Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.08.2002
Aktenzeichen: 6 (5) Sa 141/01
Rechtsgebiete: BGB, BErzGG, BetrAVG, MuSchG


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 133
BGB § 157
BErzGG § 15
BetrAVG § 1
MuSchG § 14 Abs. 1 S. 2
1. Zur Auslegung einer Zusage auf Abschluss einer Direktversicherung und Prämienzahlung durch den Arbeitgeber, insbesondere im Hinblick auf die Zahlungspflicht der Prämien während des Erziehungsurlaubs.

2. Eine Änderung der Steuerklasse nach Beginn des Erziehungsurlaubs wirkt sich nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers bei der Berechnung des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld aus; dieser ist nach § 14 Abs. 1 S. 2 MuSchG nach dem tatsächlich bezogenen Nettoentgelt der letzten drei abgerechneten Monate zu berechnen. Eine hypothetische Betrachtungsweise unter Heranziehung der jetzigen Steuerklasse ist nicht veranlasst.


IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 (5) Sa 141/01

in dem Rechtsstreit

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Wiede und Schneider aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 22.12.2000 - Az. 1 Ca 1125/00 - wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagte hat weitere € 3.067,75 (in Worten: Euro dreitausendundsiebenundsechzig 75/100) an die C... Lebensversicherungs-AG für den Lebensversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer 24 553 794 0 einzuzahlen.

III.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung eines Arbeitgebers zur Zahlung von Beiträgen auf eine für die Arbeitnehmerin abgeschlossene Direktversicherung sowie über die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz wegen Nichtzahlung von Beiträgen.

Die Klägerin ist seit 1989 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Leiterin des Finanz- und Rechnungswesens mit Prokura beschäftigt. In § 3 des Anstellungsvertrages mit der Rechtsvorgängerin vom 14.10.1992, dessen genauen Wortlautes wegen auf die mit der Klage vorgelegte Ablichtung Bezug genommen wird (Bl. 7 ff. d.A.), ist folgendes festgelegt:

"1. Die Mitarbeiterin erhält für ihre Tätigkeit ein monatliches Gehalt von 7.000,- DM (i.W. Siebentausend Deutsche Mark) brutto.

Ferner erhält sie für das Jahr 1992 eine pauschale Gewinnbeteiligung in Höhe von 8.400,- DM brutto. Ab dem 1.1.1993 hat sie Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 1% des Bilanzgewinns der Firma ...

2. Mit den vorgenannten Bezügen sind alle Vergütungsansprüche der Mitarbeiterin für eine Tätigkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten, insbesondere für Über-, Mehr-, Sonn- und Feiertagsstunden abgegolten. Alle Aufwendungen ...

3. Zur betrieblichen Altersversorgung der Mitarbeiterin schließt die Firma mit einer von der Mitarbeiterin noch zu benennenden Versicherungsgesellschaft eine Lebensversicherung (Direktversicherung) ab und übernimmt die jeweils fälligen Jahresprämien in Höhe von max. 3.000,- DM, sowie die darauf entfallenden Abgaben. Der Mitarbeiterin wird ab Vertragsschluss das unwiderrufliche Bezugsrecht zuerkannt.

4. Die Zahlung von sonstigen Gratifikationen, Prämien oder Sonderzahlungen erfolgt freiwillig und unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs. Auch durch mehrfache Zahlung werden Rechtsansprüche der Mitarbeiterin hierauf für die Zukunft nicht begründet."

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten schloss unter dem 02.12.1992 eine Direktversicherung zugunsten der Klägerin mit der C... Lebensversicherungs-AG mit der Klägerin als Begünstigte ab mit der Versicherungsnummer 245537940. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten bediente diese Versicherung mit 3.000,- DM jährlich wie vereinbart.

Unter dem 09.04.1996 schlossen Klägerin und Beklagte einen neuen Anstellungsvertrag ab. In § 4 dieses Vertrages, dessen Wortlautes wegen auf die mit der Klage vorgelegte Ablichtung Bezug genommen wird (K 3, Bl. 23 ff.), findet sich folgende Regelung:

"1. Für ihre Tätigkeit erhält die Mitarbeiterin ein monatliches Bruttogehalt von DM 7.370,-. Mit dem vorgenannten Gehalt sind alle Vergütungsansprüche der Mitarbeiterin für eine Tätigkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten, insbesondere für Über-, Mehr- Sonn- und Feiertagsstunden abgegolten.

