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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 12.11.2008
Aktenzeichen: 4 Sa 300/07
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 305
BGB § 305 c
BGB § 307
BetrVG § 37
BetrVG § 38
Schließen zwei Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber einen gemeinsamen Arbeitsvertrag (hier: H...e...), stehen dem weiterhin tätigen Arbeitnehmer nach erfolgter Wahl des Vertragspartners in den Betriebsrat und völliger Freistellung gemäß § 38 BetrVG für seine nunmehr alleinverantwortliche Tätigkeit die vollen diesbezüglichen Zusatzzahlungen (Alleinverantwortlichenzuschlag, Erfolgsbeteiligung) zu. Durch die Weitergewährung der hälftigen Zusatzzahlungen an den freigestellten Vertragspartner i.R.d. §§ 38 Abs. 3, 37 Abs. 4 BetrVG wird sein Vergütungsanspruch nicht gemindert.
Landesarbeitsgericht Nürnberg Im Namen des Volkes URTEIL

4 Sa 300/07

Verkündet am: 12.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth und die ehrenamtlichen Richter Hess und Roth

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth - Kammer Hof - vom 21.03.2007, Az.: 3 Ca 1341/06 H, abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 6.623,88 brutto zu bezahlen und Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2006. Hinsichtlich der überschießenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Zahlung einer restlichen Erfolgsbeteiligung.

Die am 05.08.1953 geborene Klägerin ist bei dem Beklagten seit dem 01.03.1974 beschäftigt. Sie übernahm ab dem Jahr 1980 die Leitung der J... P.... Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmt sich ab dem 01.10.1991 nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 17.10./02.11.1991 (Kopie Bl. 16 - 25 d.A.), den die Klägerin und ihr damaliger Ehemann H... B... gemeinsam als "H...e..." mit dem Beklagten abgeschlossen haben. In § 8 Abs. 2 des Vertrages wird auf die bei dem Beklagten geltenden Vergütungsrichtlinien (Kopie Bl. 8 - 13 d.A.) verwiesen. Nach Ziffer 1 dieser Richtlinien setzt sich die Vergütung zusammen aus einem Grundgehalt, einem Zuschlag je nach Bettenauslastung, einem Alleinverantwortlichenzuschlag, einer Erfolgsbeteiligung, jährlichen Sonderzahlungen und vermögenswirksamen Leistungen.

Die Ziffer 7 der Richtlinien hat folgenden Inhalt:

Die Erfolgsbeteiligung I und II nach 2.1 und 2.2 werden in monatlichen Teilbeträgen zu jeweils 1/12 des Gesamtbetrages ausgezahlt und verteilen sich je zur Hälfte auf Hm... und Hv.... Andere Aufteilungen sind innerhalb der betreffenden Landesverbände zu regeln.

Die alleinverantwortliche Hm... und der alleinverantwortliche Hv... erhalten die Erfolgensbeteiligung nach I und II allein.

Infolge einer längeren Erkrankung eines H...e...teiles erhält der arbeitsfähige H...e...teil von Beginn der 7. Woche an den Alleinverantwortlichkeits-Zuschlag und die Erfolgesbeteiligung I und II allein. Das gilt auch bei Beginn der Schutzfrist für schwangere Hm... und während des Erziehungsurlaubs.

Im Jahr 2000 wurde bei dem Beklagten ein gemeinsamer Betriebsrat für alle J... gebildet und der Ehemann der Klägerin zu dessen Vorsitzenden gewählt. Er wurde ab dem Monat Mai 2000 von seiner Arbeitspflicht zugunsten der Betriebsratstätigkeit freigestellt. Seit der Freistellung ihres Ehemannes leitete die Klägerin die J... alleine. Für den nicht mehr mitarbeitenden Ehemann wurde in der J... P... ein der Klägerin unterstellter Hausmeister eingestellt.

Die Klägerin erhielt ab diesem Zeitpunkt neben ihrem Grundgehalt u.a. den Allenverantwortlichenzuschlag sowie neben ihrem Ehemann weiterhin die Hälfte der Erfolgsbeteiligung.

Die Eheleute B... leben spätestens seit 2004 getrennt; die Ehe wurde mit Urteil des Amtsgerichts Bayreuth - Familiengericht - vom 25.07.2005 (Kopie Bl. 179 - 185 d.A.) geschieden.

