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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 10.09.2001
Aktenzeichen: 6 Ta 144/01
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 567 Abs. 1
RPflG § 11 Abs. 1
RPflG § 11 Abs. 2
Gegen Entscheidungen des Rechtspflegers, eine (weitere) Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der armen Partei gem. § 120 Abs. 4 ZPO nicht oder zu einem anderen Zeitpunkt durchzuführen, ist für die Staatskasse nicht das Rechtsmittel der Beschwerde, sondern der Rechtsbehelf der Erinnerung gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG gegeben.
6 Ta 144/01

In dem Rechtsstreit

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Beiersmann ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Die Beschwerde der Staatskasse gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers beim Arbeitsgericht Nürnberg vom 24.04.2001 - Gz: 10 Ca 1797/00 - nebst dem Nichtabhilfebeschluss in gleicher Sache vom 27.07.2001 ist unzulässig. 2.

Die Beschwerde ist als Erinnerung dem Vorsitzenden des Arbeitsgerichts vorzulegen.

Gründe:

I.

Die Klägerin war bei der Beklagten als Restaurantleiterassistentin beschäftigt. Der Jahresverdienst 1999 belief sich auf DM 50.268,01. Mit der vorliegenden Klage hat sie sich gegen eine fristlose Kündigung gewehrt und Lohnansprüche für die Zeit nach Ausspruch der Kündigung geltend gemacht. Zum Zeitpunkt der Antragstellung der Prozesskostenhilfe bezog die Klägerin keine Einkünfte. Sie hat sich arbeitslos gemeldet. Das Arbeitsgericht Nürnberg hat der Klägerin und Antragstellerin des Prozesskostenhilfeverfahrens mit Beschluss vom 03.07.2000 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt.

Der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht hat am 29.08.2000 Wiedervorlage zur Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin mit dem 01.10.2001 verfügt. Der Bezirksrevisor hat mit Schreiben vom 20.03.2000 beantragt, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin unverzüglich zu überprüfen. Dieser Antrag wurde vom Rechtspfleger abgelehnt.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist nach § 11 Abs. 1 RPflG das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Soweit ein solches Rechtsmittel nicht gegeben ist, findet nach § 11 Abs. 2 RPflG die befristete Erinnerung statt. Nach § 78 Abs. 1 ArbGG gelten hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der ZPO entsprechend. Über die Beschwerde entscheidet das Landesarbeitsgericht. Nach § 567 Abs. 1 ZPO findet das Rechtsmittel der Beschwerde in den in diesem Gesetz besonders hervorgehobenen Fällen und gegen solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen statt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen ist. Der Antrag des Bezirksrevisors als Vertreter der Staatskasse ist kein das Verfahren betreffendes Gesuch. Maßgeblich ist § 127 Abs. 3 ZPO. Nach dieser Vorschrift kann die Staatskasse gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Beschwerde einlegen, die nur darauf gestützt werden kann, dass die Parteien nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. Nicht geregelt ist der Fall, dass der Antrag der Staatskasse an den Rechtspfleger, eine Überprüfung vorzunehmen, abgelehnt wird. Demgemäß hat das OLG Frankfurt am Main im Beschluss vom 09.01.1991 - 3 WF 134/90 - (Familienrechtzeitung 1991, S. 1326) ein Beschwerderecht verneint. Hingegen hat das OLG Nürnberg im Beschluss vom 06.04.1995 - 11 WF 193/95 - (Rechtspfleger 1995, S. 465 mit zustimmender Anmerkung Philippi) eine Regelungslücke angenommen und deshalb ein Beschwerderecht bejaht.

Die Beschwerdekammer schließt sich der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main an. Im Gegensatz zum OLG Nürnberg liegt nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § 127 Abs. 3 ZPO keine Regelungslücke vor. Zwar weist Philippi in der Anmerkung zur Entscheidung des OLG Nürnberg (Rechtspfleger 1995, S. 466) zu Recht auf die Entstehungsgeschichte des § 127 Abs. 3 ZPO hin. Bei der Bewilligung des Armenrechts fand bis Ende 1980 nach dem damaligen § 127 Abs. 2 ZPO gegen die Entscheidung über die Nachzahlungspflicht die Beschwerde statt. Beschwerdeberechtigt war auch die Staatskasse. 1981 wurde das Armenrecht durch die Prozesskostenhilfe ersetzt. Eine Zahlung bei nachträglicher Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse war zunächst nicht vorgesehen. Durch das Kostenrechtsänderungsgesetz von 1986 wurde die Nachzahlungspflicht wieder eingeführt. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Regelung des § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO geschaffen, wonach sich die Staatskasse gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe beschweren darf, wenn dabei keine Zahlungen auf die Prozesskosten festgesetzt worden sind. Dem Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse sollte es überlassen bleiben, im Rahmen seiner Geschäftsbelastung Akten von den Gerichten anzufordern und Beschwerden gegen ungerechtfertigte "Nulltarifbewilligungen" einzulegen. Dadurch sollte auch der Meinungsstreit darüber beendet werden, ob und in welchen Grenzen ein solches Beschwerderecht schon nach geltendem Recht besteht.

Die Beschwerdekammer sieht gleichwohl keine planwidrige Gesetzeslücke. Eine planwidrige Gesetzeslücke kann nur angenommen werden, wenn die vorhandenen Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe zur Wahrung der Interessen der Staatskasse nicht ausreichen.

Bei der erstmaligen Gewährung von Prozesskostenhilfe hat der Richter über die Frage der Festsetzung, der Art und ihre Höhe zu entscheiden. Ohne Einführung des § 127 Abs. 3 ZPO würde die Entscheidung des Richters keinem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf unterliegen. Deshalb hat der Gesetzgeber die Beschwerde gegen die Entscheidung des Richters zugelassen.

Die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung oder Wiederaufnahme von Zahlungen nach § 120 Abs. 3 ZPO und die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 120 Abs. 4 bzw. § 124 Nr. 2, 3 und 4 ZPO sowie bei weiteren vom Richter ihm übertragenen Aufgaben nach § 20 Abs. 4 RPflG wurden dem Rechtspfleger übertragen. Gegen seine Entscheidung fand nach der damals geltenden Fassung des § 11 RPflG die Erinnerung statt. Nach der gegenwärtigen Fassung des § 11 Abs. 1 RPflG ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist; ist kein Rechtsmittel gegeben, so findet die sofortige Erinnerung statt.

Somit ist eine Überprüfungsmöglichkeit der Entscheidung des Rechtspflegers gegeben. Die Staatskasse ist gegen fehlerhafte Entscheidungen des Rechtspflegers geschützt, weil sie eine richterliche Entscheidung herbeiführen kann. Während also bei der erstmaligen Entscheidung über die Ratenzahlung durch den Richter eine interne Überprüfung beim Ausgangsgericht nicht möglich ist und deswegen die Beschwerde eingeführt werden musste, ist bei einer Entscheidung des Rechtspflegers die Überprüfungsmöglichkeit durch den Richter gegeben. Eine planwidrige Regelungslücke ist daher zu verneinen.

Die Beschwerde ist daher als Erinnerung dem Vorsitzenden des Arbeitsgerichts vorzulegen.

Ende der Entscheidung

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