2. Weiterhin übernimmt die Firma für die Dauer des Anstellungsverhältnisses, max. bis zum Ablauf der Versicherung, die Prämie zur bestehenden Lebensversicherung bei der C...-Versicherung in Höhe von DM 3.000,- jährlich zuzüglich der darauf entfallenden Abgaben. Die Mitarbeiterin hat an dieser Versicherung das unwiderrufliche Bezugsrecht."

In § 6 des Vertrages ist unter der Überschrift "Sonstige Leistungen/Soziale Leistungen" festgelegt, dass "Sonstige Leistungen/Soziale Leistungen" sich nach den betriebsüblichen Bestimmungen richten sollten. Die Zahlung von "etwaigen Sondervergütungen (Gratifikationen, Urlaubsgeld etc.)" sollte freiwillig und unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs erfolgen.

Nachdem sich die Klägerin im Jahr 1997 in Mutterschutz und danach in Erziehungsurlaub befand, zahlte die Beklagte die jährliche Versicherungssumme von DM 3.000,- für den Zeitraum 01.09.1998 bis 01.09.1999 nicht an die Versicherungsgesellschaft. Diese fragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 12.11.1998 nach dem Grund für die fehlende Zahlung an (Anlage K 4 zur Klage, Bl. 27 d.A.). Die Beklagte wies darauf hin, dass sich die Klägerin im Erziehungsurlaub befinde. Die Versicherungsgesellschaft erklärte der Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 15.01.1999 unter Beifügung eines Merkblattes, dass die Verpflichtung zur Weiterzahlung der Bezüge auch während der Mutterschutzfrist und während des Erziehungsurlaubs bestehe (Anlagen K 5 und K 6 zur Klageschrift, Bl. 28 ff. d.A.). Die Beklagte zahlte daraufhin im Juli 1999 die Beiträge nach. Die Versicherungsgesellschaft antwortete hierauf, die Versicherung könne nur zu geänderten Bedingungen wieder aufgenommen werden; insbesondere könnten Leistungen zur Berufsunfähigkeit nicht mehr versichert werden, zusätzlich müsse ein Beitragszuschlag gezahlt werden. Beides war darauf zurückzuführen, dass die Versicherung die Klägerin nach Wiederaufnahme der Beitragszahlungen zu einer Gesundheitsprüfung aufgefordert hatte, die negativ ausgefallen war.

Die Beklagte kündigte die Versicherung daraufhin zum 01.03.2000. Sie erhielt die Beträge von jeweils 3.000,- DM für die Jahre 1998/1999 und 1999/2000 von der Versicherung wieder zurückerstattet. Die Beklagte setzte die Versicherung schließlich wieder in Kraft, allerdings ohne erneute Zahlungen zu leisten; sie stellte sie beitragsfrei. Mit Schreiben vom 13.04.2000 begründete die Beklagte dies gegenüber der Vertreterin der Klägerin unter Bezug auf die Merkblätter der Versicherungsgesellschaft mit der schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens (Anlage zur Klageschrift, Bl. 37 d.A.).

Die Klägerin befand sich ab 16.05.2000 bis 05.08.2000 erneut in Mutterschutz. Nach Beginn des Erziehungsurlaubs im Jahr 1997 änderte sie ihre Lohnsteuerklasse von III auf V. Die Beklagte zahlte den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht aus.

Mit ihrer am 02.06.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte müsse den Lebensversicherungsvertrag wieder fortführen und die Beträge von jeweils DM 3.000,- für die Jahre 1998/1999 und 1999/2000 nachzahlen. Da die Versicherung nur zu nachteiligen Bedingungen wieder aufleben könne, müsse die Beklagte den entstandenen Schaden, der derzeit noch nicht bezifferbar sei, ersetzen. Entsprechend ihrem Nettoentgelt im Zeitraum vor Beginn des Erziehungsurlaubs von Januar bis März 1997 müsse die Beklagte von Mai (anteilig) bis Juli insgesamt 10.552,08 DM, für August (anteilig) 685,20 DM Zuschuss zum Mutterschaftsgeld zahlen.

Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht daher folgende Anträge gestellt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die C...Lebensversicherungs-AG DM 6.000,- für den Lebensversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer 24 553 794 0 einzuzahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, Schadensersatz dem Grunde nach zu leisten, der dadurch entstanden ist, dass die Beklagte zunächst Lebensversicherungsbeiträge für die Jahre 1998 und 1999 nicht fristgerecht an die C...geleistet hat.

3.

Die Beklagte wird verurteilt, Schadensersatz dem Grunde nach zu leisten, der dadurch entstanden ist, dass die bezahlten Lebensversicherungsbeiträge von insgesamt DM 6.000,- für 1998 und 1999 durch Stillegung des Versicherungsvertrags mit der Versicherungsnummer 24 553 794 0 von der C...wieder zurücküberwiesen wurden.

4.

Die Beklagte wird verurteilt, den Vertrag bei der C...Lebensversicherung mit der Versicherungsnummer 24 553 794 0 wieder fortzuführen und die Stillegung rückgängig zu machen.

5.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 10.552,08 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 hieraus seit 01.07.2000 zu zahlen.

6.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere DM 685,20 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz vom 09.06.1998 seit 01.09.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie sei zur Zahlung der Versicherungsbeiträge während des Erziehungsurlaubs nicht verpflichtet, weil die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag in dieser Zeit suspendiert seien. Sie schulde für diese Zeiten keine Vergütung. Es handele sich bei den Beiträgen um Vergütung, weil diese in § 4 des Anstellungsvertrages unter dem Punkt "Bezüge" vereinbart seien. Im übrigen sei diese Qualifizierung immer dann anzunehmen, wenn dem Mitarbeiter - wie vorliegend - das unwiderrufliche Bezugsrecht nicht erst nach einer bestimmten Betriebstreue, sondern von Anfang angeräumt sei. Es sei ein Teil des Gehalts umgewandelt worden. Die Klägerin, die die Versicherung über ihren Schwiegervater abgeschlossen habe, habe ihre Schadensminderungspflicht verletzt, weil sie die Beiträge in der Zwischenzeit nicht selbst eingezahlt habe. Wenn die Klägerin meine, es handele sich nicht um Vergütung, sondern um eine Gratifikation, dann sei diese wirksam widerrufen worden. Hierzu habe sie, die Beklagte ein Recht gehabt, weil sie erhebliche Verluste gemacht habe.

Hinsichtlich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld meint die Beklagte, die Klägerin habe diesen fehlerhaft berechnet. Der Zuschuss müsse nach der derzeitigen Steuerklasse errechnet werden. Es ergebe sich ein Zuschussbetrag von nur 61,56 DM pro Tag, nicht von 137,04 DM pro Tag, wie die Klägerin meine.

Die Klägerin hat eingewandt, schon dem Antrag auf Versicherungsabschluss und demzufolge dem Versicherungsvertrag habe ein Merkblatt der Versicherung mit dem Inhalt beigelegen, wie es üblicherweise solchen Verträgen beigefügt werde. In diesem Merkblatt sei festgehalten, dass der Arbeitgeber die Beiträge während der Dauer des Arbeitsverhältnisse so lange zu zahlen habe, wie dies wirtschaftlich möglich sei. Da das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs fortdauere, müsse der Arbeitgeber die Beiträge also weiterzahlen. Davon sei auch die Beklagte zunächst ausgegangen, die den Jahresbeitrag für 1997/1998 gezahlt habe. Versicherungsnehmer sei nicht sie, die Klägerin, sondern nach dem abgeschlossenen Vertrag die Beklagte. Diese sei daher zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen und zur Beitragszahlung verpflichtet. Sie bestreite, dass die wirtschaftliche Lage so gewesen sei, dass die Beiträge nicht hätten gezahlt werden können - zumal die Beklagte die Beiträge letztlich doch gezahlt habe. Hinsichtlich der Änderung der Lohnsteuerklasse liege keine Manipulation vor; sie begehre nur dasjenige, was ihr nach den letzten Abrechnungen zustehe.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 22.12.2000 entsprechend den Klageanträgen erkannt.

