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Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 6 TaBV 46/07
Rechtsgebiete: BetrVG, WO-BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 19 | |
WO-BetrVG § 26 |
2. Dies gilt auch, wenn der Wahlvorstand hierbei vollzählig versammelt ist; es fehlt an der Öffentlichkeit der Sitzung.
3. Es kann dahinstehen, ob die Wahl auch deswegen für unwirksam zu erklären ist, weil die persönliche Stimmabgabe einiger Wähler schon vor dem als Beginn des Wahlzeitraums benannten Zeitpunkt zugelassen wurde und weil der Wahlvorstand sich bei Briefwählern, die ihre Stimme zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht abgegeben hatten, erkundigt hat, ob sie die zugesandten Briefwahlunterlagen erhalten hätten.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS
Verkündet am 27. November 2007
in dem Beschlussverfahren
wegen: Wirksamkeit der Betriebsratswahl
Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Fallenbacher und Kretschmer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2007
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Beschwerde des Antragsgegners und Beteiligten zu 2.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 10.04.2007, Az. 12 BV 75/06, wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die Antragstellerin betreibt als Einzelhandelsunternehmen zahlreiche Verkaufsstellen zum Vertrieb von Drogeriewaren. Nach einem mit der Gewerkschaft HBV abgeschlossenen Tarifvertrag werden für bestimmte Regionen Betriebsräte gebildet. In der Region, für die der Antragsgegner gewählt wurde, liegen 33 Verkaufsstellen.
Am 03.04.2006 erließ der für den Betrieb eingesetzte Wahlvorstand das Wahlausschreiben zur Wahl des Betriebsrates. Des genauen Wortlautes dieses Wahlausschreibens wegen wird auf die in der Sitzung des Arbeitsgerichts vom 03.04.2007 übergebene Ablichtung Bezug genommen (Bl. 78 f. d.A.). In diesem Wahlausschreiben heißt es unter anderem:
"Die Betriebsratswahl findet am 16.05.2006 um 14 Uhr in C... statt."
Die Auszählung der Stimmen sollte öffentlich am 16.05.2006 um 14.00 in C... stattfinden. Für alle Betriebsteile und Kleinstbetriebe außer in der Verkaufsstelle C... - dort sind zwei Arbeitnehmer beschäftigt - war obligatorische schriftliche Stimmabgabe nach § 24 Abs. 3 der Wahlordnung beschlossen. Neben dem Betriebsratsbüro, das in der Verkaufsstelle in C... gelegen ist und gleichzeitig als Betriebsadresse des Wahlvorstandes benannt ist, waren Abdrucke der Wahlordnung und der Wählerliste in der Verkaufsstelle in D... und in derjenigen in E... zur Einsicht ausgelegt.
Nach Versendung der Briefwahlunterlagen fragte die Wahlvorstandsvorsitzende telefonisch bei einzelnen Mitarbeitern nach, ob diese die Briefwahlunterlagen auch erhalten hätten. Soweit Rückumschläge nicht eingegangen waren, erfolgte ebenfalls nochmals eine telefonische Nachfrage durch die Wahlvorstandsvorsitzende.
Für die Wahl wurden zwei Vorschlagslisten bekannt gemacht, die Liste 1 "F..." und die Liste 2 "G...". Als die beiden Mitarbeiterinnen der Verkaufsstelle C..., für die persönliche Stimmabgabe vorgesehen war, im Wahllokal - dem Betriebsratsbüro - bis etwa um 13.15 Uhr ihre Stimme abgegeben hatten, begann der Wahlvorstand gegen 13.15 Uhr mit der Öffnung der eingegangenen, an den Wahlvorstand adressierten Freiumschläge der Briefwähler. Die Türe des Betriebsratsbüros war hierbei geschlossen. Die Freiumschläge wurden geöffnet, die Wahlumschläge, soweit vom Wahlvorstand für in Ordnung befunden, in die Wahlurne eingeworfen. Dabei stellte der Wahlvorstand fest, dass bei mehreren Wählern die Erklärung über die persönliche Stimmabgabe nicht im Freiumschlag enthalten war. Bis gegen 14.00 Uhr waren alle Wahlumschläge in die Wahlurne eingeworfen.
