Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 13.02.2006
Aktenzeichen: 6 Ta 266/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 117
ZPO § 118
Zumindest dann, wenn der Prozessvertreter im Zusammenhang mit dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung erklärt hat, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werde nachgereicht, besteht keine Pflicht des Gerichts, vor Abschluss des Verfahrens auf das Fehlen der Bewilligungsvoraussetzungen hinzuweisen und eine Frist zur Vorlage der Erklärung zu setzen.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

6 Ta 266/05

Nürnberg, den 13. Februar 2006

in dem Rechtsstreit

wegen: Feststellung

hier: Prozesskostenhilfe

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vetter ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 30.11.2005 - Az.: 15 Ca 2086/05 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 28.12.2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 11a Abs. 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO fristgerecht eingereichte Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung der Klägerinvertreter zu Recht abgelehnt. Der Antrag war und ist nämlich nicht begründet.

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass eine Bewilligung ohne Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in Betracht kommt. Die Vorlage der Erklärung im hierfür vorgesehenen Vordruck ist - soweit nicht Sozialhilfe bezogen wird oder sonstige Sonderkonstellationen vorliegen (vgl. hierzu Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 117 Rn. 15) - nach den gesetzlichen Bestimmungen zwingende Voraussetzung für die Gewährung der Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung (vgl. § 117 Abs. 2, Abs. 4 ZPO).

2. Es kann dahinstehen, ob der Einwand der Klägerin, das Arbeitsgericht habe auch in denjenigen Fällen, in denen schon die Erklärung nicht eingereicht wird und in denen damit die Grundvoraussetzungen für die Bewilligung von vornherein nicht gegeben sind, von Amts wegen ohne entsprechenden Antrag des Antragstellers eine Frist zu Einreichung zu setzen, grundsätzlich zutrifft (dies ist im einzelnen streitig, Nachweise vgl. z.B. bei Zöller-Philippi, a.a.O., § 117 Rn. 17; bei Fischer in Musielak, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 117 Rn. 19 und § 119 Rn. 11). Das Arbeitsgericht hat jedenfalls im vorliegenden Fall zu Recht auf eine Frist zur Vorlage der Erklärung verzichtet. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat nämlich ausdrücklich in der Klageschrift selbst darauf hingewiesen, dass die Erklärung noch nachgereicht werde. Es war ihr also nach eigenem Bekunden bekannt, dass eine solche Erklärung nötig war und dass die Bewilligungsvoraussetzungen nicht gegeben waren. Sie hat dadurch die Verantwortung für das Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzung selbst übernommen, ein Hinweis des Gerichts erweist sich hierdurch als überflüssig.

Die von den Klägerinvertretern gerügte Verletzung der Hinweispflicht des § 139 ZPO ist nicht gegeben. Diese bezieht sich auf die beantragte Sachentscheidung. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen für die Entscheidung über Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung hat mit der Sachentscheidung, die im Übrigen zugunsten der Klägerin ergangen ist, nichts zu tun. Die Vorschrift des § 139 ZPO legt dem Gericht eine Hinweispflicht in solchen Fällen auf, in denen eine Partei einen Gesichtspunkt übersehen oder ungenügende Angaben gemacht hat. Sie führt nicht dazu, dass das Gericht unabhängig von Erklärungen der Parteien die Verantwortung für rechtzeitigen Sachvortrag trägt, wenn der Partei die Notwendigkeit zu entsprechendem Sachvortrag aus anderen Gründen bekannt ist. Die Hinweispflicht des § 139 ZPO ist zudem auf die jeweils zu entscheidenden Punkte bezogen. Eine auf Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung bezogene Hinweispflicht könnte allenfalls insoweit bestehen, als vor Erlass der Prozesskostenhilfeentscheidung bestimmte Voraussetzungen nicht gegeben sind. Sie hat mit der Entscheidung in der Hauptsache nichts zu tun. In demjenigen Zeitpunkt, als das Gericht die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe getroffen hat, kam eine Bewilligung aber angesichts des vorherigen rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens in der Hauptsache nicht mehr in Betracht.

