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Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 09.04.2002
Aktenzeichen: 7 Sa 518/01
Rechtsgebiete: NachwG, ZPO
Vorschriften:
NachwG § 2 Abs. 1 | |
ZPO § 286 Abs. 1 |
Bei Nichterfüllung der Nachweispflicht gemäß § 2 Abs. 1 NachwG durch den Arbeitgeber kommt dem Arbeitnehmer eine Beweiserleichterung bezüglich der von ihm behaupteten Vertragsbedingungen zugute.
2.
Im Falle einer fahrlässigen Verletzung der Nachweispflicht ist der vom Arbeitnehmer zu erbringende Beweis bezüglich einzelner Vertragsbedingungen jedenfalls dann als geführt anzusehen, wenn er durch Vortrag weiterer Indizien die Richtigkeit seines Vortrags plausibel macht.
3.
Bestreitet der Arbeitgeber im Lohnzahlungsprozess das Erbringen von Arbeitsleistungen, ist der Arbeitnehmer für die Erbringung beweisbelastet.
4.
Die Überzeugung des Gerichts kann durch einen Anscheinsbeweis geführt werden.
Es besteht der Erfahrungsgrundsatz, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeit in dem vertraglich vereinbarten Umfang auch erbringt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer während eines verhältnismäßig nicht unbedeutenden Zeitraums unstreitig seine vertragsgemäße Arbeitsleistung erbracht hat.
7 Sa 518/01
wegen Arbeitsentgelt
Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Dr. Dr. Holzer-Thieser als Vorsitzender und der ehrenamtlichen Richter John und Pflaum aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09. April 2002
für Recht erkannt:
Tenor:
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 06.02.2001 - Az. 9 Ca 1291/99 A - in Nummern 1 und 4 folgendermaßen teilweise abgeändert:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 15.743,20 (in Worten: Deutsche Mark fünfzehntausendsiebenhundertdreiundvierzig 20/100) brutto ( 8.049,37) abzüglich DM 3.500,-- (in Worten: Deutsche Mark dreitausendfünfhundert) netto ( 1.789,52) nebst 4 % Zinsen aus DM 12.243,20 (in Worten: Deutsche Mark zwölftausendzweihundertdreiundvierzig 20/100) (6.259,85) seit 11.08.1999 zu zahlen. 2.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 54 %, die Beklagte 46 % zu tragen. II.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 12 %, die Beklagte 88 % zu tragen. IV.
Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:
Die Parteien streiten um restliche Lohnansprüche des Klägers für die Zeit vom 15.02. bis 18.07.1999 und einen Anspruch auf Ausstellung von Lohnbescheinigungen und um die Vorfragen, wann das Arbeitsverhältnis begonnen hat, welche Lohnhöhe vereinbart worden ist, in welchem Umfang der Kläger gearbeitet hat und wer für diese Fragen die Beweislast trägt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht geschlossen worden. Die Beklagte hat die Arbeitsbedingungen nicht schriftlich niedergelegt.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils vom 06.02.2001 (Bl. 87 - 89 d.A.) Bezug genommen. Gegen das der Beklagten am 22.05.2001 zugestellte Urteil hat sie mit Schriftsatz vom 11.06.2001, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 15.06.2001 eingegangen, Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 06.08.2001 - mit Schriftsatz vom 06.08.2001, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, begründet.
Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz und der gestellten Anträge wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 06.08.2001 (Bl. 129 - 133 d.A.) und den Schriftsatz des Klägers vom 04.09.2001 (Bl. 135 - 137 d.A.) sowie das Sitzungsprotokoll vom 09.04.2002 Bezug genommen.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird im Hinblick auf § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist fristgerecht und in der vorgeschriebenen Form eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 516, 518 f. ZPO a.F.). Die Beklagte hat zwar im vollen Umfang ihrer erstinstanzlichen Verurteilung, also auch hinsichtlich der Verurteilung zur Ausstellung von Lohnabrechnungen, Berufung eingelegt, die Berufung aber insoweit nicht gesondert begründet (§ 519 ZPO a.F.). Gleichwohl ist auch insoweit von einer zulässigen Berufung auszugehen, weil die Verurteilung zu weiteren Lohnzahlungen tatbestandliche Voraussetzung für den Lohnabrechnungsanspruch ist und die Beklagte zu den durch das Endurteil bejahten Lohnansprüchen des Klägers ausreichend vorgetragen hat.
II.
Die Berufung ist teilweise begründet.
A.