Nach der Stimmenauszählung stellte der Wahlvorstand das Wahlergebnis fest. Hiernach entfielen auf die Liste 1 (F...) 78 Stimmen, die Liste 2 (G...) 21 Stimmen. Drei Stimmen wurden für unwirksam erklärt. Noch am 16.05.2006 erfolgte die Bekanntmachung des Wahlergebnisses.
Mit ihrem am 26.05.2006 eingegangenen Antrag begehrt die Antragstellerin, die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären. Sie trägt vor, die Disponentin H... sei am 16.05.2006 gegen 13.40 Uhr im Wahllokal erschienen, die Listenvertreterin der Liste 2, die Arbeitnehmerin I..., sowie die Bewerberin J... um 13.50 Uhr. Sie hätten feststellen müssen, dass bei ihrem Erscheinen die Briefumschläge der Briefwähler bereits geöffnet gewesen seien, dass Briefumschläge auch aussortiert gewesen seien. Die Bitte, diese Briefumschläge ansehen zu dürfen, sei vom Wahlvorstand abgelehnt worden. Die Wahlunterlagen seien offensichtlich einer nicht öffentlichen Vorprüfung durch den Wahlvorstand unterzogen worden. Diese geheime Prüfung sei offenbar bereits weit vor Beginn der Stimmauszählung erfolgt und nicht in öffentlicher Sitzung. Zudem sei zu beanstanden, dass die Wahlvorstandsvorsitzende vor der Wahl Mitarbeiter angerufen und nachgefragt habe, warum denn diese Mitarbeiterin noch nicht gewählt habe. Der Wahlvorstand habe also offenbar bereits im Vorfeld geprüft, ob Mitarbeiter ihre Stimme abgegeben hätten.
Die Antragstellerin hat daher vor dem Arbeitsgericht folgenden Antrag gestellt:
Die Betriebsratswahl vom 16.05.2006 im Bezirk B... wird für unwirksam erklärt.
Der Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Handhabung des Wahlvorstands sei nicht zu beanstanden. Eingegangene Briefwahlunterlagen seien in eine verplombte Wahlurne eingeworfen worden. Der Wahlvorstand habe jeweils in der Wählerliste vermerkt, dass der Mitarbeiter die Unterlagen zurückgeschickt habe, und das Eingangsdatum eingetragen. Vor Beginn der Stimmabgabe seien sämtliche Briefwahlunterlagen der bis dahin verplombten Wahlurne entnommen worden. Sie seien beiseite gelegt worden. Nach der Stimmabgabe der beiden Mitarbeiterinnen der Verkaufsstelle C..., die als einzige zur persönlichen Stimmabgabe berechtigt gewesen seien, seien die Freiumschläge geöffnet worden. Dabei sei geprüft worden, ob die Erklärung über die persönliche Stimmabgabe im Kuvert enthalten gewesen sei. Sei dies der Fall gewesen, sei dies in der Wählerliste vermerkt und der Wahlumschlag in die Wahlurne eingeworfen worden. Fünf Briefwahlstimmen seien für ungültig erklärt worden. In vier Freiumschlägen sei die Erklärung über die persönliche Stimmabgabe nicht enthalten gewesen, ein Wahlumschlag sei mit Tesafilm zugeklebt gewesen. Nach 14.00 Uhr sei in öffentlicher Stimmauszählung die Wahlurne entplombt worden. Es seien die Wahlumschläge entnommen, die Kuverts auf den Tisch geschüttet, die Wahlumschläge durch das Wahlvorstandsmitglied K... geöffnet und an die Wahlvorstandsvorsitzende L... weitergereicht worden. Diese habe laut vorgelesen, welche Liste die Mitarbeiterin angekreuzt habe. Das dritte Wahlvorstandsmitglied, die Arbeitnehmerin M..., habe die jeweiligen Stimmen protokolliert. Die Disponentin H... habe sich entrüstet gezeigt, dass die Wahlumschläge den Freiumschlägen bereits vor 14.00 Uhr entnommen worden seien. Sie habe mitgeteilt, sie habe mitschreiben wollen, welche Mitarbeiter gewählt hätten, welche nicht. Es sei falsch, dass der Wahlvorstand abgelehnt habe, dass die anwesenden Mitarbeiter die aussortierten und für ungültig erklärten Briefwahlkuverts einsehen könnten. Es sei zutreffend, dass die Wahlvorstandsvorsitzende einzelne Mitarbeiter angerufen und nachgefragt habe, ob sie die Briefwahlunterlagen auch erhalten hätten. Da in der Vergangenheit Betriebsratspost bereits einmal auf dem Postwege verlorengegangen sei, habe der Wahlvorstand beschlossen, bei Mitarbeitern nachzufragen, ob diese die Briefwahlunterlagen bereits erhalten hätten, wenn deren Rückumschläge noch nicht eingegangen gewesen seien. In diesem Gespräch sei keine Wahlwerbung betrieben worden; die Mitarbeiter seien lediglich auf die Betriebsratswahl hingewiesen worden. Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften seien nicht ersichtlich. Es bestehe kein Anspruch des Arbeitgebers darauf, nachvollziehen zu können, welche Mitarbeiter ihre Stimmen abgegeben hätten. Manipulationen des Wahlvorstands seien nicht ersichtlich.
