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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 749/07
Rechtsgebiete: TVöD, TVÜ-VKA, EFZG


Vorschriften:

TVöD § 22 Abs. 1 Satz 1
TVÜ-VKA § 13 Abs. 3
EFZG § 3
1. Der Grundsatz der "Einheit des Verhinderungsfalles", nach dem die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit auf sechs Wochen auch dann beschränkt ist, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf zwei überlappenden Krankheitsursachen beruht, ist nicht gewahrt, wenn der Beschäftigte sich am Tag nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit in ein Krankenhaus begibt, um dort eine Diagnose über mögliche weitere Erkrankungen zu erhalten.

2. Dies gilt zumindest dann, wenn es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gibt, dass das letztlich das diagnostizierte Leiden für sich schon vor der Diagnose dazu geführt hätte, dass der Beschäftigte der Arbeit ferngeblieben wäre oder diese nicht mehr hätte verrichten können.

3. § 13 Abs. 2 TVÜ-VKA verlangt das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit wegen einer bestimmten Krankheit über den 30.09.2005 hinaus. Die Vorschrift verlängert den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht schon dann auf 26 Wochen, wenn die nachfolgende Arbeitsunfähigkeit zur vor dem 30.09. bestehenden erst nach dem 30.09.2005 hinzutritt.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 749/07

Verkündet am 29. April 2008

in dem Rechtsstreit

wegen: Arbeitsentgelt

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Hummer und Rost aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 20.07.2007, Az. 3 Ca 1183/06 C, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung auf die Krankenkasse übergeleiteter Entgeltfortzahlungsansprüche.

Der bei der Beklagten beschäftigte, bei der Klägerin krankenversicherte Arbeitnehmer D... war ab 15.09.2005 bis 16.10.2005 arbeitsunfähig erkrankt wegen orthopädischer Beschwerden im Rückenbereich. Ab 17.10.2005 wurde er dann - mit Erstbescheinigung - erneut arbeitsunfähig krank geschrieben wegen einer Lebererkrankung, und zwar auf unbestimmte Zeit. Aufgrund Rentenantrags vom 16.02.2006 wurde ihm schließlich mit Bescheid vom 11.08.2006 ab 01.02.2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen dieser Lebererkrankung bewilligt.

Die beklagte Arbeitgeberin zahlte an den Beschäftigten Entgeltfortzahlung für die Zeiträume 15.09.2005 bis 16.10.2005 und 17.10.2005 bis 27.11.2005. Die Klägerin zahlte ihrerseits Krankengeld an den Versicherten D... vom 28.11.2005 bis 31.01.2006 in Höhe des streitgegenständlichen Betrages von 4.438,25 €.

Mit am 22.08.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenem Mahnbescheid hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei auch für den Zeitraum 28.11.2005 bis 31.01.2006 zur Entgeltfortzahlung verpflichtet gewesen, so dass die von ihr - der Klägerin - an den Versicherungsnehmer geleisteten Krankengeldzahlungen von der Beklagten zu erstatten seien. Der Beschäftigte D... sei nämlich schon vor dem 30.09.2005 auch wegen der Lebererkrankung arbeitsunfähig gewesen, so dass eine einheitliche, zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung schon vor dem 30.09.2005 vorgelegen habe. Nach § 13 Abs. 2 TVÜ-VKA komme in einem solchen Fall abweichend von § 22 TVöD die 26-wöchige Entgeltfortzahlungspflicht, wie sie ursprünglich nach BAT bestanden habe, weiter zur Anwendung. Dies habe der Gutachter des Medizinischen Dienstes mit Schreiben vom 08.12.2005 (Anlage zum Schriftsatz der Klägerinvertreter vom 27.09.2006, Bl. 18 d.A.) bestätigt. Dieses Gutachten hat, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:

"Die Erkrankung bestand mit Sicherheit schon ab dem 15/9/2005 und bedingte damit auch A.U. (hinzugetretene Erkrankung). Verdachtsdiagnose ab 12/10/05"

Dasselbe Ergebnis ergebe sich aus der Stellungnahme des Nachfolgers der behandelnden Ärztin Dr. E..., der attestiert habe, dass aufgrund der Schwere der Erkrankung davon auszugehen sei, dass Arbeitsunfähigkeit bereits ab dem 12.10.2005 vorgelegen habe (Anlage zum Schriftsatz der Klägerinvertreter vom 11.06.2007, Bl. 46 d.A.). Bestätigt werde dieses Ergebnis schließlich durch die Stellungnahme des F...-Klinikums G... vom 26.02.2007 (ebenda, Bl. 50 d.A.). Diese Stellungnahme lautet, soweit vorliegend von Interesse, wie folgt:

"Bei Herrn D... bestand mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits vor der orthopädischen Behandlung, also vor dem 15.09.2005 die von uns diagnostizierte Lebererkrankung (hochdifferenziertes primäres Leberzellcarcinom), die allein für sich gesehen bereits eine Arbeitsunfähigkeit bedingt. Diese Diagnose wurde jedoch erst nach o.g. Datum gestellt, so dass es sich hierbei um eine retrospektive Analyse handelt."