Die Klägerin begehrte mit Schreiben vom 26.04.2006 (Kopie Bl. 7 d.A.) wegen der alleinverantwortlichen Führung der J... P... die Auszahlung der zweiten Hälfte der Erfolgsbeteiligung. Der Beklagte lehnte im Hinblick auf die Weitergewährung der hälftigen Erfolgsbeteiligung an den Ehemann der Klägerin eine Auszahlung an sie ab.

Mit ihrer am 26.09.2006 zum Arbeitsgericht Bayreuth - Kammer Hof - erhobenen Klage vom 25.09.2006, die dem Beklagten am 28.09.2006 zugestellt worden ist, begehrt die Klägerin für die Zeit von Oktober 2005 bis September 2006 die Zahlung der zweiten Hälfte der Erfolgsbeteiligung in Höhe von monatlich 551,99 EUR brutto zuzüglich von Zinsen ab Rechtshängigkeit.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 21.03.2007 die Klage abgewiesen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10.04.2007 zugestellte Urteil haben diese mit Telefax vom 26.04.2007 Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis 10.07.2007 verlängerten Begründungsfrist mit Telefax vom 10.07.2007 begründet.

Die Klägerin meint, infolge der alleinverantwortlichen Leitung der J... P... nach der Freistellung ihres damaligen Ehemannes stünde ihr nach Ziffer 7 Abs. 2 der geltenden Vergütungsrichtlinien bei dem Beklagten die gesamte und nicht nur die hälftige Erfolgsbeteiligung zu. Die Weitergewährung der hälftigen Erfolgsbeteiligung an ihren Ex-Ehemann als freigestelltes Betriebsratsmitglied vermöge ihren individualrechtlichen Vergütungsanspruch nicht zu schmälern. Die Zahlungspflicht des Beklagten gegenüber ihrem früheren Ehemann ergebe sich aus betriebsverfassungsrechtlichen Sonderregelungen und lasse ihren Entgeltanspruch unberührt. Die Vergütungsrichtlinien sähen auch in Ziffer 7 Abs. 3 eine Anwachsung der zweiten Hälfte der Erfolgsbeteiligung bei dem H...e...teil vor, der faktisch die J... alleine führen müsse. Den dort geregelten Fällen sei der hier vorliegende gleichzustellen und insoweit eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen. Dies gelte jedenfalls nach Trennung der Haushaltsgemeinschaft mit ihrem früheren Ehemann und der Scheidung der Ehe, da ab diesem Zeitpunkt ein Ausgleich der Zahlungen im Innenverhältnis nicht mehr stattgefunden habe. Etwaige Mehrbelastungen aufgrund der Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz habe der Beklagte zu tragen und könne nicht zu ihrem Nachteil gereichen.

Der Zahlungsanspruch ergebe sich auch aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, denn im Verhältnis zu allen anderen alleinverantwortlichen H...e... werden alleine sie vergütungsrechtlich schlechter gestellt.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth, Kammer Hof, vom 21.03.2007, 3 Ca 1341/06 H, wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.623,88 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, der Klägerin stehe nach dem Inhalt ihres Arbeitsvertrages nur die hälftige Erfolgsbeteiligung zu. Der gemeinsam mit ihrem Ehemann abgeschlossene Vertrag sei weder infolge der Freistellung des Ehemannes noch der Trennung der Ehe inhaltlich abgeändert worden. Nach der Ziffer 7 Abs. 1 der Vergütungsrichtlinien schulde sie bei einem Vertrag mit zwei H...e... jeweils nur die Zahlung einer hälftigen Erfolgsbeteiligung an beide Vertragspartner. Die Regelung in Ziffer 7 Abs. 2 der Vergütungsrichtlinien greife nur bei einem Vertragsverhältnis mit einem einzigen H...e...teil. Eine solche Vertragskonstellation liege hier nicht vor. Die Sonderregelung in Ziffer 7 Abs. 3 der Richtlinien gelte nur für die dort aufgeführten Fälle. Sie sei weder analogiefähig noch erlaube sie eine ergänzende Vertragsauslegung. Selbst wenn eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht käme, könne nicht ihr Wille unterstellt werden, bei Freistellung eines H...teils infolge dessen Betriebsratstätigkeit nunmehr 150 Prozent der Erfolgsbeteiligung zahlen zu wollen. Auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes könne sich die Klägerin nicht berufen, denn in allen anderen Fällen, in denen ein H...e...teil alleine in der J... zurückgeblieben sei, habe man mit dem verbliebenen nunmehr alleinverantwortlichen H...e...teil einen neuen Vertrag als alleinverantwortliche Hm... oder alleinverantwortlicher Hv... abgeschlossen. Das Vertragsverhältnis mit der Klägerin sei trotz des von ihr behaupteten Getrenntlebens und der Scheidung der Ehe nicht inhaltlich abgeändert worden. Insoweit müsse davon ausgegangen werden, dass Herr B... nach dem Ende seiner Freistellung wieder als H...e...teil in der J... P... tätig werde. Eine Trennung der gemeinsamen Haushaltsführung und Ehe könne keinerlei Auswirkungen auf ihre Vergütungspflicht haben, denn hierbei handle es sich um rein private Angelegenheiten auf Arbeitnehmerseite.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist sachlich ganz überwiegend begründet.