Dem Kläger steht ein Lohnanspruch für die Zeit vom 15.02.1999 bis 18.07.1999 in Höhe von DM 15.743,20 brutto abzüglich DM 3.500,-- netto nebst Zinsen zu.
1.
Für die Entscheidung ist von einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung mit dem Inhalt eines Vertragsbeginns 15.02.1999 und eines Monatslohns von DM 3.100,-- brutto auszugehen.
a)
Der Kläger hat die Vereinbarung dieser beiden Vertragsbedingungen behauptet. Nach dem Vortrag der Beklagten habe das Arbeitsverhältnis erst am 01.05.1999 begonnen und sei ein Bruttolohn von DM 18,50/Stunde vereinbart worden.
b)
Die Kammer hält den Vortrag des Klägers für wahr im Sinn des § 286 Abs. 1 ZPO.
Die Überzeugung der Kammer wird maßgeblich dadurch geprägt, dass die Beklagte die sich aus § 2 Abs. 1 NachwG ergebende Pflicht nicht erfüllt hat, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen und den Nachweis dem Kläger auszuhändigen. Diese Pflicht war nicht von einem Verlangen des Klägers abhängig (arg. § 4 Satz 1 NachwG).
Die Nichterfüllung der Nachweispflicht führt nach herrschender Meinung zwar nicht zu einer Beweislastumkehr, also nicht zu einer Beweislast des Arbeitgebers für die Richtigkeit des von ihm behaupteten Vertragsinhalts (LAG Hamm, LAGE Nr. 7 zu § 2 NachwG; Stückemann, BB 1999, 2671; Franke, DB 2000, 277; Hold, ZTR 2000, 544; Bergwitz, DB 2001, 2316); das Hauptargument hierfür ist, dass sich aus der Gesetzgebungsgeschichte die Verneinung einer vom Gesetzgeber gewollten Beweislastumkehr ergebe, nachdem der Bundesrat eine Beweislastumkehr vorgeschlagen hatte, das Gesetz diese Forderung aber nicht umgesetzt hat.
Dem Arbeitnehmer kommt aber eine Beweiserleichterung nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung zugute (LAG Köln, MDR 1999, 1074; Preis, NZA 1997, 13; Zwanziger, DB 1996, 2030; Hold, ZTR 2000, 544; Bepler, ZTR 2001, 245). Diese kann im Ergebnis einer Beweislastumkehr nahekommen (Preis, NZA 1997, 13). Im Falle einer - wie im vorliegenden Rechtsstreit - fahrlässigen Verletzung der Nachweispflicht ist der vom Arbeitnehmer zu erbringende Beweis jedenfalls dann als geführt anzusehen, wenn er durch Vortrag weiterer Indizien die Richtigkeit seines Vortrags plausibel macht (Hold, ZTR 2000, 544; Bepler, ZTR 2001, 245; LAG Köln, MDR 1999, 1074; Preis, NZA 1997, 13; Zwanziger, DB 1996, 2030). Dies hat der Kläger durch Vorlage von zwei von der Beklagten ausgestellten Urkunden getan. So hat er die mit Datum 15.02.1999 ausgestellte schriftliche Bestätigung, dass der Kläger "in unserer Firma als Bäcker tätig ist", und die Lohnabrechnung für Mai 1999, die einen "Festlohn" von DM 3.100,-- brutto ausweist, vorgelegt. Die erste Urkunde stützt den Vortrag des Klägers bezüglich des Vertragsbeginns 15.02.1999, die zweite seinen Vortrag bezüglich der vereinbarten Lohnhöhe (vgl. zur Bedeutung einer vom Arbeitgeber ausgestellten Lohnbescheinigung auch LAG Köln, MDR 1999, 1075).