Das Arbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, nach den arbeitsvertraglichen Bestimmungen ergebe sich, dass es sich beim Anspruch bezüglich der Direktversicherung um einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung handele. Der Anspruch sei erst nach mehreren Jahren des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Gehaltsumwandlung vorliege; hierfür fehle es an ausreichendem Sachvortrag der Beklagten. Das Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage sei nicht nachvollziehbar behauptet. Da das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs weiter bestanden habe, träfen die Beklagte auch die Beitragspflichten. Auf den tatsächlichen Vollzug des Arbeitsverhältnisses komme es nicht an. Da die Beklagte ihre Zahlungspflichten verletzt habe, müsse sie entsprechend nachzahlen, aber der Klägerin auch denjenigen Schaden ersetzen, der durch die Nichtzahlung entstanden sei. Die Beklagte habe fahrlässig gehandelt, da ihr die Zahlungspflicht ohne weiteres erkennbar gewesen wäre. Die Beklagte sei auch zur Zahlung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld in der eingeklagten Höhe verpflichtet, da dies den Verhältnissen in den letzten drei abgerechneten Monaten entspreche. Ein späterer Wechsel der Lohnsteuerklasse sei unbeachtlich, Anhaltspunkte für Manipulationen durch die Klägerin seien nicht gegeben.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist den Beklagtenvertretern ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 15.01.2001 zugestellt worden (Bl. 101 d.A.). Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihrer Vertreter vom 08.02.2001, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 12.02.2001, Berufung eingelegt. Sie hat diese Berufung - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 30.04.2001 - mit am 30.04.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 27.04.2001 begründet. Die Beklagte stellt das Ersturteil nicht in vollem Umfang zur Überprüfung, sondern nur bezüglich der Anträge, die sich auf die Direktversicherung und den Schadensersatz hierzu beziehen, und soweit sie zu einem Zuschuss zum Mutterschaftsgeld von mehr als 61,56 DM täglich verurteilt worden ist.

Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe den Charakter der Versicherungsprämie verkannt. Allein aus der Bezeichnung als "Betriebliche Altersversorgung" könne nicht auf fehlenden Vergütungscharakter geschlossen werden. Entscheidend sei, ob der Arbeitgeber hierdurch auch die Betriebstreue habe belohnen wollen. Hierfür gebe es keine Anhaltspunkte. Außerdem hätten die Parteien im Jahr 1996 einen neuen Anstellungsvertrag geschlossen, auf die Bezeichnung des ursprünglichen Vertrages könne sich die Klägerin nicht stützen. Dort finde sich die Versicherung unter dem Passus "Bezüge". Auch der Bezug auf die schlechte wirtschaftliche Lage zeige die Abhängigkeit von der Gegenleistung der Klägerin. Hinsichtlich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld habe das Arbeitsgericht Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 S. 2 MuSchG verkannt. Diese Bestimmung habe den Zweck, Verdienstausfall auszugleichen; das Nettoentgelt solle sich nicht vermindern. Bei der Klägerin ergebe sich demgegenüber eine Verbesserung des Lebensstandards, betrachte man die Situation, wie wenn sie gearbeitet hätte: Dann hätte sie mit der im Jahr 2000 gewählten Lohnsteuerklasse V ein wesentlich geringeres Nettoeinkommen. Dies müsse sich auf den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld auswirken.

Die Beklagte und Berufungsklägerin stellt daher in der Berufungsinstanz folgende Anträge:

I.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 22.12.2000 - Az. 1 Ca 1125/00, wird abgeändert.

II.

Die Klage wird in den Anträgen 1 bis 4 abgewiesen.

III.

Die Klage wird im Antrag 5 abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, einen über 4.740,12 DM hinausgehenden Betrag zu zahlen.

IV.

Die Klage wird im Antrag 6 abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, einen über 307,12 DM hinausgehenden Betrag zu zahlen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Darüber hinaus beantragt sie,

die Beklagte zur Zahlung weiterer DM 6.000,- an die C...Lebensversicherungs-AG für den Lebensversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer 24 553 794 0 einzuzahlen.

Die Beklagte beantragt insoweit,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das Urteil des Arbeitsgerichts für richtig. Sie bezieht sich darauf, dass der Arbeitgeber nach dem Wortlaut des Anstellungsvertrages ausdrücklich die Prämien "für die Dauer des Anstellungsverhältnisses" übernommen habe. Anderes sei auch im neuen Anstellungsvertrag von 1996 nicht vereinbart worden. Hinsichtlich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld begehre sie lediglich diejenigen Beträge, wie sie sich nach dem Wortlaut des Gesetzes errechneten.

