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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 05.01.2006
Aktenzeichen: 6 Ta 255/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 62 Abs. 1 S. 3
ArbGG § 62 Abs. 2 S. 1
ZPO § 769
ZPO § 793
ZPO § 707
ZPO § 719
1. Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

2. Dies gilt auch für einen im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage des § 767 ZPO gestellten Einstellungsantrag nach § 769 ZPO.

3. Für eine Einstellung nach § 769 ZPO gelten dieselben Voraussetzungen wie für die Einstellung nach §§ 707, 719 ZPO; entscheidend ist also das Drohen eines nicht zu ersetzenden Nachteils im Falle der Vollstreckung.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

6 Ta 255/05

in dem Rechtsstreit

wegen: Sonstiges

hier: Zwangsvollstreckung

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vetter ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 21.11.2005 - Az. 10 Ca 2485/05 - in der Fassung des Beschlusses vom 08.12.2005 wird als unzulässig verworfen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 443,20 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage die Zwangsvollstreckung aus einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vorläufig einzustellen ist.

Die Parteien haben im Verfahren 10 Ca 1171/05 vor dem Arbeitsgericht Würzburg einen widerruflichen gerichtlichen Vergleich geschlossen, durch den sich die jetzige Klägerin - damals Beklagte - verpflichtet hat, an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 3.500,- € zu zahlen. Dieser Vergleich wurde mit Ablauf des 26.07.2005 rechtskräftig. Der damalige Kläger ließ der jetzigen Klägerin mit Schreiben vom 12.10.2005 mitteilen, wenn der Abfindungsbetrag nicht bis 21.10.2005 überwiesen sei, werde er Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten.

Die jetzige Klägerin erhob daraufhin unter dem 21.10.2005 Vollstreckungsgegenklage gegen den damaligen Kläger mit der Begründung, sie habe rechtswirksam mit Gegenansprüchen aus Ansprüchen über Leistungen aufgerechnet, die sie dem damaligen Kläger als ehemaligem Mitarbeiter im Rahmen der Sanierung seines privaten Wohnhauses erbracht habe. Der damalige Kläger, jetziger Beklagter, hat eingewandt, die Forderungen seien zum großen Teil unberechtigt, er schulde der Beklagten nur einen Betrag in Höhe von 1.284,02 €, so dass ihm aus dem Abfindungsbetrag noch ein Teilbetrag in Höhe von 2.215,98 € zustehe. Insoweit sei die Vollstreckungsgegenklage unbegründet.

Die jetzige Klägerin hat ihren Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung damit begründet, sie wolle vermeiden, dass der jetzige Beklagte durch Vollstreckung des im Vergleich vereinbarten Betrages vollendete Tatsachen schaffe.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 21.11.2005 abgelehnt mit der Begründung, nach § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG sei die Einstellung der Zwangsvollstreckung nur möglich, wenn der Schuldner glaubhaft mache, dass ihm die Zwangsvollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringe; diese Voraussetzungen habe die jetzige Klägerin weder aufgezeigt noch glaubhaft gemacht (Beschluss vom 21.11.2005, Bl. 116 f. d.A.).

In seinem den Vertretern der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 25.11.2005 zugestellten Beschluss hat das Arbeitsgericht als Rechtsmittelbelehrung angeführt, es könne sofortige Beschwerde innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen eingelegt werden.

In ihrer am 06.12.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde hat die Klägerin die Abänderung des Beschlusses und die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung begehrt. Sie hat - unter Vorlage einer Entscheidung des LAG Nürnberg vom 07.05.1999 - geltend gemacht, auf die Frage eines nicht zu ersetzenden Nachteils komme es nicht an. § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG verweise gerade nicht auf die hier einschlägige Vorschrift des § 769 Abs. 1 ZPO. Es sei anders als beim Rechtsmittel gegen ein Urteil oder bei der Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der §§ 707 und 719 ZPO ein neuer Umstand zu berücksichtigen, der beim Zustandekommen des Titels noch nicht vorgelegen habe und noch nicht durch das Gericht berücksichtigt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 08.12.2005 (Bl. 132 f. d.A.) der sofortigen Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, das Erfordernis des nicht zu ersetzenden Nachteils, welches § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG aufstelle, finde auch auf das Verfahren nach § 769 ZPO Anwendung; eine ohne diese Einschränkung mögliche Einstellung wäre mit dem System der Zwangsvollstreckung im arbeitsgerichtlichen Verfahren, das gerade durch § 62 Abs. 1 S. 3, S. 2 ArbGG geprägt sei, nicht zu vereinbaren. Beim Fehlen des Verweises auf § 769 ZPO handele es sich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers.

