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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 136/04
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 2
BGB § 612a
1. Eine Trotz- oder Wiederholungskündigung liegt nicht vor, wenn das Arbeitsgericht die erste Kündigung mit der Begründung für unwirksam erklärt hat, nach dem Vortrag des Arbeitgebers sei "nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Arbeitsplatz in Wegfall geraten sei", und der Arbeitgeber eine neue betriebsbedingte Kündigung ausspricht und seinen Sachvortrag nunmehr präzisiert.

2. Zeigt der Arbeitgeber durch ein Angebot zur Weiterbeschäftigung zu deutlich verringerten Bezügen, dass eine Beschäftigung möglich wäre, so ist der Ausspruch einer Beendigungskündigung nicht aus betrieblichen Gründen "bedingt" nach § 1 Abs. 2 KSchG.

3. Lehnt der Arbeitnehmer die Gehaltsreduzierung mit sofortiger Wirkung kategorisch ab, erklärt er sich aber zu Verhandlungen über eine Reduzierung nach Ablauf der Kündigungsfrist bereit, muss der Arbeitgeber nach dem Grundsatz des "Vorrangs der Änderungskündigung" eine solche aussprechen; eine gleichwohl ausgesprochene Beendigungskündigung ist sozial nicht gerechtfertigt.

4. Haben sich sämtliche anderen Vertriebsleiter zu einer Gehaltsreduzierung mit sofortiger Wirkung einverstanden erklärt, dann ist eine Auflösung allein des Verkaufsgebiets des widersprechenden Arbeitnehmers willkürlich, stellt die Kündigung allein dieses Arbeitnehmers eine Maßregelung dar; sie ist daher nach §§ 242, 612a BGB unwirksam. Im übrigen wäre trotz der nunmehr deutlich unterschiedlichen Vergütung eine soziale Auswahl zwischen den Vertriebsleitern durchzuführen.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 136/04

in dem Rechtsstreit

wegen Kündigung

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter N. Ludwig und H. Beer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 09.09.2003, Az. 9 Ca 2339/02 A, teilweise - in Ziff. 6 und 7 - abgeändert.

1. Soweit der Kläger die Feststellung beantragt hat, dass der Büromietvertrag über das Büro des Klägers im Hause C..., fortbesteht, wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz hat der Kläger 1/40, die Beklagte 39/40 zu tragen.

3. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 1/40, die Beklagte 39/40 zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung sowie über Ansprüche des Arbeitnehmers aus einem zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses geschlossenen Mietvertrag über ein Zimmer in der Wohnung des Klägers.

Der am 12.10.1956 geborene, verheiratete und für zwei Kinder unterhaltspflichtige Kläger wurde mit Anstellungsvertrag vom 02.08.2001 ab 01.09.2001 bei der Beklagten als Vertriebsleiter eingestellt. Im Anstellungsvertrag (Anlage zur Klageschrift, Bl. 9 d.A.) ist folgendes geregelt:

"Mit Wirkung vom 01.09.2001 ist Herr A... ... als Vertriebsleiter für die Region Nord (nördliche Hälfte) PLZ-Gebiet 1 bis 5 tätig.

1. Das Aufgabengebiet umfasst im wesentlichen folgendes:

- Auswahl und Führung der Mitarbeiter im Verkaufsgebiet

- Schulung, Unterstützung und Motivation der Mitarbeiter, auch vor Ort beim Kunden im Verkaufsgespräch.

2. Herr A... erhält ein monatliches Festgehalt in Höhe von brutto DM 12.000,- ausgezahlt. Ab einem Jahresumsatz von DM 2 Millionen in seinem Verkaufsgebiet erhält Herr A... zusätzlich eine Provision in Höhe von 0,5% zahlbar jeweils zum Quartalsende.

3. Herr A... stellt der B... zur Erfüllung seiner Aufgaben ein möbliertes Home-Office zum Mietpreis von monatlich DM 300,- inkl. aller Nebenkosten zur Verfügung.

4. Die Ausstattung des Home-Office mit ... (wird im einzelnen ausgeführt) übernimmt die B....

5. Herrn A... wird ein Firmenwagen Marke Mercedes Benz, E 270 CDI Avantgarde, T-Modell + Navigationssystem überlassen.

6. Reisekosten, Spesen, Benzin usw. sowie Hotelübernachtungen, Miete für Tagungsräume etc. werden von der B... an Herrn A... erstattet, der diese monatlich abrechnet. Zu Beginn seiner Tätigkeit erhält Herr A... einen Reisekostenvorschuss in Höhe von DM 2.000,-.

7. Der Jahresurlaub ...

8. Es wird eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende vereinbart. Seitens der B... ist der Vertrag erstmals kündbar nach Ablauf von zwölf Monaten nach Beginn der Tätigkeit (Eintrittstermin) von Herrn A... für die B...."

Die Beklagte stellt bautechnische Geräte her und vertreibt diese. Sie beschäftigt etwa 30 Arbeitnehmer. Der Kläger brachte sein Verkaufsteam aus seiner früheren Beschäftigungsfirma mit zur Beklagten. Neben dem Kläger wurde als weiterer Vertriebsleiter sein Kollege D... ab 01.09.2001 eingestellt, der die Region West zu bearbeiten hatte.