Die Antragstellerin hat bestritten, dass die Öffnung der Briefwahlunterlagen erst erfolgt sei, nachdem die für die persönliche Stimmabgabe vorgesehenen Mitarbeiterinnen gewählt hätten. Sie erklärt, die Öffnung der Briefwahlunterlagen sei nicht in öffentlicher Sitzung erfolgt. Durch das Aussondern einiger Umschläge sei die vom Gesetz geforderte Transparenz nicht eingehalten. Außerdem seien die Briefwahlunterlagen über einen erheblichen Zeitraum hinweg im Wahllokal frei zugänglich gewesen, ohne dass dies im Rahmen der Betriebsöffentlichkeit habe nachvollzogen werden können - es fehle insoweit an einer entsprechenden Bekanntmachung.
Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, der Wahlvorstand sei verpflichtet gewesen, die Briefwahlumschläge zu öffnen und die Wahlumschläge in die Wahlurne einzulegen, bevor er mit der Stimmauszählung begonnen habe. Bei der Öffnung der Freiumschläge sei - ebenso wie bei der persönlichen Stimmabgabe der beiden hierzu berechtigten Mitarbeiterinnen - der gesamte Wahlvorstand zugegen gewesen. Für diese Handlung sei eine gesonderte Veröffentlichung im Gesetz nicht vorgesehen. Zudem seien etwaige Auswirkungen der Handhabung auf die Betriebsratswahl nicht erkennbar.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 10.04.2007 wie folgt erkannt:
Die Betriebsratswahl vom 16.05.2006 im Bezirk B... wird für unwirksam erklärt.
Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, es liege ein Verstoß gegen § 26 Abs. 1 der Wahlordnung vor, weil die Öffnung der Freiumschläge nicht unmittelbar vor der Stimmauszählung in öffentlicher Sitzung durch den Wahlvorstand erfolgt sei. Es bedürfe dann keiner gesonderten Bekanntmachung des Zeitraums der Öffnung der Freiumschläge, wenn diese im Wahllokal und während der im Wahlausschreiben angegebenen Zeit der Stimmabgabe stattfinde. Dies sei hier nicht der Fall. Das Wahllokal sei noch nicht geöffnet gewesen, als die Öffnung der Freiumschläge erfolgt sei; im Wahlausschreiben sei exakt 14.00 Uhr als Zeitpunkt der Betriebsratswahl angegeben, nicht aber ein Zeitraum vor 14.00 Uhr. Also seien diese Handlungen nicht in öffentlicher Sitzung erfolgt. Auch sei der Raum während der gesamten Zeit geschlossen gewesen. Hieraus folge der Eindruck, dass die Öffnung der Briefwahlunterlagen "hinter verschlossenen Türen" erfolgt sei. Dies gelte auch für die Stimmauszählung, die bei ebenfalls geschlossener Tür erfolgt sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass interessierte Beobachter durch die geschlossene Tür und das Schild "Bitte klopfen und warten" an der Beobachtung der Stimmauszählung gehindert gewesen seien; es sei leicht möglich, dass ein etwaiges Klopfen überhört worden sei. Der Verstoß sei auch erheblich. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis beeinflusst worden sei. Die Vorschriften der Öffentlichkeit zeichneten sich dadurch aus, dass sie der Minderung einer abstrakten Gefahr dienen sollten. Jede interessierte Person müsse die Möglichkeit haben, sich von der ordnungsgemäßen Behandlung der durch Briefwahl abgegebenen Stimmen zu überzeugen. Aus diesem Grund müsse auch der Beschluss über die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Stimme in öffentlicher Sitzung gefasst werden. Die Anfechtung sei begründet, Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Wahl seien nicht gegeben.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist den Vertretern des Antragsgegners ausweislich deren Empfangsbekenntnisses am 25.05.2007 zugestellt worden.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 25.06.2007, beim Landesarbeitsgericht ausweislich des Eingangsstempels eingegangen am selben Tag, Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt. Er hat seine Beschwerde - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist aufgrund am 19.07.2007 eingegangenen Antrags bis 27.08.2007 - mit am 27.08.2007 eingegangenen Schriftsatz selben Datums begründet.