Die Klägerin hat sich gegen diese Auffassung unter Zitierung etlicher Gegenmeinungen gewandt und die Meinung vertreten, der Gesetzgeber habe sich gerade im Bereich des § 769 ZPO gegen eine Sonderregelung gegenüber dem allgemeinen zivilgerichtlichen Verfahren entschieden. Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf das Vorbringen der Parteien insbesondere im Verfahren über die sofortige Beschwerde Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts nach § 769 ZPO ist analog § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO ausgeschlossen.

1. Das Beschwerdegericht folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darin, dass gegen Entscheidungen des Gerichts nach § 769 Abs. 1 ZPO ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

a. Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 21.04.2004, XII ZB 279/03, NJW 2004, 2224 ff.) führt hierzu aus, dass sich dies aus einer Auslegung des § 769 Abs. 1 ZPO im Kontext der allgemeinen Vorschriften zur Zwangsvollstreckung, insbesondere der §§ 707 Abs. 2 S. 2, 793 ZPO ergebe. In § 769 Abs. 1 ZPO sei eine Anfechtungsmöglichkeit nicht ausdrücklich geregelt. Ob daher die allgemeine Beschwerdemöglichkeit nach § 793 ZPO gegeben sei oder zur Schließung einer planwidrigen Regelungslücke eine Analogie zu § 707 Abs. 2 ZPO, müsse die Auslegung des § 769 ZPO ergeben. Gegen die Heranziehung der Vorschrift des § 793 ZPO spreche schon der Anwendungsbereich der Vorschrift, die ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts eröffne, während die Vorschriften der §§ 704 ff. ZPO auch das Verfahren des Prozessgerichts regele. Gerade § 769 Abs. 1 ZPO ermögliche es dem mit Einwendungen gegen den Vollstreckungstitel befassten Prozessgericht, die Zwangsvollstreckung einzustellen. Insoweit sei das Verfahren mit den in § 707 ZPO aufgeführten Verfahren vergleichbar, in denen ebenfalls ein schon vollstreckbarer Titel abgeändert werden solle. Wie in jenen Verfahren sei es auch bei § 769 ZPO geboten, die Entscheidung in der Hauptsache nicht durch Rechtsmittel gegen die Nebenentscheidung über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu verzögern. Auch die Interessenlage sei bei der Einstellungsmöglichkeit nach § 769 Abs. 1 ZPO und bei § 707 ZPO vergleichbar. Nach der gesetzgeberischen Wertung könne das mit der Hauptsache befasste Gericht am besten beurteilen, ob und gegebenenfalls welche einstweilige Regelung zu treffen sei. Außerdem ende die einstweilige Maßnahme ohnehin mit der Entscheidung in der Hauptsache. Dem schließt sich die Beschwerdekammer ohne Einschränkungen an (so auch OLG Dresden vom 10.09.1998, 14 W 487/98, JurBüro 1999, 270; LAG Nürnberg vom 28.06.2001, 6 Ta 121/01, n.v.; LAG Hessen vom 05.08.2002, 16 Ta 339/02; OLG Karlsruhe vom 24.09.2003, 15 W 2/03; OLG Stuttgart vom 18.11.2003, 16 WF 112/03; OLG München vom 20.05.2005, 21 W 1548/05, jeweils zitiert nach juris; Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 769 Rn. 13; Lackmann in Musielak, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 769 Rn. 6 und § 707 Rn. 12; Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 769 Rn. 18; umfassend Schmidt in MK-ZPO, 2. Aufl. 2000, § 769 Rn. 33 mit Nachweisen auch zur Gegenmeinung; a.A. vgl. etwa Hartmann in Baumbach-Lauterbach, ZPO, 64. Aufl. 2006, § 769 Rn. 12).