Die Parteien stellten zu Beginn des Arbeitsverhältnisses Umsatzplanungen an. Als diese Umsatzziele nicht erreicht werden konnten, schlug die Beklagte dem Kläger eine Reduzierung seines Fixgehalts vor. Eine Einigung über die Reduzierung kam nicht zustande. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20.06.2002 mit Wirkung zum 31.12.2002 und stellte den Kläger unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Gleichzeitig kündigte die Beklagte das im Anstellungsvertrag vereinbarte Mietverhältnis mit Wirkung zum 31.12.2002. Der Kläger erhob hiergegen Klage, die beim Arbeitsgericht Würzburg, Kammer Aschaffenburg, unter dem Aktenzeichen 9 Ca 1280/02 A geführt wurde. Das Arbeitsgericht Würzburg entschied durch Endurteil vom 26.11.2002 unter anderem, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20.06.2002 nicht beendet worden sei, dass die Kündigung des Büromietvertrages unwirksam sei und dass der Kläger weiterzubeschäftigen sei. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht an, bei Kündigung, die wie diejenige vom 20.06.2002 mit der Nichterfüllung von Leistungserwartungen begründet werde, bedürfe es einer vorhergehenden Abmahnung. Soweit die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt werde, sei auch dies unzureichend, da nicht ansatzweise ersichtlich sei, dass der Arbeitsplatz des Klägers in Wegfall geraten sei. Der Kläger habe Anspruch auf Fortsetzung des Büromietvertrages, da dieser mit der vereinbarten Leistungserbringung in unmittelbarem Zusammenhang stehe. Die gegen das Urteil im Verfahren 9 Ca 1280/02 A durch die Beklagte eingelegte Berufung, die beim Landesarbeitsgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 9 Sa 313/03 geführt wurde, hat die Beklagte in der Sitzung vom 12.01.2004 zurückgenommen.

Die Beklagte sprach dem Kläger mit Schreiben vom 07.11.2002 eine weitere Kündigung "höchst vorsorglich" zum 31.12.2002 aus betriebsbedingten Gründen aus mit der Begründung, aufgrund der Konjunkturentwicklung und des erheblichen Rückgangs der Umsätze im betreuten Bereich Nord sei die Aufrechterhaltung einer Außendienstmitarbeiterstelle zu der mit dem Kläger vereinbarten Dotierung wirtschaftlich nicht vertretbar (Anlage zur Klageschrift, Bl. 10 d.A.). Mit Anwaltsschriftsatz vom 22.04.2003, den Klägervertretern zugesandt am 28.04.2003, hat die Beklagte die Kündigung des Büromietvertrages vorsorglich wiederholt.

Mit seiner am 28.11.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage selben Datums hat der Kläger die Unwirksamkeit dieser weiteren Kündigung geltend gemacht. Er hat vorgetragen, die Kündigung sei weder durch in seiner Person noch in seinem Verhalten liegende Gründe noch durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Er hat vorsorglich die Durchführung einer korrekten Sozialauswahl gerügt. Er hat die Auffassung vertreten, es sei nicht ersichtlich, wer bei der Beklagten wann welche Organisationsentscheidung getroffen habe. Kündigungsgrund sei schlicht der Umstand, dass er, der Kläger, der Beklagten zu teuer geworden sei. Er sei mit seinem Kollegen D... - dem Vertriebsleiter Süd - vergleichbar; dieser habe einer Änderung seines ursprünglich gleichlautenden Vertrages zugestimmt. Dies hindere aber nicht die Vergleichbarkeit. Der Kollege D... sei 62 Jahre alt, verwitwet und habe keine Unterhaltspflichten. Er, der Kläger, sei angesichts seiner Unterhaltspflichten für die nicht berufstätige Ehefrau und die beiden schulpflichtigen Kinder sozial schutzwürdiger. Die Beklagte hätte zudem eine Änderungskündigung zur Gehaltsreduzierung aussprechen können. Zwar habe zwischen den Parteien am 11.04.2002 ein Gespräch stattgefunden, in dem der Wunsch der Beklagten zur Änderung der Gehaltsstruktur Gegenstand gewesen sei. Er, der Kläger, habe um Übersendung eines Angebots in Textform gebeten, um sich die Angelegenheit überlegen zu können. Die Beklagte habe ihm dann eine Mail vom 24.04.2002 übersandt mit der Aufforderung, der Änderung innerhalb von zwei Tagen mit Wirkung vom 01.05.2002 zuzustimmen. Bei der Besprechung am 27.05.2002 sei ihm bedeutet worden, er müsse sofort auf die Änderung eingehen, sonst werde man ihm noch am selben Tag die Kündigung aussprechen. Er habe erklärt, er sei bereit, über eine neue Gehaltsstruktur mit Wirkung ab dem 01.01.2003 zu verhandeln. Dies habe der Geschäftsführer der Beklagten abgelehnt.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe den Mietzins für das Büro seit Juli 2002 nicht mehr gezahlt. Sie schulde bis 31.12.2002 daher sechs Monatsmieten in Höhe von insgesamt 920,34 €. Sie schulde auch die Miete für das Büro für Januar bis März 2003 in Höhe von insgesamt 460,17 €. Sie schulde schließlich Annahmeverzugsentgelt für Januar 2003 in Höhe von 6.135,50 € brutto abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld von 1.899,99 € netto und für Februar 2003 in Höhe von € 6.135,50 brutto abzüglich € 1.716,12 netto. Da die Kündigung unwirksam sei, sei die Beklagte verpflichtet, ihn bis zum Abschluss des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht daher zuletzt folgende Anträge gestellt:

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 07.11.2002 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis weder zum 31.12.2002 noch zu einem anderen Termin beendet hat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Vertriebsleiter Norddeutschland (PLZ-Gebiete 1 - 5) zu einem Bruttomonatsgehalt von € 6.135,50 bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 920,34 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2003 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 12.271,- brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von € 3.616,11 netto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab 02.04.2003 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 460,17 zu zahlen.

6. Es wird festgestellt, dass der Büromietvertrag zwischen den Parteien über das Büro des Klägers im Hause C..., fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, die Klage sei unbegründet. Die Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt. Sie habe den Kläger als Verkaufsleiter im Verkaufsgebiet Nord eingesetzt. Bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses habe zwischen den Parteien die übereinstimmende Erwartung bestanden, dass bestimmte Umsätze durch die Tätigkeit des Klägers zu erzielen seien. Es habe sich herausgestellt, dass diese Umsätze völlig unrealistisch kalkuliert gewesen seien und dass sie trotz erheblichen Einsatzes der Mitarbeiter nicht zu erreichen gewesen seien. Es seien im Gebiet des Klägers lediglich 39% der Zielzahlen erreicht worden. Allein das Gehalt des Klägers mache dabei etwa 15% der Gesamtumsätze aus. Da mit erheblichem Materialkosteneinsatz zu kalkulieren sei, sei es absolut unmöglich, bei den tatsächlich erzielten Umsätzen Gewinne zu erzielen. Sie habe sich daher entschlossen, die Position des Klägers ersatzlos zu streichen. Es gebe im Unternehmen keinen Verkaufs- oder Vertriebsleiter, der ein Gehalt in der Größenordnung des Klägers erhalte. Aus diesem Grund sei kein Beschäftigter mit dem Kläger vergleichbar. Alle anderen Mitarbeiter hätten der Konjunkturentwicklung Rechnung getragen und ihre Gehaltsansprüche so weit reduziert, dass eine Weiterbeschäftigung möglich gewesen sei. Sie habe von einer Änderungskündigung Abstand genommen, weil der Kläger von vornherein erklärt habe, er werde auf ein solches Verlangen nicht eingehen.

Die Beklagte hat ausgeführt, die Aufgaben des Klägers, die darin bestanden hätten, die mit dem Verkauf unmittelbar befassten Mitarbeiter auszuwählen, zu führen, zu schulen, zu unterstützen und zu motivieren, würden jetzt vom eigenen Leitungspersonal - Personen der Geschäftsführung bzw. dem Zeugen E... - selbst übernommen. Beim Zustandekommen des Anstellungsvertrages seien die vom Kläger selbst benannten Umsatzplanungen zugrunde gelegt worden. Der Zeuge E... habe schon damals erklärt, dass das Gehalt des Klägers nur auf der Basis dieser Umsatzplanungen realistisch sei. Mit dieser Kalkulation sei der Kläger einverstanden gewesen. Als die Zahlen für das erste Quartal ein Minus von fast 100.000,- € ergeben hätten, habe sie dem Kläger wie dem Vertriebsleiter D... eine geänderte Gehaltsstruktur vorgeschlagen. Der Kläger habe dies abgelehnt und erklärt, er könne nichts für die Umsatzzahlen, diese seien konjunkturell bedingt schlecht. Angesichts der Ablehnung des gemachten Angebots durch den Kläger sei der Ausspruch einer Änderungskündigung nicht erforderlich gewesen. Anfang November habe man aufgrund der in diesem Zeitpunkt konkret festgestellten Umsatzzahlen den Entschluss gefasst, die Position des Vertriebsleiters Nord vollständig wegfallen zu lassen. Im Bereich West sei der Kläger nicht einsetzbar, weil dies zu erheblichen Problemen mit den dort beschäftigten Mitarbeitern kommen würde; diese hätten kategorisch abgelehnt, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten. Der Kläger habe es nicht geschafft, zu diesen Mitarbeitern ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen; er habe etwa bei Seminaren die Namensschilder abends eingesammelt und morgens neu ausgegeben, um sie persönlich zu verwahren, mit der Begründung, die Mitarbeiter seien zu unverlässig. Inzwischen habe sie, die Beklagte, die Position auch des Vertriebsleiters West zum 30.09.2003 vollständig aufgegeben. Sie stütze die Kündigung des Klägers nicht darauf, dass sich die von ihm angegebenen Umsatzplanungen als unrealistisch herausgestellt hätten, sondern auf den Rückgang aufgrund der konjunkturellen Schwäche des Marktes. Der Büromietvertrag, dessen Kündigung der Zeuge E... ausgesprochen habe, werde angesichts der Kündigung des Anstellungsvertrages nicht mehr benötigt.