Die Beklagte hat den Beweiswert dieser vom Kläger vorgetragenen Indizien nicht erschüttert. Die Behauptung der Beklagten, die Bestätigung vom 15.02.1999 sei gefälligkeitshalber zur Vorlage bei der Ausländerbehörde erfolgt, damit der Kläger ein bestehendes Arbeitsverhältnis zwecks Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis nachweisen konnte (Schriftsatz vom 02.01.2000, Seite 4, Bl. 20 d.A.), ist hierfür ungeeignet. Denn zum einen ist die vom Arbeitsamt Aschaffenburg vom 31.03.1999 ausgestellte Erlaubnis nicht als Verlängerungsbescheid, sondern offensichtlich als Erstbescheid ergangen, zum anderen ist es unwahrscheinlich, dass die Beklagte tatsächlich an einer Täuschung der deutschen Behörden mitwirken wollte. Eine Erschütterung des Beweiswerts der vom Kläger vorgetragenen Indizien folgt auch nicht aus der Tatsache, dass das Arbeitsamt die Arbeitserlaubnis erst ab 25.03.1999 erteilt hat. Denn die Beklagte hat ja selbst im Schriftsatz ihrer anwaltschaftlichen Vertreter vom 02.01.2000, Seite 4 (Bl. 20 d.A.) von einer "Verlängerung (der) Arbeitserlaubnis" gesprochen, danach muss also der Kläger die Erlaubnis zur Arbeit schon vor dem 25.03.1999 gehabt haben. Im Übrigen könnte auch aus einer erstmaligen, zum 25.03.1999 wirkenden Arbeitserlaubnis nicht darauf geschlossen werden, die Parteien hätten eine vorzeitige Arbeitsaufnahme nicht vereinbart. Ein solcher Erfahrungssatz kann angesichts der Vielzahl der in Deutschland anzutreffenden illegalen Beschäftigungen nicht bejaht werden.
2.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Lohn von DM 3.100,-- brutto für eine 40-Stunden-Woche geschuldet sein sollte.
3.
Für die Entscheidung ist weiter davon auszugehen, dass ein Änderungsvertrag hinsichtlich des Umfangs der Arbeitszeit nicht zustandegekommen ist.
Die Beklagte hat - vom Kläger bestritten - vorgetragen, dass der Kläger ab Juni 1999 täglich nur noch zwei bis drei Stunden arbeiten sollte. Für diesen Änderungsvertrag ist die Beklagte nach allgemeinen prozessualen Regeln beweisbelastet (vgl. BGH, NJW 1995, 49). Einen zulässigen Beweis hat die Beklagte nicht angetreten. Sie hat zwar die Vernehmung ihres Geschäftsführers beantragt. Doch kann eine solche Vernehmung nur als Parteivernehmung durchgeführt werden, wozu das Einverständnis des Gegners erforderlich ist (§ 447 ZPO). Da der Kläger dieses Einverständnis nicht erklärt hat, konnte die beantragte Parteivernehmung nicht durchgeführt werden. Auch eine Vernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO schied aus, weil insoweit Voraussetzung wäre, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Tatsachenvortrags der Beklagten bestanden hätte. Daran fehlt es nach den Gesamtumständen, zumal die Beklagte selbst vorgetragen hat, der Kläger habe an vier Tagen im Juli 1999 insgesamt 37 Stunden gearbeitet (Schriftsatz vom 02.01.2000, Seite 5, Bl. 21 d.A.); dies ist mit dem Vortrag einer vereinbarten täglichen Arbeitszeit von zwei bis drei Stunden unvereinbar.
4.
Die Beklagte hat pauschal eingewendet, der Kläger habe (während der Zeit der Arbeitsfähigkeit) keine 40 Stunden wöchentlich gearbeitet. Dieser Vortrag beseitigt den Klageanspruch nicht.
a)
Der Kläger ist für seine Behauptung, er habe wöchentlich im vertraglich vereinbarten Umfang von 40 Stunden gearbeitet, darlegungs- und beweisbelastet. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Mit ihrer Erklärung, sie schulde keine Vergütung, weil der Kläger nicht (ausreichend) gearbeitet habe, erhebt die Beklagte die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gemäß § 320 BGB.
§ 320 BGB ist einschlägig, da der Lohnanspruch des Klägers und der Anspruch der Beklagten auf Erbringung der Arbeitsleistung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Nach Erhebung der Einrede durch die Beklagte hat der Kläger darzulegen und zu beweisen, dass er die Arbeitsleistung erbracht hat (h.M., z.B. Soergel/Wiedemann, BGB-Komm., 12. Aufl., Rdnr. 81 zu § 320; Erman/Battes, 8. Aufl., Rdnr. 27 zu § 320; RGRK/Ballhaus, BGB-Komm., 12. Aufl., Rdnr. 33 zu § 320; MK/Emmerich, BGB-Komm., 3. Aufl., Rdnr. 77 zu § 320; Staudinger/Otto, BGB-Komm., 12. Aufl., Rdnr. 47 zu § 320; Palandt/Heinrichs, BGB-Komm., 61. Aufl., Rdnr. 14 zu § 320; anderer Ansicht Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl., S. 405; LAG Köln, Urteil vom 15.04.2002 - Az.: 13(10) Sa 1244/94, Leitsätze: BB 1995, 2276; LAG Düsseldorf, Urteil vom 05.05.1955 - Az.: 2a Sa 4/55, DB 1955, 851).