Bezüglich der Klageerweiterung bezieht sich die Klägerin auf ihr bisheriges Vorbringen. Sie begehrt Zahlung der Prämie für die Jahre 2000 und 2001.

Die Beklagte erklärt diesbezüglich, sie nehme auf ihr Vorbringen im Hinblick auf die Prämien für 1998 und 1999 Bezug.

In der Verhandlung vom 06.08.2002 hat die Klägerin gebeten, die Zahlungsbeträge in Euro umzurechnen. Die Kammer hat erklärt, sie halte dies für ausreichend, ohne dass die Klägerin selbst ihre Anträge umstellen müsse. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils vom 22.12.2000 (Bl. 88 ff. d.A.), die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 06.08.2002 (Bl. 132 ff. d.A.) und die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, weil sie sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil richtet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1.200,- DM (§ 64 Abs. 2 ArbGG in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung). Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, jeweils in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung, vgl. § 26 Nr. 5 EG-ZPO).

Auch die in der Berufungsinstanz erweiterten Anträge sind zulässig. Die Klageerweiterung ist gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 523, 263 ZPO in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung zulässig, weil die Beklagte sich hiergegen nicht gewandt hat - dies ist als Einwilligung anzusehen - und weil die Verhandlung und Verbescheidung dieser zusätzlichen Anträge, die sich auf denselben Prozess-Stoff beziehen, wie er zur Entscheidung des Gerichts ohnehin anstand, als sachdienlich erscheint (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl. 1999, § 67 RdNr. 9; MüKo-ZPO Rimmelspacher, 2. Aufl. 2000, § 523 RdNrn. 4 ff.).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts erweist sich als richtig. Es hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung der restlichen Prämien, zum Schadensersatz dem Grunde nach und zur Zahlung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld in der beantragten Höhe verurteilt. Die Berufungskammer folgt den sorgfältigen Erwägungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 543 Abs. 1 ZPO in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung, vgl. § 26 Nr. 5 EG-ZPO). Nur ergänzend sei noch hinzugefügt:

1.

Mit Recht hat das Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Leistung der Prämien zur Direktversicherung allein vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht, nicht auch von der Zahlung von Vergütung an die Klägerin.

a.

Mit Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass es einen allgemein gültigen Grundsatz des Inhaltes, dass Prämien zur Direktversicherung in Zeiten des Erziehungsurlaubs gezahlt oder nicht gezahlt werden müssen, nicht gibt. Vielmehr steht es den Parteien frei, entsprechende Grundlagen zu vereinbaren. Die zwischen ihnen getroffene Vereinbarung ist gemäß §§ 157, 133 BGB auszulegen (vgl. hierzu etwa ErfK/Dörner, 3. Aufl. 2003, § 15 BErzGG RdNrn. 42 und 44).

b.

Für die Pflicht zur Weiterzahlung während des Erziehungsurlaubs spricht, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hinweist, schon der Wortlaut des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages. Die Parteien haben im Anstellungsvertrag vom 09.04.1996 ausdrücklich vereinbart, dass die Beklagte die Prämie "für die Dauer des Anstellungsverhältnisses" übernehme. Sie haben sonstige Bedingungen nicht vereinbart. Schon dies spricht dafür, dass solche zusätzlichen Bedingungen nicht vorliegen.

c.

Derartige zusätzliche Bedingungen lassen sich auch nicht aus den Bestimmungen des Vorgänger-Vertrages entnehmen, den die Parteien in diesem Punkt offensichtlich nur übernehmen, nicht aber umgestalten wollten. Im Vertrag von 1992 findet sich hierzu keine ausdrückliche Regelung.

d.

Zwar steht die Verpflichtung zur Prämienzahlung im Vertrag von 1996 unter dem Oberpunkt "Bezüge". Dies allein besagt jedoch angesichts des Wortlautes der Bestimmung nach der Überzeugung der Kammer nichts Entscheidendes. Zum einen wird hierbei offensichtlich von sonstigen Leistungen, die freiwillig und widerruflich ausgestaltet sind, abgegrenzt. Zum anderen ist das Wort "Bezüge" nach Auffassung der Kammer insoweit neutral, lässt also keine Rückschlüsse darauf zu, dass solche Leistungen notwendigerweise im Gegenseitigkeitsverhältnis von Leistung und Gegenleistung stehen müssten. Zum dritten wird innerhalb dieses § 4 nochmals zwischen dieser Leistung auf die Direktversicherung und anderen Vergütungsansprüchen unterschieden. Im Satz 2 heißt es nämlich ausdrücklich, mit dem Gehalt seien alle Vergütungsansprüche abgegolten. Wenn man aus den Begriffen überhaupt Indizien für eine von den Parteien beabsichtigte Qualifizierung herleiten kann, dann spricht diese Reihenfolge der Bestimmungen dafür, dass die Zahlung der Prämie gerade nicht ein solches Abgelten der Leistungen der Klägerin darstellt, also nicht im Synallagma im engeren Sinne steht.

e.

