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Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 12.06.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 37/07
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 1 Abs. 2 |
2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert es, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung alles Zumutbare unternimmt, um die Ursache der Minderleistung zu erforschen und entsprechende Hilfestellungen zu versuchen. Daher kann der Arbeitgeber nicht offen lassen, ob beim Fahrer Lade-, Lese- oder Orientierungsprobleme für die regelmäßigen Verspätungen ursächlich sind.
3. Der Arbeitgeber muss schließlich nachvollziehbar darstellen und gegebenenfalls beweisen, dass und warum zumutbare Organisations- und Abhilfemaßnahmen nicht versucht worden sind oder erfolglos geblieben wären.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 12. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
wegen Kündigung
Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Steigerwald und Beigel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2007
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Gerichtstag Ansbach, vom 19.10.2006, Az. 8 Ca 7269/05 A, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer personenbedingten Arbeitgeberkündigung.
Der am 05.10.1944 geborene Kläger ist seit 15.06.1992 als Kraftfahrer im Betrieb der Beklagten, in der etwa 15 Arbeitnehmer tätig sind, beschäftigt. Sein Monatsentgelt beträgt etwa 2.400,- € brutto. Bis Ende 2004 fuhr er Heizöl aus. Nachdem der Bereich "Heizöl" zum 31.12.2004 an eine andere Firma übergeben worden war und der Kläger einen Wechsel zu dieser Firma abgelehnt hatte, wurde er ab 01.01.2005 mit dem Ausfahren von Farben und Materialien betraut. Zur Einarbeitung fuhr er - Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig - mehrere Wochen oder gar Monate als Beifahrer bei einem anderen Fahrer mit. Bei diesen Fahrten, bei denen auf wechselnden Touren verschiedene Kunden anzufahren und Materialien auszuliefern sind, wird das Fahrzeug jeweils morgens im Betrieb beladen, wobei der Bruder des Komplementärs der Beklagten die Fahrzeuge - es handelt sich in der Regel um drei Fahrzeuge - abfertigt. Der Arbeitnehmer holt die Ware aus dem Lager; er erhält vor der Fahrt die Lieferscheine ausgehändigt. Der Kläger benötigte für die von ihm gefahrenen Touren erheblich mehr Zeit als die anderen bei der Beklagten beschäftigten Fahrer für ähnliche Touren. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08.09.2005 mit Wirkung zum 28.02.2006 aus personenbedingten Gründen.
Mit seiner am 14.09.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage selben Datums hat der Kläger die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Er sei im Gegenteil in den letzten Monaten zu erheblichen Überstundenleistungen gezwungen gewesen. Er sei zudem gemobbt und sogar körperlich bedroht worden. Da die Kündigung unwirksam sei, sei die Beklagte im Falle der entsprechenden Feststellung des Arbeitsgerichts erster Instanz zur Weiterbeschäftigung während des Kündigungsprozesses verpflichtet.
Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht - nach Rücknahme des zunächst gesondert gestellten allgemeinen Fortbestehensantrages - daher zuletzt folgende Anträge gestellt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch die Kündigung vom 06.09.2005 nicht zum 28.02.2006 beendet worden ist.
2. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.) wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Kraftfahrer weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eingewandt, die Klage sei unbegründet. Die Kündigung sei aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Dem Kläger mangele es offensichtlich an Orientierungssinn, so dass er die ab 2005 zu fahrende Tour viel zu umständlich zurücklege und dabei viel zu viel Zeit benötige. Er komme mit dem im Verhältnis zur Ölauslieferung erheblich größeren Liefergebiet und dem großen Sortiment der nunmehr zuzustellenden Artikel offenbar nicht zurecht. Der Kläger habe wie die anderen Fahrer sein Fahrzeug zwischen 7.30 Uhr und 9.30 Uhr zu beladen gehabt. Schon hierfür habe er im Verhältnis zu den anderen Fahrern viel länger gebraucht. Obwohl ihm die Lieferscheine in der Reihenfolge der Zustelladressen übergeben worden seien, sei er offenbar nicht in der Lage gewesen, sein Fahrzeug in dieser Reihenfolge zu beladen. So sei er etwa am 12.08.2005 erst um 10.56 Uhr abgefahren, am 15.08. erst um 11.30 Uhr und am 16.08.2005 erst um 11.55 Uhr. Am 12.08.2005 habe er für die Anfahrt zu den an diesem Tag zu beliefernden 23 Stellen - Anlage K 4 zum Schriftsatz vom 29.12.2005, Bl. 43 d.A. - vier Stunden länger benötigt als üblicherweise seine Kollegen; er sei außerdem an diesem Tag 50 km mehr gefahren als die Kollegen. Am 15.08. habe er für die im einzelnen aufgeführten 15 Kunden (Anlage K 5, ebenda, Bl. 44 d.A.) vier Stunden länger gebraucht und sei 60 km weiter gefahren, als dies ansonsten bei seinen Kollegen der Fall sei. Am 16.08. habe er für die 16 Stellen fünf Stunden länger gebraucht und sei 90 km weiter gefahren (Anlage K 6, ebenda, Bl. 45 d.A.). Der Kläger sei die drei Touren zweimal wöchentlich gefahren, wobei die einzelnen Kunden nicht jedes Mal zu beliefern gewesen seien, so dass die Touren im einzelnen unterschiedlich gewesen seien. Dies rechtfertige jedoch die Verzögerungen nicht. Es habe sich zudem bereits ein Kunde schriftlich beschwert, dass der Kläger offensichtlich nicht in der Lage sei, einem Lieferschein die richtige Ware zuzuordnen. Außerdem habe er immer wieder gefragt, wie er zum nächsten Kunden komme (Anlage K 8, ebenda, Bl. 68 d.A.). Derartige Überschreitungen von Tourzeiten und eigentlich benötigten Fahrkilometern seien die Regel gewesen. Die angefallenen Mehrstunden seien größtenteils durch Freizeitausgleich abgefeiert worden.
Es sei ihr aber, nachdem der Kläger ein dreiviertel Jahr mit diesen Touren tätig gewesen sei, nicht zumutbar, diese Minderleistung weiter hinzunehmen. Sie habe dem Kläger alle möglichen Hilfestellungen gegeben, insbesondere habe sie in persönlichen Gesprächen versucht, dem Kläger zu helfen. Dies sei ohne Erfolg geblieben.
Der Kläger hat eingewandt, es sei schon deswegen nachvollziehbar, dass er für die Touren länger gebraucht habe, weil ihm die Routen und die Kunden im Gegensatz zu seinen Arbeitskollegen völlig unbekannt gewesen seien. Der Disponent C... gebe nach dem Inhalt der Lieferscheine Anweisung, welcher der vier Fahrer die auf dem Lieferschein angegebenen Gegenstände aus den einzelnen Lagerhallen herbeischaffen solle. Er kontrolliere auch anhand des Lieferscheins, ob die richtigen Waren in die Lkws eingestellt worden seien. Immer wieder und gerade bei den drei aufgeführten Touren sei er, der Kläger, als letzter kontrolliert worden, so dass er erst wesentlich später als üblich habe losfahren können. Herr C... habe auch die Fahrtrouten vorgegeben, und zwar teilweise so, dass er, der Kläger, mitunter einen nahe liegenden Ort erst nach Ablieferung bei einem weiter entfernten Kunden habe anfahren können. Zum Teil sei auf den Lieferscheinen auch keine Kundenanschrift angegeben gewesen, so dass er sich erst habe durchfragen müssen. Als er sich über die fehlenden Anschriften beschwert habe, habe der Disponent C... die Anweisung gegeben, die Lieferscheine genauer auszufüllen; dies sei jedoch nur unzureichend gelungen. Er, der Kläger, habe sich bereits im April über die Benachteiligung beim Beladen beim Komplementär beschwert, ohne dass Abhilfe erfolgt sei. Soweit Zeitverzögerungen eingetreten und Mehrkilometer angefallen seien, sei dies auf das Verhalten des Disponenten zurückzuführen. Im übrigen sei es falsch, dass ihm die Lieferscheine in der Reihenfolge der Zustelladressen ausgehändigt worden seien.