Dies folgt aus dem allgemeinen prozessualen Grundsatz, dass derjenige, der einen Anspruch geltend macht (hier: Lohnanspruch), das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen, auf die der Anspruch gestützt ist, darzulegen und zu beweisen hat. Zu diesen Voraussetzungen gehört die Erbringung von Arbeitsleistungen. Diese prozessuale Grundregel wird nicht dadurch aufgehoben, dass der Anspruch des Gläubigers im Gegenseitigkeitsverhältnis zu einem Anspruch des Vertragspartners steht und die volle Darlegungs- sowie die Beweislast erst durch die Einrede des Vertragspartners ausgelöst wird. § 320 BGB steht vielmehr im Einklang mit dem prozessualen Grundsatz, dass der Umfang der erforderlichen Darlegung von der Einlassung des Gegners abhängt und auch erst durch das Bestreiten durch den Prozessgegner die Obliegenheit einer Beweisführung durch den Gläubiger ausgelöst wird.
Soweit in den Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Köln (a.a.O.) und des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (a.a.O.) die Beweislast des Arbeitgebers mit einer tatsächlichen Vermutung begründet wird (LAG Köln: Vermutung der "Vertragstreue"; LAG Düsseldorf: Vermutung, "dass die während seiner Laufzeit ununterbrochen vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit auch bis zu seinem Ende erbracht worden ist"), kann dem nicht gefolgt werden. Tatsächliche Vermutungen finden in der Zivilprozessordnung keine Stütze. Vermutungen werden gleichwohl von der Rechtsprechung häufig zur Bewältigung von Beweisproblemen herangezogen. Ihnen kommt nach richtiger Ansicht keine Beweislastqualität zu, die Figur der tatsächlichen Vermutung ist sogar überflüssig. Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen von Prütting (Gegenwartsprobleme der Beweislast, Seite 50 f.) an. Prütting hat die obergerichtliche Judikatur zum Phänomen der tatsächlichen Vermutung einer eingehenden Analyse unterzogen und festgestellt, dass sieben verschiedene Ansätze für eine dogmatische Begründung vertreten werden, die aber alle nicht rechtfertigen, von einer Änderung der Beweislast zu sprechen (vgl. auch Zöller/Greger, ZPO-Komm., 21. Aufl., Rdnr. 33 vor § 284).
b)
Der Kläger hat die Leistung von wöchentlich 40 Stunden ausreichend substantiiert dargelegt. Er hat nämlich vorgetragen, er habe ab 15.02.1999 durchgehend während der Zeiten seiner Arbeitsfähigkeit wöchentlich (mindestens) 5 Schichten à 8 Stunden gearbeitet.
c)
Die Kammer ist gemäß § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der Kläger die Arbeitsleistungen im vertraglich vereinbarten Umfang erbracht hat. Die Kammer gewinnt ihre Überzeugung aus dem Vorliegen eines nach der Lebenserfahrung typischen Geschehensablaufs (sog. Anscheinsbeweis).
aa)
Um einen Anscheinsbeweis annehmen zu können, bedarf es eines Erfahrungsgrundsatzes (vgl. zur Unterscheidung zu einem einfachen Erfahrungssatz, dem lediglich Indiziencharakter im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung zukommt, Prütting, a.a.O., S. 106 ff.). Erfahrungsgrundsätze sind Beobachtungen von Handlungsabläufen, die nicht ausnahmslos gelten müssen. "Sie müssen aber mit höchster Wahrscheinlichkeit zutreffen ('wenn - dann meist'). Für diese Sätze ist zu verlangen, dass ein gleichmäßiger Hergang als Beobachtungsgrundlage vorhanden ist, dass sie dem neuesten Stand der Erfahrung entsprechen und dass sie eindeutig und überprüfbar formuliert werden." (Prütting, a.a.O., S. 106). Es reicht aus, wenn der hohe Grad der Bestätigung der Erfahrungsgrundsätze nach der Lebenserfahrung mit einer gewissen Evidenz festgestellt werden kann, ohne dass es in jedem Fall erforderlich wäre, eine wissenschaftliche Statistik vorzulegen (Prütting, a.a.O, S. 106).Die Gegenpartei kann die Überzeugung des Gerichts erschüttern, indem sie konkrete Tatsachen behauptet und nötigenfalls beweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines vom gewöhnlichen Verfahren abweichenden Geschehens ergibt (BGH, VersR 95, 723).Nach der Rechtsprechung des BGH kann sich eine Partei nicht auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises berufen, wenn sie die Gegenpartei in der Möglichkeit beschneidet, den Anscheinsbeweis zu widerlegen (NJW 98, 79). In Einzelfällen kann es nach Meinung der Kammer angebracht sein, diese Überlegung auf Fälle auszudehnen, in denen zwar eine Partei nicht geplant Beweismöglichkeiten der Gegenpartei beschneidet, aber gleichwohl die Gegenpartei aufgrund der konkreten Umstände keine ihr zumutbare Möglichkeit hat, den Anscheinsbeweis zu entkräften (z.B. bei Arbeitsleistungen von Außendienstmitarbeitern).