Der Auffassung, dass wegen des Fehlens des Verweises auf § 707 Abs. 2 ZPO ein Rechtsmittel grundsätzlich (LAG Hamburg vom 29.01.2003, 5 Ta 21/02; OLG Zweibrücken vom 01.03.2004, 2 WF 4/04, jeweils zitiert nach juris) oder ausnahmsweise im Falle greifbarer Gesetzwidrigkeit oder gänzlicher Verkennung des Ermessensspielraumes (etwa LAG Berlin vom 28.04.1986, 9 Ta 5/86, LAGE § 62 ArbGG 1979 Nr. 16; LAG Nürnberg vom 07.05.1999, 7 Ta 89/99, BB 1999, 1387; OLG Köln vom 17.07.2002, 14 WF 118/02; OLG Celle vom 02.04.2003, 18 WF 12/03; OLG Schleswig-Holstein vom 18.08.2003, 16 W 110/03; OLG Frankfurt vom 14.05.2003, 9 W 9/03; OLG Sachsen-Anhalt vom 19.01.2004, 5 W 3/04; OLG Hamm vom 17.08.2004, 11 WF 152/04, jeweils zitiert nach juris; Hartmann in Baumbach-Lauterbach, a.a.O., § 769 Rn. 12; Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Band 1, 3. Aufl. 2002, § 769 Rn. 14) zulässig sei, folgt das Beschwerdegericht aus den vom Bundesgerichtshof aufgeführten Gründen nicht. Auch die Tatsache, dass die ZPO vielfach und zuletzt mit Wirkung zum 01.01.2002 umfassend geändert worden ist, erfordert eine solche Auslegung nicht (BGH, a.a.O.).

b. Dieser Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit gilt auch für das Verfahren vor den Arbeitsgerichten. Eine andere Betrachtungsweise ist insbesondere nicht deswegen veranlasst, weil § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG nur auf § 707 Abs. 1 ZPO verweist, nicht aber auf § 707 Abs. 2 ZPO, der den Ausschluss der Anfechtbarkeit normiert; dies hätte die Folge, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren anders als im Verfahren vor den Zivilgerichten eine Beschwerdemöglichkeit auch bei einer Entscheidung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 707 ZPO und § 719 ZPO gegeben wäre (so aber LAG Frankfurt vom 14.01.1981, 13 Ta 2/81; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, 5. Aufl. 2005, § 62 Rn. 62; wie hier etwa Vossen in GK-ArbGG, § 62 Rn. 39a). Dieser Auffassung folgt das Beschwerdegericht nicht. Die Verweisung des § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG auf die Vorschriften der §§ 707 und 719 ZPO stellt sich nämlich als Rechtsgrundverweisung dar; sie regelt nicht die Einzelheiten des Verfahrens, das sich nach § 707 Abs. 2 ZPO bestimmt. Dies betrifft sowohl die Entscheidung durch Beschluss nach § 707 Abs. 2 S. 1 ZPO als auch den Ausschluss von dessen Anfechtbarkeit nach § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO (für die Vorschrift des § 707 Abs. 2 ZPO ganz herrschende Meinung: BAG vom 05.11.2003, 10 AZB 59/03, § 62 ArbGG 1979 Nr. 12, ohne Problematisierung des Fehlens des Verweisung auf § 707 Abs. 2 ZPO; weitere Nachweise vgl. etwa bei Vossen in GK-ArbGG, § 62 Rn. 37; bei Walker in Schwab/Weth, a.a.O., § 62 Rn. 30; ähnlich Baur in Gift/Baur, Das Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen, Buchstabe E Rn. 1714; Ziemann in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, § 62 Rn. 28; Koch in Erfurter Kommentar, 6. Aufl. 2006, § 62 Rn. 6; Wessel in Tschöpe, Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2003, Teil 5 H Rn. 26). Unabhängig davon ist kein Grund dafür ersichtlich, warum die Einstellung der Zwangsvollstreckung im Verfahren vor den Arbeitsgerichten im Gegensatz zur Rechtslage bei den Zivilgerichten grundsätzlich beschwerdefähig sein sollte.

c. Die Beschwerdebefugnis folgt auch nicht daraus, dass das Arbeitsgericht in seinem Beschluss angeführt hat, der Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde sei gegeben. Es besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit, dass eine fehlerhafte Belehrung nicht dazu führt, dass ein nach dem Gesetz nicht gegebenes Rechtsmittel eröffnet würde (vgl. BGH vom 21.04.2004, a.a.O.; BAG vom 20.08.2002, 2 AZB 16/02, EzA § 5 KSchG Nr. 34; BAG vom 17.03.2003, 2 AZB 21/02, EzA § 78 ArbGG 1979 Nr. 6; Prütting in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 9 Rn. 55, jeweils mit weiteren Nachweisen).