Der Antragsgegner hat in seiner Beschwerde geltend gemacht, die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei nicht zutreffend. Die Öffnung der Freiumschläge sei in öffentlicher Sitzung des Wahlvorstands erfolgt, so dass jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit gehabt habe, sich von der ordnungsgemäßen Behandlung der durch Briefwahl abgegebenen Stimmen zu überzeugen. Da im Wahlausschreiben der Zeitpunkt 14.00 Uhr als Zeitpunkt der Stimmabgabe angegeben gewesen sei und da um 14.00 Uhr auch mit der Auszählung begonnen werden sollte, sei klar gewesen, dass die Öffnung der Freiumschläge der Briefwähler vor diesem Zeitpunkt habe erfolgen müssen. Ein separater Hinweis auf den Zeitpunkt oder Zeitraum der Öffnung der Freiumschläge der Briefwähler sei in der Wahlordnung nicht vorgesehen. Für den Leser des Wahlausschreibens hätte sich auch nichts verändert, wenn für die persönliche Stimmabgabe ein Zeitraum angegeben gewesen wäre. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei das Wahllokal auch offen gewesen; schließlich hätten die drei von der Antragstellerin benannten Personen ohne weiteres um 13.40 Uhr bzw. 13.50 Uhr an der Sitzung teilnehmen können. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass in der Wahlordnung zwischen der Öffnung der Wahlumschläge in öffentlicher Sitzung und der Öffentlichkeit der Stimmauszählung unterschieden werde. Der Zeitraum der Öffnung der Freiumschläge müsse nicht bekannt gegeben werden. Auch die Stimmabgabe selbst müsse nicht öffentlich im gleichen Sinne wie die Stimmauszählung sein. Schließlich könne nicht die gesamte Betriebsöffentlichkeit oder gar der Arbeitgeber bei der Stimmabgabe anwesend sein. Üblicherweise würden die Freiumschläge während der normalen Öffnungszeiten des Wahllokals geöffnet; das Wahllokal sei dann nur einem sehr begrenzten Personenkreis zugänglich. Ähnlich sei es vorliegend geschehen. Jede Person hätte den Raum betreten können, hätte mit oder ohne anzuklopfen die Türe öffnen können. Im übrigen sei nicht erkennbar, dass ein eventuell hierbei entstandener Fehler ein anderes Wahlergebnis hätte nach sich ziehen können. Es sei lückenlos dokumentierbar, welche Arbeitnehmer ihre Briefwahlunterlagen abgegeben hätten; Möglichkeiten zur Manipulation hätten nicht bestanden, da sich alle Stimmzettelumschläge verschlossen in der Wahlordnung befunden hätten.
Der Antragsgegner stellt daher in der Beschwerdeinstanz folgende Anträge:
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg, Az. 12 BV 75/06, vom 10.04.2007 wird abgeändert.