Selbst wenn man im Übrigen eine Hinweispflicht des Arbeitsgerichts im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Hauptsache in der Verhandlung vom 11.10.2005 annehmen würde, würde dies an der Sachlage nichts ändern. Im Wege der Prozesskostenhilfe zu erstattende Prozesskosten fallen im vorliegenden Verfahren nicht an, weil nach dem Inhalt des Versäumnisurteils die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, nicht aber die Klägerin. Eine Beiordnung könnte allenfalls für die Zukunft in Betracht kommen - die Tätigkeit der Prozessvertreter der Klägerin war jedoch mit Beantragung des Versäumnisurteils abgeschlossen. In diesem Zeitpunkt konnte eine Beiordnung mangels Vorliegens der Bewilligungsvoraussetzungen nicht gewährt werden. Selbst wenn die Klägerin oder ihre Prozessvertreter nach Erlass des Versäumnisurteils die Erklärung eingereicht hätten, hätte eine Beiordnung unterbleiben müssen. Es ist nicht ersichtlich, welche Gebührentatbestände zeitlich nach dem Versäumnisurteil noch angefallen sein sollten. Eine rückwirkende Beiordnung ist aber allenfalls auf denjenigen Zeitpunkt bezogen zulässig, in dem die Bewilligungsvoraussetzungen - und hierzu gehört nach allgemeiner Auffassung auch die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegeben waren.

3. Angesichts des Fehlens dieser Bewilligungsvoraussetzung war das Arbeitsgericht gehindert, die begehrte Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung zuzusprechen. Die Nichtverwendung des Vordrucks macht den entsprechenden Antrag unbegründet (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. 2003, Rn. 153; MK-ZPO-Wax, Band 1, 2. Aufl. 2000, § 117 Rn. 4). Prozesskostenhilfe wird nach § 114 ZPO für die "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt. Nach Abschluss des Verfahrens kommt eine Zuerkennung daher nur noch in Betracht, wenn das Gericht über einen rechtzeitig und vollständig gestellten Antrag ohne zureichenden Grund nicht entschieden hat (einhellige Auffassung, vgl. BAG vom 03.12.2003, 2 AZB 19/03; LAG Hamm vom 20.11.1981, 1 Ta 109/81, EzA § 117 ZPO Nr. 3; LAG Köln vom 22.02.1985, 6 TaBV 13/85, LAGE § 119 ZPO Nr. 6; LAGE Hamburg vom 22.04.1985, 1 Ta 4/85, LAGE § 119 ZPO Nr. 4; LAG Nürnberg vom 11.05.1988, 3 Ta 55/88, LAGE § 117 ZPO Nr. 6; LAG Köln vom 19.05.1998, 11 Ta 70/98, LAGE § 117 ZPO Nr. 8; LAG Hamm vom 31.01.2001, 4 Ta 127/00, LAGE § 117 ZPO Nr. 9; LAG Berlin vom 18.06.2002, 2 Ta 945/02, LAGE § 117 ZPO 2002 Nr. 1; LAG Nürnberg vom 15.04.2003, 6 Ta 134/02, LAGE § 118 ZPO 2002 Nr. 1; vom 24.04.2003, 6 Ta 74/02; vom 01.10.2004, 6 Ta 107/04, nicht veröffentlicht; Künzl/Koller, Prozesskostenhilfe, 2. Aufl. 2003, Rn. 412 und Rn. 434; MK-ZPO-Wax, a.a.O., § 119 Rn. 51 und 53; Zöller-Philippi, a.a.O., § 119 Rn. 39 f.; Musielak-Fischer, ZPO, a.a.O., § 119 Rn. 11). Dies war vorliegend nicht der Fall. Das Arbeitsgericht war deswegen gehindert, den Antrag nach Abschluss des Verfahrens noch positiv zu verbescheiden.

4. Die Tatsache, dass die Klägerin die Erklärung mit der am 14.12.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde eingereicht hat, ändert nichts an der Richtigkeit der Abweisung des Antrags. Die Klägerin hat die ihr vom Gesetz in §§ 117 Abs. 2, Abs. 4, 118 Abs. 2 ZPO auferlegten Mitwirkungspflichten nämlich verletzt. Sie hat den Vordruck nicht rechtzeitig während des Laufes des Verfahrens oder innerhalb noch offener Fristen vorgelegt, hat - alternativ hierzu - nicht rechtzeitig erklärt, welche Hinderungsgründe entgegenstehen. Diese Verletzung der Mitwirkungspflichten führt zum Verlust des Anspruches auf Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung (auch Zöller-Philippi, a.a.O., § 118 Rn.17). Die Tatsache, dass die Klägerin sich nachträglich auf ein - verständliches - Versehen ihrer Prozessbevollmächtigten bzw. von deren Angestellten berufen hat, ändert hieran nichts. Rechtlich kommt dies dem Begehren einer Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Vorlage der Erklärung gleich. Es handelt sich bei der Mitwirkungshandlung um eine Obliegenheit der Partei, nicht jedoch um eine Notfrist, so dass die Vorschriften über die Wiedereinsetzung (§ 233 ff. ZPO) nicht eröffnet sind. Auf die von den Klägerinvertretern aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein Kanzleiverschulden nach § 85 ZPO zurechenbar ist, kommt es angesichts dessen, dass eine Wiedereinsetzung von vornherein ausgeschlossen ist, nicht an.