Der Kläger hat eingewandt, er sei mit dem Kollegen D... vergleichbar. Er verrichte dieselbe Tätigkeit; er sei mit diesem kraft Direktionsrechts austauschbar. Auf das unterschiedliche Gehalt komme es dabei nicht an. Die Kündigung scheitere daher auch an der Sozialauswahl.

Das Arbeitsgericht Würzburg hat der Klage mit Endurteil vom 09.09.2003 in vollem Umfang stattgegeben und wie folgt erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 07.11.2002 nicht aufgelöst wurde.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Vertriebsleiter Norddeutschland (PLZ-Gebiete 1 - 5) zu einem Bruttomonatsgehalt von € 6.135,50 bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 920,34 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2003 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 12.271,- brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 3.616,11 netto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 02.04.2003 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 460,17 zu zahlen.

6. Es wird festgestellt, dass der Büromietvertrag zwischen den Parteien über das Büro des Klägers im Hause C..., fortbesteht.

7. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

8. Der Streitwert wird auf € 37.339,- festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat dies im wesentlichen damit begründet, da kein Feststellungsinteresse für den allgemeinen Fortbestehensantrag vorhanden sei, sei dieser nur als Annex anzusehen und stelle keinen eigenständigen Streitgegenstand dar. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Es sei der Beklagten verwehrt, sich auf die vorgebrachten Gründe zu berufen, da es sich um eine bereits im Verfahren 9 Ca 1280/02 A vom Arbeitsgericht entschiedene Wiederholungskündigung handele. In diesem Verfahren sei bereits festgestellt worden, dass der Arbeitsplatz des Klägers nicht entfallen sei. Die Argumentation, die Umsatzsituation habe sich weiter verschlechtert und trage die Tätigkeit des Klägers daher nicht, verfange nicht. Neue Kündigungsgründe seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe auch Anspruch auf die Miete für den zur Verfügung gestellten Büroraum; die Kündigung des Mietvertrages sei unwirksam, weil es sich nicht um zwei unabhängig voneinander bestehende Verträge handele; das Mietverhältnis sei vielmehr unmittelbarer Ausfluss der vertragsgemäß durch den Kläger geschuldeten Arbeitsleistung. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung bestehe auch ein Weiterbeschäftigungsanspruch. Die Beklagte habe durch den Ausspruch der Kündigung zu erkennen gegeben, dass sie dem Kläger keinen Arbeitsplatz mehr zur Verfügung stelle. Aus diesem Grund befinde sie sich in Annahmeverzug, so dass auch die Gehaltsansprüche für Januar und Februar 2003 berechtigt seien.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist den Beklagtenvertretern ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 20.01.2004 zugestellt worden (Bl. 79 d.A.). Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihrer Vertreter vom 20.02.2004, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. Sie hat diese Berufung mit am 17.03.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 15.03.2004 begründet.

Die Beklagte hat sich in der Berufung darauf gestützt, das Arbeitsgericht habe sich mit der Begründung der Kündigung nicht auseinandergesetzt. Es sei falsch, dass eine Wiederholungskündigung gegeben sei. Es sei vielmehr aufgrund der wirtschaftlichen Situation, wie sie sich im November 2002 dargestellt habe, neu beurteilt worden, dass die Position des Vertriebsleiters Nord nicht mehr benötigt werde. Die wirtschaftliche Situation sei im November drastisch schlechter gewesen als im Juni. In Kenntnis der Ende Oktober erhaltenen Umsatzzahlen sei die Entscheidung zur Streichung der Stelle des Vertriebsleiters Nord getroffen worden. In der Zwischenzeit seien sämtliche Vertriebsleiter, also auch diejenigen in den Gebieten West und Süd, entlassen worden, und zwar zum 30.09.2003. Der Betrieb existiere nunmehr völlig ohne Vertriebsleiter. Der Büromietvertrag sei ausschließlich zum Zweck der Durchführung des Arbeitsverhältnisses geschlossen worden und habe deshalb ebenfalls bis zum 31.12.2002 beendet werden müssen. Unabhängig davon habe sie nach den Bedingungen des Anstellungsvertrages das Recht gehabt, vom Kläger zu verlangen, die Arbeitsleistungen von einem anderen Ort aus zu erbringen als von seiner Wohnung.

Die Beklagte stellt als Berufungskläger daher in der Berufungsinstanz folgende Anträge:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 09.09.2003, Az. 9 Ca 2339/02 A, wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Er führt aus, die Beklagte habe sich sowohl im Vor- als auch im streitgegenständlichen Verfahren stets nur darauf berufen, dass die wirtschaftliche Belastung mit den Lohnkosten in keinem Verhältnis zum erzielten Umsatz gestanden habe. Aus diesem Grund sei der Arbeitsplatz wirtschaftlich nicht tragbar. Sie habe sich daher der Struktur nach auf dieselben Kündigungsgründe berufen. Im übrigen habe sie die behaupteten betriebsbedingten Kündigungsgründe nicht im Ansatz substantiiert vorgetragen. Unabhängig davon habe sich die wirtschaftliche Lage schon wegen seiner - des Klägers - Freistellung und dem Verzicht auf seine Arbeitsleistung verschlechtert. Er bestreite nach wie vor, dass die Aufgaben des Vertriebsleiters entfallen seien.

