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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 02.08.2007
Aktenzeichen: 5 Sa 564/06
Rechtsgebiete: BErzGG/BEEG


Vorschriften:

BErzGG/BEEG § 21
1. Die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 21 Abs. 1 BErzGG/BEEG mit dem ausdrücklich genannten Zweck "Wegfall des Bedarfs" beschränkt sich bei Inanspruchnahme mehrerer ununterbrochen aufeinander folgender Elternzeiten auf Grund mehrerer Geburten nicht nur auf die erste Elternzeit, sondern umfasst den gesamten Zeitraum aller Elternzeiten.

2. Beendet der/die vertretene Arbeitnehmer/in das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit durch Eigenkündigung, so kann sich der Arbeitgeber gegenüber der befristet zur Vertretung eingestellten Ersatzkraft nach entsprechender Ankündigung auf das Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses berufen.

3. Es ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn ein Arbeitgeber der B... sich unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 1 AVR des B... Werkes auch deshalb auf den Fristablauf beruft, weil die befristet eingestellte Ersatzkraft nicht Mitglied einer christlichen Kirche ist.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 564/06

Verkündet am 02. August 2007

in dem Rechtsstreit

wegen: Kündigung

Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Malkmus und die ehrenamtlichen Richter Rother und Rost aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 20.06.2006, Az: 2 Ca 900/05, in Ziffern 1. und 2. abgeändert und insoweit neu gefasst.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

4. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Fristablauf zum 19.08.2005 endete oder über diesen Zeitpunkt hinaus unbefristet fortbesteht.

Der Kläger ist seit 01.08.1998 bei dem Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 29.07.1998 als Koch im Altenpflegeheim gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt EUR 1.900,-- beschäftigt.

§ 1 und § 2 des Arbeitsvertrages vom 29.07.1998 haben folgenden Wortlaut:

§ 1

Herr A... tritt am 01.08.98 als Koch in den Dienst des B... im "C...-Heim", D... mit einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich.

Das Dienstverhältnis wird befristet bis zum Ende des Erziehungsurlaubs von Frau E... abgeschlossen. Grund der Befristung: Wegfall des Bedarfs.

Die Zeit bis zum 31.01.99 ist Probezeit.

Eine evtl. Umwandlung in eine unbefristete Tätigkeit setzt entsprechend den Arbeitsvertragsrichtlinien des B... § 5, Abs. 1, in Verbindung mit den durch die Arbeitsrechtliche Kommission Bayern erlassenen Ausführungsbestimmungen die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche voraus.

§ 2

Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des B... der F... Kirche in Deutschland (AVR) - Bund/Länder (B/L) Fassung - in der jeweils gültigen Fassung sowie die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission für den Bereich der F... Kirche in Bayern und ihres B....

Der Beklagte berief sich zum Ende des ersten Erziehungsurlaubs von Frau E... nicht auf einen Fristablauf. Aufgrund weiterer Geburten befand sich Frau E... durchgehend in der Zeit bis 19.08.2005 in Erziehungsurlaub/Elternzeit. Frau E... beendete ihr Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung zum 19.08.2005. Mit Schreiben vom 22.04.2005 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein Arbeitsverhältnis ende am 19.08.2005.

Der Kläger ist der Auffassung, der erste Erziehungsurlaub von Frau E... sei im Jahr 2001 abgelaufen. Mit dieser Elternzeit habe die Befristung geendet, so dass aufgrund der darüber hinausgehenden Weiterbeschäftigung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden sei.

Der Beklagte trägt vor, es sei eine wirksame Befristungsabrede geschlossen worden. Die Befristung habe sich auf die gesamte erziehungsurlaubsbedingte Abwesenheit von Frau E... und nicht nur auf den ersten Erziehungsurlaub bezogen. Nach § 21 Abs. 3 BErzGG seien Zweckbefristungen möglich. Der Kläger erfülle im Übrigen die Voraussetzung für eine unbefristete Beschäftigung nicht, da er nicht Mitglied einer christlichen Kirche sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Vertragsauslegung ergebe ein Befristungsende mit dem Ende des ersten Erziehungsurlaubs der vertretenen Frau E.... Im Übrigen sei die Berufung der Beklagten darauf, der Kläger könne nicht unbefristet eingestellt werden, weil er nicht Mitglied einer christlichen Kirche sei, als missbräuchlich anzusehen. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.

Zur Begründung seiner dagegen gerichteten Berufung lässt der Beklagte vortragen, Befristungszweck habe nicht nur der erste Erziehungsurlaub von Frau E..., sondern die gesamte erziehungsurlaubsbedingte Abwesenheit von Frau E... sein sollen. Dafür spreche auch der Umstand, dass die Parteien keine Zeitbefristung vereinbart hätten. Der Beklagte sei auch nicht zur unbefristeten Übernahme des Klägers verpflichtet. Aufgrund seines verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrechts habe er zulässigerweise bestimmen können, dass die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche Voraussetzung für eine unbefristete Beschäftigung sei.

Der Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 20.06.2006, Az.: 2 Ca 900/05, wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Bamberg vom 20.06.2006 - Az.: 2 Ca 900/05 - zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, die streitgegenständliche Befristungsabrede beziehe sich nur auf einen Erziehungsurlaub der vertretenen Arbeitnehmerin und nicht auf mehrere. Der Beklagte könne sich nach einer Beschäftigungsdauer von sieben Jahren und unter Berücksichtigung der konkreten Tätigkeit des Klägers nicht darauf berufen, der Kläger sei nicht Mitglied einer christlichen Kirche und könne daher nicht unbefristet beschäftigt werden; ein derartiges Verhalten wäre rechtsmissbräuchlich.

Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund wirksamer Befristung seines Arbeitsvertrages zum 19.08.2005.

Der Beklagte hat zulässigerweise den Arbeitsvertrag des Klägers vom 29.07.1998 zum Zwecke der Vertretung wegen des Erziehungsurlaubs von Frau E... befristet. § 21 Abs. 3 BErzGG/BEEG lässt ausdrücklich eine solche Zweckbefristung zu. Anders als das Arbeitsgericht beschränkt das Berufungsgericht den Bedeutungsgehalt der in § 1 des Arbeitsvertrags getroffenen Befristungsregelung nicht auf den Vertretungsbedarf während des ersten Erziehungsurlaubs von Frau E.... Zwar lässt die bloße Formulierung "das Dienstverhältnis wird befristet bis zum Ende des Erziehungsurlaubs von Frau E... abgeschlossen" eine solche Auslegung zu, dabei würde aber der darüber hinaus angeführte Grund der Befristung "Wegfall des Bedarfs" unberücksichtigt bleiben. Der Gesamtzusammenhang der von den Parteien getroffenen Regelung lässt den eindeutigen Willen erkennen, den vorübergehenden Vertretungsbedarf anlässlich des Erziehungsurlaubs von Frau E... als Befristungsgrund zu vereinbaren. Eine Beschränkung darauf, dass nur der Vertretungsbedarf im Hinblick auf den ersten Erziehungsurlaub von Frau E... Befristungszweck sein sollte, kann der arbeitsvertraglichen Befristungsregelung nicht entnommen werden. Für diese Auslegung spricht vor allem auch, dass sich der Beklagte im Hinblick auf die getroffene Befristungsregelung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf zum Ende des ersten Erziehungsurlaubs von Frau E... gar nicht hätte berufen können, da der Bedarf an der Arbeitsleistung des Klägers zu diesem Zeitpunkt gerade nicht weggefallen war (vgl. den der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.06.1996, AP Nr. 23 zu § 620 BGB Bedingung zugrunde liegenden Fall).

Zwar ist dieser Bedarf an der Arbeitsleistung des Klägers auch nicht zum Ende des dritten Erziehungsurlaubs/Elternzeit von Frau E... entfallen, da diese ihr Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt selbst gekündigt hat. Insoweit muss allerdings die gesetzgeberische Wertung berücksichtigt werden, wie sie sich aus dem Sonderkündigungsrecht des § 21 Abs. 4 S. 1 BErzGG/BEEG ergibt. Obwohl im Falle der Eigenkündigung des vertretenen Arbeitnehmers der Arbeitsbedarf der Ersatzkraft nicht wegfällt und eine finanzielle Doppelbelastung des Arbeitgebers nicht eintritt, besteht das Sonderkündigungsrecht des Arbeitgebers auch dann, wenn der vertretene Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis vor Ende der Elternzeit selbst kündigt (KR-Lipke, 8. Aufl., § 21 BEEG Rdnr. 22 unter Hinweis auf BT/Drs. 14/3553, S. 23). Es würde einen gesetzlichen Wertungswiderspruch bedeuten, würde dem Arbeitgeber in Fällen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ende der Elternzeit durch Eigenkündigung des vertretenen Arbeitnehmers ein Sonderkündigungsrecht gegenüber dem Vertreter eingeräumt, im Falle der Kündigung zum Zeitpunkt der Zweckerreichung eine Berufung auf die Befristung aber versagt werden.

Die Berufung auf die Befristung durch den Beklagten erweist sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich. Ein solcher Einwand ist nur in besonderen Fällen möglich, insbesondere beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 226 BGB oder bei einem Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB (KR-Bader, § 17 TzBfG Rdnr. 60) oder bei einem widersprüchlichen Verhalten des Arbeitgebers (vgl. BAG vom 16.03.1989, AP Nr. 8 zu § 1 BeschFG 1985).

Im streitgegenständlichen Fall beruft sich der Beklagte auf eine in § 5 Abs. 1 AVR des B... enthaltene Regelung, wonach eine Umwandlung der befristeten Tätigkeit in eine unbefristete Tätigkeit die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche voraussetzt. Diese Regelung ist vom verfassungsrechtlich geschützten kirchlichen Selbstordnungsrecht gedeckt. Die im Selbstbestimmungsrecht der Kirchen enthaltene Ordnungsbefugnis gilt nicht nur für die kirchliche Ämterorganisation, sondern allgemein für die Ordnung des kirchlichen Dienstes. "Ordnen" und "verwalten" im Sinne des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV meint das Recht der Kirchen, alle eigenen Angelegenheiten gemäß den spezifischen kirchlichen Ordnungsgesichtspunkten, d.h. auf der Grundlage des kirchlichen Selbstverständnisses, rechtlich gestalten zu können. Darunter fällt auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge (BVerfG vom 04.06.1985, AP Nr. 24 zu Art. 140 GG). Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts erschöpft sich indes nicht in der jedermann offenstehenden Möglichkeit, Arbeitsverträge abzuschließen, sondern sie umfasst vor allem auch die Befugnis, ihnen einen religiös geprägten Inhalt zu geben. Die Kirchen haben daher eine durch Art. 137 Abs. 3 WRV garantierte Regelungskompetenz zur Gestaltung ihres Dienstrechts (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 4. Aufl., § 2 Rdnr. 15).

Die Berufung des Beklagten auf die Befristung stellt sich jedenfalls unter diesen Umständen nicht als rechtsmissbräuchlich dar.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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