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, hieraus ergebe sich, dass die Arbeitsunfähigkeit, die auf der Lebererkrankung beruht habe, bereits vor dem 30.09.2005 vorgelegen habe. Der Versicherte D... sei schon vor dem 30.09.2005 auch wegen der Lebererkrankung außer Stande gewesen, die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende Leistung zu verrichten.

Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht daher zuletzt folgende Anträge gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 4.438,25 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.08.2006 sowie weitere Kosten und Auslagen in Höhe von 10,- € zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, die Klage sei nicht begründet. Der Beschäftigte D... sei wegen der Lebererkrankung erstmals ab 17.10.2005 arbeitsunfähig geschrieben gewesen. Diese neue Krankheit sei möglicherweise latent auch vorher vorhanden gewesen. Sie habe jedoch nicht vor dem 17.10.2005 zur Arbeitsunfähigkeit geführt. Es werde vielmehr ab 17.10.2005 ein neuer und aufgrund der veränderten tariflichen Bestimmungen nur sechswöchiger Entgeltfortzahlungsanspruch ausgelöst, der erfüllt sei. Die Krankheiten vor und nach dem 17.10.2005 überlappten sich nicht. Der behandelnde Arzt Dr. H... habe bescheinigt, dass die orthopädische Erkrankung am 16.10.2005 ausgeheilt gewesen sei, so dass aus orthopädischer Sicht ab 17.10.2005 Arbeitsfähigkeit bestanden habe (Anlage zum Schriftsatz vom 11.05.2007, Bl. 40 d.A.). Der Arzt Dr. I... habe sich unter dem 26.09.2005 für die Überweisung des Patienten bedankt und bestätigt, dass er diesem geraten habe, sich "zur raschen Abklärung" einer vermuteten Erkrankung stationär in das G... Krankenhaus zu begeben. Dies habe der Patient, der sich dies über Nacht habe überlegen wollen, dann am 17.10.2005 getan (ebenda, Bl. 41 d.A.). Daraus ergebe sich, dass gerade keine einheitliche Arbeitsunfähigkeit vorliege, sondern nach Abschluss der orthopädischen Erkrankung ein neuer Fall eintretender Arbeitsunfähigkeit.

Die Klägerin wendet ein, entscheidend sei, dass durchgehend Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, dass weder ein Arbeitstag noch ein Sonntag zwischen den Erkrankungen gelegen habe.

Das Arbeitsgericht Würzburg hat die Klage mit Endurteil vom 20.07.2007 abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, maßgebend seien die dem Arbeitgeber vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Danach habe das Klinikum G... am 17.10.2005 eine Erstbescheinigung erstellt und damit eine neu eingetretene Arbeitsunfähigkeit attestiert. Aus diesem Grund komme die Übergangsvorschrift des § 13 TVÜ-VKA nicht zum Tragen. Dem Arbeitgeber sei verwehrt, die ärztliche Festlegung als Erst- bzw. Folgebescheinigung nachträglich anzuzweifeln. Diese Festlegung sei auch im vorliegenden Fall, in dem die Konstellation ausnahmsweise zugunsten des Arbeitgebers wirke, zu akzeptieren.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist der Klägerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 29.10.2007 zugestellt worden (Bl. 66 d.A.). Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Vertreter vom 29.11.2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. Sie hat diese Berufung - nach Verlängerung der Begründungsfrist aufgrund am 21.12.2007 eingegangenen Antrags bis 29.01.2008 - mit am 08.01.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 07.01.2008 begründet.