Auch die Vereinbarung im Vertrag von 1992 spricht nicht gegen, sondern eher für die Verpflichtung zur Weiterzahlung während des Erziehungsurlaubs. Soweit die Rechtsprechung nämlich davon ausgeht, dass eine Verpflichtung zur Zahlung aus Rechtsgründen nicht besteht, betrifft dies Fälle, in denen die Leistungspflicht für derartige Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses oder der fehlenden Entgeltzahlungspflicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag, in der Zusage oder der Versorgungsordnung ausgeschlossen wurde (vgl. etwa BAG vom 15.02.1994, 3 AZR 708/93, EzA § 1 BetrAVG Gleichberechtigung Nr. 9). Die fehlende Herausnahme der Zeiten des Erziehungsurlaubs spricht also allenfalls gegen die von der Beklagten vorgenommene Auslegung.

f.

Für die Verpflichtung zur Zahlung auch während Zeiten des Erziehungsurlaubs spricht jedoch vorliegend noch ein weiterer Gesichtspunkt. Die Klägerin hat vorgetragen, schon die Versicherungsbedingungen, die den Parteien bei Abschluss des Versicherungsvertrages vorgelegen hätten, hätten eine Weiterzahlungspflicht für Zeiten des Erziehungsurlaubs ausdrücklich vorgesehen. Die Beklagte hat dem nicht widersprochen, so dass dieser Sachvortrag als zugestanden anzusehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Wenn diese Verpflichtung aber bekannt war, dann hat dies auch Konsequenzen für die Auslegung des Arbeitsvertrages. Die Parteien haben im Anstellungsvertrag von 1992 ausdrücklich nur die Pflicht gemäß einem noch abzuschließenden Versicherungsvertrag geregelt. Einzelheiten hierzu haben sie dem Versicherungsvertrag vorbehalten. Wenn die Rechtsvorgängerin der Beklagten nunmehr als Erfüllung dieser Pflicht eine für sie in diesem Punkt nachteilige Versicherung abgeschlossen hat, muss sie sich - und dies gilt auch für die unstreitig als Rechtsnachfolgerin in dieses Rechtsverhältnis eintretende Beklagte - die dortigen Bedingungen als Erfüllung ihrer Vertragsverpflichtung zurechnen lassen. Auch hieraus folgt die Pflicht zur Weiterzahlung der Beiträge im bestehenden Arbeitsverhältnis auch für Zeiten des Erziehungsurlaubs.

2.

Die sonstigen Einwendungen der Beklagten überzeugen nicht. Insbesondere hat sie, wie schon das Erstgericht zu Recht festgestellt hat, eine nachvollziehbare wirtschaftliche Notlage nicht dargelegt. Sie hat in der Berufungsinstanz nähere Ausführungen hierzu trotz der Rüge des Arbeitsgerichts, die bisherigen Darlegungen seien zu pauschal, nicht gemacht. Im übrigen ist eine derartige Notlage auch nicht erkennbar, zumal die Beklagte die Beiträge in den Jahren 1998 und 1999 zunächst gezahlt hatte, also zahlungsfähig war.

3.

Geht man, wie auch die Berufungskammer, von dieser Verpflichtung der Beklagten aus, so folgt hieraus, dass diese die Beiträge für die Jahre 1998, 1999, 2000 und 2001 zu zahlen hat. Die Berufung ist insoweit unbegründet, die Klageerweiterung begründet.

4.

