter ausgeführt hat, auf den ursprünglichen Vertragsinhalt. Es spricht mehr dafür, dass die Gewährung des kostenlosen Busverkehrs eine zusätzliche Naturalvergütung darstellte, ähnlich wie die private Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens von der Rechtsprechung des BAG als Naturalvergütung bewertet wird (vgl. ErfK-Preis, 5. Aufl. 230, § 611 BGB, Rz. 658). Eine Sozialleistung ist deshalb im Ergebnis nicht anzunehmen.

2. Selbst wenn eine Sozialleistung anzunehmen wäre, wäre die durch vertragliche Übung begründete Verpflichtung der Beklagten zum kostenlosen Transport nicht durch die Betriebsvereinbarung vom 01.07.1994 abgelöst worden. Auch nach den Entscheidungen des BAG vom 16.09.1986 und vom 21.09.1989 (a.a.O.) wäre eine Ablösung durch die Betriebsvereinbarung zu verneinen. Zunächst beziehen sich die beiden genannten Entscheidungen auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage und nicht auch ausdrücklich auf eine betriebliche Übung. Dies kann letztlich jedoch dahinstehen, da das BAG in den genannten Entscheidungen verlangt, dass die Neuregelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger ist. Abgesehen davon, dass gegen einen kollektiven Günstigkeitsvergleich Bedenken erhoben werden, weil das Günstigkeitsprinzip in sein Gegenteil verkehrt werde (Richardi, BetrVG, 8. Aufl., § 77 Rz. 154 m.w.N.) und auch der 1. Senat in der Entscheidung vom 28.03.2000, a.a.O., die Frage aufwirft, ob der sich aus der Entscheidung des Großen Senats ergebenden Konsequenz zu folgen sei, dass bei Ablösung des vertraglichen Anspruchs und späterer (freier) Kündigung der Betriebsvereinbarung der Arbeitnehmer überhaupt keinen Anspruch mehr habe, scheidet eine Ablösung des durch betriebliche Übung entstandenen Anspruchs des Klägers schon deshalb aus, weil ein anzustellender kollektiver Günstigkeitsvergleich dazu führt, dass die Betriebsvereinbarung insgesamt nicht günstiger ist als die durch betriebliche Übung entstandenen vertraglichen Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer. Dies folgt bereits daraus, dass nach der Betriebsvereinbarung vom 01.07.1994 die Aufwendungen der Beklagten für die Unterhaltung des Werksbusverkehrs eingefroren werden sollten, nämlich auf die von der Firma G... zugesagten Preise bis 30.09.1995. Kostenerhöhungen sollten dann zu Lasten der Busbenutzer gehen, mit denen eine einzelvertragliche Regelung geschlossen werden sollte. Vor der Betriebsvereinbarung vom 01.07.1994 hatten die Rechtsvorgängerin der Beklagten und auch die Beklagte den Bustransfer kostenlos und ohne Hinweis auf eine Begrenzung der Höhe der Aufwendungen durchgeführt. Damit liegen die Voraussetzungen einer ablösenden Betriebsvereinbarung nach den zitierten Entscheidungen vom 16.09.1986, GS 1/82 und vom 21.09.1989, 1 AZR 454/88 nicht vor, da die Betriebsvereinbarung nicht günstiger ist als die bisherige betriebliche Übung.

III.

Auch durch den Aushang der Protokollnotiz vom 06.08.1998 entfiel der durch betriebliche Übung entstandene Anspruch des Klägers auf kostenlosen Werksbustransfer nicht. Ein Arbeitgeber kann bereits eingegangene Verpflichtungen nur durch einen Widerruf beseitigen, wenn diese Leistungen bereits unter einem Widerrufsvorbehalt standen (vgl. BAG vom 21.01.2003, 9 AZR 546/01 unter Hinweis auf BAG vom 23.10.2002, 10 AZR 48/02). Einen Vorbehalt hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht erklärt, weshalb - wie oben ausgeführt - die betriebliche Übung entstanden war.

IV.