Die Beklagte hat erklärt, der Kläger sei ab Februar 2005 etwa zwei Monate als Beifahrer mitgefahren. Der Kläger sei - nach dem großen Lkw - meist als zweiter abgefertigt worden. Es sei falsch und Unsinn, dass der Kläger kreuz und quer herumgeschickt worden sei. Soweit die Lieferscheine keine Adressen trügen, liege dies daran, dass in manchen kleinen Ortschaften keine Straßennamen vorhanden seien.
Der Kläger hat erklärt, er sei höchstens zwei Wochen mit einem anderen Auslieferungsfahrer mitgefahren. Es sei falsch, dass er im Jahr 2005 immer als zweiter abgefertigt worden sei; vielmehr sei er fast immer der letzte gewesen.
Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 19.10.2006 wie folgt erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten nicht durch die Kündigung vom 06.09.2005 aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur Rechtskraft zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kraftfahrer weiterzubeschäftigen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf € 9.600,- festgesetzt.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, eine Kündigung wegen Minderleistung könne zwar berechtigt sein; dies setze jedoch voraus, dass die berechtigte Erwartung des Arbeitgebers von einem ausgewogenen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung in einem solchen Maß verfehlt werde, dass dem Arbeitgeber ein Festhalten am Arbeitsvertrag unzumutbar sei. Der Tatsachenvortrag der Beklagten reiche für eine solche Feststellung nicht aus. Sie habe eingeräumt, dass das Aufgabengebiet des Klägers vielschichtiger geworden sei. Zwar habe der Kläger eingeräumt, dass er länger gebraucht habe als seine Kollegen. Der Kammer erscheine jedoch von Bedeutung, dass die anderen Verkaufsfahrer seit Jahrzehnten beim Ausfahren im Farbgroßhandel tätig seien und daher die Örtlichkeiten bestens kennen würden. Es fehle daher an einem näher konkretisierten Sachvortrag, was als Durchschnittsleistung anzusehen sei. Eine geringfügige Unterschreitung der Durchschnittsleistung eines vergleichbaren Fahrers sei aufgrund des Alters des Klägers nämlich hinzunehmen. Außerdem sei nicht erkennbar, dass die Beklagte dem Kläger ausreichend Gelegenheit gegeben habe, seine Arbeitsweise zu optimieren. Die Behauptung, sie habe ihm "alle möglichen Hilfestellungen" gegeben, sei zu undifferenziert. Das Beschwerdeschreiben des Kunden zwinge nicht zur Schlussfolgerung, dass in Zukunft mit weiteren Störungen zu rechnen sei. Die Verpflichtung, den Kläger während des Prozesses weiterzubeschäftigen, ergebe sich aus den Grundsätzen des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts.
Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist den Beklagtenvertretern ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 22.12.2006 zugestellt worden (Bl. 136 d.A.). Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihrer Vertreter vom 18.01.2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. Sie hat diese Berufung - nach Verlängerung der Begründungsfrist aufgrund am 19.02.2007 eingegangenen Antrags bis 23.03.2007 - mit am 07.03.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 07.03.2007 begründet.