In der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 08.06.2004 hat die Beklagte nach detaillierten Hinweisen der Kammer erklärt, der Kollege D... sei mit dem Kläger nicht vergleichbar, weil dessen Arbeitsplatz nicht zu denselben Bedingungen bestehe wie derjenige des Klägers. Außerdem bedinge die Tätigkeit des Vertriebsleiters ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern; dieses sei im Verhältnis zum Kläger nicht gegeben. Die Mitarbeiter im Bereich West hätten sich geweigert, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten. Es sei ursprünglich wegen der Größe des zu erwarteten Umsatzes und der Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter als sinnvoll erachtet worden, eine Leitungshilfe für die Geschäftsführung einzusetzen. Dies habe sich wegen der geringeren Umsatzzahlen aber als Fehlkalkulation erwiesen. Aus diesem Grund habe die Geschäftsleitung, im wesentlichen durch den Zeugen E..., in geringem Umfang durch den Geschäftsführer, die Aufgaben wieder selbst übernommen, zumal der Umfang der Tätigkeit durch den geringen Umsatz nur geringfügig gewesen sei. Auf die Anwesenheit eines Vertriebsleiters bei Kundengesprächen sei zudem verzichtet worden.

Der Kläger hat diesen Vortrag bestritten und als verspätet gerügt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils vom 09.09.2003 (Bl. 67 ff. d.A.), die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 08.06.2004 (Bl. 180 ff. d.A.) und die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, weil sie sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil richtet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Hinsichtlich des Feststellungsantrages ist ein Beschwerdewert nicht erforderlich (§ 64 Abs. 2 c) ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt insgesamt 600,- Euro (§ 64 Abs. 2 b) ArbGG). Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts erweist sich hinsichtlich der Kündigung des Arbeitsverhältnisses als richtig. Es hat der Klage insoweit zu Recht stattgegeben. Im einzelnen gilt folgendes:

1. Es kann dahinstehen, ob die Annahme des Arbeitsgerichts zutrifft, es handele sich um eine Wiederholungskündigung zur Kündigung vom 20.06.2002, so dass sich schon aus diesem Grund die Unwirksamkeit der Kündigung auch vom 07.11.2002 ergebe. Immerhin hat das Arbeitsgericht in der damaligen Entscheidung (in Ablichtung vorgelegt, Bl. 88 ff. d.A.) angenommen, dem Kläger würden Leistungsmängel und die Erzielung eines zu geringen Umsatzes zum Vorwurf gemacht, so dass die Kündigung mangels Abmahnung sozial ungerechtfertigt sei. Auf diese Gründe hat sich die Beklagte aber im vorliegenden Prozess in keiner Weise berufen, sondern auf die nunmehr getroffene Entscheidung, die Aufgaben von der Geschäftsleitung wahrnehmen zu lassen. Insoweit scheidet das Vorliegen einer Wiederholungskündigung aus. Hinsichtlich der Betriebsbedingtheit hat das Arbeitsgericht lediglich festgestellt, nach dem Vortrag der Beklagten sei "nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Arbeitsplatz des Klägers in Wegfall geraten" sei. Das Arbeitsgericht hat sich damit überhaupt nicht inhaltlich mit dem Kündigungsgrund - soweit er auf betriebliche Gründe gestützt war - befasst, sondern seine Entscheidung wegen fehlenden Tatsachenvortrags aus formalen Gründen getroffen. Bei einer solchen Konstellation ist es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, eine neue Kündigung auszusprechen und nunmehr den von den Gerichten geforderten Sachvortrag nachzutragen (KR-Fischermeier, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht, 7. Aufl. 2004, § 626 BGB Rn. 403; KR-Friedrich, ebenda, § 4 KSchG, Rn. 273; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. 2002, Rn. 1903, jeweils mit weiteren Nachweisen). Unabhängig davon hat die Beklagte das Vorliegen einer neuen unternehmerischen Entscheidung aufgrund neuer Zahlen behauptet, die Stelle des Klägers wegfallen zu lassen. Auch dies steht der Annahme einer Wiederholungs- oder Trotzkündigung entgegen.