Der Klägerin steht der Anspruch auf Auszahlung der vollen und nicht nur hälftigen Erfolgsbeteiligung für die Monate Oktober 2005 bis September 2006 in Höhe von EUR 6.623,88 brutto zu. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. den Regelungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages und Ziffer 7 der in Bezug genommenen Vergütungsrichtlinien für H....e...

Ab dem 01.10.2006 steht der Klägerin auch der geltend gemachte Zinsanspruch zu, denn obiger Gesamtbetrag war spätestens am 30.09.2006 zur Zahlung fällig. Das Ersturteil war insoweit abzuändern und der Beklagte zur Zahlung des Hauptsachebetrages und der Zinsen ab 01.10.2006 zu verurteilen.

1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung weiterer 50% der Erfolgsbeteiligung gemäß § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 1 ihres Arbeitsvertrages und der in Bezug genommenen Ziffer 7 Abs. 2 der Vergütungsrichtlinien für H... in den L... des D... J... zu, denn sie leitete im Rahmen ihres Arbeitsvertrages ab dem Monat Mai 2000 die J... in P... alleinverantwortlich.

a. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin im Rahmen ihres Arbeitsvertrages vom 17.10./02.11.1991 als Hm... hauptberuflich im D... J... tätig ist und ihr nach den Vergütungsrichtlinien für H...e... (Kopie Bl. 8 - 13 d.A.) die dort geregelte Vergütung zusteht.

Ebenso unstreitig ist, dass sie nach der Freistellung ihres Ehemannes i.R.d. § 38 Abs. 1 und 2 BetrVG die J... in P... alleinverantwortlich geleitet hat. Dies wird ihr von dem Beklagten nicht nur in dem Zwischenzeugnis vom 11.07.2006 schriftlich bestätigt, vielmehr zahlte er an die Klägerin nach der Freistellung ihres Ehemannes auch den in Ziffer 1, 1.3 und Ziffer 2 Abs. 5 der Vergütungsrichtlinien geregelten Alleinverantwortlichenzuschlag in voller Höhe aus.

b. Der Klägerin steht die in den Ziffern 1, 4 - 6 der Vergütungsrichtlinien geregelte Erfolgsbeteiligung nicht nur zu 50 % sondern zu 100 % zu, da sich die Höhe des Anteils der Klägerin nicht aus Ziffer 7 Abs. 1 sondern aus Ziffer 7 Abs. 2 der Richtlinien ergibt.

Entgegen der Ansicht des Beklagten unterfällt die Tätigkeit einer tatsächlich alleinverantwortlichen Hm... auch dann der Regelung in Abs. 2 der Ziffer 7 ihrer Vergütungsrichtlinien und nicht dessen Absatz 1, wenn die alleinverantwortliche Tätigkeit im Rahmen eines noch mit beiden H...e... abgeschlossenen Vertrages erfolgt. Die Anwendung der Ziffer 7 Abs. 1 der Vergütungsrichtlinien setzt nämlich voraus, dass beide H...e... im Rahmen des mit ihnen bestehenden Arbeitsvertrages eine J... in gemeinsamer Verantwortung führen und sie insoweit die Erfolgsbeteiligung gemeinsam erarbeiten. Dies ergibt eine Gegenüberstellung zu Absatz 2, in denen der Fall einer alleinverantwortlichen Leitung ausdrücklich abweichend geregelt wird.

Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten beschränkt sich die Anwendbarkeit des Absatzes 2 nicht auf die Vertragskonstellationen, in denen von Anfang an nur mit einem H...e...teil ein Arbeitsvertrag über die alleinige Leitung einer J... abgeschlossen worden ist. Eine solche Einschränkung enthält nämlich weder der Wortlaut dieser Regelung noch ihre systematische Stellung innerhalb der Ziffer 7. In Absatz 2 wird ohne eine inhaltliche Einschränkung auf die bereits in Absatz 1 verwandten Begriffe "Hm..." und "Hv..." zurückgegriffen. Es fehlen jegliche Hinweise auf eine unterschiedliche Vertragsgestaltung, im Rahmen derer, eine "Hm..." oder "Hv..." tätig werden.

Aus der Zusammenschau beider Absätze ist für einen verständigen Empfänger der Erklärung gemäß § 133 BGB zu erkennen, dass im Falle einer gemeinsamen Verantwortung und Erarbeitung des Erfolgs eine Erfolgsbeteiligung beiden H...e...teilen gemeinsam und anteilig zufließen soll und - von Abweichungen abgesehen - jeder zu gleichen Teilen an der Erfolgsbeteiligung partizipiert. Demgegenüber soll eine "Hm..." oder ein "Hv..." bei alleiniger Verantwortung die Erfolgsbeteiligung als Ergebnis der alleinigen Anstrengung auch alleine erhalten. Die Einbettung des Absatzes 2 zwischen den Absätzen 1 und 3 der Ziffer 7 der Vergütungsrichtlinien deutet nicht darauf hin, dass Absatz 2 eine gänzlich andere Vertragskonstellation betreffen soll als die Absätze 1 und 3. Diese beziehen sich nämlich unstreitig auf ein Vertragsverhältnis wie dem hier vorliegenden, in dem zwei H...e...teile sich zur gemeinsamen Leitung einer J... arbeitsvertraglich verpflichtet haben. Die systematische Stellung des Absatzes 2 darauf deutet hin, dass Fallkonstellationen denkbar sind, in denen trotz eines zunächst gemeinsam abgeschlossenen Arbeitsvertrages sich aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Umstände eine alleinverantwortliche Tätigkeit eines H...e...teiles ergibt. So kann etwa durch Aufhebungsvertrag, Rentenbezug oder Tod ein H...teil rechtlich aus dem Vertragsverhältnis ausscheiden. Darüber hinaus kann das Arbeitsverhältnis auch längerfristig ruhen, etwa bei einem befristeten Rentenbezug bei vorübergehender Minderung der Erwerbsfähigkeit, Wehrpflicht, gewährtem Sonderurlaub oder - wie im vorliegenden Fall - längerfristiger Freistellung wegen der Übernahme eines betriebsverfassungsrechtlichen Amtes. Insoweit enthält der Absatz 3 mit seinen Regelungen für die Fälle einer längeren Erkrankung, den Beginn der Schutzfrist einer schwangeren Hm... oder des Erziehungsurlaubs lediglich Beispielsfälle aber keine abschließende Aufzählung. Es ließe sich nämlich mit dem Sinn und Zweck der Erfolgsbeteiligung und deren Entgeltcharakter nicht in Einklang bringen, wenn trotz alleinverantwortlicher Tätigkeit eines H...e...teiles bei nur vorübergehendem Ruhen des Arbeitsverhältnisses des anderen H...e...teiles aus anderen als den in Absatz 3 Satz 2 ausdrücklich aufgeführten Fällen eine fünfzigprozentige Kürzung der Erfolgsbeteiligung eintreten würde.

Das von dem Beklagten vertretene Auslegungsergebnis, wonach sich Absatz 2 lediglich auf Vertragskonstellationen mit nur einem H...e...teil beschränken soll und es sich bei dem Absatz 3 um eine abschließende Sonderregelung bei Verträgen mit zwei H...e...teilen handeln soll ist weder mit der Auslegungsregelung in § 305 c Abs. 2 BGB vereinbar noch hielt es einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB stand.

Bei den Vergütungsrichtlinien für H...e... handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff BGB. Sie sind für eine Vielzahl von Verträgen formformulierte Vertragsbedingungen, die der Verwender der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt, § 305 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB. Bei den Vergütungsrichtlinien handelt es sich um keine kollektivrechtlichen Vereinbarungen mit dem Charakter eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung, die gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von dem Anwendungsbereich der §§ 305 ff BGB ausgeschlossen wären.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu rentierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischer Weise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (so BAG vom 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - AP Nr. 32 zu § 307 BGB).

Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethode ein nicht behebbarer Zweifel, so geht dies gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keine den klaren Vorzug verdient. Es müssen "erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht. § 305 c Abs. 2 BGB ist unanwendbar, wenn sich zwei Klauseln inhaltlich widersprechen und deshalb unwirksam sind. Widersprüchliche Klauseln sind nicht klar und verständlich im Sinne des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB (so BAG aaO; BAG v. 14.03.2007 - 5 AZR 630/06 - AP Nr. 45 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gehen nicht behebbare Zweifel an der Auslegung des Absatzes 2, was seine Anwendung auf verschiedene Vertragskonstellationen anlangt, zum Nachteil des Beklagten. d.h.. Beide von den Parteien vertretene Ergebnisse - Absatz 2 betrifft sowohl gemeinsam mit zwei H...e... abgeschlossene Verträge als auch alleine mit einer Hm... oder einem Hv... begründete (so die Klägerin) oder nur Verträge letztere Art (so der Beklagte) sind vertretbar. Die von dem Beklagten vertretene Auslegung verdient - wie bereits dargelegt - aufgrund fehlender sprachlicher Klarstellungen keinen klaren Vorzug. Insoweit gehen die verbleibenden Zweifel gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Beklagten und führen zu einer Auslegung dieser Vertragsklausel im Sinne des Verständnisses der Klägerin.

Im Übrigen würde es sich auch um eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners handeln, der trotz seiner tatsächlich alleinverantwortlichen Tätigkeit nur deshalb einen Teil der Erfolgsbeteiligung einbüßen würden, weil bei einem vorübergehenden Wegfall oder einem endgültigen Ausfall des bisher mitarbeitenden Ehegatten eine Vertragsanpassung unterblieben und dem verbleibenden H...e...teil kein Arbeitsvertrag für eine alleinverantwortliche Leitung abgeschlossen worden ist. Der Beklagte bestätigt zwar in seinem Schriftsatz vom 27.02.2007 eine solche praktische Übung in Fällen des Versterbens eines E...teiles, dessen Verrentung oder wegen einer Trennung der Ehe. Der vorliegende Fall zeigt jedoch, dass hiervon nicht uneingeschränkt Gebrauch gemacht wird. Der Beklagte sieht sich nämlich trotz der Auflösung der gemeinsamen Haushaltsführung und der Trennung der Ehe nicht veranlasst, der alleinverantwortlichen Tätigkeit der Klägerin Rechnung zu tragen. Dies führt spätestens nach Aufhebung der gemeinsamen Haushaltsführung und Scheidung der Ehe dazu, dass der Klägerin der hälftige Anteil der Erfolgsbeteiligung vorenthalten wird, obwohl sie als alleinverantwortlich tätige Hm... die gesamte Erfolgsbeteiligung ins Verdienen gebracht hat. Dies widerspräche auf klare Weise (Wegfall von 50 % der Gesamtleistung) dem Entgeltcharakter dieser Zusatzzahlung. Eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Gewährung zwar des Alleinverantwortlichenzuschlags aber Vorenthaltung der vollen einhundertprozentigen Erfolgsbeteiligung wäre weder rechtlich noch tatsächlich nachvollziehbar und unangemessen i.R.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Der Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf stützen, dem freigestellten Betriebsratsvorsitzenden B... wegen der betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 38 Abs. 3, 37 Abs. 4 BetrVG weiterhin die bisher bezogene Gesamtvergütung zu schulden und mithin auch den fünfzigprozentigen Anteil an der Erfolgsbeteiligung. Bei § 37 Abs. 4 BetrVG handelt es sich um eine eigenständige Anspruchsgrundlage, nach der das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung (vergl. BAG vom 21.04.1983 - 6 AZR 407/80 - AP Nr. 43 zu § 37 BetrVG 1972; vom 15.01.1992 - 7 AZR 194/91 - AP Nr. 84 zu § 37 BetrVG 1972).

Gegenüber dem freigestellten Betriebsratsmitglied leistet der Beklagte eine völlig eigenständige betriebsverfassungsrechtlich geregelte Entgeltzahlung. Dies führt ganz automatisch zu finanziellen Mehrbelastungen, wenn ein durch die Freistellung vakant gewordener Arbeitsplatz ganz oder teilweise neu besetzt wird und dem neuen Stelleninhaber ebenfalls ein Entgelt zu bezahlen ist. So handele es sich auch hier, wenn neben der im Rahmen des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG weiter zu gewährenden hälftigen Erfolgsbeteiligung ein nunmehr alleinverantwortlich tätiger H...e...teil einen Anspruch im Rahmen seiner (zusätzlich) übernommenen Tätigkeit erwirbt. Insoweit handele es sich bei dem freigestellten Betriebsratsmitglied um den tatsächlichen Stelleninhaber weder um Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB noch muss sich der Stelleninhaber Zahlungen an das freigestellte Betriebsratmitglieder im Rahmen des § 362 BGB anrechnen lassen. Jedenfalls nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft und Scheidung der Ehe scheidet auch jedwede Berücksichtigung von Zahlungen an den Ex-Ehemann der Klägerin im Rahmen einer Vorteilsanrechnung o.ä. aus.