Die Klägerin hat sich in der Berufung darauf gestützt, das Arbeitsgericht habe sich nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, ob ein einheitlicher oder zwei verschiedene Versicherungsfälle vorlägen. Diese Problematik, nicht aber das formale Abstellen auf die Angaben in der Bescheinigung, sei jedoch zur Entscheidung des Rechtsstreits entscheidend. In Wirklichkeit habe die ab 17.10.2005 wegen der Lebererkrankung attestierte Arbeitsunfähigkeit schon vor dem 15.09.2005 bestanden. Aufgrund der bestehenden Beschwerden, insbesondere des seit August 2005 bestehenden Reizhustens sowie des sonographischen Verdachts auf Metastasen-Leber, sei die Einweisung ins Krankenhaus für die Zeit vom 17.10.2005 beantragt worden. Damit habe bereits am 16.10.2005 festgestanden, dass der Versicherte D... mit Ablauf des 16.10. nicht arbeitsfähig gewesen sei. Der Eintritt einer zweiten Erkrankung während bestehender Arbeitsunfähigkeit löse keinen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus; vielmehr sei in einer solchen Konstellation von einem einheitlichen Versicherungsfall auszugehen. Genau diese sei hier der Fall: Die ab 17.10.2005 allein weiterbestehende Arbeitsunfähigkeit habe schon vor dem 30.09.2005 begonnen.

Die Klägerin stellt als Berufungsklägerin daher in der Berufungsinstanz folgende Anträge:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 20.07.2007, 3 Ca 1183/06 C, wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 4.438,35 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2006 sowie weitere Kosten und Auslagen in Höhe von 10,- € zu zahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt als Berufungsbeklagte,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts an. Sie meint, die 26-wöchige Entgeltfortzahlungspflicht komme nach dem 30.09.2005 aufgrund der Überleitungsvorschrift nur noch zur Anwendung, wenn die Arbeitsunfähigkeit vor dem 01.10.2005 vorgelegen habe, wenn sie über den 30.09.2005 hinaus fortbestanden habe und wenn die Krankheitsursache dieselbe gewesen sei. Vorliegend schließe sich nach dem 30.09.2005 Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer anderen Erkrankung an. Dies genüge den Erfordernissen nicht. Vorliegend sei zudem zu beachten, dass die Einweisung in das Krankenhaus am 17.10.2005 zur diagnostischen Abklärung erfolgte. Eine "Überlappung" der Erkrankungen sei daher nicht erkennbar. Es könne dahinstehen, ob die Lebererkrankung bereits vor dem 17.10.2005 vorgelegen habe: Jedenfalls habe sie vor diesem Zeitpunkt nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt. Ohne die stationäre Aufnahme ins Krankenhaus hätte sie wohl auch am 17.10.2005 und danach nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt. Die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und Stellungnahmen belegten das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Lebererkrankung vor dem 17.10.2005 gerade nicht.

Die Klägerin hat ausgeführt, es könne der Auffassung nicht gefolgt werden, dass die Lebererkrankung bereits vor dem 30.09.2005 vorgelegen haben müsse. Es sei auch nach den Vorschriften des TVÜ-VKA ausreichend, dass die - ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit führende zweite Erkrankung - zu einer vor dem 30.09.2005 bestehenden Erkrankung hinzugetreten sei. Entscheidend sei daher, ob bereits am 16.10.2005 Arbeitsunfähigkeit wegen der Lebererkrankung bestanden habe. Es sei zu prüfen, ob am 16.10.2005 eine Arbeitsaufnahme uneingeschränkt möglich gewesen wäre und ob eine vollschichtige Tätigkeit keinen Einfluss auf die Lebererkrankung genommen hätte. Hiervon sei aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen auszugehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils vom 20.07.2007 (Bl. 59 ff. d.A.), die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 18.03.2008 (Bl. 117 f. d.A.) und die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, weil sie sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil richtet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600,- Euro (§ 64 Abs. 2 b) ArbGG). Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts erweist sich als richtig. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungskammer folgt den sorgfältigen Erwägungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Nur ergänzend ist im Hinblick auf die in der Berufung von den Parteien vorgetragenen Argumente noch hinzuzufügen:

1. Die Kammer geht nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 3 TVÜ-VKA davon aus, dass diese Übergangsvorschrift nur dann eingreift, wenn diejenige Krankheit, für die der verlängerte Entgeltfortzahlungszeitraum von 26 Wochen gelten soll, bereits vor dem 30.09.2005 zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Dabei ist zu beachten, dass § 22 Abs. 1 S. 1 TVöD letztlich - bis auf die Höhe der Ansprüche - den Gesetzeswortlaut des § 3 EFZG wiederholt - ähnlich wie die zum 01.10.2005 außer Kraft getretene Bestimmung des § 71 BAT, der lediglich eine Verlängerung des Zahlungszeitraumes für Krankenbezüge vorsah, nicht aber eine eigenständige Regelung der Arbeitsunfähigkeit. § 13 Abs. 2 TVÜ-VKA sieht keine Weitergeltung der Vorgänger-Regelung vor, sondern normiert ab 01.10.2005 die Geltung des § 22 TVöD, allerdings modifiziert. Diese Vorschrift sieht eine Verlängerung des Entgeltfortzahlungszeitraums bis zum Ablauf der 26. Krankheitswoche jedoch nur dann vor, wenn die Arbeitsunfähigkeit über den 30.09.2005 hinaus ununterbrochen bestand, und zwar "infolge derselben Krankheit". Diejenige Krankheit, die die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, muss also bereits vor dem 30.09.2005 bestanden haben. Ist dies nicht der Fall, tritt die Übergangsvorschrift nicht ein. Die Tarifparteien haben eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter geschaffen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die den Entgeltfortzahlungszeitraum nach dem "Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles" auch dann auf sechs Wochen beschränkt (vgl. etwa BAG vom 13.07.2005, 5 AZR 389/04, EzA § 3 EFZG Nr. 14 m.w.N.), wenn die ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit auf mehreren, sich überlappenden Krankheitsursachen beruht, ist hierbei nicht in Bezug genommen. Auch nach Sinn und Zweck ist nicht erkennbar, dass die Tarifparteien diese Rechtsprechung, welche die Entgeltfortzahlungspflicht einschränkt, entgegen dem Wortlaut zugunsten der Arbeitnehmer in Bezug nehmen wollten.

2. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Die Berufungskammer ist nämlich nicht davon überzeugt, dass der Beschäftigte D... tatsächlich schon vor dem 17.10.2005 wegen seiner Lebererkrankung "arbeitsunfähig" gewesen ist. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht auf die hypothetische Frage an, ob sich der Zustand des Arbeitnehmers bei Arbeitsaufnahme verschlimmert hätte. Zunächst ist entscheidend darauf abzustellen, ob er vor dem 17.10.2005 die Arbeit hätte erfolgreich aufnehmen können.

a. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass dem Beschäftigten D... die Arbeitsaufnahme am 17.10.2005 nicht möglich gewesen wäre. Zum einen war - auch von der Klägerin nicht bestritten - die orthopädische Erkrankung, die ab 15.09.2005 zur Arbeitsunfähigkeit geführt hatte, mit dem Ablauf des 16.10.2005 so weit ausgeheilt, dass Arbeitsunfähigkeit aus diesem Grund nicht mehr bestand. Dem entspricht auch die Bestätigung des behandelnden Arztes Dr. H... (a.a.O., Bl. 40 d.A.). Zum anderen wurde der Beschäftigte D... vor dem 17.10.2005 nicht wegen der Lebererkrankung behandelt. Es stand vor dem 17.10.2005 nicht einmal fest, ob er an einer Erkrankung der Leber litt. Der behandelnde Arzt Dr. I... bestätigt vielmehr in seiner Erklärung vom 26.09.2005, dass er dem Patienten "zur Abklärung" geraten habe, das Krankenhaus aufzusuchen. Es sollte eine genaue Diagnose also erst erstellt werden. Dieser Umstand spricht gegen die Annahme, dass die Krankheit nicht nur latent vorhanden gewesen ist, sondern dass sie für sich genommen auch zur Arbeitsunfähigkeit geführt hätte.

b. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Lebererkrankung sei schon daran zu erkennen, dass der Beschäftigte D... seit August an Reizhusten gelitten habe, spricht dies eher gegen als für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit. Trotz dieses Reizhustens hat der Beschäftigte offenbar noch bis 14.09. gearbeitet, hat Arbeitsunfähigkeit aufgrund dieses Symptoms also offenbar nicht bestanden. Es sind keine Umstände ersichtlich, warum dies während der orthopädischen Erkrankung im Zeitraum 15.09. bis 16.10. anders gewesen sein sollte. Es mag sein, dass die Lebererkrankung, hätte man sie vorher erkannt, zur Arbeitsunfähigkeit geführt hätte. Dies war jedoch offensichtlich nicht wegen der vorhandenen Beschwerden der Fall, sondern wegen der Behandlungsbedürftigkeit des Patienten. Lässt sich ein behandlungsbedürftiger Patient jedoch nicht oder nicht sofort behandeln, sondern kann er trotz gewisser Beschwerden seine Arbeit verrichten, dann liegt Arbeitsunfähigkeit im Rechtssinne nicht vor. Wäre die Auffassung der Klägerin zutreffend, könnte sich der Arbeitgeber darauf berufen, der - die Arbeit verrichtende - Arbeitnehmer sei, wie sich aus der späteren Diagnose ergebe, schon zu Zeiten arbeitsunfähig gewesen, in denen er tatsächlich noch gearbeitet hat. Diese Auffassung ist mit Blick auf Sinn und Zweck der Entgeltfortzahlungsbestimmungen, die einen Entgeltanspruch für bestimmte Zeiträume ohne Arbeitsleistung normieren, nicht vertretbar.