2. Der Beklagten ist es auch aus formalen Gründen wegen der Rechtskraft der Entscheidung über die Kündigung vom 20.06.2002 nicht verwehrt, sich auf die Gestaltungswirkungen der Kündigung vom 07.11.2002 zu berufen. Zwar erstreckt sich die Rechtskraftwirkung eines stattgebenden arbeitsgerichtlichen Urteils über eine Kündigung in der Regel darauf, dass zum Zeitpunkt des Zugangs, aber auch zum Zeitpunkt der durch die Kündigung behaupteten Beendigung das Arbeitsverhältnis noch bestanden hat, dass es also zu diesem Zeitpunkt - auch die Kündigung vom 20.06.2002 wurde mit Wirkung zum 31.12.2002 ausgesprochen - nicht beendet wurde (KR-Friedrich, a.a.O., § 4 KSchG Rn. 255 mit umfangreichen Nachweisen). Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichts im vorliegenden Verfahren war dies nicht problematisch, weil das Urteil über die Kündigung vom 20.06.2002 damals noch nicht rechtskräftig war; Rechtskraft trat erst durch Berufungsrücknahme im Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht am 12.01.2004 ein. In diesem Verfahren war den Parteien sowohl der Streit über die Kündigung vom 07.11.2002 als auch das Urteil des Arbeitsgerichts vom 09.09.2003 bekannt. Die Beklagte wollte sich die Prüfung der weiteren Kündigung - auch für den Kläger ersichtlich - offen halten. Die Kammer neigt dazu, in einer solchen Konstellation, in der die Berufung im Hinblick auf eine weitere, zum selben Zeitpunkt wirkende Kündigung zurückgenommen wird, die Rechtskraftwirkung der Erstentscheidung einzuschränken. Sie sieht sich an der materiellen Prüfung der Kündigung vom 07.11.2002 daher nicht gehindert.

3. Die Kündigung vom 07.11.2002 ist aber materiell nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG.

a. Die Beklagte hat schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass der Arbeitsbedarf für den Kläger entfallen ist, so dass die Kündigung auf einem "dringenden betrieblichen Erfordernis" im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG beruhen würde. Sie hat sich zwar auf das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung zum Wegfall des Arbeitsplatzes berufen; in einem solchen Fall ist gerade dann, wenn die Organisationsentscheidung im wesentlichen im Wegfall eines bestimmten Arbeitsplatzes besteht, durch substantiierten Tatsachenvortrag deutlich machen, in welchem Umfang die bisher vom Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben entfallen und wie diese Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können (BAG vom 17.06.1999, 2 AZR 141/99, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102). Dies hat die Beklagte zunächst in keiner Weise getan. Auch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vorgetragenen Umstände genügen hierfür nicht. Die Beklagte hat weder dargelegt, welche Aufgaben der Kläger mit welchem Zeitanteil zu verrichten hatte, welche Aufgaben entfallen sind und welche von wem mit welchen freien Kapazitäten nunmehr durchgeführt werden sollen. Die viel zu pauschalen Angaben hierzu genügen diesen Anforderungen, worauf die Kammer ausweislich der Niederschrift hingewiesen hat, nicht. Schon aus diesem Grund wäre die Kündigung vom 07.11.2002 als sozial ungerechtfertigt anzusehen.

b. Die Kündigung scheitert jedoch auch am Grundsatz des "Vorrangs der Änderungskündigung". Eine Beendigungskündigung ist nämlich nur sozial gerechtfertigt, wenn es keine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer gibt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Beklagte selbst führt aus, sie habe dem Kläger eine Beschäftigung zu reduzierten Bezügen angeboten. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, dass eine Beschäftigung des Klägers zu solch reduzierten Bezügen möglich gewesen wäre. Ist dies aber der Fall, hätte sie dem Kläger - gegebenenfalls im Wege der Änderungskündigung - eine solche Beschäftigung auch anbieten müssen. Zwar hat die Beklagte nunmehr den völligen Wegfall des Arbeitsplatzes behauptet, lag das Angebot zur Beschäftigung mit geringeren Bezügen im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 07.11.2002 schon einige Monate zurück. Die Beklagte begründet jedoch auch die Kündigung vom 07.11.2002 nach wie vor damit, der Kläger sei angesichts des Umsatzes zu teuer gewesen. Auch wurden nach dem Sachvortrag der Beklagten die anderen Vertriebsleiter zu reduzierten Bezügen sowohl im Zeitpunkt des Ausspruches als auch in dem des Wirksamwerdens der Kündigung noch beschäftigt. Da weiteres Vorbringen der Beklagten hierzu fehlt, muss davon ausgegangen werden, dass auch die Beschäftigung des Klägers zu geringeren Bezügen nach wie vor möglich gewesen wäre. Dann hätte die Beklagte dem Kläger diese aber auch mittels Änderungskündigung anbieten müssen.