Da die Verpflichtung der Beklagten zum kostenlosen Bustransfer jedenfalls bis zum 31.12.2003 nicht entfallen war, ihr aber das unveränderte Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann (Einsatz eines Werksbusses für 2 Personen), konnte sie eine Anpassung ihrer vertraglichen Verpflichtung an die geänderten Umstände verlangen und hat deshalb anstelle des kostenlosen Bustransfers eine finanzielle Entschädigung zu zahlen. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber nur eine Änderungskündigung aussprechen, wenn durch veränderte Umstände eine Änderung der Arbeitsbedingungen erforderlich wird (BAG vom 16.05.2002, 2 AZR 292/01), weil das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage keinen selbständigen Änderungsgrund darstellt, vielmehr das Kündigungsrecht lex specialis ist. Rechte wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben sich allerdings dann, wenn der von der Störung betroffenen Partei das unveränderte Festhalten an dem Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dabei wird der Wegfall der Geschäftsgrundlage rechtlich nur dann erheblich, wenn und soweit das Festhalten an der ursprünglichen Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde (BAG vom 25.09.2002, 4 AZR 294/01 = NZA 2003, Seite 807 ff. unter Hinweis auf BAG vom 28.06.2000 = NZA 2000, 1097). Diese Voraussetzung ist jedenfalls zwischenzeitlich eingetreten, da nur noch 2 Arbeitnehmer die Aufrechterhaltung des kostenlosen Bustransfers verlangen.

Für die Zeit ab 01.05.2001, als noch 23 Kläger die Weitergewährung des kostenlosen Bustransfers verlangten und deshalb nach den dargestellten Grundsätzen der Vorrang der Änderungskündigung vor dem Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestand, hat die Beklagte wegen von ihr zu vertretender Unmöglichkeit der nachträglichen Leistungsgewährung gemäß § 280 Abs. 1 BGB a.F. Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu leisten. Für die Zeit ab 01.01.2002, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts der Leistungsstörungen, ergibt sich die Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz wegen Unmöglichkeit der nachträglichen Gewährung des Busverkehrs aus §§ 275 Abs. 1, 280, 283 BGB n.F..

In der Zeit zwischen dem Verhandlungstermin vom 12.12.2002 und dem weiteren Verhandlungstermin vom 18.11.2003 haben 21 Kläger sich mit der Beklagten durch Vergleich geeinigt, so dass spätestens im November 2003 die Beklagte sich gemäß § 313 Abs. 1 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage auf die Anpassung ihrer bisherigen Verpflichtung zur Gewährung des kostenlosen Busverkehrs berufen konnte. Dies führte allerdings nicht zum völligen Wegfall ihrer Verpflichtung, sondern lediglich zu einer Anpassung mit dem Ergebnis, dass jedenfalls bis zum Termin der vorsorglichen Änderungskündigung (31.12.2003) eine Verpflichtung der Beklagten zu einem finanziellen Ausgleich wegen Wegfalls des kostenlosen Bustransfers weiter bestand.

Bezüglich der Berechnung des vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruchs haben die Parteien unstreitig gestellt, dass dem Kläger für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum 01.05.2001 bis 31.12.2003 Steuervergütungen aus Werbungskosten (Fahrtkosten) in Höhe von EUR 1.500,-- zugeflossen sind. Unstreitig gestellt hat die Beklagte im Termin vom 29.10.2004, dass der Kläger mit dem eigenen PKW im Jahr 2001 an 149 Tagen und im Jahr 2002 an 167 Tagen gefahren ist. Für das Jahr 2003 hat der Kläger angegeben, an insgesamt 211 Tagen gefahren zu sein und hat sich hierbei auf die in Kopie beigefügten Listen der Zeitnachweise gestützt. Dieser Aufstellung mit den 211 Arbeitstagen im Jahr 2003 ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Die Beklagte hat dem Kläger jedoch entgegengehalten, er hätte eine Fahrgemein­schaft bilden müssen. Die vom Kläger angegebene einfache Entfernung von 33 km hat die Beklagte nicht bestritten.