Der Anscheinsbeweis ist seinem Wesen nach Teil der freien Beweiswürdigung. Er verändert weder die Beweislast noch das Beweismaß (Prütting, a.a.O., S. 110 f.).
bb)
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist die Arbeitsleistung des Klägers als hinreichend bewiesen anzusehen.
Im Arbeitsleben besteht der Erfahrungsgrundsatz, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeit in dem vertraglich vereinbarten Umfang auch erbringt, Nichtleistungen sind die Ausnahme. Die in den Entscheidungen des LAG Köln (a.a.O.) und des LAG Düsseldorf (a.a.O.) angeführten Vermutungen entsprechen diesem von der Kammer aufgestellten Erfahrungsgrundsatz.
Dieser Erfahrungsgrundsatz gilt jedenfalls dann, wenn ein Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall - bei einer maximalen Vertragsdauer von fünf Monaten auch nach dem Vortrag der beklagten Partei über einen Zeitraum von einem Monat (hier: Mai 1999) sein reguläres Arbeitspensum erfüllt hat, also von der beklagten Partei nicht eingewandt wird, der Arbeitnehmer habe überhaupt nie die normale Arbeitsleistung erbracht.
Die Beklagte hat den typischen Geschehensablauf nicht durch Tatsachenvortrag widerlegt. Die bloße Behauptung einer Minderleistung genügt dazu nicht. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises sind im vorliegenden Fall auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unzumutbaren Überforderung der Beklagten als unanwendbar anzusehen. Die Beklagte konnte die Anwesenheit des Klägers im Betrieb ohne größere Schwierigkeiten beweiskräftig festhalten. Der Kläger war nämlich nicht ohne ständige Kontrollmöglichkeit eingesetzt.
Die Beklagte war sogar zu Aufzeichnungen mittelbar gesetzlich verpflichtet, da sie gemäß § 115 GewO die Pflicht trifft, die Löhne ihrer Arbeitnehmer zu berechnen. Das kann sie nur, wenn sie die von ihren Arbeitnehmern geleisteten Arbeitsstunden aufzeichnet. Dies gilt sowohl für Stundenlöhner als auch für Monatslöhner, da auch Monatslöhner keinen Anspruch auf Lohn für nicht geleistete Zeiten haben.
d) Damit hat der Kläger für die Zeiten der Arbeitsfähigkeit einen Lohnanspruch für 40 Stunden wöchentlich.
5.
Soweit der Kläger während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank war (13.07. bis 18.07.1999), steht ihm ein Lohnfortzahlungsanspruch gemäß § 3 EFZG zu.
Gemäß § 4 Abs. 1 EFZG ist das dem Kläger für die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen (Lohnausfallprinzip). Maßgebend ist die Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich.
6.
Unter Zugrundelegung einer 40-Stunden-Woche und einem Monatslohn von DM 3.100,-- brutto hat das Erstgericht für die Zeit vom 15.02. bis 18.07.1999 einen Betrag von DM 15.743,20 brutto ermittelt. Die Parteien haben das Rechenwerk nicht beanstandet, es kann damit der Entscheidung zugrunde gelegt werden.
7.