5. Die Tatsache, dass mit der Beschwerde grundsätzlich neue Tatsachen vorgetragen werden können (§ 571 Abs. 2 S. 1 ZPO), steht dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat in § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO nämlich eine ausdrückliche Ausschlussfrist bei ordnungsgemäßer Fristsetzung durch das Ausgangsgericht gesetzt. Diese Ausschlussfrist greift auch dann, wenn die Nichteinreichung im Verantwortungsbereich der Partei lag, so dass eine Fristsetzung nicht erforderlich war. Diese Regelung ist als spezielle Regelung anzusehen und geht innerhalb ihrer Reichweite der allgemeinen Regelung des § 571 ZPO vor. Dies erfordert auch Sinn und Zweck der Regelung. Es wäre sinnwidrig, dem Ausgangsgericht ohne Wenn und Aber die Ablehnung des Antrags zwingend vorzuschreiben, wie dies der Gesetzgeber in § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO getan hat - selbst wenn die Unterlagen im Zeitpunkt der Entscheidung, aber nach Fristablauf noch beim Gericht eingegangen sein sollten -, dem Beschwerdegericht aber die Berücksichtigung solcher Unterlagen zu gestatten oder gar aufzugeben. Dann würde der Gesetzgeber das Ausgangsgericht sehenden Auges zu einer dann aufzuhebenden Entscheidung zwingen. Es spricht nichts dafür, dass diese Widersprüchlichkeit in der Absicht des Gesetzgebers gelegen hätte (so jetzt auch BAG vom 03.12.2003, a.a.O.; im Ergebnis auch Kalthoener u.a., a.a.O., Rn. 509; anders möglicherweise Rn. 897; wie hier auch LAG Nürnberg vom 11.05.1988, 3 Ta 55/88, LAGE § 117 ZPO Nr. 6; LAG Düsseldorf vom 22.06.1989, 14 Ta 210/89, LAGE § 118 ZPO Nr. 6; LAG Hamm vom 08.06.1993, 7 Ta 206/93, LAGE § 118 ZPO Nr. 7; LAG Köln vom 19.05.1998, 11 Ta 70/98, LAGE § 117 ZPO Nr. 8; LAG Hamm vom 31.01.2001, 4 Ta 127/00, LAGE § 117 ZPO Nr. 9; LAG Hamm vom 30.03.2001, 4 Ta 617/00, LAGE § 117 ZPO Nr. 10 unter II.3. der Gründe; LAG Nürnberg vom 15.04.2003 a.a.O.; anders wohl Zöller-Philippi, a.a.O., § 127 Rn. 48 ff.). Dies gilt nicht nur, wenn - wie im Fall des § 118 ZPO - einzelne Angaben oder Unterlagen fehlen, sondern erst recht für den Fall der fehlenden Grundlagen für die Bewilligung überhaupt. Die Situation stellt sich anders dar als im Fall der Aufhebung der Bewilligung nach § 120 ZPO, bei der ein Nachreichen der erforderlichen Unterlagen in der Beschwerdeinstanz zulässig ist (vgl. BAG vom 18.11.2003, EzA § 120 ZPO 2002 Nr. 1). Zum einen ist im Fall des § 120 ZPO bereits Prozesskostenhilfe bewilligt. Zum anderen geht es vorliegend um die Grundvoraussetzungen, nämlich der Nichteinhaltung einer gesetzlichen Bewilligungsvoraussetzung. Zum dritten fehlt es im Fall der Aufhebung nach § 120 ZPO an einer der Bestimmung des § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO vergleichbaren Vorschrift.

6. Nach alldem hat das Arbeitsgericht richtig entschieden. Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Klägerinvertreter kommt nicht mehr in Betracht. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

7. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

Zurück