2. Die sofortige Beschwerde wäre, selbst wenn sie zulässig wäre, auch unbegründet. Selbst dann wäre der Beschluss des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden.

a. Nach zutreffender Ansicht des Arbeitsgerichts ist auch in den Fällen des § 769 ZPO für die Einstellung der Zwangsvollstreckung maßgeblich, dass dem Vollstreckungsschuldner das Vorliegen eines "nicht zu ersetzenden Nachteils" droht; dies gilt trotz fehlender Erwähnung des § 769 ZPO in § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG (so schon LAG Hamburg vom 14.07.1981, 1 Ta 8/81, zitiert nach juris; LAG Hamm vom 10.06.1988, LAGE § 62 ArbGG 1979 Nr. 17; LAG Bremen vom 24.06.1996, 2 Ta 28/96, LAGE § 62 ArbGG 1979, Nr. 22; LAG Köln vom 12.06.2002, 4 Sa 480/02, LAGE § 62 ArbGG 1979 Nr. 28; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 62 Rn. 8; offen gelassen von Ziemann in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, § 62 ArbGG Rn. 31; a.A. LAG Köln vom 16.06.1983, 3 Ta 86/83; LAG Baden-Württemberg vom 22.12.1986, 5 Ta 33/86; LAG Hessen vom 03.10.1988, 1 Ta 336/88; LAG Hessen vom 10.09.1997, 16 Ta 371/97; LAG Nürnberg vom 07.05.1999, a.a.O.; LAG Sachsen-Anhalt vom 25.09.2002, 8 Sa 344/02; LAG Hamburg vom 19.01.2003, 5 Ta 21/02, jeweils zitiert nach juris; Germelmann, a.a.O., § 62 Rn. 38; wohl auch Koch in Erfurter Kommentar, a.a.O., § 62 ArbGG Rn. 3; Walker in Schwab/Weth, ArbGG, § 62 Rn. 32; Vossen in GK-ArbGG, § 62 Rn. 39; Matthes in AR-Blattei-SD Zwangsvollstreckung Rn. 350).

b. Der Gesetzgeber hat die inhaltlichen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung im Verfahren vor den Arbeitsgerichten bewusst anders geregelt als in denjenigen vor den Zivilgerichten. Er hat sich dafür entschieden, Entscheidungen grundsätzlich für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Nur unter der strengen Ausnahme des nicht zu ersetzenden Nachteils darf das Arbeitsgericht die Zwangsvollstreckung vorläufig einstellen. Dies gilt nicht nur dann, wenn das Arbeitsgericht über die Einstellung im laufenden Hauptsacheverfahren zu befinden hat (§ 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG), sondern auch, wenn es nachträglich im Fall der Wiedereinsetzung oder Wiederaufnahme, des Einspruches oder der Berufung über die Einstellung befindet (§ 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG in Verbindung mit §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 ZPO). Gerade in den beiden letzteren Fällen hat der Gesetzgeber anders als im Verfahren vor den Zivilgerichten darauf verzichtet, geringere Anforderungen zu stellen. Er hat die Entscheidung über den Einstellungsantrag insbesondere nicht in erster Linie von der Prüfung der Erfolgsaussichten der Einwendung abhängig gemacht. Er hat zudem davon abgesehen, die Einstellung zu erleichterten Bedingungen gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung zu ermöglichen.

c. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Sachgrund diese Wertentscheidung des Gesetzgebers bei der Vollstreckungsgegenklage nach §§ 767, 769 ZPO durchbrochen werden sollte. Die Auffassung, der Regelungsbereich des § 767 ZPO erfasse im Verhältnis zu §§ 707 und 719 ZPO wesentlich unterschiedliche Tatbestände (so etwa LAG Nürnberg vom 07.05.1999, a.a.O.), überzeugt nicht. Sämtliche dieser Tatbestände haben gemeinsam, dass ein ordnungsgemäßer Vollstreckungstitel zustande gekommen und vorhanden ist. Auch nach Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ist die Vollstreckung formell zulässig. Die im Rahmen der §§ 707 und 719 ZPO vom Vollstreckungsschuldner erhobenen Einwendungen betreffen in aller Regel den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst, ähnlich wie bei Einwendungen, die mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden. Diese beziehen sich sämtlich darauf, dass ein entsprechender Anspruch nicht oder nicht mehr besteht. Die im arbeitsgerichtlichen Verfahren normierten strengen Voraussetzungen für die Einstellung der Vollstreckung gelten sogar dann, wenn das Urteil rechtskräftig ist und wegen eines nachträglich erkannten Umstandes Wiederaufnahme begehrt wird (hierauf weist etwa LAG Köln vom 12.06.2002, a.a.O., zutreffend hin).