Der Kläger hat sich die von der Beklagten geleisteten Zahlungen im Umfang von DM 3.500,-- netto anrechnen zu lassen.
a)
Unstreitig hat der Kläger von der Beklagten DM 1.500,-- netto erhalten.
b)
Außerdem ist - entgegen der Meinung des Erstgerichts - die Zahlung der Beklagten zu berücksichtigen, die sie - für Rechnung des Klägers - an den Gläubiger des Klägers K..... erbracht hat (DM 2.000,-- netto). Der Zeuge K..... hat bei seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht Würzburg nämlich ausgesagt, dass ihm der Kläger mitgeteilt habe, der Geschäftsführer der Beklagten K.. werde ihm (dem Zeugen K.....) die DM 2.000,-- geben, die er (der Zeuge K.....) dem Kläger geliehen habe, und dass diese Zahlung tatsächlich auch erfolgt sei.
c)
Soweit die Beklagte noch die Zahlung von zwei weiteren Beträgen an den Kläger (DM 872,30 netto und DM 852,46 netto) und die Entrichtung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen behauptet hat, kann dies nicht zur Minderung der Klageforderung führen, weil der Kläger die Leistungen bestritten hat und die für die Zahlungen beweisbelastete Beklagte für ihre Behauptung keinen Beweis angetreten hat.
8.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284 Abs. 1 Satz 2, 288 BGB a.F.. Jedenfalls ab Zustellung der Klageschrift (11.08.1999) sind die Verzugszinsen geschuldet. Da der Kläger Zinsen nur ab Zustellung der Klageschrift beantragt hat, konnten ihm Zinsen - entgegen der Entscheidung des Erstgerichts - nicht schon ab einem früheren Zeitpunkt zugesprochen werden (§ 308 ZPO). Basis für den Zinsanspruch ist der Bruttobetrag, der um die geleisteten Zahlungen von DM 3.500,-- zu mindern ist.
9.
Damit ist das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 06.02.2001 insoweit abzuändern, als vom Lohnanspruch von DM 15.743,20 brutto die Zahlungen in Höhe von DM 3.500,-- netto abzuziehen sind.
Im Übrigen ist die Berufung gegen die Verurteilung zur Lohnzahlung zurückzuweisen.
B.
Die Berufung der Beklagten gegen Nummer 2 des Endurteils vom 06.02.2001 (Erteilung von Lohnabrechnungen für die Zeit vom 15.02. bis 18.07.1999 auf der Basis von DM 3.100,-- brutto monatlich) ist zurückzuweisen, da die Beklagte aufgrund der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Nebenpflicht entsprechend der dem Kläger zustehenden Lohnansprüche neue Abrechnungen zu erteilen hat. Die bisher erstellten Abrechnungen gehen von unrichtigen Größen aus und stellen keine Erfüllung des Anspruchs auf Abrechnung derjenigen Ansprüche dar, die dem Kläger durch dieses Urteil zugesprochen werden. Aus den Abrechnungen müssen sich der Betrag des jeweils verdienten monatlichen Lohnes sowie Art und Betrag der vorgenommenen Abzüge ergeben.
C.
Die Kosten des Rechtsstreits sind entsprechend dem Umfang des Unterliegens der Parteien zu quoteln (§ 92 ZPO).
1.
Im erstgerichtlichen Verfahren hat der Kläger mit seinem Zahlungs-Hauptantrag DM 17.904,-- (netto) eingeklagt. Diesen Hauptantrag hat das Erstgericht - allerdings ohne jede Begründung - abgewiesen und über den Hilfsantrag von DM 29.986,-- (DM 31.486,-- abzüglich der vom Kläger selbst eingeräumten Zahlung von DM 1.500,--) entschieden. Da der Hilfsantrag den Hauptantrag übersteigt, ist er - da beide Anträge denselben Gegenstand betreffen - für den Gebührenstreitwert maßgebend (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG). Zu addieren ist der Wert für den Abrechnungsantrag (DM 3.100,--), so dass sich ein erstinstanzlicher Gebührenwert von DM 33.086,-- ergibt.
Da die Beklagte im Umfang von DM 15.343,-- unterlegen ist (bezüglich der Lohnklage im Umfang von DM 12.243,--, bezüglich des Abrechnungsantrags im Umfang von DM 3.100,--), der Kläger bezüglich des Restes, haben die Beklagte 46 % und der Kläger 54 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen.
2.
Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens beläuft sich auf DM 17.343,-- (aufgrund der erstinstanzlichen Verurteilung der Beklagten zu einem Betrag von DM 14.243,-- und zur Erstellung der Abrechnungen, bewertet mit DM 3.100,--). Da die Beklagte mit ihrer Berufung im Umfang von DM 15.343,-- unterlegen ist, hat sie 88 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, der Kläger 12 %.
III.
Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass (§ 72 Abs. 2 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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