Die Beklagte hat sich in der Berufung darauf gestützt, das Arbeitsgericht habe fälschlich angenommen, dass eine Normalleistung eines entsprechenden Fahrers nicht erkennbar sei. Es habe dabei verkannt, dass die anderen Fahrer die jeweilige Tour innerhalb der Regelarbeitszeit von acht Stunden bewältigen könnten, dass der Kläger aber nach eigenen Angaben bis zu 30 Überstunden pro Woche für dieselbe Arbeit benötigt habe. Seine Leistung weiche daher um mehr als 50% von der Normalleistung ab. Die Fahrer D... und E... seien noch nicht so lang beschäftigt wie der Kläger und hätten mit den Touren keine Probleme. Dasselbe gelte für die wieder ausgeschiedenen Fahrer F... und G.... All diese Fahrer seien nach etwa vier Wochen Einarbeitungszeit mit den Touren problemlos zurechtgekommen. Der Kläger sei schon in den vergangenen Jahren immer dann, wenn er aushilfsweise eine Auslieferungstour übernommen habe, mit dem Ausfahren nicht zurechtgekommen. Sie habe den Kläger zwischen dem 10.01. und dem 18.02.2005 entsprechend eingearbeitet; in diesem Zeitraum sei er entweder mit dem Kollegen D... oder mit dem Kollegen E... unterwegs gewesen. Es sei ihm auch ein Tourenplan in Form der sortierten Lieferscheine mitgegeben worden. Der Kläger könne entweder nicht ausreichend lesen oder das Gelesene nicht ausreichend verstehen. Es sei den anderen Fahrern nicht zuzumuten gewesen, dass der Kläger immer nur eine und noch dazu die leichteste Tour hätte fahren können - unabhängig davon, dass für den Kläger keine Tour als leicht anzusehen sei. Außerdem seien die jeweiligen Touren in der Regel nur zweimal wöchentlich bedient worden. Nach Ablauf der Kündigungsfrist sei ab 15.03.2006 ein Prozessbeschäftigungsverhältnis begründet worden. Der Kläger sei nochmals vier Wochen eingearbeitet worden. Trotz dieser Hilfestellungen sei er nicht zur zufrieden stellenden Bewältigung der Touren in der Lage gewesen.
Die Beklagte stellt als daher in der Berufungsinstanz folgende Anträge:
I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.10.2006, Az. 8 Ca 7269/05 A, wird abgeändert.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Er führt aus, es sei falsch, dass er keine Normalleistung erbringe. Die Beklagte versuche vielmehr, mit dem Beginn seines Einsatzes im Farbengroßhandel Probleme zu suchen. Die Beklagte habe seine Tätigkeit nie beanstandet. Er könne die deutsche Sprache sowohl lesen als auch das Gelesene verstehen. Wenn es nicht gelungen sei, die normale Arbeitszeit einzuhalten, dann habe dies an den unsinnigen Routenvorgaben der Beklagten gelegen. So sei etwa bei der Route vom 18.05.2005 die Strecke Kreßberg-Rudolfsberg/Jagstzell/Crailsheim unlogisch.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils vom 19.10.2006 (Bl. 124 ff. d.A.), die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 12.06.2007 (Bl. 175 ff. d.A.) und die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, weil sie sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil richtet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Hinsichtlich des Feststellungsantrages ist ein Beschwerdewert nicht erforderlich (§ 64 Abs. 2 c) ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt insgesamt 600,- Euro (§ 64 Abs. 2 b) ArbGG). Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG).
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts erweist sich als richtig. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Berufungskammer folgt den sorgfältigen Erwägungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Nur ergänzend ist im Hinblick auf die in der Berufung von den Parteien vorgetragenen Argumente noch hinzuzufügen:
1. Das Arbeitsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung bei Leistungsmängeln des Arbeitnehmers zutreffend angewandt. Danach kann eine personenbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber für das vereinbarte Entgelt keine angemessene Gegenleistung enthält. Dies kann der Fall sein, wenn die Leistungen des Arbeitnehmers die normale Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer langfristig um ein Drittel oder mehr unterschreiten (grundlegend BAG vom 11.12.2003, 2 AZR 667/02, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62). Hierfür gibt es nach dem Sachvortrag der Beklagten Ansatzpunkte. Sie hat nunmehr in der Berufung vorgetragen, welche Fahrer nach welchen Anlernzeiten die Touren innerhalb der üblichen Arbeitszeit zu bewältigen in der Lage gewesen seien. Die unstreitig vom Kläger für die Fahrten benötigte Zeit überschreitet diese "Normalzeit" sehr deutlich.