Da die Beklagte die Pflicht zur Beitragszahlung schuldhaft verletzt hat, ist sie gegenüber der Klägerin zum Ersatz des hieraus entstandenen Schadens verpflichtet (Grundsatz der Positiven Forderungsverletzung, §§ 280, 286, 325, 326 BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung entsprechend). Da zumindest der Rechtsvorgängerin der Beklagten das Merkblatt bekannt war, welches ausdrücklich auf diese Rechtslage hinwies, ist die Nichtzahlung der Prämien auch als fahrlässig anzusehen. Für die Beklagte gilt dies in gleicher Weise, einerseits weil ihr die Kenntnis der früheren Arbeitgeberin als Rechtsnachfolgerin zuzurechnen ist, andererseits weil sie aufgrund des Schreibens der Versicherung vom 12.11.1998 gehalten gewesen wäre, die Rechtslage zu überprüfen und die Zahlungen zumindest vorsorglich zu leisten.

Für die Kammer ist nicht erkennbar, dass die Klägerin die ihr obliegende Schadensminderungspflicht verletzt hätte. Eine unmittelbare Rechtsbeziehung bestand zwischen der Beklagten und der Versicherung. Die Klägerin war Begünstigte, aber nicht Vertragspartnerin. Sie hat, wie aus ihrem unwidersprochenen Sachvortrag erkennbar ist, lediglich im nachhinein von der Nichtleistung der Beklagten erfahren. Nachvollziehbaren Sachvortrag dafür, dass die Klägerin überlegenes Wissen gehabt hätte, dass sie bewusst die Schadensentstehung in Kauf genommen hätte und dass sie den Eintritt des Schadens hätte verhindern können, hat die Beklagte nicht dargetan. Der bloße Verweis darauf, dass die Versicherung über den Schwiegervater der Klägerin abgeschlossen wurde, genügt hierfür nicht, weil dadurch nicht einmal hervorgeht, dass die Klägerin entsprechende Kenntnisse von den entstehenden Nachteilen gehabt hätte. Der Verweis auf ein Mitverschulden der Klägerin und ein Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht trägt daher nicht.

5.

Die Berufung ist auch unbegründet, soweit die Beklagte sich gegen die Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld wendet. Das Erstgericht hat zurecht auf die Berechnungsvorschrift des § 14 Abs. 1 S. 2 MuSchG abgestellt. Gründe, hiervon abzuweichen, bestehen nicht. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Kammer folgt, eine Steuerklassenwahl lediglich zum Zweck, einen höheren Zuschuss zu erlangen, missbräuchlich (BAG vom 22.10.1986 und vom 18.09.1991, 5 AZR 733/85 und 5 AZR 581/90, EzA § 14 MuSchG Nrn. 5a und 10). Diese Konstellation ist vorliegend nicht gegeben. Im Gegenteil: Vorliegend geht es gerade darum, dass die nach dem Referenzzeitraum liegende Steuerklassenänderung sich nicht auswirken soll. Diese Folge entspricht dem Gesetzeswortlaut, der auf den Referenzzeitraum abstellt und nicht auf das aktuelle Entgelt der Klägerin. Im übrigen beruft sich die Beklagte selbst darauf, dass der Arbeitnehmerin nach dem Gesetzeszweck den Verdienst nur aufrecht erhalten werden soll. Der Gesetzgeber stellt hierbei allerdings auf den konkreten Verdienst ab, den die Arbeitnehmerin vor Beginn ihres Mutterschutzes zuletzt erzielt hat, nicht auf ein hypothetisches anderes Einkommen. Diese Wertentscheidung haben die Parteien hinzunehmen. Genau nach dieser gesetzlichen Berechnung begehrt die Klägerin den Zuschuss und genau dies hat das Arbeitsgericht auch zugesprochen. Missbräuchlichkeit der Steuerklassenwahl ist in keiner Weise erkennbar und im übrigen nicht ursächlich für die streitgegenständlichen Ansprüche des Zuschusses.

Irgendwelche Einwendungen im Hinblick auf die von der Klägerin berechnete, vom Arbeitsgericht übernommene Höhe des Anspruches hat die Beklagte nicht erhoben. Sie sind auch aus den vorgelegten Berechnungen nicht erkennbar. Die Berufung ist daher auch insoweit unbegründet.

6.

Die Beklagte, Berufungsklägerin, hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels sowie die Kosten der Klageerweiterung zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1, 91 ZPO).

7.

Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass. Die Parteien streiten über die Auslegung einer einzelvertraglichen Vorschrift, die über den Einzelfall nicht hinausgeht.

Ende der Entscheidung

Zurück