Dieser Verpflichtung steht der Sachvortrag der Beklagten, der Kläger habe die geänderten Bedingungen im Vorfeld nicht angenommen, nicht entgegen. Zum einen hat der Kläger vorgetragen (S. 6 des Schriftsatzes vom 11.10.2002 im Verfahren 9 Ca 1280/02 A, dort Bl. 68 d.A., den der Kläger ausdrücklich zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits gemacht hat, vgl. S. 4 des Schriftsatzes vom 19.03.2003, Bl. 28 d.A.), er habe sich nur geweigert, über eine Reduzierung der Bezüge vor dem 31.12.2002 zu verhandeln. Die Beklagte hat dem nicht widersprochen, so dass dieser Sachvortrag als zugestanden anzusehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Ist aber davon auszugehen, dann stand im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung keinesfalls fest, dass der Kläger auf ein Angebot zur Weiterarbeit mit reduzierten Bezügen keinesfalls eingehen würde, so dass sich der Ausspruch einer Änderungskündigung nur als überflüssige Förmelei darstellen würde (vgl. etwa BAG vom 27.09.1984, 2 AZR 62/83, EzA § 2 KSchG Nr. 5). Dies wäre allenfalls der Fall, wenn der Kläger, obwohl ihm als Alternative eine Beendigungskündigung vor Augen geführt worden wäre, nach einer ihm eingeräumten Bedenkzeit von mindestens einer Woche eine solche Reduzierung kategorisch abgelehnt hätte. Diese Reduzierung hätte dem Kläger - die Ablehnung des Änderungsangebots muss in einer Weise erfolgen, dass auch eine Änderungskündigung als überflüssig erscheint - nur für einen Zeitpunkt nach Ablauf der Kündigungsfrist angeboten werden können. Die auch kategorische Ablehnung einer Reduzierung mit sofortiger Wirkung besagt gerade dann, wenn die Kündigungsfrist wie hier mehrere Monate beträgt, nichts darüber aus, ob der Arbeitnehmer ein Änderungsangebot für diesen späteren Zeitpunkt abgelehnt hätte. Damit bleibt es dabei, dass die Beklagte eine solche Änderungskündigung hätte aussprechen müssen, nicht aber eine Beendigungskündigung.

c. Die Kündigung scheitert schließlich auch an der Fehlerhaftigkeit der getroffenen sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG. Der Kläger hat sich insoweit auf die Vergleichbarkeit mit dem Kollegen D... berufen. Die Beklagte hat diese Vergleichbarkeit zum einen mit den reduzierten Bezügen des Arbeitnehmers D..., zum anderen damit begründet, die Mitarbeiter im Verkaufsgebiet des Kollegen D... würden den Kläger nicht akzeptieren. Beide Argumente tragen nicht. Die Beklagte selbst trägt vor, dass der Kläger und der Kollege D... dieselben Aufgaben zu verrichten hatten. Damit besteht Austauschbarkeit. Auf fehlende rechtliche Vergleichbarkeit hat sich die Beklagte nicht berufen. Die unterschiedliche Vergütung steht der Austauschbarkeit im Sinne einer tatsächlichen Einsetzbarkeit der betroffenen Arbeitnehmer nicht entgegen (KR-Etzel, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 618; Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2. Aufl. 2004, § 1 KSchG Rn. 674). Die Behauptung, die Mitarbeiter des anderen Verkaufsgebiets hätten die Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt, ist in der vorgebrachten Form viel zu ungenau; es wird nicht deutlich, wann welche Mitarbeiter welche Äußerungen getätigt haben sollen und was die Beklagte zur Annahme berechtigen soll, einer Einsetzbarkeit des Klägers in diesem Bereich stünden ernsthafte und durchgreifende Hindernisse entgegen. Es kann daher dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Tatsache geeignet ist, der sozialen Auswahl entgegenzustehen.

Nach den vom Kläger vorgetragenen Sozialdaten erscheint er als schutzwürdiger als der Arbeitnehmer D.... Beide waren im Kündigungszeitpunkt etwa 14 Monate beschäftigt. Zwar ist der am 30.07.1941 geborene Arbeitnehmer D... älter als der am 12.10.1956 geborene Kläger. Der Kläger ist jedoch im Gegensatz zum Arbeitnehmer D... drei Personen unterhaltspflichtig. Dies hat die Beklagte nicht in ausreichendem Maß beachtet. Aufgrund seiner Unterhaltspflichten erscheint der Kläger als sozial schutzwürdiger als der Arbeitnehmer D....

d. Unerheblich ist, dass die Beklagte nach unwidersprochenem Sachvortrag inzwischen sämtlichen Vertriebsleiter - zum 30.09.2003 - gekündigt hat. Die vorliegende Kündigung ist daraufhin zu überprüfen, ob sie das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2002 aufgelöst hat. Spätere Umstände können hierbei nicht berücksichtigt werden, und zwar weder für die Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses noch für die soziale Auswahl. Die Beklagte muss in einem solchen Fall auch dem schon gekündigten Arbeitnehmer erneut kündigen.

4. Unabhängig von diesen Überlegungen scheitert die Kündigung vorliegend auch an § 612a BGB. Nach dem Sachvortrag der Beklagten ist die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagte dem Kläger nicht gekündigt hätte, wenn er sich auf eine sofortige Gehaltsreduzierung eingelassen hätte. Immerhin wurden die anderen Vertriebsleiter, die sich nach Angaben der Beklagten hiermit einverstanden erklärt hatten, nicht - jedenfalls nicht im November und nicht zum Ende des Jahres 2002 - entlassen. Auch die Beklagte behauptet eine rechtliche Verpflichtung des Klägers, sich auf die Gehaltsreduzierung einzulassen, nicht. Letztlich wäre die Kündigung nicht ausgesprochen worden, hätte die Beklagte auch das Verkaufsgebiet Nord nicht aufgelöst, wenn der Kläger sich auf die Reduzierung eingelassen, wenn er nicht auf seinem Recht - nämlich unveränderte Fortsetzung des Anstellungsvertrages mindestens bis 31.12.2002 - bestanden hätte. Die Kündigung stellt sich damit als Reaktion darauf dar, dass der Kläger auf seinen Rechten beharrt hat. Dies führt zur Unwirksamkeit der Erklärung nach § 612a BGB.