2. Der Antrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner stellt den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin schließt sich den Gründen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung an. Sie trägt vor, der Wahlvorstand habe die Vorschrift des § 26 Abs. 1 der Wahlordnung verletzt, die die Öffnung der Wahlumschläge in öffentlicher Sitzung verlange. Der Wahlvorstand habe im Wahlausschreiben den Zeitpunkt der öffentlichen Sitzung exakt auf 14.00 Uhr festgesetzt. Damit sei das Wahllokal vor 14.00 Uhr gerade nicht "normal geöffnet" gewesen, so dass jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit gehabt hätte, sich von der ordnungsgemäßen Behandlung der durch Briefwahl abgegebenen Stimmen zu überzeugen. Auch durch die verschlossene Tür und das Schild "Bitte klopfen und warten" sei der Eindruck erweckt worden, die Öffnung der Freiumschläge sei "hinter verschlossenen Türen" erfolgt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es zu Fehlern gekommen sei, die ansonsten nicht unterlaufen wären.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht vom 27.11.2007 (Bl. 148 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig (§§ 87 ff. ArbGG). Sie ist insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 66, 89 ArbGG).
2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Wahl für unwirksam erklärt. Die Beschwerdekammer folgt zunächst den überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, so dass insoweit auf eine nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann. Im übrigen ist ergänzend, insbesondere im Hinblick auf die vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwendungen, hinzuzufügen:
a. Der Wahlvorstand hat bei seiner Vorgehensweise die Vorschrift des § 3 Ziff. 11 der Wahlordnung verletzt. Danach ist neben dem Ort und dem Tag der Stimmabgabe auch die Zeit der Stimmabgabe im Wahlausschreiben anzugeben. Der Wahlvorstand hat vorliegend gestattet, dass zwei Wähler ihre Stimme bereits um 13.15 Uhr persönlich in die Urne eingeworfen haben, obwohl die Zeit der persönlichen Stimmabgabe auf 14.00 Uhr festgelegt war. Dies ist nicht gestattet. Wer nicht in demjenigen Zeitraum, der im Wahlausschreiben angegeben ist, wählen kann oder will, muss dies im Wege schriftlicher Stimmabgabe tun. Bei persönlicher Stimmabgabe außerhalb des vorgesehenen Wahlzeitraums findet diese nicht im eigentlichen Wahllokal statt - der betreffende Raum, hier das Betriebsratsbüro, ist im Wahlausschreiben nur für den angegebenen Zeitraum als Wahllokal definiert und begrenzt. Es besteht zumindest die abstrakte Gefahr, dass manche Wähler durch die Möglichkeit, die Stimme außerhalb des Wahlzeitraums abzugeben, bevorzugt werden. Außerdem ist auch der Grundsatz verletzt, dass das Wahllokal schon deswegen öffentlich zugänglich ist, weil es jeder Wähler zu beliebiger Zeit innerhalb des angegebenen Wahlzeitraums ohne Hinderung betreten können muss. Der Wahlvorstand muss also jederzeit damit rechnen, dass ein Wähler auch den ordnungsgemäßen Ablauf der Stimmabgabe anderer Wähler beobachtet. Auch diese - wenngleich begrenzte - Öffentlichkeit ist nicht gewahrt, wenn es Wählern gestattet ist, ihre Stimme bereits vor Eröffnung des Wahllokals abzugeben.
b. Mit Recht hat das Arbeitsgericht aufgeführt, dass der Wahlvorstand gegen § 26 Abs. 1 der Wahlordnung verstoßen hat. Diese Vorschrift sieht die Öffnung der Freiumschläge und den Einwurf der Wahlumschläge in die Urne ausdrücklich "in öffentlicher Sitzung" vor. Öffentlichkeit in diesem Sinn ist nicht schon gewahrt, wenn die Sitzung in einem nicht abgeschlossenen Zimmer stattfindet. Sie setzt vielmehr voraus, dass den Interessierten zuvor deutlich gemacht worden ist, dass die Sitzung zu diesem Zeitpunkt stattfindet. Ist dies der Fall, schadet es nicht, dass die Türe nicht offensteht, weil jeder Interessierte ungehindert Zutritt nehmen kann (so auch BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 9).