2. Die Klägerin kann ihren Vergütungsanspruch auch auf dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.

Dieser gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet er nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (vergl. BAG vom 14.03.2007 - 5 AZR 420/06 - NZA 2007, 862, m.w.N.).

Da in anderen Fällen, in denen ein J...e...teil auf einer J... alleine zurückgeblieben ist, nachdem beispielsweise der andere E...teil gestorben, in Rente gegangen oder wegen der Trennung der Ehe eine andere J... zur Leitung übernommen hat, nach dem eigenen Sachvortrag des Beklagten mit dem verbliebenen H...e...teil stets neue Dienstverträge als alleinverantwortliche J...leitung geschlossen worden sind, spricht dies für ein erkennbares und generalisierendes Prinzip der Vertragsgestaltungen bei dem Beklagten.

Auch bei der Klägerin liegt eine Trennung der Ehe vor, wie sie durch Vorlage des Scheidungsurteils nachgewiesen hat und was von dem Beklagten daraufhin auch nicht mehr bestritten worden ist. Der Umstand, dass ihrem Ex-Ehemann aufgrund der Freistellung von der Arbeitspflicht wegen seines Betriebsratsamtes keine andere J...leitung übertragen worden ist, scheidet als ausreichend gewichtiges Differenzierungsmerkmal aus. Infolge seiner Freistellung konnte der Betriebsratsvorsitzende B... eine andere J... nicht tatsächlich leiten und bestand deshalb für den Beklagten keine organisatorische oder wirtschaftliche Veranlassung, ihm eine solche anderweitige Leitung zu übertragen. Dies sind alleine Auswirkungen des Betriebsverfassungsgesetztes und der wirtschaftlichen Überlegungen des Beklagten. Diese tangiere nicht das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin und ihren generellen Anspruch, in Bezug auf die Vergütungshöhe so behandelt zu werden, wie andere allein zurückgebliebene H...e...teile auch, die infolge der Trennung der Ehe die Alleinverantwortung zu tragen haben.

Insoweit rechtfertigt dies keine Schlechterstellung der Klägerin und ist sie so zu behandeln, wie andere H...e..., deren Scheidung zum Zurückbleiben nur eines H...e...teils und dessen alleinverantwortlicher Leitung einer J... führt.

3. Da von dem Beklagten die konkrete Höhe der geltend gemachten Erfolgsbeteiligung nicht in Abrede gestellt worden ist, sind diesbezüglich keine weiteren Ausführungen veranlasst.

In Ermangelung abweichenden konkreten Tatsachenvortrags ist davon auszugehen, dass der Vergütungsanspruch entsprechend der Regelung in § 614 BGB am Monatsende fällig wird und von dem Geltendmachungsschreiben vom 26.04.2006 auch die Vergütung für den Monat Oktober 2005 noch fristwahrend gem. § 18 Abs. 2 des Vertrages erfasst worden ist.

4. Die Verzinsung des gesamten Hauptsachebetrages ist von dem Beklagten erst mit Zahlung des letzten eingeklagten Monatsbetrages für September 2006 geschuldet, mithin erst ab dem 01.10.2006, §§ 291 Satz 1, 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Ziffer 1 BGB.

Insoweit konnten der Klägerin Zinsen aus dem Gesamtbetrag erst ab dem 01.10.2006 zugesprochen werden und war der darüber hinausgehende Zinsanspruch teilweise zurückzuweisen.

III.

1. Der Beklagte hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO, denn er ist in der Hauptsache in vollem Umfang unterlegen und die Klage ist nur bezüglich völlig geringfügiger Mehrforderungen an Zinsen erfolglos geblieben.

2. Wegen der von dem Beklagten dargelegten gleichgelagerten Fallkonstellationen bei vorübergehend freigestellten H...teilen wird der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG beigemessen.

Ende der Entscheidung

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