c. Anderes folgt nicht aus den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen. Dr. E..., der den Beschäftigten allerdings nicht selbst untersucht hat, verweist lediglich auf die nach den Unterlagen anzunehmende "Schwere der Erkrankung". Dies sagt nichts über Symptome und Beschwerden des Patienten aus, kann auch auf der Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung beruhen. Darüber hinaus ist die Aussage sehr pauschal; sie enthält keine nachvollziehbaren Einzelheiten. Ähnliches gilt für die Bestätigung des Assistenzarztes des Klinikums (a.a.O., Bl. 50 d.A.). Auch daraus ergibt sich, dass die Diagnose erst nach dem genannten Datum erstellt wurde. Die Stellungnahme beschränkt sich auf die Aussage, dass die Erkrankung bereits bestand und dass diese Erkrankung die Arbeitsunfähigkeit bedinge. Beides soll schon vor dem 15.09. der Fall gewesen sein - vor dem 15.09. war der Beschäftigte D... jedoch gar nicht arbeitsunfähig. Ob die Lebererkrankung auch dann zur Arbeitsunfähigkeit geführt hätte, ob der Beschäftigte D... ohne diese Diagnose hätte arbeiten können, hierfür lassen sich in der Stellungnahme greifbare Tatsachen nicht erkennen.

d. Wenig aussagekräftig ist für die hier maßgebliche Tatsache schließlich die Angabe des Medizinischen Dienstes (a.a.O., Bl. 18). Dieser bestätigt sehr pauschal, dass die Erkrankung "mit Sicherheit" schon ab dem 15.09.2005 bestand. Er erklärt, dass sie "damit auch die AU" bedinge.

Der Gutachter schließt also von Erkrankung auf Arbeitsunfähigkeit, setzt Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit ("bedingt damit ...") gleich. Er fügt hinzu, dass eine Verdachtsdiagnose ab 12.10.2005 bestand - also nach dem Stichtag 30.09.2005. Dass der Beschäftigte ohne diese erst später eingeholte Diagnose arbeitsunfähig gewesen ist, lässt sich auch hieraus nicht erkennen.

e. Die Kammer kann auch nicht unterstellen, dass der Beschäftigte D... ohne das Vorliegen der orthopädischen Erkrankung schon vor dem 30.09. oder wenigstens vor dem 17.09.2005 das Krankenhaus zur Erstellung einer Diagnose in Bezug auf die Lebererkrankung aufgesucht und aus diesem Grund schon vor den genannten Zeitpunkten arbeitsunfähig gewesen wäre. Die Klägerin hat eine solche Tatsache weder behauptet noch unter Beweis gestellt.

3. Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt es für die Unterbrechung zwischen der orthopädischen und der auf der Lebererkrankung beruhenden Arbeitsunfähigkeit, dass der Beschäftigte D... am 17.10.2005 vor dem Krankenhausaufenthalt, den er zu Diagnosezwecken angetreten hat, arbeitsfähig gewesen ist. Der Umstand, dass er tatsächlich am 17.10.2005 keine Arbeitsleistungen erbracht hat, steht dem nicht entgegen (BAG vom 02.12.1981, 5 AZR 89/90, zitiert nach juris; Feichtinger/Malkmus, EFZG, § 3 Rn. 217 ff.; Treber, EFZG, 2. Aufl. 2007, § 3 Rn. 144).

4. Die Klägerin hat nach alldem den Beweis dafür, dass der Beschäftigte D... wegen der erst am 17.10.2005 festgestellten Lebererkrankung schon vor diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig gewesen ist bzw. ohne die orthopädische Erkrankung arbeitsunfähig gewesen wäre, nicht erbracht. Dies geht zu ihren Lasten, weil sie für die Anspruchsvoraussetzungen, die § 13 Abs. 2 TVÜ-VKA normiert, darlegungs- und beweispflichtig ist.

5. Die Klägerin, auch Berufungsklägerin, hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO).

6. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

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