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Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: 6 Ta 101/04
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO
Vorschriften:
KSchG § 5 | |
ZPO § 249 |
2. Die Frist für die sofortige Beschwerde läuft in diesem Fall nicht; sie beginnt aber mit der Zustellung der Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter (§ 249 Abs. 1 ZPO). Eine nochmalige Zustellung des Beschlusses über die nachträgliche Klagezulassung setzt keine neue Frist in Lauf.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS
in dem Rechtsstreit
wegen: Feststellung
hier: Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage
Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vetter ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 18.09.2003, Az. 11(5) Ca 1311/03 A, wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.
Gründe:
1. Die sofortige Beschwerde ist schon nicht zulässig. Sie ist nämlich verfristet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage mit Beschluss vom 18.09.2003 abgewiesen (Bl. 38 ff. d.A.). Zwar wurde der Beschluss der Prozessvertreterin der Klägerin erst am 08.10.2003 und damit zeitlich nach Eröffnung der Insolvenz mit Wirkung ab 01.10.2003, 0.00 Uhr zugestellt. Obwohl damit das Verfahren nach § 240 ZPO unterbrochen war, war die Zustellung des Beschlusses am 08.10.2003 wirksam erfolgt. a.
Zwar sind nach Beginn der Unterbrechung des Verfahrens nach § 249 Abs. 2 ZPO Prozesshandlungen des Gerichts den Parteien gegenüber wirkungslos. Dies gilt nach dem eindeutigem Wortlaut des § 249 Abs. 3 ZPO allerdings nicht für die Verkündung von Urteilen; diese Verkündung einer Entscheidung hat, zumindest wenn sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung bereits getroffen ist, trotz der Unterbrechung des Verfahrens stattzufinden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 249 Rn. 8; Musielak-Stadler, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 249 Rn. 5). b. Vorliegend ist die Vorschrift des § 249 Abs. 3 ZPO zwar nicht unmittelbar anwendbar, weil das Arbeitsgericht den Beschluss über die nachträgliche Zulassung nicht verkündet hat und nicht zu verkünden brauchte. Es ist jedoch angebracht, sie entsprechend auf solche Entscheidungen anzuwenden. Zumindest dann, wenn die Entscheidung durch das Gericht unter Einhaltung der Vorschriften des rechtlichen Gehörs bereits getroffen war, soll dies den Parteien nach dem Rechtsgedanken des § 249 Abs. 3 ZPO nicht vorenthalten werden. Sie werden durch die Bekanntgabe der Entscheidung nicht in ihren Rechten verletzt. Im Verfahren nach § 5 KSchG erfolgt die Bekanntgabe aber durch Zustellung. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die der Wirksamkeit einer solchen - an die materiell betroffene und postulationsfähige Partei erfolgten - Zustellung entgegenstehen könnten. Diese Auffassung wird in Literatur und Rechtsprechung für den Fall der Unterbrechung des Verfahrens weitestgehend geteilt (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., § 249 Rn. 8; Feiber in MK-ZPO, Band 1, 2. Aufl. 2000, § 249 Rn. 28; Musielak-Stadler, a.a.O., § 249 Rn. 5; Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 26. Aufl. 2004, § 249 Rn. 8; BSG vom 25.01.1966, Az. 4 RJ 485/65; BFH vom 28.02.1991, Az. V R 117/85; BFH vom 25.02.1992, Az. IX R 171/87, sämtlich zitiert nach juris). Die Auffassung des BGH im Beschluss vom 29.03.1990 (Az. III ZB 39/89, NJW 1990, 1854), nach der ein nach Unterbrechung verkündetes Urteil dann nicht mehr wirksam zugestellt werden kann, überzeugt schon deswegen nicht, weil sogar eine Entscheidung, die während des Verfahrensstillstandes außerhalb des Anwendungsbereichs des § 249 Abs. 3 ZPO erging, bei der also die Unterbrechungswirkung bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung - unerkannt - eingetreten ist, existent ist. Sie ist nicht nichtig, sondern lediglich mit dem allgemein zulässigen Rechtsmittel anfechtbar (allg. Meinung, vgl. BGH vom 31.03.2004, Az. XII ZR 167/00, zitiert nach juris). Es erscheint als widersprüchlich, wenn die Zustellung in einer Konstellation wirkungslos sein soll, in der das Gericht zum Erlass der Entscheidung befugt war. Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil vorliegend eine Konstellation, in der Verkündung und Zustellung auseinanderfallen, nicht gegeben ist. c. Nach alldem war der Beschluss der Klägerin durch Zustellung an ihre Prozessbevollmächtigte am 08.10.2003 wirksam zugestellt. Während der Unterbrechung des Verfahrens lief die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 5 Abs. 4 S. 2 KSchG, § 569 ZPO nicht (§ 249 Abs. 1 ZPO). Sie lief allerdings in vollem Umfang nach Beendigung der Unterbrechung wieder an (§ 249 Abs. 1 ZPO). Diese Aufnahme des Prozesses ist durch Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 17.12.2003, der Klägerinvertreterin zugestellt ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 16.01.2004, neu an. Dabei ist es unschädlich, dass die Beklagtenvertreter in ihrem Aufnahmeantrag nicht ausdrücklich erklärt haben, dass sie nunmehr im Namen des Insolvenzverwalters handeln würden. Sie haben ausdrücklich den Fachbegriff "aufnehmen" verwendet; schon daraus, dass sie es waren, die dem Arbeitsgericht die Insolvenz angezeigt haben, ist erkennbar, dass sie sich deren Bedeutung bewusst waren. Es muss davon ausgegangen werden - wie sie im Schriftsatz vom 02.02.2004 klargestellt haben -, dass die Aufnahme im Namen des Insolvenzverwalters erfolgt ist. Dies hat wohl auch das Arbeitsgericht so gesehen - wäre das nicht so, hätte es zumindest auch das Schreiben der Beklagtenvertreter vom 02.02.2004 zugestellt. d. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde lief nach alldem am 30.01.2004 ab. Die erneute Zustellung des Beschlusses vom 18.09.2003 am 30.01.2004 konnte hieran nichts ändern. Sie erweist sich als wirkungslos, konnte eine neue Frist nicht in Lauf setzen. Die am 11.02.2004 beim Arbeitsgericht eingelegte sofortige Beschwerde ist verfristet.
2. Die Beschwerde wäre auch nicht begründet. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Klägerinvertreterin erläuterten Vorkehrungen der Kanzleiorganisation ausreichend sind, um Fristversäumungen vorzubeugen. Jedenfalls erscheint es nicht als Organisationsverschulden, wenn der Auftrag an die Angestellte dahingehend lautete, das Kündigungsdatum zu erfragen, nicht aber das des Zugangs der Kündigung. Gerade dieses Datum erscheint als wesentlich zuverlässigere Erkenntnis, wann das Schreiben frühestens beim Arbeitnehmer zugegangen sein kann, als der Begriff des "Zugangs" mit seinen vielen, von den nicht fachkundigen Parteien meist undurchschaubaren Facetten. Mit Recht rügt jedoch das Arbeitsgericht, dass die Umstände, die eine unverschuldete Fristversäumung belegen sollen, trotz des mehrfachen Bestreitens der Beklagten nicht ausreichend glaubhaft gemacht sind. Die Klägerinvertreterin bestätigt einen Vorgang, von dem sie selbst keine unmittelbare Kenntnis haben kann. Sie war beim Telefonat ihrer Angestellten mit der Klägerin nicht dabei, konnte dasjenige, was die Klägerin am Telefon zu dieser sagte, nicht hören. Sie kann den fraglichen Vorgang nicht bestätigen. Sie kann allenfalls dasjenige vom Hörensagen bestätigen, was ihr die Angestellte erzählt oder erklärt hat. Bereits das Arbeitsgericht hat im Nichtabhilfebeschluss vom 25.03.2004 darauf hingewiesen, dass erhebliche Bedenken daran bestehen, dass der Sachvortrag ausreichend glaubhaft gemacht ist, und hat diese Bedenken in seiner Begründung erläutert. Die Klägerin hat sich hierzu trotz gesetzter Stellungnahmemöglichkeit nicht mehr geäußert. Sie hat den vorgetragenen Sachverhalt nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Der Antrag erweist sich daher auch als unbegründet.
3.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts erweist sich nach alldem als richtig, so dass die sofortige Beschwerde zurückzuweisen war. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen (§ 97 ZPO, vgl. KR-Friedrich, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht, 7. Aufl. 2004, § 5 KSchG Rn. 177).
Ende der Entscheidung
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