Für die Berechnung ist somit davon auszugehen, dass der Kläger für das Jahr 2001 Fahrtkosten für 149 Tage, für das Jahr 2002 für 167 Tage und für das Jahr 2003 für 211 Tage als Schadenersatz verlangen kann. Die Ermittlung der tatsächlich angefallenen Kosten wäre mit einem unverhältnismäßigen Aufwand im Sinn des § 287 Abs. 2 ZPO verbunden. Bei der entsprechenden Anwendung der Vorschrift des § 287 Abs. 1 gemäß § 287 Abs. 2 ZPO kann bei der Ausübung des dem Gericht zugebilligten Ermessens zwischen abstrakter und konkreter Schadensberechnung gewählt werden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 287 Rz. 7 m.w.N.). Steuerliche Regelungen hat das BAG auch bei der Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis als geeignete Anhaltspunkte angesehen (vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 40 BetrVG). Die Berufungskammer stellt deshalb auf die steuerlich anerkannte Kilometerpauschale von DM 0,58 im Jahr 2001 = EUR 0,27 ab, die der Kläger auch für die Jahre 2002 und 2003 verlangt. Der Kläger erkennt weiter an, dass ihm die zugeflossenen Steuervergütungen in Abzug zu bringen sind und verlangt nach Abzug der steuerlichen Erstattungsbeträge noch den Betrag von EUR 7.891,14 als Entschädigung, wobei er nicht die einfache Wegstrecke von 33 km zugrunde legt, sondern die Rückfahrt hinzurechnet und somit 66 km ansetzt. Bei Dienstreisen kann zwar die Kilometerpauschale für jeden Kilometer angesetzt werden (vgl. Thomas in Küttner, Personalbuch 2002, Nr. 141 "Dienstreise" Rz. 42). Der Einwand der Beklagten, der Kläger hätte eine Fahrgemeinschaft bilden können, ist jedoch beachtlich, führt aber nicht zum völligen Wegfall des Anspruchs auf Schadenersatz. Der Kläger ist zwar nicht rechtlich verpflichtet, sich einer Fahrgemeinschaft anzuschließen oder eine solche zu bilden, andererseits ist zu berücksichtigen, dass bei der aufgrund der veränderten Umstände erforderlichen Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage diese veränderten Umstände zu berücksichtigen sind und auch die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin nur eine Gemeinschaftsbeförderung angeboten hatten. Bei einer Änderung oder einem Wegfall der Geschäftsgrundlage kann eine Vertragspartei nur solche Vertragsanpassungen verlangen, die sich aus den Änderungen ergeben, was nicht nur für die Tatbestands-, sondern auch für die Rechtsfolgeseite Bedeutung hat (BAG vom 18.02.2003, Az. 9 AZR 136/02). Das bedeutet für die Beklagte, dass sie die bisherige Leistung des kostenlosen Bustransfers nicht mit der Folge einstellen konnte, dass sie von jeglicher Verpflichtung frei wird und der Kläger nur dann einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung hat, wenn er sich einer Fahrgemeinschaft anschließt. Anpassung an die geänderten Umstände bedeutet nämlich nicht einen völligen Entfall der bisherigen Verpflichtung. Inwieweit durch die Änderungskündigung die bisherige Verpflichtung der Beklagten weiter gemindert wird oder ganz entfällt, ist in der Änderungskündigungsschutzklage zu entscheiden. Im Streitfall ergeben sich aus der Anpassung an die geänderten Umstände auch für den Kläger Folgen, insbesondere Pflichten der Rücksichtnahme auf die Kostenbelastung der Beklagten. Der Hinweis des Klägers auf die winterlichen Straßenverhältnisse im Frankenwald, mit der er die Nichtteilnahme an einer Fahrgemeinschaft begründet, sind für sich allein noch nicht ausreichend, um einen Beitrag des Klägers zur Geringhaltung der Kostenbelastung der Beklagten auszuschließen. Dabei ist auch darauf zu verweisen, dass die übrigen Kollegen aus dem Frankenwald Fahrgemeinschaften gebildet haben. Die grundsätzliche Zumutbarkeit der Bildung einer Fahrgemeinschaft ergibt sich auch aus der steuerrechtlichen Privilegierung von Fahrgemeinschaften. Angemessen erscheint es deshalb, dem Kläger die Hälfte des nach Abzug der Steuervergütung verbleibenden Betrags von EUR 7.891,14 zuzusprechen, so dass sich eine Forderung des Klägers in Höhe von EUR 3.945,57 ergibt.

Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB unter Zugrundelegung eines mittleren Fälligkeitszeitpunkts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Gegen dieses Urteil ist die Revision nicht zugelassen (§ 72 ArbGG). Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen (§ 72 a ArbGG).

Ende der Entscheidung

Zurück