5. Nach alldem hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 07.11.2002 nicht aufgelöst worden ist. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen. Gegen die Auslegung des Fortbestehensantrages als unselbständigen "Annex"-Antrag hat sich der Kläger nicht gewandt.

6. Da die Kammer von der Unwirksamkeit der Kündigung überzeugt ist, da diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, besteht auch der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers, jedenfalls bis zum Ausspruch einer neuen Kündigung. Auch insoweit war die Berufung zurückzuweisen. Nachdem der schon im Urteil des Arbeitsgerichts im Verfahren 9 Ca 1280/02 A tenorierte Weiterbeschäftigungsanspruch - das Arbeitsgericht hat sich bei der Tenorierung im vorliegenden Verfahren mit der sich zum Teil überschneidenden Reichweite nicht auseinandergesetzt - im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungskammer durch Eintritt der dort ausgewiesenen Bedingung erledigt war, war er nunmehr auch in der vorliegenden Form zulässig und begründet. Der Einwand der Beklagten, der Arbeitsplatz sei weggefallen, bezieht sich letztlich auf den Kündigungsgrund und trägt nicht. Die Beklagte kann einen solchen Arbeitsplatz, den sie durch freie unternehmerische Entscheidung zunächst eingerichtet, dann zur Begründung der Kündigung beseitigt hat, jederzeit erneut einrichten und dem Kläger die Aufgaben wieder zuweisen. Irgendeine über diese Organisationsentscheidung hinausgehende Unmöglichkeit hat sie in keiner Weise dargetan.

7. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung schuldet die Beklagte dem Kläger auch das Gehalt für die Monate Januar bis März 2003 abzüglich der angegebenen Sozialversicherungsleistungen nach dem Grundsatz des Annahmeverzugs (§§ 615 BGB, 11 KSchG). Die Beklagte hat insoweit - mit Ausnahme der von ihr angenommenen Wirksamkeit der Kündigung zum 31.12.2002 - keine Einwendungen gegen diese Zahlungsverpflichtung erhoben. Da die Kammer davon ausgeht, dass das Arbeitsverhältnis in den Monaten Januar bis März 2003 noch bestanden hat, erweist sich das Urteil des Arbeitsgerichts auch in diesem Punkt als richtig.

8. Die Beklagte ist im Hinblick auf das Fortbestehen des Anstellungsverhältnisses auch zur Zahlung des Mietzinses für den vom Kläger zur Verfügung gestellten Arbeitsraum verpflichtet. Dies gilt umso mehr, als sie mit der Kündigung vom 07.11.2002 eine gesonderte Kündigung des Arbeitsraumes zunächst nicht erklärt hat.

9. Die Beklagte hat allerdings die Kündigung dieses Mietvertrages mit Anwaltsschriftsatz vom 22.04.2003 ausdrücklich wiederholt. Sie hat sich dabei darauf berufen, dieses Kündigungsrecht stehe ihr nach der Vertragsge-staltung unabhängig vom Bestehen des Anstellungsvertrages zu (Bl. 45 d.A.). Die Kammer folgt dieser Ansicht. Im Arbeitsvertrag ist allein geregelt, dass der Kläger einen solchen Raum "zur Verfügung zu stellen hat". Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte für die Dauer des Anstellungsverhältnisses verpflichtet sein solle, diesen Raum auch anzumieten. Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung unter anderem damit begründet, die Beklagte habe die soziale Auswahl in Bezug auf den Kollegen D... verletzt. Damit beruft er sich gleichzeitig darauf, die Beklagte hätte ihm dessen Aufgaben zuweisen können. Dieses Argument, dem die Beklagte nicht entgegengetreten ist, bedingt aber gleichzeitig, dass der Einsatzort verändert werden konnte. Des angemieteten Raumes hätte es dann nicht mehr bedurft. Die Kammer geht nach alldem davon aus, dass diese Vertragsbestimmung einseitig von der Beklagten gekündigt werden konnte. Vorliegend war nicht zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt diese Kündigung wirksam wurde. Der Antrag des Klägers auf Fortbestehen des Mietvertrages war aus diesem Grund abzuweisen. Insoweit - und demzufolge im Kostenpunkt - war das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern.

10. Die Kostenentscheidung richtet sich nach dem Maß des Obsiegens bzw. Unterliegens der Parteien (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO). Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass nach den Vorstellungen des Klägers der Mietvertrag das Schicksal des Arbeitsvertrages teilen sollte, so dass es als gerechtfertigt erschien, den Wert des Antrags auf Fortbestehen entsprechend § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG auf drei Monatsmieten zu beschränken.

11. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

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