2. Dennoch hält auch die Berufungskammer die ausgesprochene Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat nämlich nicht alles Erforderliche getan, um dem Kläger die Erbringung der Arbeitsleistung in angemessener Form zu ermöglichen. Sie hat den Kläger nicht abgemahnt, begründet die Kündigung allein mit der fehlenden persönlichen Fähigkeit des Klägers, die Leistung innerhalb angemessener Zeit zu erbringen. Sie trägt selbst vor, der Kläger habe entweder keinerlei Orientierungssinn, oder er könne die Lieferscheine nicht ausreichend lesen oder verstehen. Sie hat offenbar nicht einmal untersucht, wo die eigentlichen Probleme des Klägers mit der nunmehr zu erbringenden Arbeitsleistung liegen. Sie hat zudem nicht vorgetragen, dass sie in ausreichendem Maß versucht hat, dem Kläger Hilfestellungen zu leisten. Selbst wenn der Kläger, wie die Beklagte vorträgt, im Januar und Februar sechs Wochen mit anderen Kollegen mitgefahren ist, genügt dies nicht. Gerade beim "Mit"-Fahren sind die Defizite offenbar nicht in deutlicher Form zu erkennen gewesen. Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, eine andere Person beim Kläger mitfahren zu lassen, um festzustellen, welche Probleme wirklich hinsichtlich der Arbeitsleistung bestehen. Gerade bei einem Arbeitnehmer, der im Kündigungszeitpunkt mehr als 15 Jahre beschäftigt war und fast 61 Jahre alt war, wäre es ihr zumutbar gewesen, dementsprechende Anstrengungen zu unternehmen. Auch die Kündigung eines Arbeitnehmers, der schlechtere Leistungen erbringt als erwartet, muss nach § 1 Abs. 2 KSchG "bedingt", also das letztmögliche Mittel sein. Der Arbeitgeber muss daher vor der Kündigung erfolglos alles ihm Zumutbare versucht haben, die im Arbeitsverhältnis aufgetretene Störung abzustellen. Hierzu hätte gehört, dass festgestellt wird, ob der Kläger die Lieferscheine nicht ausreichend lesen kann, ob er sie nicht versteht, ob er die Touren nicht in der günstigsten Reihenfolge abserviert, ob ihm der Orientierungssinn bei der Anfahrt zum nächsten Kunden fehlt oder was sonst das Problem darstellt. Hätte man dies festgestellt, wären auch andere - zumutbare - Verbesserungen vorstellbar. Die Beklagte hätte - ihr Vortrag weiter unterstellt, die Aufladung sei nicht das Problem gewesen, sie habe die Lieferscheine in der richtigen Reihenfolge übergeben - zum Beispiel die Lieferscheine deutlich durchnummerieren oder in einen Hefter einlegen können, damit sie der Kläger nicht hätte durcheinander bringen können. Sie hätte dies natürlich auch dem Kläger auferlegen können. Sie hätte dem Kläger - wäre das richtige Aufladen das Problem, was die Kammer am Sachvortrag der Beklagten nicht mit der nötigen Eindeutigkeit erkennen kann - beim Aufladen der auszufahrenden Produkte behilflich sein können. Waren die fehlenden Straßennamen oder Hausnummern das Problem, hätte sie derartige Angaben ohne weiteres mit Blick auf den jeweiligen Lieferschein ergänzen können. Inwieweit die Verzögerungen auf fehlende Sprach- oder Lesekenntnisse des Klägers zurückzuführen sein können, hat die Beklagte in keiner Weise näher ausgeführt, hat keine Beispiele dafür benannt, was der Kläger hätte lesen können müssen. Derartige Schwächen hätten zudem beim Aufladen auffallen können. Hat der Kläger die auszuliefernden Produkte durcheinander gebracht, hätte man - bei 15 oder 23 anzufahrenden Kunden, wie die Beklagte vorträgt - auch versuchen können, die für die einzelnen Kunden vorgesehenen Produkte getrennt auf dem Lkw zusammenzustellen oder dort durch Planen, Matten oder Pappe voneinander abzugrenzen. War das Problem der fehlende Orientierungssinn des Klägers, hätte die Beklagte mit ihm die - sich nach Angaben der Beklagten doch offenbar annähernd wiederholenden Routen - Fahrtstrecke vor oder nach der Fahrt durchgehen und ihm seine Fehler verdeutlichen können. Auch hätte die Anschaffung eines Navigationsgerätes zumutbar sein können. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte irgendwelche Versuche in der dargestellten Form unternommen hat. Soweit sie vorgetragen hat, sie habe immer wieder Gespräche mit dem Kläger geführt, hat sie nicht erklärt, welchen Inhalt diese gehabt haben sollen, was sie ihrerseits versucht und wie der Kläger darauf reagiert hat. Letztlich hat die Beklagte dem Kläger außer dem Mitfahrenlassen bei den Kollegen keine nachvollziehbaren Hilfestellungen geboten. Das Mitfahrenlassen und die - nicht näher spezifizierten - Gespräche genügen nicht dafür, dass die Kammer davon ausgehen könnte, eine Effektivierung der Arbeitsleistung des Klägers sei im Kündigungszeitpunkt nicht mehr zu erwarten gewesen. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Die Kammer hält es nicht für ausgeschlossen, dass der Kläger die Arbeitsleistung mit derartigen Hilfestellungen nicht doch in angemessener Zeit erledigen könnte. Aus diesem Grund ist die Kündigung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gerechtfertigt.
Die Kammer ist im übrigen auch nicht davon überzeugt, dass die Störungen - vom Kläger unbeeinflussbar - in der Person des Klägers zu finden seien, dass er die Fahrten nicht unter Anspannung aller Kräfte und Bemühungen in angemessener Zeit hätte ausführen können. Dabei sind, worauf schon das Arbeitsgericht zutreffend hinwiesen hat, gewisse altersbedingte Abschläge hinzunehmen (so auch BAG vom 11.12.2003, a.a.O., unter B.III.1.b. der Entscheidungsgründe). Insofern steht auch nicht fest, dass dem Kläger nicht auch durch den Ausspruch einer Abmahnung die Notwendigkeit einer Verbesserung seiner Arbeitsleistung hätte verdeutlicht werden können (BAG vom 11.12.2003, a.a.O., unter der B.III.2.d. der Entscheidungsgründe; BAG 12.04.2002, 2 AZR 148/01, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 49). Die Beklagte meint, eine solche Abmahnung sei überflüssig gewesen, weil der Kläger die erforderlichen Fähigkeiten nicht habe. Hiervon kann nach dem Sachstand - auch wenn man hypothetisch allein den Sachvortrag der Beklagten zugrunde legt - letztlich nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgegangen werden.
3. Die Kündigung scheitert schließlich auch daran, dass Beklagte in keiner Weise deutlich gemacht hat, dass kein milderes Mittel zur Wiederherstellung des Vertragsgleichgewichts zur Verfügung gestanden ist. Dieses Mittel könnte etwa in der zumutbaren Beschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen liegen (BAG vom 11.12.2003, a.a.O., unter B.III.2.d. der Entscheidungsgründe). Vorliegend hätte man - gegebenenfalls im Wege einer Änderungskündigung - etwa daran denken können, dem Kläger eine Vertragsgestaltung anzubieten, die für die jeweiligen Fahrten eine bestimmte Vergütung ohne Überstundenvergütung vorsehen könnte. Dann wäre das Äquivalent zwischen Leistung des Klägers und Gegenleistung der Beklagten auf andere und mildere Weise als durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder hergestellt worden.
4. Nach alldem überwiegen auch die Interessen des Klägers, zu dessen Gunsten eine langjährige Betriebszugehörigkeit und ein relativ hohes Alter sprechen, an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses diejenigen der Beklagten an der Beendigung. In diesem Zusammenhang ist auch zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie die Ursachen der Probleme nicht erforscht und deren Lösung nicht ausreichend angegangen hat. Das Urteil des Arbeitsgerichts erweist sich auch unter Berücksichtigung des konkretisierten Berufungsvorbringens als richtig, so dass die Berufung zurückzuweisen ist.
5. Die Beklagte, Berufungsklägerin, hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO).
6. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.
Ende der Entscheidung
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