Auch für den Vollstreckungsgläubiger stellt sich die Situation als vergleichbar dar: Er besitzt einen gültigen, formell ordnungsgemäßen Vollstreckungstitel. Diesen will der Vollstreckungsschuldner aus Gründen, die dem Gericht bei Erlass des Titels nicht erkennbar waren, die dem Gericht als nicht ausreichend erschienen oder die im damaligen Zeitpunkt noch nicht vorhanden waren, nicht erfüllen. Diesen Interessenwiderstreit hat der Gesetzgeber dergestalt gelöst, dass er den Interessen des Gläubigers im arbeitsgerichtlichen Verfahren - anders als im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten - den Vorzug gegeben hat dadurch, dass er die Vollstreckung unabhängig von der Erfolgsaussicht des Wiedereinsetzungsantrages, des Einspruches oder des Rechtsmittels gewähren lässt, wenn nicht dem Schuldner ein nicht zu ersetzender Nachteil droht. Der Gesetzgeber wollte im arbeitsgerichtlichen Verfahren gerade nicht die Abwendung der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ermöglichen. Diese Wertentscheidung kommt auch in der grundsätzlichen vorläufigen Vollstreckbarkeit von Urteilen ohne Sicherheitsleistung zum Ausdruck (§ 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Das Beschwerdegericht sieht keinen Anlass, der es rechtfertigen könnte, von diesen Grundsätzen gerade für den Fall der Vollstreckungsgegenklage abzuweichen. Gerade die oben dargestellte analoge Anwendung der Grundsätze des § 707 Abs. 2 ZPO auf das Verfahren nach § 769 ZPO spricht zudem dafür, diese Gleichstellung für das arbeitsgerichtliche Verfahren und insbesondere für § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG ebenfalls zuzulassen. Dabei erscheint die Erstreckung der in § 62 Abs. 1 S. 2 und 3 ArbGG zum Ausdruck kommenden Grundsätze auf den Fall des § 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG in Verbindung mit § 769 ZPO vorzugswürdig. Die allgemeine Verweisung auf die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung steht der von den Gerichten zu beachtenden, in § 62 Abs. 1 S. 2 und 3 ArbGG zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entgegen. Wenn schon, wie die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zeigt, eine Anpassung des § 769 ZPO an die Bestimmung des § 707 ZPO im allgemeinen Verfahrensrecht veranlasst ist, so gelten diese Grundsätze in gleicher Weise für das arbeitsgerichtliche Verfahren. Ein Anhaltspunkt für den Willen des Gesetzgebers, gerade bei der Vollstreckungsgegenklage eine Abweichung von den das arbeitsgerichtliche Verfahren kennzeichnenden Grundsätze - Ausschluss der Möglichkeit, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden, Einstellung der Zwangsvollstreckung nur bei Drohen eines nicht zu ersetzenden Nachteils - liegt gerade nicht vor.

d. Letztlich kann dies im Übrigen im vorliegenden Verfahren dahinstehen. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, die sich, wie die Beschwerdeführerin selbst einräumt, auf eine erhebliche Zahl von Entscheidungen und Meinungen stützen kann, erscheint nach alldem jedenfalls als vertretbar. In derartigen Fällen scheidet das Vorliegen einer "greifbaren Gesetzeswidrigkeit" aus, so dass eine Beschwerde, selbst wenn sie als zulässig angesehen würde, unbegründet wäre (so etwa LAG Hessen vom 17.03.1992, 15 Ta 58/92; LAG Hessen vom 10.10.1994, 9 Ta 398/94; LAG Hessen vom 05.08.2002, 16 Ta 339/02, jeweils zitiert nach juris).

3. Die Beschwerdeführerin hat entsprechend § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

4. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt vorliegend trotz der vielfach zitierten unterschiedlichen Auffassungen nicht in Betracht. Das Beschwerdegericht geht von der Unzulässigkeit bereits der sofortigen Beschwerde aus. In diesen Fällen, in denen es wegen Fehlens der Statthaftigkeit selbst an einer Sachentscheidung gehindert ist, ist es grundsätzlich auch an der Zulassung der Rechtsbeschwerde gehindert (so ausdrücklich BGH vom 21.04.2004, a.a.O.). Die Zulassung nach § 78 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG bzw. § 574 ZPO setzt eine statthafte sofortige Beschwerde voraus (vgl. auch BAG vom 05.11.2003, a.a.O.).

5. Den Streitwert hat das Gericht auf 1/5 des zur Vollstreckung anstehenden Betrages - hier nach den Angaben des Vollstreckungsgläubigers 2.215,98 € - festgesetzt (so auch BAG vom 03.11.2003, a.a.O.; Zöller-Herget, a.a.O., § 3 Rn. 16 "Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung").

Ende der Entscheidung

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