c. Zwar trifft der Einwand des Antragsgegners zu, dass ein genauer Zeitpunkt für die Öffnung der Freiumschläge der Briefwähler wegen der nicht ganz eindeutigen Angaben in der Wahlordnung - einerseits können auch Briefwahlunterlagen noch bis zum allgemeinen Abschluss der allgemeinen Stimmabgabe nach § 3 Ziff. 11 der Wahlordnung eingereicht werden, andererseits soll die Behandlung der Briefwahlunterlagen nach § 26 Abs. 1 der Wahlordnung "unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe" erfolgen - im Wahlausschreiben nicht angegeben werden muss oder gar kann. Dabei ist im einzelnen streitig, ob der Wahlvorstand erst dann mit der Öffnung der Freiumschläge beginnen darf, wenn alle Briefwähler die Stimme abgegeben haben (so etwa Thüsing in Richardi, BetrVG, 10. Aufl. 2006, § 26 WO Rn. 2 mit weiteren Nachweisen). Eines ist nämlich selbstverständlich: Die öffentliche Sitzung zur Öffnung der Freiumschläge der Briefwähler kann keinesfalls zeitlich vor der Öffnung des Wahllokals stattfinden. Die Betriebsöffentlichkeit braucht frühestens am Ende des als Wahlzeitraums bestimmten Zeitraumes mit der Behandlung der Briefwahlunterlagen zu rechnen, keinesfalls vor Beginn der Öffnung des Wahllokals. Dieser Zeitpunkt wäre zudem beliebig. Hier hat der Wahlvorstand nach eigenen Angaben gegen 13.20 Uhr, also vierzig Minuten vor dem angegebenen Wahlzeitraum, mit der Öffnung begonnen. Bei der gewählten Handhabung war aber völlig offen, welchen Zeitraum der Wahlvorstand hierfür in Anspruch nehmen würde. Die Betriebsöffentlichkeit brauchte nicht damit zu rechnen, dass die Öffnung bereits um 13.20 Uhr begann. Damit steht ein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Sitzung fest (vgl. zu den Anforderungen an die Öffentlichkeit auch GK-Kreutz, Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, 8. Aufl. 2005, § 18 Rn. 32). Darauf, ob tatsächlich ein Arbeitnehmer des Betriebs gehindert war, an der Sitzung teilzunehmen, kommt es nicht an (so BAG vom 15.11.2000, a.a.O., unter B.II.3. der Gründe). Unabhängig hiervon ist vorliegend davon auszugehen, dass die drei Personen, die den Wahlraum bis 13.50 Uhr betreten haben, gerade an dieser Öffnung der Briefwahlumschläge teilnehmen wollten und entsprechend früher erschienen wären, wäre ihnen die tatsächliche Handhabung des Wahlvorstands - Beginn mit der Öffnung bereits gegen 13.20 Uhr - bekannt gegeben worden.
d. Erhebliche Bedenken hat die Beschwerdekammer auch bei der Vorgehensweise des Wahlvorstandes, diejenigen Arbeitnehmerinnen anzurufen, die ihre Briefwahlunterlagen nicht an den Wahlvorstand zurückgesandt hatten. Es mag sein, dass das Motiv hierfür - Prüfung, ob die Arbeitnehmerinnen die Unterlagen erhalten hätten - anerkennenswert ist.
Schon dann, wenn nur eine einzige Arbeitnehmerin jedoch nicht angerufen oder erreicht worden ist, liegt eine mögliche Beeinflussung des Wahlergebnisses vor, weil mit dem Anruf ein gesonderter Anstoß erfolgt, an der Wahl teilzunehmen. Dieser Anschein der Beeinflussung, dessen sich der Wahlvorstand in jedem Fall zu enthalten hat, liegt erst recht dann vor, wenn - wie das vorliegend zumindest teilweise, nämlich bei den Wahlvorstandsmitgliedern L.... und N... der Fall ist - Mitglieder des Wahlvorstandes auch für die Betriebsratswahl kandidieren. In diesem Fall liegt es nahe, dass sich gerade solche Arbeitnehmerinnen durch den Anruf motivieren lassen, die Stimme doch noch abzugeben, die mit der Anruferin sympathisieren. Unabhängig davon ist ein solcher zusätzlicher Aufruf durch den Wahlvorstand nicht vom Gesetz vorgesehen. Die Anruferin nutzt hierfür ihr Wissen als Wahlvorstandsmitglied, welche Wählerin ihre Stimme noch nicht abgegeben hat. Dies wäre nur dann anders, wenn sie nicht nur ausgewählte Personen - solche, die ihre Briefwahlunterlagen noch nicht zurückgesandt hatten -, sondern sämtliche Arbeitnehmerinnen angerufen hätte, unabhängig davon, ob sie ihre Stimme schon abgegeben hätten. Letzteres ist jedem Kandidaten, auch wenn er gleichzeitig Wahlvorstandsmitglied ist, unbenommen.
Ersteres ist, weil es auf Wissen aufbaut, das der Kandidat nur als Wahlvorstandsmitglied besitzt, unzulässig.
e.Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass zumindest der Verstoß gegen die Öffentlichkeit von einer Natur ist, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte. Abzustellen ist darauf, ob bei einer hypothetischen Betrachtung eine ohne den Verstoß durchgeführte Wahl zwingend zu demselben Ergebnis geführt hätte (BAG vom 31.05.2000, 7 ABR 78/98, EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 39 unter B.IV.6.b. der Gründe; zuletzt BAG vom 13.10.2004, 7 ABR 5/04, EzA § 19 BetrVG 2001 Nr. 4 unter II.3. der Gründe). Dies ist bei einer Öffnung der Freiumschläge ohne die vom Gesetz geforderte Öffentlichkeit nicht der Fall. Der Wahlvorstand hat hier bei der Prüfung der im Freiumschlag vorhandenen Gegenstände - Wahlumschläge einerseits, die Erklärung über die persönliche Stimmabgabe andererseits - Entscheidungen zu treffen ähnlich denjenigen, die bei der Stimmauszählung anfallen. Er befindet schon in diesem Stadium über die Gültigkeit und Ungültigkeit von Stimmen. Das Gebot der Öffentlichkeit soll gewährleisten, dass jeder zusehen kann, in welcher Weise die Freiumschläge - die ja den Namen des Wählers als Absender tragen - vom Wahlvorstand behandelt werden. Etwaige Verstöße gegen die dem Wahlvorstand bei dieser Handlung obliegenden, angesichts des leicht zurückzuverfolgenden Namens des Abstimmenden heiklen Aufgabe können in der Regel nur dann festgestellt werden, wenn der gesamte Vorgang von der Prüfung der Verschlossenheit der Freiumschläge bis zum Einwurf des Wahlumschlags in die Wahlurne beobachtet wird. Gerade die Feststellung, ob die Freiumschläge wirklich verschlossen waren, lässt sich im nachhinein nicht mehr nachvollziehen. Daran ändert es nichts, wenn einige weitere Personen bei dieser Handlung anwesend sind, weil nicht klar ist, in welcher Beziehung diese Personen zum Wahlvorstand stehen. Die Einladung der Öffentlichkeit soll gerade jedem beliebigen Arbeitnehmer des Betriebs ermöglichen, mit eigenen Augen zu beobachten, dass und wie die Vorschriften eingehalten werden. Ist die Öffentlichkeit nicht geladen, ist nicht gewährleistet, dass eine derartige Beobachtung und eigene Prüfung Interessierter möglich ist. Aus diesem Grund kann nicht ausgeschlossen werden, dass - bewusst oder unbewusst - Fehler passiert sind, die geeignet waren, das Wahlergebnis zu beeinflussen (ebenso BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, a.a.O.; GK-Kreutz, a.a.O., § 18 Rn. 28 ff. mit umfangreichen Nachweisen; LAG Schleswig-Holstein vom 18.03.1999, 4 TaBV 51/98, NZA-RR 1999, 523). Schon aus diesem Grund liegt ein Fehler vor, der die Wahl unwirksam werden lässt. Auf die Frage, ob die abstrakte Gefahr der Beeinflussung durch die Anrufe des Wahlvorstandes ebenfalls geeignet war, bei der anzustellenden hypothetischen Betrachtung zu einem anderen Ergebnis zu führen, kommt es nach alldem nicht an.
3. Anhaltspunkte für Nichtigkeit der Wahl liegen nicht vor, so dass dahinstehen kann, ob das Beschwerdegericht diese Frage im Hinblick auf die Beschwerdeeinlegung allein durch den Antragsgegner zu prüfen hatte.
4. Nach alldem ist die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen. Die Wahl ist für unwirksam zu erklären.
5. Einer Kostenentscheidung bedarf es im Hinblick auf § 2 Abs. 2 GKG nicht.
6. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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